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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930504025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893050402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893050402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-04
- Monat1893-05
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TaS Ergcbuiß der vorgestern Abend abgckal- tenen, mehr als vierstündigen Fractionssitzung des Eentrum-, in welcher die Gegensätze stürmisch aus einander geprallt sein sollen, war ein vollständiger Lieg der oppositionellen Richtung unler Führung des Herrn vr. Lieber. Es sollen nur 8 cnach ankeren Quelle» 10) Mitglieder bereit sein, für den Hucne'sckeii Antrag zu stimmen ,meistens schlesische Magnaten, lein Mitglied ans dem Rheinland). Die Partei als solche bringt den aus der Ecmmission bekannten Lieber'schen Antrag wieder ein, der nicht über die gegenwärtige Präsenz hinanSgeht und nicblweiter inBetrackt kommt.Graf Ballcstrem hatsofort den Vorsitz im Vorstand »iodergclcgt; der Bruch im Eentrum ist offenkundig und schwerlich heilbar. Angesichts der^luSsichtS- losigkeit, sür ein (Kompromiß eine Mehrheit zu Stande zu bringen, soll auch die Mehrzahl der einer Persländigniiggcneigtcn Freisinnigen wieder „umgcsaUcn" sein; nur Herr Hinze soll noch entschlossen sei», für den Eompromißantrag zu stimme». Trotzdem werden auch in der freisinnigen Partei diese Vorgänge die Zersetzung beschleunigen. Gras Caprivi bat in seuier gestrigen Rete die Zustimmung der Regierungen zu dem Antrag Hncnc in sichere Aussicht gestellt, aber das kommt Alles zu spät. ES ist Alles durch Schuld aus ver schiedenen Seilen so verfahren, daß kaum ein Ausweg mehr sich zeigt. Ties ist auch die Ansicht unseres Berliner ss-Eorre- sponkenten, der uns vom gestrigen Abend schreibt: ,,Erschien gestern die Annahme deS Antrags Huene zweifelhaft, so gilt heute seine Ablehnung für nahezu gewiß. Tie Situation stellt sich nach der gestrigen Fractionssitzung des Centrum» als völlig geändert dar. Sie wird gekennzeichnet durch den Um- stand, daß der Antrag Lieber, der keine Erhöhung der Präsenzstärke bewilligt, sich also in der Hauptsache mit dem dcutschsreisinnigen Anträge deckt, heute durch den Grasen Preysing wieder ein gebracht worden ist. Damit ist die Hoffnung auf eine Ver ständigung fast gänzlich verschwunden. Graf Preysing hat, wie »ns versichert wird, noch vor kurzem einem Reich»- lagscollegen sei» schmerzliches Bedauern darüber au<- geiprochen, daß ihn die Rücksicht auf dl« Stimmung in seinem Wahlkreise und.in Altboyern überhaupt außer Stand« setze, sür Len Bermirtelungsvorschtag Huene zu stimmen. Er fügt« aber hinzu, er werde sich der Abstimmung enthalten und ein Gleiche- seien »och andere bayerische ilenlruinsmilglieder zu thun entschlossen. Und dieser selbe Gras Preysing ist nicht nur erschienen, er leihtauch einem vom militairischen Standpunkt durchaus negativen Antrag seinen R amen. An dieser Schwenkung des gegen da- Reich loyaler al bte meinen seiner Parteigenosse» gesinnten Abgeordneten läßt sich die Siärke der oppositionelle» Bewegung in der klerikalen Bevölkerung er- inciicn. Angesichts des Verhalten» de- Grasen Preysing darf es nicht Wunder nehme», wenn das Ccnlruin säst einmüihig gegen den Antrag seines bisherigen Führers Huene stimmen wird. Und nicht nur einmüthig, sondern auch so gut wie vollzählig. Tie Rechnung aus den Absen tismus must zur Stunde als eine falsche bezeichnet werden, denn die Eentrunisabgeordneten sind überaus zahlreich im Reichstag er schienen — man will 90 gezählt haben — und Niemand glaubt, daß sich die Frequenz im entscheidenden Augenblick verringern werde. Tie Partei als solche stimmt wirklich gegen Herrn von Huene, dieser zählt heute nur fünf bis acht Hintermänner. Daß sie sich nicht vermehren werden, dafür bürgt der in der gestrigen äußerst erregten Fractionssitzung erfolgte Ruckiritt de» Grafe» Ballestrcm vom Vorsitz der Fraktion und der schroffe Angriff, den in der beuiigcn Reichstagsiitzling der Abg. Gröber gegen Huene richtete. Die ,.Eenlr»»isariswkratie" -- nur solche gehören zur Minderheit— sieben bereits mit einem Fuße außerhalb der Partei. Bleibt die Situation, wie sie ist, so bat cs keine Bedeutung, wenn sich die Nachricht bestätigen jollle, daß sich dir Zahl der deutschfrei sinnig cn TlssiLenicn schon vermindert habe und auch der Rest, wie ja bereit» angcküiidigt, nur in dein Falle sür Len Antrag Huene stimmen werde, wenn er einer Mehrheit sicher sei. Dazu koinmt, daß die Elsässer wider Erwarten im Reichstag erschienen sind »nd fast einmüthig gegen das Eompromiß votircn FauiUat»«». Lady Sibylle. Roman von L Schroeder. N«chdruck verboten. 101 «Fortsetzung.) Wäbrcnd dieser ihm das Haar kunstgerecht scheitelte, ihm den schwarzen GescllschaflSanziig anlcgte unk die weiße Hals binde mit Meisterhand knüpfte, batte Waldstedt immerfort einen Gobelin vor Augen, aus kein ein schlankes Fräulein, mil blasiem Antlitz unk winzig kleinem Fuß, reife Kirschen in eine goldene Schale fammelle. Indem er daS Fräulein ansah, sah er Sibylle. „Ist sie schön?" fragte er sich, und fand keine Antwort darauf, kam immer nur zu dem ärgerlichen Schluß: „Sic bat Eiswasser statt Blut in den Adern!" Als er wieder in den blauen Salon trat, batte sich die Gesellschaft bedeutend vermehrt. Die Mainwaring» waren mil ihren Gästen herübergckommcn und von den benachbarten Schlösiern Dieser »nk Jener Volltönende Rainen schlugen a» Waldstedt s Ohr. Er grllßle, verneigte sich hierhin und dorthin und ließ sich dann von dem Herzog in eine Ecke ziehe». Dieser befand sich i» gewaltiger Aufregung. Wie Irrlkchter im nächtlichen Moor, so tanzten Frcukcnflämmchen in seinen nielanchclischen Augen. „Ein herrliches — ein ganz herrliche-Weib!" wiederholte er einmal über das andere. „Wer? Lady Sibylle?" erkundigte sich Waldstedt. „Ach nein, die ist ja schön, wie ei» Engel, aber — sehen Sie doch nur! Da, mitte» im Saale — neben Mainwaring — ei» Kleid wie Mondschein auf Meerwasser, ein malte« Schillern zwischen.Grün und Blau — haben Sie'S? Run denn! Dieser Racken, diese Arme, diese flmkensprühenden Haare — was sagen Sic dazu?" „Ich gebe Eurer Durchlaucht recht. DaS ist kein Engel, sondern der Teufel!" „Ha, ha, ha!" lachte der Herzog. „Wenn der Teufel so auSsieht, dann verschreibe ich ihm im Ru meine Seele!" werden. Sicher sind nur die Nationalliberalen, die Conservativeu. die Reichspartei und die Polen. Diese Parteien würden bei einer Frequenz, wie sie der Reichstag heute auswies, auch dann in der Minderheit bleiben, wenn sich noch mehr Drutichfreisinniae, als vorauSgejebcn, zu ihnen gesellen würden. In dem erregten Parlamente wurde die Lage sehr ernst angesehen Die Frage, ob Auflösung oder nicht, bewegte wieder die Gemüther. Im Augenblick ist jede Borheriage müßig. Gras Taprivi yal sich über den Punct sehr diplomatisch auSgedrückt. Seine Mittheilung, daß die Bundesstaaten sich noch nicht einmal über den Antrag Huene geäußert, bestätigte übrigens die Ansicht, daß die Frage der Aus lösung noch nicht Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Einzelregirrungcn geworden ist. Ter Bundes- raih ist aber in der Lage, rasche Entschlüsse zu fassen. Tie Ministerpräsidenten von Bayern und Württemberg sind in Berlin anwesend; Letzterer wohnte der heutigen Sitzung bei. Dieselbe wurde zum größten Dhcil von dem Kanzler in Anspruch genommen, dem es natürlich nicht gelang und nicht gelingen konnte, die vielen großen Fehler, die er im ganzen Verlaus der Angelegenheit begangen hat. durch eine formschöne Rede wieder gut zu machen. Graf Caprivi unterließ nicht, sein früher im Abgeordnetenhausc gefälltes Unheil, das, heutzutage alleParteieninDeutschland nationalseien.inent- schiedenen Worten zurückrunehnien. Er bemerkte zutreffend, daß die Mehrheit der Teutschfreisinntgen gleich den Socialdemokraten auf daS Milizsystem hinauSwollen, und stellte fest,daß da« Eentrum die Interessen des Vaterlandes der Partei opfere. Daß der Schaden, Len er durch ,ene Anerkennung aller Parteien angcrichtel, nicht mehr gut zu machen ist, mußte aber Gras Eaprivi schon vor seiner Rede erkennen. Ter ultramvntane Referent Gröber spielt« auf da» gute Lcumundzcugniß, da« der Reichskanzler seiner Partei im preußischen Landtag ausgestellt hat, an, und bet Neu wahlen wird cs der Kanzler erlebe», daß eS größere Wirkung Ihut als seine jüngste Rede Gras Eaprivi wird auch ig Zukunst ein Hinderniß sür die Hreresresorm bilden, wie er es bisher gewesen ist." Nur wenig hoffnungsvoller äußert sich unser Berliner tztz-Eorrespondent, der unS folgendermaßen schreibt: „Der Ernst der Lage prägt« sich heute aus allen Gesichtern au», und man sah und empfand eS deutlich, daß nicht nur die Par lamentarier sich bewußt waren, vor einer folgenschweren Entscheidung zu stehen, sondern daß heut« auch nicht blos ein schaulustige« Publicum sich zu den Tribünen de- Reichstag» drängte, daß viel- mehr auch dieses dem Ernst der Stunde volle« Versiändniß entgegen- brachte. Und nun wir diese Zellen schreiben, spät Abends, da wir dem Leser berichten sollen über de» Stand und die Aussichten der Militairvorlage, ob es wahrscheinlicher ist, daß eine Per- ständigung mit der Regierung erzielt werde, oder ob die Aus lösung de» Reichstag» erfolgt — da können wir nur dasselbe sagen wie seit Wochen, wie seit Monate»: auch in diesem Augenblick ist der AuSgang noch nicht abzusehen. Alles steht „aus des Messer» Schneide . Graf Caprivi hat heute „stir die Regierungen Preußen» und deS Reiches" die Erklärung abgegeben, daß sie in dem Antrag des Abg. v. Huene eine annehmbare Lösung der Militairsrage finden. Die Erklärung ist van höchster Bedeutung, lind wenn sie v o r z w e i M o n a t e n in der Commission er folgt wäre, wäre diese wahrscheinlich nicht mit leeren Händen vor Las Plenum getreten, dann Hütte sich gewiß eine Ver ständigung erzielen lassen, man Hane sich nicht, wie es nach dem Schluß der Tommissionsberalhungen geschehen, aus sreisinnniger »nd ultramontancr Seite so sehr sür die Ablehnung „feslgebissen". Ob wohl auch der Reichskanzler jetzt erkennt, daß cs ein schwerer politischer Fehler war, den so wahlgemeinten Bcrmitielliiigsvorschlägcn sich bi« heule so schroff ablehnend gegenüber gestellt zu haben? Zur Stunde Herathen die Fraktionen noch. Boi» Centrum rechnet man bis jetzt nur aus die Zustimmung von höchsten« zehn Mitgliedern z»m Antrag v. Huene«. Tie beiden konservativen und die »atian all! berate Partei werden in voller Würdigung der schweren Gefahren, welche uns Neuwahlen bereiten kannte», dem Vorichlage beitreten; aber aus wie viel Freisinnige zu zählen ist, wissen diese selbst nicht, da eine Anzahl von ihnen schwnnkt und keinen bestimmten Entschluß z» fassen vermag. Tie schließlich« Entscheidung hängt von der Besetzung de« Hauses ab. Die Aus- rcchnung der „Freist Ztg." ist nicht maßgebend, denn man darf wohl annehmen, datz eine Anzahl Freisinniger und Cen- trunismitglieder, wenn sie auch nicht zustimmcn. doch lieber fern bleiben werde», als durch Stärkung der gegnerischen Stimmen die Vorlage gefährden. — Die zweite Lesung der Militair- Vorlage dürste wahrscheinlich noch zwei Tage, Tonnerslag und Freitag, in Anspruch nehmen, und cs wird jetzt mit ziemlicher Sicherheit angenommen, daß eine dritte Berathung stattsindet, da, wenn der v. Huene'sche Vorschlag auch noch nicht in zweiter „Da möchte ich denn doch warnen —" „Warum? Thorheit! Ich —" „Nein, Scherz bei Seite, ich kenne sie nicht näher, aber ich wette meinen Kopf darauf, öS ist eine gefährliche Frau!" „Frau? Sie wollen doch nickt etwa sagen, daß sie —" „Tie ist verheiratbet — eine Mrö. Seymour." Der junge Herzog fiel a»S allen seinen Himmeln. „Es ist dock ein rasende- Poch, das ich habe!" rief er, mit dem Fuß aufstampfend. „Tic Schönsten sind immer schon für inick verloren!" Die Enttäuschung wqr so naiv und so echt — sie reizte Waldstedt zum Hetzen, aber sic gefiel ihm auck. Er fühlte sich verpflichtet, drefria heißblütigen jungen Telemach gegen über ein bischen Mentor z» spielen. „Wer kiese Schönste zur Frau hat", belehrte er, „ist ein unglücklicher Mann." „Und wo steckt er, der Unglückliche? Ist er anwesend?' „Der Hüne da — neben dem Kamin." „Der kein Auge von ihr wendet — dem die Seligkeit aus jedem Zuae lacht?" „Nur ein Hährchen noch Geduld — dann schaut er anders drein!" Es kam eine Unterbrechung in Gestalt von Robert und Ladv Miltrcd Mainwaring. Tie Dame zeigte außer in den, hohe» schlanken WuckS wenig Achulickkeit mit ihrer Schwester. Sic war eine hell äugige Blondine, mit dreißig Iabren fast schon dem Verblühe» nahe In rer Gesellschaft war sic die personisicirte Lieben« Würdigkeit, dabeim stellte sie ihr Licht nicht fetten unter den Scheffel. Sie fand, daß sie Ursache hatte. Sic hatte einen Mann ohne Geld gebeirathel, und nun war er zum Uebersluß auch ein Mann ohne Elirgeiz. Er strebte au» dem engen Rahmen, in ken ihn die Verhältnisse zwangen, gar nicht hinaus. Seine Frau, seine Kinder, seine Flinte im Winter, seine Angel im Sommer, weiter brauchte er nichts zu seinem Glück, wahrend sic sick in kein brennenden Verlangen verzehrte, endlich einmal mit ausreichenden Mitteln die große Dame zu spielen. Daß Lord Cbctword wenig leben zu wollen schien, dagegen war „icklS zu macken, aber warum Robert sich nicht um einen Gouverneurposten bemühen sollte, sah sie nicht ein. Bei dem Lesung eine Mehrheit findet, die Zahl der sür ihn Stimmenden doch groß genug sein wird, um eine Berslandigung in dritter Lesung auch der Regierung noch oussichlsvoll ericheinen zu lassen. Di« Vertreter des ablehnenden Volums empfinden das Bedürsniß — Wahlreden zu halten, und diese werden wir wohl zunächst von Herrn vr. Lieber zu hören bekommen." Daß Graf Eaprivi sich gestern über die Frage der Auf lösung sehr diplomatisch geäußert dal, ist sehr begreiflich. Mehren sich doch selbst im Lager der ergebenste» Regierungs- srcunde die Stimmen, welche die Auflistung als ein Wagniß binstellen, das die Regierung lieber nicht auf sich nehmen sollte. So schreibt der halbamtliche Berliner Berichterstatter der „Schles. Ztg.": „Wer die ReichStagsscenen der letzten Wochen überblickt, wird der Möglichkeit der Auslösung unter den heutzutage in Deutsch land cinhcrmogenden Strömungen wohl mit weniger leichtem Herzen entgegenieyen. Ob diese Sirömungcn in 2 Jahren nach dem natürliche» Ende der Mahlzeit noch dieselben sein würden, ist keineswegs ausgemacht. Heute haben wir sie in voller Stärke vor uns, und kein rudiger Beurlheilcr wagt sich der Hoffnung Innzugcbcn, daß der neuzuwählende Reichstag Len militairischen Anforderungen günstiger sei, ja, daß er überhaupt die Unterlage sür eine zur Nolh noch angängige Fortführung der Reichspolitik bicien würde. Eine Neuwahl wie im Februar 1987 würde unser Ansehen nach außen stärken. Ter heutzutage weilhin herrschende Pessimismus, der sich in jüngster Zeit, soweit die parlamentarischen Dinge in Betracht kommen, vielfach bis zum Aeußersien gesteigert hat, schließt aber jede Hoffnung aus ein ähn liches Wahlresuilat aus. Von der Auslösung bez. den Neuwahlen ist also nicht nur eine trostlose Verwirrung im Innern, sondern auch eine Schädigung unseres Ansehens nach außen zu bcsürchlc». Beides wurde, wenn es einträte, die Reichsgewalt zu Schrillen drängen niüssen, die sich heute der Erörterung ent- iehen. Es mag muthiger klingen, wenn inan allen diesen Schwierig- eiten gegenüber lustig zum Kampfe bläst, patriotischer ober ist cs, wenn inan die Anstrengungen verdoppelt, das Aeußerstc zu ver meiden." Die große Mebrkcit de« EentrumS speculirt offenbar da raus, daß die „trostlose Verwirrung im Innern", welche durch Ne> wählen sich offenbaren müßte, den Grasen Eaprivi zum R ü 1 l rit t und de» Kaiser zur Ernennung eine« noch centrum«- sreuiidlicheren Kanzlers notbigen werbe. Diese Speculation durcy eine Auslösung zu unterstützen, wäre kaum minder ge fährlich, al« der Versuch, das oppositionelle Eentrum durch kircheupolitischeZugeständnisse zu erka ufen und zu belohnen. Ob eS dem Grafen Eaprivi möglich sein wird, aus die Mitt,«irvorlagr vorläufig ganz zu verzichten und trotz ihrer Ablehnung auf seinem Posten zu bleiben, da- ist freilich eine Frage, aus die uns und vielleicht auch dem Herrn Reichs kanzler selbst dir Antwort fehlt. Politische Tagesschau. " Let-zig. 4. Mal. Al» mitaetbeilt wurde, der deutsche Kaiser werke seinen Rückweg aus Italien durch die Schweiz nebmen und der schweizerische BundeSratb werde ibm einen ofsiciellen Empfang bereiten, da wie« die russische Presse geflissentlich daraus bin, baß ei» solcher Besuch eines Monarchen bei dem Präsidenten einer Republik und insonderbeit bei der Frank reich so nahe liegende» schweizerischen Republik unangebracht erscheine und einen Besuch de« Zaren in Paris scbr lcickt zur Folge habe» könnte Die französische Presse stimmte begreiflicherweise i» die an der Newa angeschlagene Tonart bereitwilligst ei». Es kann daher kaum überraschen, daß sich französische Berichterstatter beeilten, den schweizerischen VnntcS- präsiteiitc» Schenk n»d den BundeSratb Lachen» l über den Ausenthall des Kaisers in der Schwei; auSznfragen. Allerdings sind sie in ihren Erwartungen recht sehr enttäuscht worden. Herr Schenk versicherte, daß der Besuch keinerlei politische Bedeutung habe. Die Schweiz, als neutrale« Land, wolle gute Beziehungen zu allen Nachbarn unterhalten, und Kaiser Wilhelm'« Besuch sei die äußere Bekundung der guten Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland. Herr Lachenal konnlc »och weniger Einfluß, den die Fainilie in NegicrungSkreisen halte, konnte c« ihm gar nicht feblcn, »»d sic war ja tausendmal lieber ans einer einsamen Insel im Ocean die Erste, als hier die Zweite ober Dritte. Allein sie mochle sich heiser roden, sich Falten in die glatte Stir» grämen und Robert von den vicrundzwanzig Stunden täglich ein paar verbittern, c« half ihr nicht«, sic rüttelte ibn ans seinem Phlegma nicht cinst Laby Mildred hoffte mit ihrem strahlendsten Lächeln, daß Waldstedt mit seinem Quartier zufrieden sei, begrüßte daraus den Herzog und verwickelte diesen in ei» Gespräch, „MaS hältst Du von ihm?" fragte Robert, wen Freund bei Seite nehmend. „Bon dem Herzog?" „Ja." „Kennst Du „Fiaaro'S Hochzeit"?" „Die Oper? Gewiß " „Nun denn, der Herzog ,st Cherubim." „Was? Ter verliebte Page, der allen Frauenzimmern nachläuft? Eine nette Aussicht für Sibnllc!" „Wenn fle ih» heiralhct." „Und das ist wahrscheinlich." „Diesen Knaben?" sagle Waldstedt kopfschüttelnd. Ich kann eS mir nicht recht denken!" Hinterher wunderte er sich über den eigene» Ausspruch, denn daß sie den Lockunge» einer herzoglichen Krone widerstehen werde, konnte er sich doch i»> Grunde auch nicht recht denken. „Der Knabe", ereiferte sich Robert, „ist nicht jünger al« sie!" „Möglich, aber sic ist alt sür ihre Jahre. Wo mag sie sich übrigen» jetzt aufhalten? Ich sehe sie nirgends." „Ich denke, sic sitzt in irgend einem stillen Winkel und sucht nnS für die Tafel zu paaren. DaS ist ein kopszcrbrcchenLe« Stuck Arbeit, kann ich Dir sagen. Man muß Debrett'S Peerage geradezu auswendig wissen, um eS Allo» recht zu machen. Ich selber habe neulich ei» schöne« Unglück angerichlct. E» handelte sich um die Enkelin eine» Baron» und die Tochter eines BaronetS. Ich ließ in strafwürdiger Unwissenheit dieser den Vortritt und bade eS nun mit jener so verdorben, daß sie mich nicht mehr kennt, wenn sie mir aus der Straße begegnet" Indem Robert noch sprach, ward die Flugellyür im Hintergründe weit aufgeworfen, eine lange Flucht strahlend daS SensationSbedürfniß der Pariser befriedigen. Er be- schränkie sich darauf, die Gewandtheit und Vielseitigkeit in deS Kaisers Unterhaltung zu rühmen. Der Kaiser bade über seine Reisen, über Volk-wirtbschafl. Kunst, die Alkobolfrage, über Landschaften und Etbnograpbie mit gleicher Kenntniß und großer Leichtigkeit gesprochen. Vorgänge von besonderer politischer Bedeutung werden selbst die Franzosen hierin nicht erblicken wollen. Gestern konnten wir daS günstige und ehrende Zeugniß des Präsidenten Eleveland über die deutsche Abtheilung der WeNauSstellung in Ehicago miitheilen. Auch von anderer Seile werden llrtbeilc laut, nach denen in der That auf der betreffenden Ausstellung Deutschland der Vorrang gebührt. So sagt ein hervorragendes englisches, in Glasgow erscheinendes Fachblatt, die unangenehme batsache könne nicht verschwiegen werden, daß Grohbritauiin» nicht den ersten Rang in der Ausstellung einnimmt. Die imponirendste Entfaltung seine- Können« habe Deutschland gemacht, »nd zwar nicht ganz ohne gereckten Zusammenhang mit dem ewigen Gang der Dinge. Deutschland habe zu der Lieblingsschöpfung der amerikanischen Nation wirklich Wesent liches bcigeiragen. Wie weiter aus Ehicago gemeldet wird, ist alle AilSfickl vorhanden, daß auch die deulsche Unterrichts» Au-sie llu ii g, in der übrigens die UniversitätS-Abtbeilung den weitaus größten Tbeil bildet, früher fertig wird, als dir der anderen Nationen. Die« ist uni so mcbr zu begrüßen, als dem Fortgang der Arbeiten durch die dortigen Lobn- Vcrbällnissc »nd eigcnthümlichen Arbeiter-Ringbildungrn nicht unerhebliche Schwierigkeiten erwuchsen. Wir haben schon gemeldet, daß die Interpellation de« socialistischen Abgeordneten Dumay in der französischen Dev ntirtcn kämme r zu stürmischen Sccnen führte. Wenn schließlich die Rechte sich nickt dafür entschieden hätte, für die Regierung einzulrelen, so wäre jedenfalls eine neue Ministerkrisis herringrbrochen. Dumay richtete an dir Regierung die Anfrage, warum die Arbritrrbörse am Mai tage geschlossen worden sei. Er rrblicke darin eine Aufreizung der Arbeiter, die ein Recht hätten, diese« Institut zu benutzen. Die Regierung habe einen Krawall Kaden wollen, und die» sei ihr durch ihr provecirendeö Vorgehen gelungen. Die Polizei sei mit unerhörter Brutalität vargrgcmgen, sie habe die Abgeordneten verhöhnt und verlacht, als sie ihre Schärpen anlegten, und damit die Kammer beleidigt. Baudin sei gcohrseigt und beschimpft, feine Schärpe zerrissen worden. Unter dem Kaiserreich seien solche Gewalt- thalen nicht vorgekommen, und er verlange eine strenge Untersuchung und Bestrafung der Polizisten, wenn diese nicht ihre Instructionen nicht von dem jungen Ministerium erbalten, das so schöne Versprechungen gemacht habe. I »Ministerpräsident und Minister des -Innern Dupun draniworlete die Inter pellation in sehr schroffem Ton, indem er die betreffenden Polizcibcaiitttii beglückwünschte, daß sie die ihnen ertheillen Instructionen so gewissenliasl erfüllt und damit die öffentlich« Sicherheit gewadrr hätten. Von den Herren Dumay und Baudin sei die Menge zum Aufruhr gereizt worden. Di« Regierung war, da die gemäßigte Linke und dir Bonapartisten sich gegen da« Verfahre» der Polizei erklärten, a»sche>nend in Gefahr, die jedoch wich, als die Rechte sich auf ihre Seit« schlug und ibr die Mebrheit sicherte. Die socialistischen Organe und die gesummte radikale Presse wüthen nun gegen da« Ministerium wegen der Erklärungen Dupuy's, wäbrend die republikanische und ein Tbeil der conservativeu Presse dir energische Haltung de« Minister- feiert, und die von Eonstan» inspirirten Organe ibren Aerger nicht verbergen, daß Dupuy anscheinend EonstanS entbehrlich macht. In Betreff de« Au sstandeS auf der Insel Euba lauten beule die Berichle weniger günstig für die Regierung i» Madrid. Es sind schleunigst beträchtliche Verstärkungen »ach dem Schauplatz de« Aufstandes abgesandt worden und erleuchteter Gemächer schimmerte herein, ein schwarzgekleideter Oioom c,t' tlio cliamliet« in Kniehosen, Seidcnstrünipsen, mit Silbersckiialle» aus den Schuhe» kam feierlich dahergeschritten »nd verkündete, sich vor der Gräfin respectvoll verneigend, daß Ihrer Herrlickkeit servirt sei. Fast gleichzeitig trat durch eine Seitenthür Eibylle. Bei ihrem Anblick eittsuhr Waldstedt ein Laut der Ucberraschung, denn ihre ganze Erscheinung war wie ein Hohn auf seine letzten Worte. Sie trug ein Mattrosakleid, schleppenlos und vo» weicher indischer Seide, daS die Arme bis zum Ellbogen frei ließ »nd das vorn ii» bcrzshrmige» Ausschnitt de» wundervollku Ansatz de- Halses zeiale. Eine Perlenschnur ui» den Nacken geschlungen, eine blasse Rose im braunen Haar — Weiler trug sie keine» Schmuck, al« gerate den der Jugend lichkeit, welche» Waldstedt bis jetzt an ibr vermißt batte. ,,Wa« doch solch' ein Kleitcrsäbiiche» nicht thut", staunte er innerlich. „Alt für ihre Jahre? Ich wage kaum, ihr sechzehn zu geben in diesem Augenblick" Sic hielt ein Blatt Papier »i der Hand, warf einen Blick daraus, spabte umher und kam auf die Freunde zu. „Ich sehe mein Schicksal voraus", seufzte Robert, „ich werte den Hausherrn vertreten n»d die verkörperte Langeweile zu Tisch subren niüssen! — T>e Herzogin — nicht wahr, Sibylle?" - „Wenn Tu so gut sein willst, Robert." „Kann dieser Kelch nicht einem Ander» gereicht werden?' „Ich fürchte, nicht", war die lächelnde Entgegnung. Robert ging mit sanersüßer Miene, seiner Pflicht zu ge nügen, Sibylle eilte kierhin und dorthin und, von ihr auf- gefordert, setzte sich ein Paar »ach dem andern in Bewegung. Plötzlich stand sie wieder vor Waldstedt. „Lars ich Sie bitte», Mrs. Seymour Ihren Arm zu reichen?" fragte sie und sah ihm voll ins Gesicht dabei. Wenn sie erwartet batte, ih» aus einem freudigen Augen- blitz zu ertappen, so täuschte sic sich Ein kaum merkliche« Zucken seiner Brauen, dann verneigte er sich förmlich. Sie batte kaum den Rücken gewandt, da trat der Herz»- zu Waldstedt „Die Ketzer werten bestraft", lachte er. „Wenn sie nur nicht mehr verbrannt werden", lautet« di« gleichniütbige Erwiderung.
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