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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930503023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893050302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893050302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-03
- Monat1893-05
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Größere Schriften laut aafrrrm Prrit- verzeichniß Tabellarischer »nd Ziffer»satz nach höherem Lartf. ^rtra-veila,cn (gesalzt), nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördernn- 60—, mit Poslbeiörderuug ^ 70.—. AnnalimMluß für Anzeiger»; Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an dte Srtzrditton zu richten. Druck und Verlag von C. Polz tu Leipzig. Mittwoch de»Mai 1893. 87. Jahrgang. Politische TngkSschlM. * Leipzig. 3. Mai. Tcr Reichstag beginnt heute die zweite Bcratbung der Militarrvorlage. ES ist eine ungewöhnlich span- nungS- und entscheldungSvolle Situalion, aus welcher der Ausweg noch ganz unsicher ist. Die Lage bat durch den zu erwartenden Com pro mißantrag v. Huene in den allerletzten Tagen eine überraschend neue Wencuna er fahren. Der Antrag, über dessen genauen Inhalt noch allerlei widersprechende Angaben verbreitet sind, auf die wir nicht cinzugrhe» brauchen, weil der RcichStazSbericht im nächsten Morgcnblatte alle Zweifel beseitigen wird, dürste zur Stunde dem Reichstage bereits zngegangeii sein, aber nicht etwa als Antrag tcö CcnIrumS, sondern nur als persönlicher Vorschlag seines Urhebers, der möglicherweise mit den Anhängern, die er findet, zum Austritt auS seiner Parlei genöthigt wird. Wie stark die Anzahl dieser Anhänger sein wird, darüber lauten die Angaben sehr verschieden; »ach der „Germania" kann man sic an den Fingern der beiden Hände abzähle»; von anderer Seile wird auf 8—II, von noch anderer auf 13, von noch anderer auf 27 gerechnet. Uebcr die entscheidende Fractionssitzung, die gestern Abend statt- gesunden hat, liegt zur Stnnde noch keine Meldung vor. Jedenfalls ist cs in derselben zu heftigen Auseinander setzungen gekommen, die vielleicht das ganze Fortbestehen des ParteiverbandeS ernstlich in Frage stellen. Die Hoff nung, eine Mehrheit für einen von der Regierung ge billigten Compromißvorschlaa zu Stande zu bringe», beruht sodann auf einem Theile der freisinnigen Partei, Uber deren Spaltung bereits gestern bcrichlet worden ist. Da aber die unter dem Antrag Richter fehlenden Stimme» jedenfalls nicht alle dem Antrag Huene zusaUcn werde», so bleibt cS auch noch ungewiß, wie viele Mitglieder dieser Partei direct oder indirecl durch Slimmenthaiiung für daS Zustandekommen eines Eompromisscö wirken. Die „Voss. Ztg." schreibt Uber das wahrscheinliche Stimmverbältniß Folgendes: „Tcr Rcich-tag zählt augenblicklich 394 Mitglieder, die Mehr heit im vollbesetzten Hanse ist also 198. Die Nationalliberalen haben 4t, die Deutsch.Conservativen 65, die Reich-Partei l8, die Polen 17 Mandate inne. Nicherdem mögen diesen Partei gruppen 10 keiner Fraction angehorende Abgeordnete zugercchnet werden. Tie Zadl der sicheren Anhänger der MililairvoUagr stellt sich mithin aus I»1 ES fehlen zur Mehrheit noch 47 Stimmen. Dabei ist aber vorausgesetzt, daß sä mm Nicht Mitglied»» des Reichs tag- bei der Abstimmung erscheinen. Diese Voraussetzung wird nicht zu- tressen, dennsowohldieElsaß-Lothringer.wie derFurstBiSmarck werden im Reichstag nicht erscheinen. CS müssen mithin schon diele 11 Stimmen von der Gejainmtheit in Abzug gebracht werden, so das; diese aus 383 und die Mehrheit mithin auf 182 sinkt. Somit fehlen den Freunden der Mililairvorlage nur noch 4l Stimmen zur Mehrheit. Die Entscheidung ruht, wie sich die Dinge entwickelt haben, bei den Minderheiten des Centrumü »nd der freisinnigen Partei. Man versichert, daß Herr von Huene bisher nur etwa auf ein Dutzend seiner FractionSgenossen unbedingt zählen konnte. Indessen ist da- Ccntrum die stärkste Fraction des Reichstages, sic verfügt über 108 Stimmen, und eS wäre nicht unmöglich, dast unter dem Einflüsse einiger Aristokraten und zumal der Bischöfe, vielleicht auch unter der Nachwirkung der StimmungSberichte au- dem Vaticali, wenigsten- ei» Viertel der Fraction Herrn von Huene solgte. Das wären 27 Mann. Die Anhänger der Militairvorlage erreichten damit die Stärke von 178 Stimmen. Es fehlten ihnen alsdann nur noch 14 Stimmen zur Mehrheit. In de» Verhandlungen der frei- sinnigen Fraction hat sich gezeigt, daß ein Thcil der Partei zu einem Cvmvromiß geneigt sei. Tcr von der Mehrheit der Partei eingebrachte Antrag, der an der bi-herlge» PrSscnzzifser feslhält, ist von 41 Abgeordneten unterschrieben. Es fehlten die Namen von 26 Mitgliedern der Fraction. Man wird nicht all« diese 26 Mitglieder al- Freunde de- LompromisseS betrachten dürfen; einzelne Namen fehlen unter dem Anträge offen bar nur au« äußerlichen Gründen. Immerhin muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sich eine Minderheit der Fraction entschließe, Las Zustandekommen der Militairvorlage, sei es durch die Abstimmung, sei cS durch die Stimmenthaltung, zu fördern. Desgleichen wird ein Theil de- Centrums, der sich nicht ent schließen kann, für den Antrag Huene zu stimmen, doch sicherlich die Annahme diese- Anträge- durch St mmenlbaltung begünstigen. Tie letzte Entscheidung über die Mililairvorlage wird folglich allem Anschein nach nur von einer kleine» Anzahl von Stimmen abhänge». Aus eine erhebliche Mehrheit kann man sich heute weder in der eine», noch in der anderen Richlung gefaßt machen." Ta die letzte Entscheidung voraussichtlich ganz wesentlich von der Zubl der Stimmciithalningcn adbäng!, so wird die Ungewißheit wahrscheinlich lns zur ^cklnßabslimmnng dauern. Trotzdem ist cS begreiflich, das: man schon jrtzt in weiten Kreise» die Frage a»swirsf, warum Graf Eaxrivi so willig aus die Vorschläge des Freiherr» v. Huene cin- gegange» ist, während er die dcS Abg. v. Vennigscii, die koch anfangs viel Wester gingen und leichter einen Ersolg versprachen, von sich wies. VesondcrS in Siidkent s cl, laut wirft inan diese Frage ans, über die tcr „Schwad. Mcrlnr" sich folgendermaßen auSläßt: „Es dürste lei» leichtes Stück Arbeit gewesen sein, den Reichs kanzler, wie »unmchr geschehen, für eine» Verschlag zu gewinne», der, wenn er auch erhebliche Zugcsiäiiduisie macht, doch hinter der Regierunq-serderuug um ein Ansehnliches zurüctdleibt. Diese Fv» dcruug war aber bisher in der Hauptiache, der Recrutenzisser, wenn auch in Bezug auf verhältnißmäßige Nebendinge die Beieii- ivilligkeit zu Zugeständnissen nugcdeiitel wurde, uuverbrüchlich sestgehalten worden, auch dem Anträge Bennigsen gegen über. Wie koiiimt eS nun, so wird man frage», daß Huene gegenüber freundlich zuge standen wird, was man Bennigsen schroff verweigerte? ES wird vielleicht geantwortet werden, Huene dringe mehr, «IS Bennigsen angeboten habe. Aber diese Antwort wird nicht ganz befriedige». Wie, wenn diese» Mehr eben nur darum seinen Weg in den Antrag Huene gesunden hätte, damit Jemand mit guter Manier auS diesen Händen »mpsaiigk» könnte, was er auS den andern nicht nehme» wollte? Huene'» Gaben gegenüber heißt eS nun einmal unter dem neuen Curie: »v» ölet. Mau kann, wie »i» Beiiiiigien und manche Ander», in langen Jahren das Beile icines Hebens aus- gcopfert haben, um für unser Demschlaud mit zu erarbeite», was cs im glänzenden Ausschwung großer Tage erreicht hat; heute gehört man zu den Alten, die nicht mehr viel bedeuten. Andere Zeiten, andere Strömungen Ob sie da- Schiff »nsere- TtaatS an den Klippen vorbei zu glücklichen Ufern tragen werden? Der weiß eS? Gewiß ist, datz jene Alten, halb Abge- thanrn auch heut» und künstln stet- dabei sein werden, wenn etwa« Gute- für das Vaterland gestiftet wird. Sir werden auch in der gegenwärtig brennenden Frage nicht an- Scheelsucht zurückstehen, wenn aus anderem Weg«, al« dem voa ihnen bezeichnet«,,, erreicht werde» soll, roaS sie gewollt. Man rechnet auch jetzt wieder, und da kann sie nur ehren, ganz ohne Weitere- aus ihre Beihilfe zu dem neuen Bersuche, zum Ziel z» gelangen." klebrigen« muß, wie die Abstimmung schließlich auch auS- fallen mag, darauf bingewicsen werden, daß durch den Antrag Huene und die Stellung der Eentrum Spar tei zu demselben eine reckt schwere Sorge besonders der Mittelparteien gemildert wird, die Sorge nämlich, daß da- Eentrum wesentliche Eoncrssionrn auf kirchcnpolilischem Ge biete zu erwarten bade. Selbst wenn etliche 20 CcntrumS- mitglieter snr den Antrag Huene stimmen und ebenso viele durch Stimmenthaltung diesem Anträge zur Annahme verhelfen sollten, könnten die verbündeten Regierungen doch kaum daran denken, auch dir oppositionelle Minderheit durch kirchenpolitische Zugeständnisse zu belohnen. Eine solche Politik müßte eine Mißstimmung Hervorrufen, gegen welche die jetzt herrschende verschwinden müßte. Man braucht sich daher die Gcnugtluiung über die.Aussicht aus eine Einigung in der Mililairvorlage vorläufig nicht durch jene Lcsorgniß trüben zu lassen, die durch die ullramonlanc» Meldungen über die Vorgänge im Vatican während des Kaisrrbesuche« in Rom genährt wurden. Die Ahlwardt-Untersuchung bat gestern im Reichs tage ihren Abschluß daniit erreicht, daß der bekannte Antrag der Commission einstimmig, also auch durch die an wesenden Antisemiten angenoiiimen wurde. Die Genngthuung über diesen AnSgang wird aber wesentlich getrübt. Der aus nahmsweise Charakter der ganzen Sache ist zwar unverkenn bar, und die Tribüne des Reichstags ist zu Verleumdungen der schlimmste» 'Art und zur DiScrcditirnng unserer Zustände vor dem Zn- und AuSlanke sckmädlich mißbraucht worden. Trotzdem ist mit Einsetzung der UnIcrsuchungScommission augenscheinlich ein erster Schritt aus einer Bahn getdan, welche, wenn anders nicht sorgsam gesteuert wird, zu sehr acsäbrlichcii Ergebnissen führen kann. Denn eS erlcikei wobl leinen Zweifel, daß auch aus den vorliegenden Fall das Sprichwort paßt: „Was kein Einen recht, ist dem Ändern billig", und daß, wenn teinnächst etwa von anderer Seite Vertächugnngeii schwerer Art gegen in unserem öffent lichen Leben an leitender Stelle stehende Männer erhoben und ta'ür „BnvciSmalerialieii" deigebracl't würden, nur zu wahrscheinlich wiederum zur Einsetzung einer UiilcrsnchiingS- coininission und z» förmlichen Erörterungen der Be schuldigungen und ihrer Beweise geschritten werden dürste. Dem muß entschiede» entgegcngewirlt werden, wenn nicht dem epircniiichen Umsichgreifen der Verdächtigungen Vorschub geleistet werten soll. 4 aß Herr Ahlivartt nicht straflos durch Broschüren die Unwahrheiten verbreiten darf, die als solche durch de» Reichstag seslgestellt worden sind, erachten wir für selbstverständlich. Die Erklärung, welche Gladstonc im englischen Unter haus auS Anlaß des Dilke'schc» Antrages aus Räu mung EguptenS abgab, kann als eine Mnsterleisiung Gladstone'lchcr Auödrucksweisc gelte», wo er der Beantwortung einer an ib» gerichteten bcstimmken Anfrage nicht medr auS- weickcn kann. Derartige mit Wietcrbolunzen, Verllauseli- rnttgcn, zweideutigen, z»m Tbeil sich widersprechenden Wendungen gespickte Erklärungen bezwecken mehr zu vcrduntcln, als aufzuhcllcn unk für spätere Zeiten Hinter- tbürcn offen zu lasten. Freilich, die britische Occupatio» in Egnptcn ist eine Angelegenheit, wo jede englische Regierung, möge sic liberal oder conservaliv sein, sterblich ist. Es hantelt sich hierbei nicht um die Erfüllung von Prvzrainmpuiictcn, sondern um die berechtigte Stellung England«, die e- in blutigen Kämpfen erworben hat, zum Schutz und zur Siche rung der Europäer, zur Fortdauer und Wcitersübrung noth- wcnrigcr Reformen, zur Wahrung fremden EtgenthumS und teö Welthandels. «>r Charles Tilkc balle den Augenblick kcbr schlecht gcwäblt, al- er am Montag >i» englischen Unter- Hanse die Räumung EgyplcnS anrcgtc. Auf eine Annahme sxmcS Antrages konnte er von vornherein nicht rechnen, kt> galt nur die Wahrung de« Princip« nnd eine kleine srcundschastliche Wendung an die Adresse Frank reichs. Indem Gladstone die Gelegenheit wabrnahm, seine Stellung zur egyptischon Frage auScinanderzusetzen, that er dies weniger scharf, als es Lord Roscbcrh in seiner Fcbniarnotr an Lord Cromcr in Kairo gethan; er stellte sogar die Möglichkeit einer Räumung in absehbare Ferne, aber der Kcrnpuncl bleibt dock die Aufrcchlbaltung dcü Status quv. DaS ist die Hauptsache, und diese Erklärung ist von Werth für alle Mächte, den» die egvpiische Frage berührt, wir schon gesagt, ganz Europa, man könnte fast sagen, den gcsamintcn Erdkreis. Gladstone hat durch seine Erklärungen trotz ihrer Unklarheiten dem Frieden gedient; er bat gezeigt, daß auch die liberale Negierung die bisherigen Traditionen der englischen auswärtigen Politik hoch hält, daß sie nicht einer sentimentalen AnwanLlung zu Liebe im Rillande de» realistischen Grundsatz des Konti pvrsiclontes verleugnet und prciSgiebt. In Chicago bat, wie schon gemeldet, vorgestern Präsident Clcvcland die colum bische W c l l an Sst c l lu n g crössuct, welche bestimmt ist, im friedlichen WcNdewcrb tcr Völker den vicrhunderljährigcn Geburtstag Amerika« zu feiern. Die neue Welt bat gewissermaßen die alle als Palbcn geladen und die großartige, vor wenigen Tagen auf der Rhede von Ncw-Aork abgebaltcne nnd von fast alle» Seemächten EnrovaS beschieklc großartige Flcttcnrerne war die würdige Einleitung zu der stolze» internationalen Vcranstaltnng, die gegenwärtig an den Usern dcö MichiganseeS von Statten geht. Europa darf als die eigentliche Mutter dcS heutigen Amerikas gelten, welches die überschüssige Kraft, die innerhalb der Heimath- länder nickt die geeignete Verwendung finden konnten, als be fruchtendes Element empfangen bat. Namentlich unser deutsches Vaterland Kat so viele innige Wechselbeziehungen zu der mäch tigen Republik jeiiseilS des OecanS, daß jedes freudige Er eignis) innerhalb ihrer Grenzen auch bei uns einen kräftigen versländuißvollcn Widerhall findet. Deutsche Thalkraft und deutscher Fleiß haben seit Jahrhunderten mitgcarbeitet an dein stolzen Bau dcS amerikanischen Gemeinwesens, und deshalb begrüßen wir die Ausstellung in Chicago als einen Tbeil deutscher Arbeit, als ein Stück jener Schaffenskraft, die a>S Erblbeil dcS anglosächsischen Geistes gefeiert wird, lieber die Eröffnung der Ausstellung haben wir schon be richtet nnd cS ge> eickt uns zu wahrer Freude, hieran die weitere Mitlheilmig knüpfen zu können, daß die deutsche Ab »Heilung die wärmste An er kenn»ng des Präsi denten Cleveland gesunden bat, der sic alS einzig in ihrer Art und als den Glanzpunkt der ganzen An«siell»ng bezeichnclc. DaS klingt doch ganz andcrS uud viel erfreulicher, als das Unheil von 1876, wo be- kaiinllich über die denlsckc Wcllbewcrbnng in der Ausstellung zu Philadelpbia das geflügelte Wort gesprochen wurde: „Billig und schlecht." Die Nachrichten auS Cuba lauten für das Madrider Cabinet zwar nicht gerate erfreulich, aber doch auch keineswegs so entiiiulhigend, wie eS von Gegnern tcr spanischen RalionalitätS- inlcresscn targestellt wird. Es kann sich bci Bcurthcilung der Aussichten dcS AufslandputschcS nur darum handeln, ob eS gelingt, die Bewegung auf ihren AuögangSpuncl zu be schränken. In diese»! Falle erscheint ihr Schicksal von vorn herein besiegelt, da einige wenige dcS Zusammenhanges unter sich „nd der einheitlichen ziclbewußtcn Führung entbehrende Guerillabandcn jeder gegen sieanSgcbc»dcnAhthcil.ungregulärer Truppen zur leichten Beute fallen müssen. Nach einer Depesche de« GeneralgouvcrncurS von Cuba werden die Aufständischen, deren Zahl etwa 700 beträgt, von einem gewissen Antonio Mareo geführt, der bereit- im Aufstande von 1891 eine Rolle spielte. Jin Ganzen befinden sich vier Bezirke der Provinz Santiago im Ausstande. Ter Gouverneur be zeichnet die Revolution als aussichtslos, weil die große Mehrheit der Bevölkerung und die gesammte kuba nische Presse die Regierung unterstützen. Zum Nach- tbcil für die cubanischen Rebellen ist die pan- ainerikanistische Richtung, welche unter Präsident Harrison in den Vereinigte» Staaten von Amerika Oberwasser hatte, durch den Ausfall der diesjährigen PräsidciitschaftSwahlen >»S Hintertreffen gedrängt worden. DaS RcgierungS- programm dcS dcnivkralijchcn Staatsoberhauptes der Re publik, Grover Clcveland, läßt chauvinistischen Tendenzen nur geringen Spielraum, zumal jetzt, wo die Eröffnung der Chicagoer Weltausstellung slallgcfuiidcn hat und cS für den Triumph derselben von höchster Bedeutung erscheint, daß alle Trübungen der intcrnalionalcn Beziehungen hinlan- gehallcn werten, namentlich auch solche, für deren Eintritt die Amerikaner selbst, direct oder indirect, mitverantwortlich aemacht werde» könnten. ES würde daher nur den jetzt im Weißen Hause zu Washington herrschenden Grundsätzen ent spreche», wenn den in Florida, Louisiana, Jamaica und Haiti tbäligcn cnbanischcn Emigranten in nicht »nßzuverstcbender Weise bedeutet würde, daß sic für ihre Zwecke aus keinerlei Vorschnblcistung a>nerikan>scherseiIS zu rechne» haben. Nach den neueste» Meldungen ist das auch bereits geschehen, indem der Gcneralcoiisiil der Vereinigten Staaten in Havanna sich znm Gouverneur begab und ihm die bündige Versicherung gab, daß deren Regierung die Niederwerfung dcS Auf standes befördern werte und zu diesem Zwecke die kuba nischen Emigranten in den amerlkanischen Häfen überwacht würde». In Folge dieser günstigen Nachrichten beginnt man in Madrid sich zu beruhigen. F-uilletsn. Lady Sibylle. Roman von L. Schroeder. SI»itdr»ik verboten. SI (Fortsetzung.) Mr. Scymour verdiente übrigens den scheinheiligen Duck mäuser nicht. Er war rin riesiger blonder Herkules, dem die gute, arglose, thörichle Seele ganz unvcrschleicrt auS den grauen Augen blickte. Vor zwei Jabren hatte er daS zweifelhafte Glück gehabt, zum ParlamentSmitgliede gewählt, und das entschiedene Unglück, der Gatte seiner Frau zu werden. Bi« jetzt schien ibiil sein Unglück noch Seligkeit. Er war r« königlich zu frieden, daß er in seinem eigenen Hause so wenig zu sagen balle, wie er im Hause der Gemeinen zu sagen wußte. Die Launen seiner angebrtetcn Marion waren >a allesammt so reizend. Wohin der entzückende Schmetterling flatterte, solgte ihm der täppische Bär, Bewunderung knurrend. Den lln- betbeiligten war cS lächerlich, mitunler auch rührend, daß der große, thörickte Mensch darauf bestand» sich einzubiltcn, die Frau, die an jeden Mann, der ihr in den Weg kam. einen Fetzen ihre« Herzens hängen ließ, liebe ihn und ihn allein. Eben jetzt stand er in einer Fensternische neben Sibvllc und gab ibr ein harmlose« Erlebniß au« seiner Knabcnzeit zum besten Sie lächelte, horchte — aber nicht mit ganzem Obr, »nd ibr Blick haftete wie festgebannt an dem offenen Parkthor. Auf einmal stieg ein blasses Roth in ihre Wangen und sic trat bastig in da« Zimmer zurück. Gleich daraus vernahm man daS Knirschen von Rädern über den Kic«. „Tcr Herzog'?" erkundigte sich Mr. Trcberne. „Nein", beantwortete Mr. Sehmour, eine» Blick in die Einfahrt werfend, „ein Herr, der mir unbekannt ist." Sibylle begriff nicht, woher ihr plötzlich ein Herzklopfen kam. Es war ein Mietbwagcn, der unten vorfubr, ein einfacher Mietbwagcn au« Saltmoukb, trotzdem überholen sich die Diener an Pflichteifer. Der Herr, der berauSsticg, hatte etwas so ge waltig JmponirendcS in der Erscheinung. Ter schmucklose Name, den er nannte, konnte den Rcspect nicht minder» in einem Lande, in welchem durchaus nickt jeder Adelige ein An hängsel an seinem Namen hat. Der Lakai, der ihn durch die Halle und die Treppe hinaus bi« an den blauen Salon führte, durste auch gleich die Ucberreugung wieder mit hinunlcrnchmcn, daß traust dem „Herr Waldstedt!", da« er meldend gerade brecht, Sensation erregt batte. Und doch war cö auch hier oben nicht der Name, sondern die Persönlichkeit, die alle Blicke nach der Thür hinzog. Es gicbt kein Volk, daß auf die Form der Dinge und aus die äußere Schale de« Menschen mehr Gewicht legt, wie da« englische. Ein schönes Gesicht, eine hochragende, wohlpro- porlionirtr Gestalt, eine edle Haltung, ein distinguirteS Be nehmen, und der Mann mag geistig beschaffen sein, wie er will, er wird in der Gesellschaft eine Rolle lvielen. Waldstedt stand wie angewurzelt ans der Sckwellc — nicht weil eS ihn unter all' den Augen mit plötzlicher Schüchternheit überkam, sondern weil er eine Vision zu haben glaubte. Dort, in der Mitte des Gemach-, die üppige, von elfenbeinfarbener Seide umflossene Gestalt in einem Sessel bingcschmiegt, den Kopf zurllckgeworfrn, die Hände hinter dem rolhflimmerndcn Goldhaar verschlungen, saß oder lag vielmehr — er mußte zweimal scharf Hinsehen, bevor er sich überzeugen konnte, daß die Augen, die dort unter den balbgeschlossenen Lidern hcrvor- blicklcn, grün waren und nicht braun, daß eS sich nur um eine tolle Aehnlichkeit handelte. „Halte mir eingebildet, Du wärest wenigsten« einzig in Deiner Art, Irene— Sirene!" fuhr e« ihm böbnend durch den Sinn, während er jetzt langsam in da» Zimmer schritt. „Und nun auch das nicht einmal! Ein Dutzcndepemplar von einem Weibe — nickt« weiter!" Er stand wieder still — dic-mal vor einer eleganten Gestalt im schleppenden Kasckmirkleide, die ihm entgegcngetrcten war. Er blickte in ein feingeschnittene- Gefickt mit großen dunkel grancn Augen — die ihm nicht fremd sckienen — unter einer weiten, klaren Stirn, die ihm so unbekannt war wir das kastanienbraune Haar, da« sich kronensvrmig darüber verschlang „Lady Sibylle?" stieß er zweifelnd hervor. „ES scheint mir fast. Sie haben mich vergessen", sagte sie. Es sollte scherzhaft klingen, aber eS klang scharf. „Sie müssen verzeihen", stammelte er, „aber der große Hut, den Sic gestern trugen —„ Sie wußte ihm eine bessere Erklärung. Soeben auf der Schwelle — sie hatte cS deutlich gesehen — war ihm etwa- in daS Alljzc gekommen — »nd dies verwirrte ihm den Blick nnd den Sinn. Kalt reichte sie ihm die Hand, mit einer HöslichkeiiSphrasc hieß sie ihn willkommen. Sic wünscht mich zu den Antipoden, sagte er sich. Warum — zum Teufel — bat sie mich dann hierher geladen? iLcit dem Anblick, der ihm beim Eintritt geworden, wußte er ihr für die Einladung wahrlich keinen Tank. Vier volle Tage jener fatalen Aehnlichkeit gegenüber — eS war ja, um au« der Haut zu fahren! „Großmutter, dies ist Herr Waldstedt, Roberts Freund", stellte ibn Sibylle vor, nnd dann nannte sic dem Ankömmling genau dem Range nack die übrige» Mitglieder der Gesellschaft. Lcldstverständlick begrüßte man eine» Gast dcS Hauses ohne Mißtrauen, aber cS wäre auch ohnehin Niemandem eingefallen, den Man» mit dem stolzen Blick, der ruhigen Sicherheit dcS Benehmen- für unebcnl-ürtig zu halten. Man glaubte nur, sich verhört z» haben, denn in Deutschland war bekanntlich jeder dritte Mann, der Einem i» den Weg lief, ein Baron, und dieser, der allenfalls Besitzer eines der kleinen Füisten- tbümer hätte sein können, an denen daS Land so reich ist — sollte dieser gar keinen Titelballast mit sich tragen? „Setzen Sie sich hierher, Herr Waldstedt, befahl die Gräfin, ihn mit unverhohlener Bewunderung in ihr altes Eulcnauge fassend. „Nein, hierher — dicht neben mich! Ich bin nänilick kurzsichtig Also S>c sind ein Deutscher'?" „Ich habe den Vorzug", lächelte Waldstedt, ihrem Befehl gehorchend. „Sc? den Vorzug? Nun, möglich, daß c» jetzt Einer ist. u meiner Zeit hielt'« gewaltig schwer, Ihr Land auf der arte zu finden Da waren Preußen, Sachsen, Hannover, Bayern, aber Deutschland — kein Gedanke!" „Auf der Karte, da- ist noch gar nichts", versicherte Mr Trehrrne. „Man konnte da« ganze Land bereisen und nicht merken, daß man darin war." „Nun, nun! doch wobl an der Sprache?" fragte Waldstedt. „Waö sic um mich herum kauderwelschten, mein Herr, davon ahnte meine Seele nichts. Sollte das wirklich Alles deutsch gewesen sein? Na, wenn sie in dem Punct einig waren, so war'S jedenfalls der einzige." „Wie lange ist'S her, seit Ihrer Reise?" näselte Lord Ellington herüber. „Ja — wie lang' ist'S her?" grübelte Mr. Trehrrne. „Vierzig Jahre — waö?" Mit dem letzten Wort, daS wie ein kurzes, scharfes Bellen klang, wandte er sich an seine Frau, kic nur stumm und apathisch die Achseln zuckte. „Natürlich, vierzig Jabre!" erinnerte sich Mr. Trehrrne. „Die Kinder waren »och klein damals; Selina ward gar »och auf dem Arni getragen." FcucrSgluth sprang in Sclina'S Wangen, der Blick, den sie ihrem Vater zuwars, war unkindlich Mr. Seyinour'S Antlitz verschwand momentan hinter ihrem Fächer, Mr. Pcrcy bekam einen schwachen Hustenansall. „Die Kinder hatten wir nämlich alle mit", erklärte Mr. Trehrrne, „außerdem noch zwei Dienstboten und einen Courier, der nn« mit tcr Sprache anSbalf. Wir reisten in unserrni eigenen Wagen und eine gräßliche Reise war'S, mein Herr! Ein dntzrndmal am Tage kamen wir in ein anderes Fürsten- thnm und jedeSmal waren auf der Grenze Plackereien niit dem Zoll, mit den Pässen, mit de» Pferden — vor allen Dingen mit dem Geld! Was in einem Lande gute Münze gewesen, war in dem nächsten schon nicht- mehr wcrth. Die Beine mußte man sich ablaufcn nach einem Geldwechsler, bevor man ei» Butterbrot bekommen konnte! Zum Uebersiuß er krankten in einem weltvergessenen Nest ani Rhein sämmtliche Kinder an den Masern Als eS endlich weiterging, mußten der schwachen Augen wegen die Wagcnsenster verhüllt bleiben." „So daß sie von Deutschland wenig oder -ar nicht« z» sehen bekamen?" „Nicht», mein Herr, außer den Gastban-bettcn, die an Backtröge erinnerte», und den Speisen. Wunderbare Speisen! Von dem unvermeidlichen Sauerkraut gar nicht einmal zu reden, das ich für eine Art Kobl im letzten Stadium der Verwesung halte, wurden un« all« Ziegen von unglaublicher
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