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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930502022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893050202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893050202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-02
- Monat1893-05
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VIl., Nr. 105-r. Hentschcl. Mllr. Politische Tagesschau. * Leipzig. 2. Mai. Als wir gestern die Worte schrieben: „Es fragt sich nun, ob die Gruppe Huene, die dein jetzigen Reichskanzler trotz deS Falleiilasscnö des Schulgesetzes ein dankbares Gemüth zutraut und ihn deshalb zu Hallen versucht, stark genug ist, um eine knappe Mehrheit sür die nicht sehr wesentlich abgcändcrte Mil itair Vorlage zu Stande zu bringen, oder ob die nltranionlaneii Caprivistürzler den Fall dieser Vorlage, dein nach den Neuwahlen auch der Sturz des Grafen Eaprivi wahrscheinlich folgen wurde, berbeizusübrcn vermögen", da balle Herr v. Huene infolge deS Gerüchtes, der Kaiser werte mit Rücksicht aus den Ernst der Lage und die bevorstehenden folzeiischweren Beschlüsse deS Reichstags seine Rückkehr beschleunige», bereits einen neuen Versuch zur Herbeiführung einer Verständigung mit dem Reichskanzler und zur Gewinnung einer Mehrheit sür sein neues Angebot unternommen. Die Verständigung mit dem Reichskanzler ist inzwischen erfolgt. lieber die Gruiidiinicii dieser Verständigung berichtet die „Kreuzztg": „ES sollen bewilligt werde» 53500 Recrutcn statt 60000 der Vorlage und sür 14 Artillerieabtheilungc» zu 3 fahrenden Batterien je 4 Geschütze statt 6 Geschütze der Vorlage. Tie gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit will Herr v. Huene im Wesentlichen nach dem von I>r. Lieber in der Commission ei», gebrachten Anträge regeln. Erspart solle» serncr werden die sonstigen Forderungen sür die Spccialwasscn, die Etatscrböhunge» für die Grenzrcgiinenter und 2300 Lekonomie-Handwcrker. An sährlichen Ausgaben dürfte sich die Ersparniß aus etwa neun Millionen belaufen. Wie es heißt, hielt der Reichskanzler dieses Angebot sür annehmbar, obgleich die von derMilitairvcrwaltung in der Commission als unumgänglich iioihwendiacil Coinpensationen sür die Einführung der zweijährige» Dienstzeit sich auf 53 295 und 8356 Untcrossiciere beziffern." Nach einer anderen Mitthcilung gebt der neue Vorschlag Huene daki», eine Mehrbewilligung bis zu 59 00» Mann, ratenweise in fünf Jahre«, zuzugesleben. Aber auch nach dieser Meldung ist eine Verständigung zwischen dem Reichskanzler und Herrn v. Huene erfolgt. Schwieriger scheint es gewesen zu sei», auch die Zustimmung einer ge nügenden Anzahl von Abgeordneten zu dem neuen Compromiß- vorschlage zu erlangen. WaS die Conservaliven betrifft, so ist ihre Einwilligung nicht zu bezweifeln, denn die „Kreuzztg." fügt ihrer vorstehenden Mitthcilung hinzu: „Die Conservaliven konnte» heute dieser neuen isituation gege - über selbstverständlich eine cndgiltige Stellung noch nicht nehmen, nur das Eine dürfte außer Zweifel stehen, daß die Fraction unter leinen Umstände» sür eine weitere Abschwächung der Bor- tage zu haben sein würde." D. b. die Conservaliven werden dem neuen Antrag Huene zustimmen. Auch bei den Deut sch freisinnigen soll sich eine namhafte Zahl von Mitgliedern dahin entschieden haben, eS lieber aus einen Conflict mit Herrn Richter, als auf eine Auf lösung ankommen zu kaffen. Aber beim Ccn trum ist eS Herrn v. Huene augenscheinlich schwer geworden, Zustimmung zu finden. Hat er doch zu dem Mittel gegriffen, die Nachricht verbreiten zu lassen, er werde im Falle der Ablehnung der Vorlage ein RcichStagSmandat nicht wieder annehmen. Daraus aber, daß diese Nachricht bald darauf wieder zurück gezogen wurde, darf man schließen, daß Herr v. Huene wenigstens die Hoffnung noch nicht aufgegeben bat, auch von den Caprivistürzlern seiner Partei noch die nöthige Anzahl zu sich bcrübcrzuziehen und ihnen begreiflich zu machen, daß cS klüger sei, die Dankbarkeit der verbündeten Regierungen zu verdienen, als Zugeständnisse zu er trotzen. Ob diese Hoffnung sich erfüllt, muß abgewartet werden. Wahrscheinlich wird man schon morgen bei der im Reichstage beginnenden zweiten Lesung der Militair- vorlage einen S-chluß auf die Anzahl der Stimmen machen können, die der Antrag Huene auf sich vereinigen wird. Einstweilen verweisen wir auf die Ausführungen unsere» Berliner ss.-Correspondenten. Die internationale Arbeiter-Maifeier, die nach den Beschlüssen de» letzten internationalen socialistischen CongrcsseS in diesem Jahre zu einer ganz besonders groß artigen und eindringlichen Kundgebung zu Gunsten deS allgemein achtstündigen Arbeitstages sich gestatten sollte, scheint gestern fast allerwärts einen ruhigen und harmlosen Verlauf genommen zu haben und dabei sowohl quantitativ wie qualitativ — letzteres wenigsten-, wenn man die Absicht berücksichtigt, in der diese gleichzeitige Manifestation deS „Proletariats aller Länder" seinerzeit decretirl wurde — hinter ihren Vorgängerinnen vielfach zurückgeblieben zu sein. Wohl waren, da auf politischen! und socialem Gebiet der Zufall und das Unvorhergesehene eine bedeutende Rolle spielen, in den Hauptstädten und den industriellen Eentren aller Länder von den für die Aufrecht- crkaltung der öffentlichen Ordnung verantwortlichen Personen und Behörden die zur Unterdrückung etwaiger Ausschreitungen erforderlichen Vorkehrungen getroffen worden. Alle Anzeichen deuten jedoch darauf hm, daß die Arbeiter in ihrer weit überwiegenden Mehrheit sehr geringe Neigung verspürten, einigen wenigen auf Unruhen spec.lircnden Agitatoren zu Liebe ihre Haut zu Markt zu tragen oder auch nur ihre Arbeits stellen, ihren regelmäßigen Erwerb, auf das Spiel zu setzen. Bei den ersten Maifeiern wirkte die Neuheit des Unternehmens auf weiteKreise der Arbeiterschaft noch anreizend und aneisernd. „Alle Räder stehen still, wenn Dein Machtgcbot es will!" — ries man dem Manne mit der schwieligen Faust zu, und cs ge lüstete ihn, ein- oder zweimal die Probe auf da» Exempel zu machen. Sonderlich glänzend ist sie nirgend» ausgefallen, dagegen hat der offene Bruch mit den Arbeitgebern Tausenden »nd aber Tausenden nach dem einen erzwungenen Festtage lange saure Wochen, Wochen der Arbeit«- und Verdienst- losigkeit gebracht, und noch schlimmer sind Diejenigen gefahren, die im Festrausche hier und da zur Auflehnung gegen die Hüter der Ordnung, zu Verstößen gegen die obrigkeitlichen Befehle sich verleiten ließen. Man ist daher sehr viel ruhiger und sehr viel vorsichtiger geworden und sagt sich vielfach, daß das Spiel den Einsatz nicht Werth sei. In der belgischen Deputirtenkammer bereitet sich ein neuer heißer Kampf vor. Da gegenwärtig die weiteren VcrfassungSfragen, insbesondere die Vertretung der Minder heiten und die Organisation des Senates, den Ausschüssen zur Vorberathuna überwiesen sind, so soll die Kammer in gegenwärtiger Woche den Iustizetat beratben. Diese Gelegenheit will die ultraklerikale, von dem Rcchtenfübrer Woeste geführte Sippe benutzen, um den ihnen längst verhaßten Iustizmiiiistcr rn stürzen. Der Minister Lejeune, der tüchtigste Minister, den Belgien bisher gehabt, dem daS Land bedeutende, auch im Auölande als mustergiltig an erkannte Reformen verdankt, er sieht bei Len Ernennungen nwhr auf Tucht'g klerikale Gesinnung, er geht auch ^sch-N g-n g p » Soeialisten und Änarch'sten vor. ^'"cLwer ch mi Erfolg. Ansturm wird in Scene gesetzt. A „ Leieunc Lp.» um,-!..,,.-»«- Ministeriums bevor. Ein- recht nette Gesellschaft sch-in-nd.- s°cialvcm°! kratikckien Stadtvater von Marseille zu sei», v e oc den letzten G-meinderalbSwahlen daselbst die städtische Allein. ..»Ni, -.«mg.»Di. - v--"» p Marseille nach eigenem willkürlichen Belieben, gan, Sinne des absoluiistischen Wortes. „> Zum größeren Ruhme der proletarischenMaiseicr hatte c,„ Genosse die Gewährung einer Grat,s,cat.on auS stadl.schcn Mitteln in Höhe von 10 000 Francöbcanrag.E.nanderer Genosse, der vor seinem admimltrativcn Gewissen die Ter ausgabung allgemeiner Mittel zu demonstrativen Sonder- zwccken einer einzigen, wenn auch seiner eigenen, Partei mch v"ran.w°rten zu können glaubt- erhob schüchternen Wider spruch. Da kam er schön an! Wie ein Mann fielen d,c ge- sammten socialdemokratischcn patres conscriritl von Marseille über das räudige Schaf in ihrer M.tte b-r, gerbten .hm weidlich daS Fell und beförderten zu guter Letzt das Opfer ihrer Lynchjustiz mit Püffen und Fußtritten an die Lust Die 10 000 Francs wurden alsdann »nt Hurrak und der herausfordernden Begründung bewilligt, daß diese Summe nur die Restitution eines geringeren Bruch- thcilS der Gelder bedeute, um welche „daS Volk jahraus jahrein „von den herrschenden Elasscn bestohlen werde. Man glaubte der „Reaction" schon ein übergroßes Zu- geständniß mit der Einschränkung zu macken, daß die in Rede stehenden 10 00« FrcS. weder professionellen Bettlern noch den speciellen Schützlingen der einzelnen Herren ^tadt- vater rugewendet werden dürfen. Die Marseiller wissen nicht recht, ob sie über den Geniestreich ihrer selbstgewäkllcn Ver treter lachen oder sich ärgern sollen, aber sie empfinden mit jedem Tage deutlicher, daß, wer de« Schaden trägt, sür den Spott nicht zu sorgen braucht. Wie auS Rom berichtet wird, hat eS in den italienischen Hofkreisen Befremden erregt, daß der Präsident der fran- zösischen Republik, Earnot. sich zur Feier der silbernen Hochzeit des italienischen KönigspaareS durch keinen Specialgesandten vertreten ließ. Man wollte dies daraus zurückführeit. daS König Humbert in den französischen Kreisen als persönlich der Republik nicht freundlich gesinnt gelte. Sollte dem aber so sein, so wird die Unterlassung einer von den meisten Staaten beobachteten Höflichkeit wohl kaum dazu beitragen, dem Könige größere Sympathie» sür die französische Staatsleituna einzuflößen. Daß König Humbert Frankreich übel gesinnt sei, ist gewiß unrichtig. Nur muß man einen Unter schied zwischen freundlicher Gesinnung für Frankreich und der für daS republikanische System machen. Wenn König Humbert auf letzteres nicht besonders gut zu sprechen sein sollte, so wäre die- nach der Art, wie von sranzösiscker Seite die Wühlereien in Italien zu dem Zwecke betrieben werden, antidynastische und republikanische Tendenzen zu verbreiten, nicht zu verwundern. Zu den mancherlei Verlegenheiten, mit denen daS Cabinet Sagasta zu kämpfen hat, hat sich neuerdings ein nicyt unbedeutender Aufstand auf der Insel Cuba hinzugcscllt. Es handelt sich nach den vorliegenden Meldungen um einen abermaligen Versuch, die werthvolle Aiitilleninsel vom Mutter lande loSzureißcn. Den Herd dieser Bewegung bildet, wie ia früheren Fällen, der östliche Theit der Insel, die Provinz Santiago, deren Bevölkerung vorwiegend Farbige, und rege Verbindungen mit den Emigranten in den Vereinigten Staaten unterhält. DaS gegenwärtige spanische Cabinct ging eben jetzt daran, den Unzufriedenen durch politische, municipale und finanzielle Reformen, sowie durch einen neuen Zolltarif den Boden abzugraben. Die jetzige AlifstankSbewezung, über deren Umfang keine zuver lässigen Nachrichten vorlicgen, war von langer Hand vor bereitet, schon seit Wochen waren in Madrid von den spanischen Consularagentcn Warnungen cingelausen, daß etwas lin Werke sei. Für den in den amtlichen Meldungen gewohntermaßen verschleierten Ernst der Sachlage bieten die Tbatsachen, daß der Ministcrrath für die Unterdrückung des Aufstandes einen Credit von 500 000 Pesetas bewilligt und daß über die Provinz Santiago der Belagerungszustand ver hängt wurde, einen Maßstab, ebenso das Anerbieten, das Elduayen in der letzten Sitzung deS spanischen Senat- NanrenS der conservaliven Partei der Regierung gestellt hat, sie bei der Unterdrückung der cubanischen Ausslantsbcwcgumz zu unterstützen. Die Stärke der Unabhängigkeitöpartci auf der Insel erhellt daraus, daß sie bei den letzten ParlamentS- wablen die Wahl eines Senators und mehrerer Abgeordneten ihrer Richtung durchzusetzen vermochte, die eben jetzt auf dem Wege nach Madrid begriffen sind, um ikre Parlamentssitze einzunehlncn. In Bezug auf den „Attentäter" William Henry Townsend unterliegt cS keinem Zweifel mehr, daß er ein Opfer der durch Ho me-Ru le hervorgernsenen Aufregung und Erbitterung ist. TownScnd'S schwacher Geist wurde von den Ulster-Aufrufen zur Währung der Rcichöeinbcit allzusehr in Mitleidenschaft gezogen. Er laS, wie die ersten Staats männer Englands, «aliSburn, Balfvur und Churchill, be waffneten Widerstand predigten, träumte sich in die Rolle eines verdienstvollen TyraniicnlöbtcrS hinein, griff »ach einem Revolver, der ihm als Gehilfe» in einem Wasfcngcschäft leicht zur Verfügung stand, und machte sich aus de» Weg nach London, um an Gtadslonc Todlschlag auszuübcn. Auf der Polizeistalion erwies er sich nach seiner Verhaflung als durchaus nüchtern, beantwortclc alle Fragen und machte sogar aus sein Notizbuch aufmerksam. Am folgenden Tage las der Richter daraus einen Absatz vor, aus dem allerdings hervvrgiug, daß die zweite Lesung deS Home-Rule-Entwnrss dem Armen den Kops vollständig verdreht hatte. Die Verhandlungen wurden um eine Woche ausgcschoben zur Erzielung weiterer persönlicher Erkundigungen, und der Zwischenfall wird wohl damit ende», daß Townsend zeitweilig in einer Irrenanstalt »ntevgcdracht wird. Wie der Wolf in der Fabel, sucht die glat- stoneanische Presse den Vorfall gegen die Unionisten auS- zunutzcn, als hätten diese die Gewässer der Volksstimmung getrübt, während die Gladstoneancr doch selbst seit sieben Jahre» unablässig gegen den bestehenden Zustand der Dinge gewühlt haben. Es bestätigt sich, daß am 30. Mär; um 5 Uur cdrgenS der kaiserliche Eisenbab»zug während der Reise des Zaren nach dem Süden auf der 92. Werststrccke der KurSk- Gbarkow-Asowcr Bahn durch plötzliche Balmsigiialc und Ab» feuern von Schüssen der die Strecke bewachenden Soldaten zum Stehen gebracht worden ist, weil eine Schiene anf- gerisscn war. In einem hieraus bezüglichen, von derCbarkow- schen GouvernementS-Zeitung veröffentlichten Erlaß deSGeneral- direclorö der Baku beißt cS: „Nach der Untersuchung scheinen alle Maßregeln, welche von de» Angestelllcit der Balm und dem localen Chef der Seclion, Ingenieur Rudowski, getroffen waren, von Jedem mit großer Ausmertsamkeit ausgcführt worden zu sein. Der Zug wurde ruhig zur reckten Zeit gestellt, ohne daß Jemand innerhalb desselben etwas mcrkie, n»o er passirlc später sicher über die Strecke. Für solche gute Leitung und genaue Ausführung der Instructionen geziemt cs mir, meinen Da»? auözudrückcn dem Ingenieur Ruüowsli, de» Maschinisten und den Arbeitern, sowie dein Bahnwäckter Lukanow eine Feuikketsn. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nachdruck »eriotrn. 8> «Fortsetzung.) „Er braucht Geld?" rief die Alte, und aus den schwarzen Augen, aus allen Runzelchen des gelben Pergamentgesicktes, dem man auch keine Spur einstiger Schönheit mehr ansab, lachten Bosheit und Schadenfreude. Neben dem Wunsche, Sibylle zur Herzogin zu macken, batte sie keinen innigeren auf dieser Well als de», Robert einmal »m Geld betteln zu sehen. Mit welcher Wollust sie cS ikm verweigern wollte! „Wenn er Geld brauchte", antwortete Sibnlle, die Augen brauen znsainmcnzicbend, dock in saust gelassenem Tone, „so wäre sein nächster Weg wobl nicht zu Dir, Großmutter, sondern zu seinem Onkel, Lord Cbetword: aber cS bandelt sich nicht um Geld, souder» um einen Freund, den er beherbergen möchte und nickt kau»." „Ich will nicht hoffen, daß er mir zumutbet, zum zweiten mal Einen von BradlanghS »nd LabonchereS Bande ins Han» zu nehmen!" „Er mutbet Dir gar »icktS z», Großmutter. Ich war e», die ibm vorschlug, seinen Freund zu unS zu schicken." „Sieb einmal an! DaS schlugst T» ihm vor — ganz ebne Weiteres, so gaiiz, als ob Tu die Herrin hier wärest? Nun, dann wundere Dick nicht, wenn ich Deinem Gaste die Thüre weisen lasse!" „DaS wirst Du nicht thun", erwiderte Sibylle ruhig. „Ha! Fordere mich »och heraus!" fuhr die Alte erbost auf. „DaS wirst Du auS dem einfachen Grunde nicht thun, Großmutter, weil Du eine KarSbrovke bist und weil die KarSbrookeS keinen Bettler von der Tbüre weisen, geschweige denn einen Gast der Tochter des Hause»." „Es fragt sich, ob Du da» Recht hast, Gäste einzuladen!" „Das Recht?" cntgegnete Sibylle. „Ich batte sogar die Verpflichtung, al» ich Robert in der Klemme sah." Damit kreuzte sie die Arme unter dem Busen und preßte die Lippen fest aufeinander. Dies war bei ihr ein Zeichen, daß sie Mühe hatte, den innerlich kochenden Zorn vor dem Aus bruch zu bewahren. Der Alten galt cs als ein Beweis un erschütterlicher Entschlossenheit. Nun lenkte sie ein, wenn auch keifend. „Verpflichtung?" schalt sie. „Deine erste Pflicht wäre eS, meine Wünsche zu respcctiren, sollte ich meinen. Wie oft habe ich Dir wiederholt, daß ich Anarchisten und Atheisten unter meinem Dach nicht dulden will? Soll man die Leute gar noch protegiren, die einem mit dem Messer an die Kehle möchten?!" „Ich bin die Letzte, so etwas von Dir zu verlangen, Großmutter, und Du weißt eS. Dieser Mann sieht mir aber wahrlich nicht anS, als ob er der Aristokratie an die Kehle möchte." „Wie sicht er denn auS?" murrte die Gräfin. „Als ob — als ob ihm eine Fürstenkronc gar nicht übel sieben würde", cntgegnete Sibylle halb lachend, halb erröthend. „Hm! Ein junger Mann?" „In Robert s Alter mag er sein. Der hat ihn in Amerika kennen gelernt. „Doch nni HinimelSwillen kein Dankte?!" „Nein, ein Deutscher." „Sein Name?" „Waldstedt." „Kein Rang? Kein Titel?" „Ich meine doch, es genügt, daß er ein Gentleman ist." „Ja, aber wer bürgt mir dafür?" .Ich!" „Gut", nickte die Alte nach einigem Zögern, „gut! Du sollst Deinen Willen haben! Aber", setzte sie hinzu, al» Sibylle jetzt eilig an einen Schreibtisch trat, „unter einer Bedingung!" „Unter welcher?"' „Morgen kommt Lionct. Du wirst mir versprechen, Dich sür ibn so hübsch zu machen, wie Du kannst." „So hübsch, wie Mary kann", lachte Sibylle, nach Papier und Feder greifend, „ich selbst verstehe nicht» von der Kunst." „Kein Scherzen in dieser Cache, Sibylle! Sie gebt mir zu nahe Sibylle warf ein paar Zeilen aus» Papier, faltete, convrrtirte, versiegelte und beschwichtigte die Aufregung der Alten dann mit einem freundlich ernsten Blick. „Großmutter", sagte sic, „ich will mich ihm gewiß so angenehm macken, wie ich kann. Warum sollte ich auch nickt? Es ist ja Dein Wunsch und — wer weiß? — vielleicht mein Glück. Ia, wer weiß?" fuhr sie träumerisch in daS Feuer starrend fort. „Er war ein netter Zunge damals — und sehr schön dabei — ich konnte ihn nicht genug ansckcn, erinnere ick mich noch. Sein Geist freilich siel »eben seinem Körper ein bischen ab. allein — wie lange ist'S her? — Acht Jahre säst! Er bat studirt seitdem — ist viel gereist und — doch wir werden sehen! Gefalle ich ihm und er mir, so — will ich wahrlich nicht- dagegen haben, Herzogin zu werden!" Die letzten Worte rief sie lachend, aber sie reckte sich stolz in die Höbe dabei und bog den Kopf ein bischen in den Nacken So, von den, frcudesunkelndcii Blick der Alten begleitet, schritt sie der Tbüre zu. Auf halbem Wege stand sie noch einmal still und fügte in fast feierlichem Tone hinzu: „Doch daS eine sage ich Dir, Großmutter! Ich hcirathe keinen Man», den ich nicht liebe, möge er nun Herzog oder — König sein!" Die Klinke in der Hand, siel ihr noch ein, zu fragen: „Geben wir ihm das Gobelinzimmcr?" „Dem Herzog?" „Nein, Herrn Waldstedt." „Bah! dem hergelaufenen Menschen müßte ei» schlechteres genügen!" „Ich glaube nicht, Großmutter", meinte Sibylle kopsscbllttend mit einem schelmischen Lächeln. „Nach den Ansprüche», die er aus Behaglichkeit zu machen scheint, müßte ihm das Gobelin zimmer eben recht sein. Aber Du wirst entscheiden, nachdem Du morgen seine Bekanntschaft gemacht." Damit war sie hinan». Der Haushälterin, einer würdigen alten Dame ,m ste,frausckenden schwarzen Seidenkleid« die d"» Eorridor devot knixend eine» guten Abend bot reichte sie da» versiegelte Couvert mit den Worten: „Francis soll den Ponywagen nach OakhayeS zurücksühren, Mr. Mai», war.ng d.esen Brief einbändigen und auf Antwort warten. Sie selber, liebe DollinS sind gewiß so gut, noch da« Godel,»- zimnier Herrichten zu lassen sür morgen." 7. Capitcl. Erst hielt eS schwer, Waldstedt überhaupt zum Bleiben zu bewegen, dann bestand er daraus, sein Ouartier in Saltmoulh nicht zu verlassen, bis man ibn in Oatbanes beherbergen könne. Als aber Sibylle'S Brief anlangie, wart er andere» Sinnes. Er laS, laS noch einmal und murmelte: „DaS tonnte mich reizen!" Robert'-Augen begegnend, aus welchen neben freudiger Ucbcrraschung etwa- wie Argwobn blickte, beeilte er sich zu erklären: „Es konnte mich deshalb reizen, weil, wie Dn sag«t, sich morgen in KarSbrovke Conrl e,ne bock'ariitokratische Ge sellschaft versammelt. Ans Eure bobc Anstolratie aber bin ich verdammt neugierig! Keine Beleidigung, nicin Junge! Ick' weiß ja, daß Du auch dazu gehörst, aber nimm mir'S nicht übel — Du bist mir immer so ziemlich vorgckommen wie meinesgleichen." „Und meinst Tu, die klebrigen wären nick! DciucSglciche»?" lachte Robert. „Unter den Uebrigcn", cntgegnete WalesteN in spottendem Ton, „stelle ich niir rein ideale Menschen vor, tadellos, iva- dic Form, »nd gediegen, was den Inhalt belri'ii — große Geister — edle Seelen —" „Donnerwetter! wenn Du dann nur lcinc Enttäuschung erlebst! Die Form dürfte Dick allenfalls bcsricngeii, aber dev Inhalt — na, ich will nickt sagen, daß nur gar keine großen Geister und edle Seelen zu den Unseren zählen, aber — eS ist doch Manche- faul im Staate Tanemark! Seit Jahren liefert die scandalösesten EbcschcidnngSprocesse unsere bobc Aristokratie. Selbstverständlich, das T» in einem Hause wie Karöbrooke Court keine Leute niissl, mit denen sick die Fama schon in unliebsamer Weise beschäftigt bat. aber ideale Meiischrn auch wohl schwerlich — Sibnlle etwa ausgenommen. Sie ist eine Schwärmerin, die cS heilig ernst nimmt mit den Pflichten ibreS Standes und die Ankeren zutrant, dasselbe zu tbun. Dock ich rede, weiß der Himmel, als wollte ich Dich ab schrecken." „Du schreckst mich nickt. Ick frage mich »nr, ob die stolze Lady weiß, daß sie sich einen Bürgerlichen zu Gaste ladet. Hier zu Lande birgt sick, hinter einem schmucklosen Namen oft hoher Rang, aber bei uns —" „Sic weiß, daß Du ein Gentleman bist."
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