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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-09
- Monat1893-05
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Aller dings stellen sich nun infolge der Differenzen, die im Lager des CentrumS und der Deutschsrcisinnigen schon längere Zeit herrschten und durch die Entscheidung über tie Militairvorlage schroff zu Tage getreten sind, diesen beiden Parteien erhebliche Schwierigkeiten bei ihrem Wablseldzuge in den Weg, und auch die Socialdemokratie gebt nicht einig in den Kampf. Trotzdem oder vielmehr gerade deshalb wird cS zur besonderen Pflicht der in der Minorität gebliebenen Parteien, den Borsprung, den ihre Gegner bei den Wahlvorbereitungen gewonnen haben, schleunigst anSzugleichen und den Bortheil, der ihnen durch den Hader unter den feindlichen Parteien erwächst, nach Kräften anSzunutzen. Erfreulicherweise sind die Parteileitungen auch bereits in rühriger Tbätigkeit. Die Freiconservativen babm ihren Wahlaufruf schon erlassen, die Conservativen und die Nationallibcralen werden in diesen Tagen folgen. Einstweilen richtet die „Nat.-Lib. Corr." an ihre Gesinnungsgenossen die folgende beherzigenswerthe Mahnung: „Die Wahlbewcgung wird und muß jetzt unver züglich in lebhaftesten Gang kommen. Man war ja schon lange aus das Ereigniß gefaßt und keine Partei wird von demselben überrascht worden sein. Aber manches, insbesondere die Aufstellung von Candidaten, die Veranstaltung von Wähler- und BertrauenSmännerversamm- lungen, der Erlaß von Aufrufen, die Scblagsertig- machung der ganzen Organisation muß jetzt unverzüglich und mit größter Ehatkraft in die Hand genommen werden. Wir haben den Eindruck, daß die zu einer Verständigung über die Militairreform bereiten Parteien mit gar nicht schlechten Aussichten in den Wahlkamps ziehen, und wir glauben bestimmt erwarten zu dürfen, daß sich diese Aus sichten, jetzt, wo eine so folgenschwere Entscheidung an das Volk berantritt und von den Wählern ein klares und festes Wort verlangt wird, von Tag zu Tag noch bessern werden. Sonst müßten wir an dem Patriotismus des deutschen Volkes und seiner Entschlossenheit, für sei» nationales Dasein die äußerste Kraft einzusetzcn, verzweifeln. Die Parole im Wahlkampf ist >etzt klar und bestimmt gegeben, sie lautet: Verständigung über die HecrcS- resorm aus den von den verbündeten Regierungen und einer ansehnlichen Minderheit deS Reichstags gebilligten Grundlagen. So viel als möglich muß auch diese Parole die einzige sein; andere Fragen, die nur Verwirrung und Unfrieden stiften, sollten aus diesem Wahlkampf unter den Nationalen Parteien möglichst auSgeschieden werden. Man kaffe sich auch durch die zu erwartenden Wahlmanöver der Gegner nicht beirren. Schon hören wir wieder das alte Lied, es bandle sich bei diesem Wahlkampf im Grund gar nicht um die Militairvorlage, sondern um ganz andere Dinge, um Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts, um Monopole, um agrarische Interessen u. s. w. DaS sind Wähl st unke re ien. ES bandelt sich bei diesem Wahlkampf um die Sicherheit unseres Reichs, um den Bestand unserer nationalen Einheit, und dagegen muß alles Andere zurücktreten. Mit dieser klaren und einfachen Parole treten wir in den Wahlkampf ein. Und wenn wir auch nicht werden Verbindern könne», daß der wüste Kampf um materielle Interessen und kleinliche Parteivortheile, der unser heutiges politisches Leben so unerfreulich auSzcickmet, mit zügelloser Macht auSbricht, wir haben doch »och Ver trauen, daß die großen vaterländischen Fragen, die jetzt auf dem Spiel stehen, im Volke Würdigung und Verständniß rnderr." Auch die Lffictösen lassen sich vernehmen, und zwar, wie zu erwarten war, zu Gunsten eines möglichst einigen und geschlossenen Zusammengehens aller Wähler, denen eS darum zu thun ist, die HcereSverstärkung nach Maß gabe deS Huene'schen Antrages zu erreichen. So schreiben die „Berl. Polit. Nachr.": „Da es das Ziel ist, die HcereSverstärkung nach Maß gabe deS Huene'schen Antrages zu erreichen, so kommt es in erster Linie darauf an, möglichst viele Männer in den Reichstag zu senden, weiche für diesen An trag zu stimmen bereit sind. Soweit dieser Haupt- gesichtSpunct nicht berücksichtigt wird, mögen andere Rück sichten namentlich wirthschastSpolitischcr Natur für die Wahl des Candidaten bestimmend sein, aber das ent scheidende Moment muß doch immer die Stellung zur Heeresvorlage sein, dergestalt, daß, wenn eS sich darum handeln sollte,entweder einem Anhänger derHecresvorlagevon wirthschaftSpolitisch abweichender Ansicht overeinemGcgner derselben niit gleicher wirthschastSpolitischcr Anschauung zum Siege zu verhelfen, ohne Frage der Entschluß im Sinne der erster en Eventualität zu fassen sein wird. Es ergiebt sich daraus zugleich die Stellung, welche gegenüber den Mitgliedern der deutschfreisinnigen Partei und deS CentrumS, die Anhänger der Militairvorlage sind» einzunehmcn ist. Vorbehaltlich der Fälle, in denen ein anderer sicherer Anhänger der HecreSvorlage den Vorzug verdient, werden die deutschfreisinnigen Freunde derselben, soweit sich nicht ein aleichwerthiger Candidat mit militairisch gleicher, aber WirthschaftSpolitisch zusagender Anschauung findet, die der HecreSvorlage freundlich gesinnten Centrumsmänner aber unbe dingt zu unterstützen sein. Stimmenzersplitterung unter denFrc» nden der HecreSvorlage ist aus dem doppelten Grunde sehr bedenklich, weil erfahrungsgemäß Stichwahlen den Gegnern den größere» Vortheil biete» und bei starker^er- splitternng selbst die Gefahr besteht, nicht in die engere Wahl zu kommen. Concentration aller nicht oppositio nellen Stimmen auf den geeignetsten Candidaten, thunlichst schon im ersten Wahlgange ist daher ei» Gebot politischer Nothwendigkeit. klm sich den LuxuS von Zählcandidaturen zu gestatten, ist die Sacke wirklich zu wichtig und zu ernst. Nicht darauf kommt e« an, wieviel Stimmen jede Partei für sich regi st ri re n kann, sondern darauf, daß die Heeres Verstärkung in dem nächsten Reichstage die Mehrheit erhalte. Gegenüber diesem Hauptziele vom Standpunct des Vaterlandes müssen alle andere» Rücksichten der Partei oder sonstiger Natur zurückstehen." Die Warnung vor dem LuxuS derZahlcandidaturen richtet sich augenscheinlich gegen die Mahnung der „Con fer vat. Corr.", „in allen Wahlkreisen, in denen sich con- servative Organisationen befinden, eigene Candidaten, und seien eS auch nur Zählcandidaten," aufzustellen. Im politischen Parteigetriebc der Gegenwart spielt be kanntlich auch die WäbrungSfrage eine große Rolle und eS stehen sich die Anhänger und die Gegner der sogenannten Doppel-Währung einander schroff gegenüber. Nxmrtzmczs setzen die Gegner der Goldwährung, trotz der Ergeb- nißlosigkeit der bisherigen Beratbungen, auf die inter nationale Mnnzconferr»; in Brüssel große Hoffnungen Die Regierung in Washington, die im Hinblick au^ die Schädigung der amerikanischen Silber-Minen-Be sitzer durch das anhaltende Sinken deS Silberpreises ein besonderes Interesse daran hat, dem weißen Metall die Eigenschaft als allgemein anerkanntes Münzmetall zu sichern und die Herstellung einer festen Wcrtbrelalion zwischen Silber und Gold herbeizrisühren, ist in der Thal entschlossen, die Initiative zur Wiedereröffnung der Cou- erenz zu ergreifen. In dieser Frage gedenkt Präsident Cleveland also in den von seinem AmtSvorgängcr ein- gcschlagenen Bahnen zu verharren. Es bestätigt sich ferner, daß als Conserenzorl Brüssel ausS Neue in Aussicht genommen ist, doch werden die Verhandlungen erst zu Anfang deS Herbstes beginnen. Ob die Berathungen in ihrem weiteren Verlaufe fruchtbringender sich gestalten werden, als eS bisher der Fall gewesen, laßt sich in Anbetracht der einer allseitigen Verständigung entgegenstebenden sehr bedeutenden Schwierig keiten nicht Vorhersagen, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß die bimetallistische Bewegung zur Zeit in ausstcigentcr Linie sich befindet, vor Allem in England, das bisher am wenigsten geneigt schien, den Anhängern der Doppelwährung irgendwelche Zugeständnisse zu machen. In Betreff des Ausstandes auf der Insel Euba liegen heute Meldungen aus New-Aork vor, wonach dort am letzten Freitag eine Versammlung von tausend Cubancrn zu Gunsten der Revolution stattgesunden bat. Im Laufe der Verhand lungen wurde eine größere Summe zur Unterstützung der Bewegung gesammelt und ein Comitö gewählt, um die weitere Agitation zu betreiben. Unter den Anwesenden be fanden sich Scnnor Benjamin Gucrra, Schatzmeister der cubanischcn rcvolutionairen Partei in Amerika, und Scnnor Tboniaö PalmaS, Präsident der kurzlebigen cnbanischcn Republik, die 1878 unterdrückt wurde. Mehrere enthu siastische Reden wurden gehalten, u. A. vom Oberst Einilio Nunnez, der an der letzten Revolution thätigcn An- thcil genommen. Er erklärte, daß er bereit sei, seine Person und Alles, was er besitze, für die Sache zu opfern. — Eine Versammlung, der alle Cigarrenarbeiter beiwohnten, wurde ebenfalls in Key West abgebalte». Eine Summe von lO Dollars wurde von Jedem zur Unterstützung der Be wegung gezeichnet. Die Redner gaben zu, daß die jetzige Revolte wahrscheinlich Fiaöco machen werde. Die Partei verpfändete jedoch ihr Wort, daß sic ihre Anstrengungen sortsctzcn werde, bis die Freiheit Cubaö erlangt sei; 2000 Personen — eine Anzahl von Amerikanern mit eingcschlossen — haben ihre Bereitwilligkeit ausgedrückt, sich nach Cuba zu begeben, im Falle ihre Dienste gebraucht würden. — Eine Summe von 100 000 Dollars, welche während der letzten zwei Jahre in Key West gesammelt wurde, ist a» da« Central - ComitS in New-Aork gesandt worden. Nachrichten, welche am Sonna-end von Havana eingctrofscu sind, melden, daß in allen Theilen der Insel und be sonders in der Provinz, wo die Revolution ausbrach, Ruhe herrsche. — Die New-Iorker „Times" sagen, daß Scnnor Rafael Diaz, ein wohlhabender Cnbaner in San Antonio, Texas, einen Brief von einem Mitglicde der rcvolutionairen Partei in Cuba erhalten hat. Danach sind alle Vorbereitungen zu einem großen Aufstande gegen die spanische Herr schaft, welcher in der ersten Woche im Juni stalt- finden soll, getroffen worden. Nachdem daS norwegische Ministerium am Sonnabend vom Storthing daS beantragte Misstrauensvotum erhalten hat, ist der Kampf zwischen Volksvertretung und Regierung offen ausgebrochen Ministerpräsident Slang hatte am Tage vor der Abstimmung erklärt, cS sei nicht seine Absicht, eine Entscheidung der ConsulatSsachc im Streite mit dem Storthing herbeizusühren. Suche dieses der Regierung die Arbeit unmöglich zu macken, so würde das Land in die schwierigsten Verhältnisse geratbcn und Niemand könne wissen, was die Folgen sein würden. Storthings- präsident Ullmaun drohte Slang mit dem Reichsgericht, wie seinerzeit daS Ministerium Selmer vor ein solches gestellt und verurtbeilt wurde. Diesmal würde dafür gesorgt werde«, daß die Minister für unwürdig erklärt würden, selbst Acmter als Armenausseher oder Steuercinnebincr zu bekleiden. Auf die Frage, was geschehen würde, wenn tie Linke bei den nächsten Wahlen wiederum siege, erklärte Slang, zu der Ant FouiUotsn. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nachdruck verboten. 14> (Fortsetzung.) „Weshalb unmöglich?" verwunderte er sich. Sie gab keine Antwort, aber das Blut stieg ihr verrätherisch in die Wange. Er trat dicht vor sie hin. ,Dhun Sie mir doch den Ge fallen, Lady Sibylle!" bettelte er. Nach einer Pause: „Es wäre mir eine solche Freude, Ihr Haus zu besichtigen!" Wieder nach einer Pause im berzbcweglichstcn Ton: „Sie haben mich da oben eine ganze Stunde lang unfreundlich be handelt — nun sind Sie mir eine kleine Entschädigung schuldig — wahrhaftig, ganz wahrhaftig, Lady Sibylle!" Dabei sah er ihr unvc.wandt in daS Gesicht, und in seinen dunklen Augen war neben schmeichelndem Flehen eine sanft zwingende Gewalt, der sie nicht widerstehen konnte, plötzlich auch gar nicht mehr widerstehen wollte. Stumm nickte sie. Wie ein Kind ließ sie sich von ihm aus den Arm nehmen. Als sie oben schwebte, stieg eS ihr wie ein süßer Rausch zu Kopse, zugleich aber klopfte ibr daS Herz zum Zerspringen au- Angst — aus Todesangst, sie werde in übermächtig aus- wallendem Gefühl jetzt, nun ihr die Versuchung so nahe war, den Arm um seine» Nacken schlingen und sein schönes Haupt an ihre Brust pressen. Sie dankte Gott, daß nicht- Derartiges geschehen war, al« er sie am jenseitigen Ufer niedersetzte, allein dir Angst bebte ihr noch in allen Gliedern und ihr Antlitz war wachs bleich. Es fiel ibm aus. „Ich glaube gar", lachte er, „Sie haben gefürchtet, ich würde Sie ins Wasser fallen lassen! So wenig Vertrauen, Ladb^ Sibylle?" Sie protestirte mit heftigem Kopsschütteln gegen die Anklage, aber sie sprach kein Wort, war auch nicht zu bewegen, seinen Arm wieder anzunehmen. „ES ist nicht mehr nöthig", stammelte sie, „wir sind gleich angelangt." Er begriff, daß ihr die Situation höchst peinlich gewesen und suchte ihr nun durch Scherze und harmloses Geplauder darüber wegzubclfen. klebrigen« gefiel sic ihm mit jedem Moment bester. Die stolze, die „königliche" Sibylle, die von dem himmelhohen Berg ihres GeburtSadelS herunter verächtlich über Emporkömmlingc sprach und eine strenge Kastcncintbcilung im Volke befürwortete, war ihm ganz aus dem Gcdächlniß gekommen. So jung, so kindlich schüchtern, so ganz und gar verändert schien sie ihm — ordentlich kleiner glaubte er sie geworden. Etwas Selbstbewußtsein kehrte ihr zurück, als sie ihren eigene» Grund und Boden betrat und das epbeu überrankte LandbäuSchen vor ibr lag. Es war einstöckig, im Cottagestyl erbaut, hatte Butzenscheiben in den Fenstern, einen kleinen hölzernen PorticuS, den wucherndes Blumenwerk zur Laube umgestaltet hatte, und hob sich freundlich ab von einem Hinter gründe immergrüner Eichen. „Ich hatte e« schon als Kind lieb", erklärte Sillylle, „und Tante Blanche, eine Schwester meiner Mutter, der es gehörte, hat eS mir in ihrem Testamente vermacht." Mit dem schweren Eisenring, den ein Löwenkopf im Maul hielt, klopfte sie zweimal an dir Tbür und Waldstedt war cS zum Verwundern, wie ihre schlanke Gestalt zu wachsen schien, wie sie der alten Frau gegenüber, die jetzt devot knixend aus der Schwelle erschien, im Nu die Miene und den Ton der gnädigen Herrin gesunden batte. „Liebe Mason", bemerkte sie, ..wir sind naß geworden." „Naß geworden — Mylady'?" jammerte die Alte und warf einen Blick zum Himmel empor, der deutlicher als Worte sagte: „Eine solche Rücksichtslosigkeit hätte ich Dir da oben nicht zugetraut!" „Nun bei dem Wetter", lächelte Sibylle, „war es wobl nicht ander- zu erwarten. E« ist auch gar kein Unglück. Seien Sic nur so aut, im Salon daS Kaminseuer anzuzllntc»." „Aber gewiß, Mylady — im Autzenblick, Mylady!" Tie Diensteifrige eilte schon fort, da mahnte Waldstedt Sibylle — Sie sollten, wenn irgend möglich, die Schuhe wechseln." „Wirklich?" meinte sie lächelnd. „Sie werden sich sonst vielleicht erkälten." „Mason", ries Sibylle, „wollen Sic mir ein Paar Schuhe leihen?" „Meine Schube?" stotterte die Alte ihren Ohren nicht trauend. „Meine schlechten Schuhe für Mylady?" „Wenn Sie so gut sein wollen, Mason!" „Aber Mylady werden mit beiden Füßen in einen meiner Schube hinein können." „DaS macht nichts! Geben Sie nur her!" tröstete Sibylle. Aus eine Thür zur Linken deutend, setzte sic hinzu: „Wenn Sic da drinnen einen Augenblick aus mich warten wollen, Herr Waldstedt, ich bin sofort wieder zurück." Damit folgte sic der Alten und Waldstedt trat in einen Raum, der an ein Puppenstübchen erinnerte. Hier war, ge schmackvoll genug ausgestellt, daS Mobiliar, daS man in einem wohleingcrichteten Salon zu finden erwartet, aber eS schien so sein, so klein, so Lberzierlich, daß Waldstedt wenigstens keinem der Stühle und Sessel seine gewichtige Persönlichkeit anzuvertrauc» wagte. Daneben batte er da« Gesübl, er müsse immerfort den Kopf ein wenig ducken, um nickt unoer- schen« gegen die Decke zu stoßen. ES ward ihm im Lause von wenigen Minuten so ängstlich beklommen zuniuthe, daß er gerade im Begriffe War, eine« der Fenstcrchen aufzuwcrscn, als Sibylle eintrat. Sie mußte sich in ihrem eigenen Heim wohl recht behaglich süblen, denn ihre Befangenheit war so vollständig überwunden, daß sie noch aus der Schwelle in ein heiteres Gelächter auS- brach. DaS klang so voll, so warm aus dem Herzen heraus wie ihre Stimme, wenn sie sang, und eS war ihm so neu, so unerwartet, daß er da« Fenster ließ und fast erschrocken sich umkehrte. „Verzeihung!" bat sie. „Ich mußte unwillkürlich an Gulliver im Lanke der Liliputaner denken." „Ungefähr stimmt daS Gleickniß", gab er lächelnd zu „ES ist merkwürdig", sagte sic, erstaunt um sich blickend, .^karSbrooke ist doch auch kochgewachsen, aber niemals ist mir da« Zimmer zu klein für ihn vorgrkominen. — Nun werden Sie von Ihrer stolzen Höhe aus mein winziges Reich hcrab- seheu?" wort ermächtigt zu sein, daß, wenn die Wahlen gegen die Regierung aiiSfielcn, der König die Zusammensetzung seines Ministeriums in erneute Erwägung ziehe» würde. Was jetzt »ach Annahme des Mißtrauensvotums geschieht, ist gänzlich unklar. Die Linke will im Finanzausschuß Vor schlägen, die Taselgeldcr der StaatSminister wie das Pro sesiorcnhoiiorar des neue» CultuSministerS Bang einzuziehen; außerdem soll der Antrag aus Herabsetzung der Civilliste des Königs von Neuem eingebrachl werke». Zuerst will daö Storthing aber den Cbcf der Kricgswerft in Horten zur Verantwortung rieben. Auch der gewesene Staatümilrister in Stockholm, Blckr, soll ausgesordert werden, vor dem Stortbin>z zu erscheinen, um Auskunft darüber zu ertheilen, was i» machen der Eonsulatösrage zwischen der Stockholmer StaatsrathSadthciluiig und denr Könige verhandelt wurde. Norwegen siebt jedenfalls am Beginn einer sehr ernsten Krisis In Russland existirt bekanntlich eine slawische Wohlthätig kritS-Olrsctlschast, die ihren Sitz in Petersburg hat und im Lause der letzten Iabre durch ihre ungeschickte politische Tbätigkeit oft von sich reden machte. Wenn man berück sichtigt, daß Graf Ignatiew, einer der rücksichtslosesten panslawistischcn Agitatoren, der Präsident der gedachten Gesellschaft ist, so weiß »ran schon zur Genüge, was man von ihr zu halte» hat. Die Gesellschaft feiert dcninächst daS sürisundzwanzigjährige Jubiläum ihres Bestehens und aus diesem Anlaß unterzieht kein Geringerer, als der fürstliche Rcdacleur des „ G r a s b d a n i n ", ihre Tbätigkeit einer schonungslosen Kritik. „Graf Ignatiew, der Vorsitzende des slawischen ComitöS", so führt dieses Blatt aus, „soll am Iubiläumstagc eine Rede unter dem Titel: „Tie Wabrbeit über die Slawen" halten. Wenn er wirklich die reinste Wahrheit beranSsagcn wird, so ist vielleicht zu hoffen, daß die slawische WohltbätigkeitS Gesellschaft endlich begreifen wird, daß sie bis jetzt in großer Kurzsichtigkeit und Selbsttäuschung gelebt bat, welche uns und den slawi schen Brüderchen Schaden zugesügt haben. Die Herren Kemarow »nd Aristow mögen mir meine Vcrwegcnlrcit ver zechen, wenn ich mir erlaube, zu belheuern, daß die siinsrmd- zwanzigjährige Tbätigkeit der slawischen Gesellschaft ein Fest der Unwahrheit, der Betrügereien und Enttäuschungen ist. So viel ist in diesem Zeitraum gelogen worden, daß, wäre ich an Stelle deS Vorsitzenden tiefes ComitöS, ich nicht nur die Feier dieses unglückseligen Iul-ilännis verlvorsc», mich »och anr Vorabende in ein Loch verkrochen bätte vorScha», vor der civili- sirtcir Welt »nd vor diesen slawische» Brüderchen, im Namen derer wir so viel gelogen und so viele Tnmiiihcitcn begangen haben." Daß selbst er» russisches Blatt ei» so hartes llrtbcit über tie Gesellschaft fällt, ist gewiß charakteristisch. Aber bei aller Entschiedenheit deckt der „Grasbdaniii" ihre ganze Erbärmlichkeit doch noch nicht auf. Blau weiß, daß sie bei allerhand Schlechtigkeiten im Balkan, zumal auch in Bulgarien, ihre Hand im Spiele gehabt hat und daß mancher Mort aus ihr Conto zu schreiben ist. Deutsches Reith. * Leipzig, 0. Mai. Tie „Dresdner Nachrichten" theilen in ihrer heutigen Nuliimer über die bevorstehenden ReichStagSwahlc» Folgendes mit: „Tic beriorsleyendeir Neuwahlen werden in »»serem engeren Vaterlande mancherlei Verschiebungen mit sich bringe», da eine große Anzahl der bisherigen llandidaicn nicht wieder geneigt sein soll, ein Atandal anziinehmen. So Hort man, daß im 1. bis mit 7. Wahlkreise die bisherigen Vertreter Bnddebcrg, .Eossmann, Hemyel, tue»»», Enltzsch, Ackermann, v. Frießn nicht wieder candidiren wollen, daß ebenso 0>ri»nbt im di.. Gehlert im 20. »nd Holzinan», im 21. Wahlkreise anr ihre Wiederausslellnng verzichten. I>>. Mehnert soll, wie eine anr Sonntag Nachmittag in Priestewitz sraltgehabic Vertrauensinaiinerveriamiiiiniig einstimmig bcichloß, im 7. Wahlkreise ausgestellt werden und wird daher in seinem bisherige» 10. Wahlkreise nicht wieder candidiren, obwohl Con- „Durckaus nickt", scherzte er, „ich kann auch bewundern, was ich nicht anzutastcn wage." „Lassen Sie nur!" lachte sie. „ES hat gar keine Gefahr. Sie dürfe» sich sogar setzen." „Nein, wirklich?" „Wahrhaftig! Sehen Sic, hier ist KarSbroole'S Sessel — dem können Sic schon trauen." „Ich lt»re besser", sagte er, sich aus einen anderen nicder- lassend, „ich traue Ihrem Wort." Sic harte ihm gegenüber Platz genommc» und ließ »un den Blick »och einmal durch das Zimmer schweife». „Begreifen Sic, warum ich das Alles so schön gesunden habe, mein Lcbcnlang?" fragte sie plötzlich „Ebenso wobt", antwortete er, „wie ich begreife, daß sich Marie Antoinette ans den Riesensälen von Versailles gar zu gern »r die Puppcnstübchcir des kleinen Trianon flüchtete." „Las ist's", nickte sic, „der Contrast! Diese endlosen Räume und öden Corridore bei unS — mein armes, schwaches Mütterchen hatte eine» Weg von fünf Minute», »m von ihrem Schlaigemach i» uilscr Kindcrziiiimer zu gelangen — und nun bei Tante Blanche hier in Myrtlc Cottage Alles so hübsch dicht bei einander. Dazu Tante Blanche selber, die so zierlich in ihre» kleinen Rahmen paßte. Ach bitte, kommen Sie mit, ich muß Ihnen ihr Bild doch zeigen!" Sie sprang auf, und er folgte ihr durch zwei Ziinmcrchcn in ein größeres Zimmer, Ganz geheuer war ibm nicht, so gefährlich, niunter und lebhaft erschien sic ibm in ihren eigene» vier Wänden. „Dies ist der sogenannte Musiksaal", erklärte Sibvlle, „hier pflegte sie den größten Theil ihrer Zeit ziizubringcn, denn sie spielte wundervoll Elavier. Eigcuilich war die Harfe ihr LieblingSinstrument, aber die rührte sie nicht mehr an seitdem — ach! cS ist ein armer, dummer, llemer Roman, der damit zusammcnbängt. Leben Sie, kort über der Harfe hängt ibr Bild!" „Es gleicht —", begann Waldstedt und stockte. „Nun'?" „Ich meine, cS gleiche Ihnen, Lady Sibnlle." Sic lack'te bell aus „Ach, wen» Sie ahnen könnten, welch' eine Schmeichelei Sic mir da sagen", rief sic aus, „aber
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