Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-10
- Monat1893-05
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis U der Hauptexpedition oder den tm Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Laus SchO. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Lesterreich: viertel,ahrlich ü.—. Directe tägliche Äreuzbandiendung in- Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend-Aurgabe B-ochenlagS 5 Uhr. Nedaction und LrveLition: Iohaunesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbiochen geössuet voa früh 8 bis AbeudS 7 Uhr. Filialen: ktt« Klemm's Tortim. «Rlfre« Hahn)» Universität»,»»«« 1, Louis Lösche, Katharinens». 14, pari, und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. §WN für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg^ Neclamen unter dem Redactionsstrich (4gne spalten- 50-^, vor den Familieanachrichte» <K gespalten) 40 Größere Schristen laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsas nach höherem Tarif. Ertra-Veilsgen (gesalzt), nur mit her Morgen - Ausgabe, ohne Postdrsördenrna -4 SO.—, mit Postdrsörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: Abend »Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sonn- und Festtag- stich '/,9 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eins halb« Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expetzttirn zu richte». Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig. 237. Mittwoch den 10. Mai 1893. 87. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Donnerstag, den 11. Mai, Vormittags nur bis Vs9 Uhr pevssuet. I-xpedltlon des l^eiir/d?er lareedlattes. Politische Togesschau.. * Leipzig. 40. Mai. Der Reichstag must der Verfassung gemäß neunzig Tage nach der Auflösung wieder versammelt werden. Man hätte also dis zur Eröffnung der nruen Trsfion Zeit dis Anfang August. ES dürft« jedoch bereits sestslehen, daß die Einberusuug erheblich früher, schon Ende Juni ober Anfang Juli, erfolgt. Darauf deutet auch die starke Ab- iiirzung der für Neuwahlen bei einer Auflösung vorgcjchriedeiien Höchstfrist von sechzig Tagen. Wir erinnern daran, daß auck beider Auslosung vom 14. Januar 1887 das Wiederzusamme»- tttten des Reichstags möglichst beschleunigt wurde. Die Neu wahlen wurden damals am 2l. Februar vvrgenommen, der neue Reichstag am .1. März eröffnet. Bei der Eröffnung der Sitzungen waren noch nicht einmal die Stichwahlen ins- gesammt vollzogen, was der Opposition Veranlassung gab, gegen die verfrühte Einberufung eines „Rumpfparlaments" Verwahrung einzulegcn, ohne indessen der Sache weitere Folge zu geben. Dem neuen Reichstag wird, wie man annehincn mutz, alsbald die Mililairvorlagc in der Gestalt wieder zugehen, über welche die Regierung mit der Minderheit des Reichstags übereingekommcn war. Wir halten an der Hoffnung fest, daß der neue Reichstag eine Mehrheit aufweiseu wird, mit welcher die Verständigung gelingt. In weiten Wählerkreisen wird doch Nachdenken und Besonnenheit einkehren, und mancher Abgeordnete, der bis jetzt Widerstand geleistet, wird durch einen andern ersetzt werden oder sich eines Besseren besinnen. Die Neigung, zu einer Ver ständigung in der HcercSfrage zu gelangen, ist schon seit geraumer Zeit im Volke unverkennbar in der Zunahme be griffen. Ader freilich, bei der Unberechenbarst» und Viel gestaltigkeit der jetzt beginnende» Wahlbewcgung muß man sich auch aus einen schlimmen AuSgang gesatzt mache». Bei der herrschenden Zersetzung und Auswüblung unseres ganzen öffentlichen Lebens bleibt cs immer zweifelhaft, ob die patriotischen und einsichtigen Männer unseres Volkes noch zahlreich und mächtig genug sink, dem Andrang zerstörender iiiiv lediglich verneinender Kräfte zu widerstehen, ob vater ländische Gesinnung und politische Vernunft »och ihre Geltung behaupten. Auf alle Fälle ist die Entscheidung, der wir jetzt mit einem neuen Ruf an das Volk entgeaengehen, ein Wagc- stück, das große Gefahren in sich schließt und noch zu ganz unübersehbaren Verwicklungen führe» kann. WaS geschieht im Falle einer wiederholten Ablehnung? Abermalige Auflösung? Und dann, wenn eS wieder nicht« Hilst? Man braucht sich diese möglichen Folgen nur vorzustcllen, um zu erkennen, daß cS hier verhängnistvolle Wege giebl, die geradezu in die äußersten Gesahre» sür »»s'er ganzes staatliches Leben hineinführen. Mö^e jeder Wähler, der einem Gegner der Verständigung seine «stimme geben will, sich noch einmal die ganze Verantwortung für möglicherweise daraus entspringende überaus ernste Folgen klar machen I Leider hat eS noch nicht den Anschein, als ob die bei der Abstimmung über die Mililairvorlagc in der Minderheit ge bliebenen Parteien überall zu engem Aiieinanvrrschluff bet den Neuwahlen sich enlschließcn könnten. Besonders bei den preußischen Conscrvative» stößt ein solcher Ancindcr- schluß aus Widerstand. So meint die „Krcuzztg.", mir von „Fall zu Fall" könne zwischen den Parteien, t» am 0. Mai für den Antrag Hucne gestimmt baden, „hier und da" ein Abkommen getroffen werken; am besten aber erst für den zweiten Wahlgang. Zunächst gehe jede Partei am sichersten, wen» sie sür ihren eigenen Eandidaten eintrelc. Daß die Partei dabei am sichersten gehe, mag richtig sein; aber eS bandelt sich jetzt darum, wie das Interesse des Reiches am sichersten gewahrt wird, unk dieses Interesse verlangt, daß die MinderbcilSparteicn de« ausgelösten Reichstags nicht ihren verbündeten Gegnern die Aussicht gewähre», schon im ersten Wablgange die zersplitter ten Freunde eine« Zustandekommens der Mililairvorlagc zu schlagen. Mit Freuten ist daher die Mahnung der frei- conservativen „Post" zu begrüßen: „Für die Neuwahlen wirb eS geboten sein, unter den Cartel- Parteien den Besitzstand ausrecht zu erhalten, d. h. di« Abgeordneten wieder auszusiclle», welche sür die Milltairvorlagc gestimmt haben. Im Ucdrige» wird man sich auf die Persönlichkeiten zu einigen haben — gleichgiitig, welcher Parleischailirung sie an- gehöre» —, die sür die Militairvorlage zu stimmen sich verpflichten. Um Stichwahlen zu vermeiden, müssen alle Parteigegensätze im klebrigen zurückgeslellt werde». De» srivolen Hexereien gewisser extremer Richtungen muß fester Wider- stand geleistet werden. Ter Candidat werde ausgestellt, der am meisten Aussicht aus Erfolg hat. Hiersür sind die Local» cviilitSS allein entscheidend, nicht die Parteileitung in Berlin." Zn Frankreich decken bekanntlich die Städte einen großen Theil ihrer Ausgaben durch Erhebung einer Verzebrstcuer zOclroi). Neuerdings haben nun die Kammern ein Gesetz genehmigt, taS den 1500 Stätte» frei stellt, diese Vcrzehr- jteuer durch unmittelbare Abgaben und Zuschläge aus die vorhandene» Steuer» zu ersetzen. Mau war von diesem Ge setze, da die Verzchrsteucr in mancher Beziehung verhaßt ist, freudig berührt, und einige der kleineren Städte werde» auch in der Lage sein, sofort diesen Wandel einlrcten zu lassen. Aber für die großen Städte dicket sich nicht einmal eine entfernte Möglichkeit hierzu. Die Einkünfte aller Städte und Gemeinden Frankreichs be laufen sich auf 675 Millirnen, wovon 290 Millionen durch die Verzchrsteucr aufgebracht werden. Sämmtliche Gemeinde- schuldcn betragen babci 3224 Millionen und erfordern unge fähr 225 Millionen Zinsen und Tilgung jährlich. Wie soll man diese aufbringeu ohne Octroi, wenn außerdem alle Ausgaben der Gcineindcwesen in raschem Steigen begriffen sind? Dazu kommk, daß die Schulden wie die Maulh- cinkünite zum weitaus größten Tbeile die Großstädte treffen. Paris bat 1872 Millionen Francs Schulden, 205 Millionen Eiiitünflc, wovon 148 Millionen aus der Vcrzchrfteuer. Die Zuschläge zu den direkten Steuer» bringen nur 32 Mil lionen, obwohl sic jetzt schon 13l Proccnk betragen. Ta der HauSbalt einen Fehlbetrag von 7 Millionen aufweist, müssen die Zuschläge um weitere 12 Hundertstel erhöbt werden. Ganz abgesehen von weiteren Steigerungen der Abgaben ist daher gar keine Möglichkeit vorhanden, die 118 Millionen der Verzehrsteucr zu ersetzen. Alle mögliche» Ersatzstcuer» sind seit Jahren vergeschlagcn und geprüft worden , aber mehr als 30—10 Millionen waren damit nicht aufzubriiigcn. Achnlich lieg! cö in allen Großstädten. Das Octroi erbringt sür L»on 10>ü, Marseille 9- -., Bordeaux 5> r, Lille 4» Toulouse 3 Millionen und abwärts in de» 30 größten Stätten bis zu Bcsaw.ou inil 850 000 Frcö. Acbnlich verhält es sich mit den Schulden. Es kommen auf den Kopf: in Paris 780, Rouen 389, Marseille 285, Havre 210, Nizza 217, RenneS 205 FrcS. Schulten. In sämmtliche» Octroistädlen kommen durchschnittlich l2 FrcS. Berrebrsteuer aus den Kops, in Paris aber 58, in Lyon 30, in Rouen 80» in Havre 33, in Nizza 30>,iFreS. Kurz, je größer die Stadt, je höher Satz und Ertrag der Verzekrsteuer, desto schwieriger die Deckung des durch deren Abschaffung enlstehcnren AuSsalleS. Aber gerade in den Großstädten wird am meisten über die llcbcl- stände deö Octroi« und die dadurch entstehende Belastung der unbemittelten Claffcn geklagt. Die Einführung von Ersatz- steuern wird gerade seht nni so schwieriger, als der Staat gcnöthigt ist, zur Deckung seine« Fehlbetrages 150—160 Mil lionen neue Steuern oder Steuererhöhungcn eiiizufiihrcn. Im englischen Unterhaus haben gestern aus Anlaß der Einzelberathung der Home-Rulc Bill überaus heftige Debatten stattgesunten. Es sind mehr als 000 Zusatz und AbäuderuugS-Anlräge zu dieser Vorlage gestellt und wenn es der Majorität deS Hauses nick» gelingt, auf irgend welche Weise eine Beschleunigung der Verhandlungen kerbeiziisübren, da»» dürsten Monate vergeben, ebe die Einzelbcralbung zu Ende geführt werden kann In der gestrigen Sitzung war cS zunächst der Antrag Cbamber- lain S, der die Abschnitte 1—8 der Vorlage znrückgestcllt wissen wollte, damit )vsort Abschnitt 9, betreffend die Bei behaltung der irischen Abgeordneten im RcichSparlament, bc ralbcn werten konnte, welcher einen heftige» Zusammenstoß der Parteien berbeisührlc. Der Antrag würbe schließlich, wie schon kur; genicltct, mit 270 gegen 213 Stimmen verworfen. Der Antrag des couservativc» Darling, daß die Herstellung der irischen Legislatur die Obergewalt des ReichSxarlamentS in keiner Weise beeinträchtigen, cinschränteu oder abänker» dürfe, veranlaß»: eine längere Erörterung, in deren Verlause Gladstonc, Aöguitb und Harcourl Namens rer Re gierung den Antrag bekämpften, der, nachdem Morley Schluß tcrDeballe beantragt halte, mit 285 gegcn233Sriininenvcr» worscn wurde. Diese wesentliche Verstärkung der ministeriellen Mehrheit, sowie der Umstand, daß der Vorsitzende Mellvr dem Antrag auf Schluß der Debatte bereitwilligst statt- gegeben batte, brachte Lord Rautolph Churchill aus die Beine. In einer hcsligcn Rede beschwerte er sich bitter, daß dir Opposition so rasch zum Schweige» gebracht worden sei. Gladstonc eutgegnetc, er sei sür die Bornahine des TcbattcschlusseS nicht verantwortlich; die Unionistcn hätten die Neuerung eingeführt, um die irische Zwang« vorlagc rasch durch die Einzelberathung zu fordern. Cbambcrlain meinte, wenn die Regierung entschlossen sei, die Homcrulcvorlagc ohne Erörterung turchzusetzeu, dann sollte sie die« sofort sagen; die nationalistische» Abge ordneten seien abgeftinden (sguureel) worden und jetzt bereit, durch Dick und Dü»» mit der Regierung zu gehen und für sie zu stimmen. Diese Beschuldigung verursachte euie g ro ßc Bewegung unter den Irländern und Rakicalc». Der Gladstoniancr Bytes rief Chambcrlain zu: „Wie viel braucht cS, »in Sie abzufiiideii?" Nachdem die Aufmerksamkeit des Vor sitzenden aus diese Auslassung gelenkt worden war,crllärtc Byte«, er habe sich ihrer nur bedient, weil Ebaiuberlaiii die irischen Abgeordneten beleidigt habe. Nack stürmischen Austritten endete der Zwischenfall, ohne daß Byte« vom Vorsitzenden aufgcsorkert worden wäre, seine Aciißerung zurückzunehmen. 'Nachdem Anträge Churchill'S und Balfour'S aus Vertagung der Einzelberathung abgclchnk worden waren, wurde gegen Mitternacht die Erörterung schließlich vertagt. Dem Pariser „GauloiS" wird au« Rai» eine Meldung recht seusalioneUeii Charakters übermittelt. Danach bereitet der Papst eine Encyklila an die europäische» Regierungen vor, worin er zu beweise» sucht, daß die erdrückenden HcereSlastcn, wozu sic sich verurtheilcu, eine Reihe unausbleiblicher Katastrophen herbcijiihren müssen, und lenkt die Aufmerksamkeit der SlaatSoherhäuptcr auf daö Bedürfnis; einer allgemeinen Friedenspolitik, die da« Elend der arbeitenden C lassen erleichtern würde. Der Papst soll entschlossen die Prüfung der Äbrüstungssrage verlangen. Man versichert, in seinem Gespräch mit Wilbelni II. habe er sich lebhaft bemüht, den Kaiser sür seine Ansicht zu gewinnen; die Regierungen von Italien, Lcsterrcich-llngarn und Spanien hätten ihre Zustimmung gegeben Rußland hätte aus eine vorgängigr Frage mit einigen Vorbehalten geantwortet; in dem Falle aber,'daß cS cndgiltig zustimmte, würde eS beauftragt werten, einen Druck auf Frankreich au-zuüben, um auch diele Macht sür die Maßregel zu gewinnen. Man wirb zunächst abzuwarten haben, ob die gedachte Meldung sich bestätigt. Allerdings steht die Militairmacht in erster Linie der Priester- Herrschaft entgegen. Insofern hat Herr vr. Lieber eine nicht minder gute Witterung al« der Papst. Vor einiger Zeit verlautete, daß Rußland große Vor bereitungen zur Erbauung eines KriegShafcnSinLibau treffe. Vom 30. April bis 2. Mai war der Marineminisler Viceadmiral Tsckickatschew in Libau anwesend, um deu Fort gang der betreffenden Arbeiten zu besichtigen, die russische Presse schweigt sich indessen — wie cS scheint, aus höhere Weisung hin — vollkommen über diesen großartigen Bau aus; nur soviel verlautet, daß die Schwierigkeiten, welche sich dem Bau entgegen stellen, weit größer sind, als selbst die pessimistischen Anschauungen einzelner der am Bau betbciligten Ingenieure voraussetzieu. Auch baden die in diesem Iabrc mit tem Eise gemachten Erfahrungen, da dieses bis vor wenigen Tagen die ganze kurische Küste versperrte, den Glauben an die EiSsreihcit de« Libauer Hafens wesentlich erschüttert. In Ostindien wollen die Engländer wieder mit der souveraincn Herrlichkeit eine« der dortigen eingeborenen Fürsten, des Ekiaus vo» Kelat, aufräumen und dessen Land zu dem Nicscnreich der britisch ostindischen Besihungen schlagen. Tiefer Chan von Kelat, der sich den Engländern al- Gr- sangcncr gestellt bat, kann aus eine „gesegnete Regierung" zurückblickeii. In den 30 Iabrcn seit seiner Thronbesteigung hat er eingcstaiikencrmaßcn 3000 Männer und Frauen, also durchschnittlich zwischen drei- und vicrundachtzig jährlich, mehr oder weniger grausam iimbringen lassen. Für einen asiatischen Despoten ist dies indessen keine ausfallende Leistung, und gegen den König Bebau;!» vo» Dabomey ist dieser Kkan die reine Unschuld. TaSAushebcii,welches dieEngländcr von seiner kleinen Liebhaberei macken, erklärt sich übrigens daraus, daß dieselbe in beunruhigender Weise anwuchS, und zwar zufälligerweise etwa in tcinselben Maße, wie bei der englisch-indischen Regierung der Wunsch, da« ganze östliche Belulschistan überhaupt unter eigene Beiwaltung zu nehmen, immer lebhafter wurde und immer festere Gestalt aniiabm. Neuerdings srcilich wird die Nachricht von dem AiiiiexionSvorhaben als verfrüht bezeichnet, es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß dasselbe besteht und in der Ausführung begriffen ist. Wenn die Engländer deu ältesten Sokn des Gefangenen zum Khan einsetzen, so werden sie nicht umhin können, ihn schon im Interesse der Verlängerung bcr durchschnittlichen Lebensdauer seiner Weiber, Minister unv sonstigeii llnterthanen unter strengere Aussicht zu nehmen, als seinen Vater. Deutsches Reich. ss. Berlin,9 Mai. Tie Wahlbewegung ist, soweit ber politische Mittclpuncl Berlin in Betracht kommt, bereits im Flusse. Vier Parteien haben schon ihre Wahlaufrufe erlassen. Im Vordergrund deS Interesses steht, wie natürlich, zur Zeit die Auslösung der dentschsrcisinnigcn Partei. Diese« Ereignis; ist die bedeutendste Frucht der Auslösung, mag cS aus die bevorstehenden Dakle» seine volle Wirkung äußern ober nicht. Der Einfluß des Herrn Richter ist be schnitten, und Herr Payer, tcn er sich angekiltct bat, um zu verdecken, daß der Deutsck'sreisinn als ein Torso vom Wahlkamps uinbraust sein wird, — der selbst persönliche Politik treibende Herr Payer wird das Verlorene niemals ersetzen. Die Größe deS Entschlusses eines Preußen, seine Partei mit einer überwiegend parlicularistischen zu ver schmelzen, soll damit keineswegs herabgesetzt weiden. Der antipreußische Charakter der „Volkspartei" ist all — der Kamps gegen die Einigung Deutschlands Fcnilletsn. La-y Sibylle. Roman von L. Schroeder. Nachdruck verboten. Ibj (Fortsetzung.) 13. Capitel. Es war gegen acht llbr Abends. Sibylle befand sich noch in ihrem Ankleidezimmer. Sic batte der Jungfer Verwunderung durch die Geduld, mit der sic ihr heute still hielt, durch daö Interesse, mit dem sie ibrc Manipulationen im Spiegel ver folgte, bereits aus« Aeußcrste getrieben, jetzt setzte sic dem Ding »och die Krone auf, indem sic bemerkte: „Zeigen Sie mir doch meine Ballkleider, Mary." „Die getragenen, Mylady? Aber wir haben ja das wunderschöne neue!" „Es ist so grellroth — ich fürchte, es wird mir nicht stehen!" Mary hätte am liebsten die Hände über den Kopf zu sainmengeschlagen, aber als woblgeschultc Zofe bürste sie sich solchen GefüblSauStruck natürlich nicht gestatten. In Gegenwart ihrer Hern» batte sie absolut nur iyre Gedanken frei. Sie tackte: Sic fürchtet, etwas werde ihr nicht sieben! TaS in koch im Leben noch nickt dagcwcscnl Wenn dahinter nickt der Herzog steckt, so ist'S der —. Ich weiß schon, wer eS ist!" Geschäftig nahm sie au« drei CortonS von Werth drei Meisterwerke seiner Nadel, wußte sie geschickt zu drapiren und ihrer Herrin reckt gefällig vor die Augen zu rücken Diese lag, die Füße gegen rin Kissen gestemmt, die weißen Arme hinter das Hanvt gebogen, in ihrem Sessel und blickte unler den dunklen Stirnlöckckcn hervor mit unruhig ver gleichenden Augen von einem Kleide, so weiß, wie der Winter- schnee. zn einem mit bläulichen Mondscheinreflexen und wieder zu einem, wie der letzte binsterbente Hauch der Morgenrötbe. „Alles so blaß und farblos", murmelte sie, „wie mein eigene« Gesicht. Habe ich nicht« Andere«, Mary?" „Nur noch das rothe, Mylady, und da-, meine ich, hätte doch Farbe genug." „Da- hat so viel mehr, als genug, baß man sich die Augen daran verbrennt. Welches von den dreien nehme ich nun?" „Mylady waren in jedem reizend", erklärte die Gefragte, „aber in dem Rosa — schade, daß Mylady gerade gestern auch Rosa tragen mußten!" „WaS liegt daran?" rief Sibylle, sich hastig cmporrichlcnd. „Wenn cS mir steht, so trage ich heute Rosa, morgen Rosa und — aber cS steht mir doch auch wirklich?" „Wunderschön! Alle Welt bat cS gesunden neulich Abends und — Seine Herrlichkeit waren so zufrieden, daß sie mir einen Sovereign geschenkt baden." Durch den Nachsatz schien sie ihrer Lady keine besondere Freude zu machen; denn diese zog, wie peinlich berührt, die Brauen zusammen und ließ die Hand, die sie bereits nach dcniRvsa-Klcidc auSgcstreckt gehabt, in den Sckooß zurücksinkcn, allein — nur eine Secunde — dann hob sie sic wieter »nd sagte in ruhigem Tone: „Geben Sie her, Mary! Tie Zeit drängt." Die kleine Zofe waltete mit allem Eifer ibreS Aniles, und cs bauerte nicht lauge, da warf der Spiegel ein bezaubernd schöne« Bilk zurück. AuS der bliimendiiichwirklen, prächtigen Seite, die ihre Gestalt umraiischlc, hoben sich blcnrcud, wie der Kelch einer Lilie, Nacken, Arme und Antlitz Tibyllc'S. In dem weißen Anllitz glühten die Lippen, strahlten die Augen, unk aus dem Haupte schlang sich das weiche, braune Haar in einem anniutbsvoUcii Knolen zusammen. „Ick werde keinen Schmuck tragen", balle sic ebeu gesagt, „aber ich batte große Lust zu den Blumen, die ich vorhin ini Gewächshausc sah. Sie haben Atbiilickkeit mit Anemonen und össueii sich wie mattrosa Sterne — der Gärtner wird sie kennen. Lausen Sie schnell, Mary, cS ist mir säst, al- hätte ich unten schon zu wiederholten Malen einen Wagen Vorfahren hören." Mary lies und kam zurück. Wenige Minuten später schritt Sibylle den Corridor entlang und rem Ballsaale zu. Die mattrosa Sterne schimmerten ibr im Haare »ne an der Brust, und «in schönerer Bild ließ sich wirklich nur schwer denken. Im ersten Stockwerke, neben dem vierzig Fuß hohe» »nd demgemäß weiten, säulengclragciicii, inarmorgcpflastertcn Prunksaal, zu dem von außen her die beiden Empsangötrcppc» hinaussührlen und der in unserem Jahrhundert, daö den Comfort vor die öde Pracht setzt, eigentlich nur da war, um von Fremden angeslaunt zu werden, lag der Ballsaal, ein glänzend schöner Raum, dessen Wand- und Tcckeiigcmälde auf die heitere Kunst bindeuicleii, der hier gehuldigt wurde. Sibylle fand tcn größten Tbcil der Gäste bereit« anwesend und ibrc Großmutter in ziemlich ungnädiger Laune. „Sibylle, wo steckst Tu?" schalt sic ibr entgegen. „Seil einer halben Stunde schleppe ich mich nun schon von Salon zu Salon, um die HonneurS zu machen. Wenn ick bei solchen Gelegenheiten nicht einmal auf Deinen Beistand rechnen dars —" „Großmutter, ich bin untröstlich! Ich batte wirklich keine Ahnung, daß es schon so spät sei." „Wozu sind Uhren im Hause? Tu weißt, wie sehr ich die Unpünctlichkeit baffe!" „Natürlich weiß ick das Cö soll auch nickt wieder ge schehen. Komm, sei nicht böse — ich nehme dir ja jetzt die Arbeit ab!" „Nachdem sic besorgt ist!" „Großmutter, wen» wir uns zanken, das giebt den Iln- bctbciligtcn ein lustige- Schauspiel. Laß dich auf den Sitz neben der Herzogin geleiten und sag — soll mit dem Tanzen augesaugen werden?" „To bald wie möglich und — Eines ralbe ick Dir, Sibylle! Daß Tn mir Lioncl beule Abend nicht iil der Weise übersiehst, wie Tu cS bisher gelhan hast!" „Ucberscbc ich ihn, ober übersieht er mich — daS ist noch sehr die Frage." „Ach was! Tu behandelst ihn kübl und von oben herab, so daß er seine Unterhaltung anderwärts suchen muß." „So? Muß er das? Nun, wenn er sie anderwärts sinket, so ist ja das Unglück nickt groß." „Sibylle, wa« hast tu nur versprochen ?" „Mich ihm nach besten Kräften angenehm zu machen." „Nun, und —?" „Ich warte, bis er mir Gelegenheit dazu giebt!" Sie sagte daS nicht schnippisch, nicht spöttisch, sondern beiter lachend, denn ihre Laune war so roscnfarbcn wie ibr Kleid. Als sic sich umwandte, stand der Herzog vor ihr. „Tie Mama bat ihm ins Gewissen geredet", kackte sie, während sie ihm die Tanrkaitc cinkändigtc, um die er bat. „Weder PclkaS noch Galopps?" rief er enttäuscht aus. „O weh! an eine» Walzer wage ich mich nicht!" „So nehmen Sie eine Ouadrille." „Wenn ick Ihnen dann nur keine Schande mache, Sibbllc." „Armer Lioncl, hat man Ihre Erziehung in dem einen Piinet vernachlässigt?" „Man gab mir einen Lehrer, und da« Tanzen kann inan nur von Flauen lernen. Tie PolkaS und Galopp« habe ich noch von Ihnen, Sibylle." DaS cnnncrlc sie an alle Zeiten und an den liebens würdigen Spielkameraden, der er gewesen war. „Wir wollen cS mit der Ouadrille versuchen — eö wird schon geben", meinte sie ermnthigend. Er zeichnete seinen Namen und ward von Anderen abgc- löst — so schnell, daß sic nur eben neck Zeit batte, die Karte zu nehmen und drei Walzer durch Krcurcken als vergeben zn bezeichnen Es zuckle ihr in den Fingerspitzen, auch noch ein vierles Kreuzcken zu machen, allein sie wagte cS nicht, cS kam ibr so schrecklich — unbescheiden vor. Gleichwohl re scrvirte sic diesen vierten Walzer, bis er durchaus nickt mehr zu retten war. Nack Beendigung der Polonaise erst kam Waldstedt. Er stammelte eine unverständliche Entschuldigung und hoffte „von Herren", daß sic seine 'Walzer nicht vergebe» habe. Bei dem Ton, mit dem er dieses „von Herzen" hervor- brachle, stand ettvaS in ihrem eigenen Herzen still. Mit großem, bangem Blick, ohne ein Wort, reichte sie ihm die Karle. „Der dritte — der vierte — der siebente", murmelte er, mit dem Bleistift über daS Papier fahrend. „Tausend Dank!" Sich förmlich verneigent, trat er hinter den Herrn zurück, der sie z»m nächste» Tan; zu führen kam — ein Moment, daun war er verschwunden. Nickt ein «inzigeSinal waren seine Augen den ihren be gegnet! Und den vierten Walzer, aus den er heute Morgen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite