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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930512012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-12
- Monat1893-05
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Bez«gS.PreiS I» b« tzanpteppedition oder den im Stad«, teeirk »nd de» Vororten errichteten Au», yllbesteven abgehvlt: vieetetttchrltch^44ck>ü, bei zweimaliger tt,ltche» ZnfteUn», tn» Hont 8L0. Dnrch di« Post b«j«a«a für Deutschland »nd Lesterreich: »«»«nährUch ^ 6.—. Direct« täglich« «en-bandiendung in« Lntlond: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. Die Morgen chlvtflirdr »richetnt tüglich'/,? Uhr, di« Sbead-Ausgab« Soehrutags 5 uhr. LeLacttou »ut LrPedUtoa:. L»tz»»»e««aßr 8i Die krvedition ist Wochentag» ononterbrochn» geöffnet von füch 8 dit «doch« 7 Fitilüe«: Ltt» Klemm's e^ti«. (Alfretz H«H»X Universitälsstraße 1, «oni» «Sfche. Sacharin eu sie. 14. part. nad K»nig«plntz 7. cimigcr Ta-rblatl Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geslhästsvcrkchr. 239. Freitag den 12. Mai 1893. Amtliche Bekanntmachungen. Lek«rl«tmachmiß. Nachdem di« öffentlich ausgeschriebenen Arbeiten zur Herstellung einer Tyoarnffrschlraße in der Gt»ein«rstraße ,u Letv.'i,- Reudnitz vergeben worden find, werden die unberücksichtigt gel u, , Bewerber hierdurch an« ihren bez. Angebot«» «Ulassen. Leipzig, am 8. Mai 18S3. Der «attz »er Stadt Letdrig. Io. 224S. vr. Beorgi. LichorinS. Steckbrief. Legen den uateu beschriebenen Lommi« Herma«« August Iacodt, geboren am 5. Mürz 1883 zu Leipzig, früher hier aufhült. lich, welcher flüchtig ist, ist die UatersachnngShast ivegen Betrugs verhängt. Es wird ersucht, deaselben zn verhaften, in da« nüchsie Gerichts- gesängnitz abznltefer» n»d mir za de» Acte» X. T. 186,33 schleunigst Nachricht zu geben. Magdeburg, de« 8. Mal IMS. Der Erste Staatsanwalt. Beschreib»«-. Alter: 24 Jahr». Größe: 1 m 60 em. Etatur: schlank. Haare: blond. Stirn: frei. Bart: ohne. Auaenbranea: blond. Augen: hellgrau. Nase: gewöhnlich. Mund: gewöhnlich. Gesicht: länglich. Sinn: länglich. Sprach«: deutsch. Gesichtsfarbe: blaß. Sleidnog: langer, graucarrirter Ueberzieher, dunkler Anzug, branuer Hut mit kleiner Krempe. Besondere Kennzeichen: trägt oft Klemmer. Äus Frankreich. -1. Part», 8. Mai. Die Doran-setzung. daß dir von der Regierung angeord- neten mrlitairischen und Polizeilichen Maßregeln hinrriche« würden, um allen ernsten Ausschreitungen a« 1. Mai vorzubeugen, hat sich al« richtig erwiesen. 3m Großen u»d Ganzen haben weder in Paris noch in den Provinze« ernste Ruhestörungen stattgefunden und e« sind nur ganz vereinzelt an einem Puncte in Pari« und sodann in Marseille, wo die Socialisten die städtische Verwaltung in der Hand haben, revolutionaire Manifestationen voraekommen, welche die Polizei zum Einschreiten gezwungen haben. In Paris haben' die revolutionaircn Socialisten den Versuch gemacht, die polizeilich geschlossene Arbeitsbörse zu stürmen, um iu der selben ein Meeting abzuhalten: es sind bei dieser Gelegenheit die socialistischen Deputirten Dumav und Baudin verhaftet worden und der Letztere ist, seiner Behauptung zufolge, seilen der Polizisten Gegenstand brutaler Mißhandlungen gewesen. Dieser Bürger Baudin, ein gewerbsmäßiger Agitator und Scandalmacher, ist derselbe, der im vorigen Jahre hauptsächlich dazu beigetragen hat, daß der AuSstand der Kohlenbergwerk-Arbeiter in Earmaux wäbrend langer Monate anbielt und dort. Dank der unerhörten Schwäche de» damaligen Ministeriums (Loubet) Recht und Gesetz verhöhnt werden konnten. Die beiden Deputirten haben nicht verfehlt, ibr pclizeiliche- Abenteuer zum Gegenstände einer Interpella tion zu machen, um von dem Conseil-Präsidenten und Minister dcS Inneren Dupuy als Genuglhuung die Bestrafung be schuldigen Polizisten und die Absetzung de« für seine Untergebenen verantwortlichen Polizei-Präfecten Loze zu erlangen. Der Bürger Baudin bctheuerte natürlich, daß er ohne jede Ver anlassung, ohne irgend welche Provocation von seiner Seile verhaftet und sodann von den Polizisten, obgleich dieselben seine Eigenschaft al- Deputirten kanuten, »mit Fußtritten und Ohrfeigen tractirt" worden sei. Der Minister Dupuy entwickelte «ine ganz ungewöhnliche Energie in der Beantwortung der Interpellation, indem er die Darstellung des Deputirten für ungenau erklärte und die selbe dem Polizei-Rapporte gemäß dahin richtig stellte, daß Baudin zuerst einen Polizisten geschlagen, worauf der selbe zu seiner Verhaftung geschritten sei. Wenn dann später in dem Wachlocale Baudin in Wirklichkeit von einem Wacht meister einen Schlag erhalten habe, so habe er sich da« selbst zuzuschreiben, da er einen Polizisten an der Gurgel gefaßt iind gewürgt habe, so daß der Wachtmeister, um seinen Unter gebenen von dem rirsenstarken Deputirten zu drfreieu, ge zwungen gewesen sei, Gewalt anzuwenden. Der Minister rrkläne überdies, daß die Polizei in diesem speciellen Falle, wie überhaupt am l. Mai nur ihre Pflicht gethan habe, wofür sie die Anerkennung verdiene, welche er ibr in vollem Maße zolle. Ein Depntirter muffe wie jeder andere Staatsbürger dem Gesetze gehorchen und müsse, wenn er sich eine Ungesetzlichkeit zu Schulden kommen lasse, die Folgen seiner Handlungsweise tragen. Diese Erklärungen des Ministers riefen natürlich selten- der revvlntionairen äußersten Linken uod auch der Radikalen einen Sturm der Entrüstung und wüthende Angriffe hervor, wa» aber nicht verhinderte, daß dir Kammer mit großer Majorität da» be antragte Tadelsvotum gegen da» Ministerium ablehnte. Der Minister hat darauf eine gerichtliche Untersuchung über den Verfall angcordnet, um iu authentischer Weise seststcllen zu lassen, daß die Behauptungen Bandin'» unwahr find. Abgesehen von diesem immerhin unangenehmen Zwischen fall hat der Verlauf de» l. Mai dem Couseilpräfldenteu und Minister de» Innern, Dupuy, so fehr den Ruf eine» ener gischen und geschickten Minister» eingrbracht, daß die Intimen de» ehemaligen Minister» Constan« ersichtlich eifersüchtig ge worden find und ernstlich befürchten, daß die Berufung de» Herrn Constan» in da» Ministerium, «m demnächst die Wahlen zu leiten, welche di« jetzt al» unanSbleiblich gaU, nicht mehr notbwendiy erscheint» werd«, »«mal der Präsident der Republik letzt wcaigrr al» jemals geneigt sein dürfte, seiner persönlichen Abneigung Zwang anvathnn nnd sich zu Gunsten de- Herrn Constan» von seinem Fronide Dnpay zu trennen. Seit einigen Tagen wird übrigen« r> den parlamentarischen Kreisen ernstlich dir Frage ventilirl» ob es nicht angemessen sei, doch demnächst zu einer Auflösung der Deputirten- kammrr zu schreiten nnd einer neue» Sommer die Lösung der schulenden schwierigen Fragen anläßlich de« Budget» für da» Iabr !84t zu überlassen. Der Verfassung gemäß hat die Deputirtenkammer nicht da» Recht, ihre Auslösung zu beschließen, wa» dagegen dem Präsidenten der Republik in uebercinstimmung mit dem Senate zusteht. Nun soll aber rin« Anzahl Deputirlrr beabsichtigen, in den nächsten Tagen der Kammer di« Annahme einer Resolution vorzuscklagen, Wodurch der Präsident der Republik ausgesordert wird, von seiner konstitutionellen Prärogative Gebrauch zu machen und den Senat um seine Zustimmung zur Auslösung der Kammer anzugehe». Mao nimmt an, daß dieser Antrag im EinverstLndniß mit Herrn Carnot gestellt werbe, da derselbe jetzt selbst den Wunsch hege, die Neuwahlen zu beschleunigen, um nicht in die Gefahr zu geratden, doch zur Berufung des Herrn Constan» gezwungen zu werden. Fall» die Auslosung ftattsindrt, sollen angeblich die Neuwahlen am 18. Juni, die Slichivahlen am 2. Juli stallsiuten, so daß der Zusammen tritt der neuen Kammer am 8. oder 6. Juli erfolgen könne. E« wird sich bald zeigen, ob dieser Plan zur Ausführung gelangt. Es muß natürlich erscheinen, daß da» große Berliner Er- eigniß, die Verwerfung der Militairvorlage und die Auflösung de- Reichstage-, hier einen großen Eindruck gemacht bat und mit lebhafter Befriedigung begrüßt worden ist. Die Art und Weise, wie diese» beklage»»- werthe Ereigniß hier auSgebeutct wird, verdient näher beleuchtet zu werden. Ich werde darauf in einem besonderen Briese zuruckkommen. Los von -er Parieityrannei! Früher waren die einzelnen deutschen Gebiete die Sitze deS ParticulariSmuS; BolkSstämme, Regierungen, Fürste» waren eifersüchtig aufeinander, auf das Ganze. DaS ist ander» geworden; jetzt sind die Regierungen, die deut schen Fürste» in allen Hauptfragen einig, der Parti- cnlariSmu» aber hat sich gefluchtet in den Reichstag, in die Parteien. In diesen wird über Wohl und Wehe de- Vaterlandes entschieden, nach der Mehrheit in den Par teien oder besser gesagt nach dem Willen der Herrscher in der einzelnen Partei. Niemals ist die nackteste Parteiderrschast so «schreckend an den Tag getreten, al» in der im Reichstag an» Tageslicht gezogenen Verkündigung de- jetzt am meiste» maßgebenden Führer» de» Centrum»; daß die Militair vorlage, und wenn sie auch noch voller begründet wäre, nicht so wichtig für Deutschland fei, als der Bestand des CentrumS. Und wie hat sich die Parteiherrschaft in ihrer vollen Tyrannei gezeigt bei der Abstimmung über die wichtigste Vorlage. 25 Mitglieder der deutsch-freisinnigen Partei fehlten, al» der in Wahr heit kurzweg ablehnende Antrag Richter'- wieder tingebracht werden sollte. Im eigenen Lager war offenbar eine erbeb liche Zahl einer Verständigung zugelban; hätten diese bei ihrer besseren Uebcrzrugung beharr», so hatten sie cS in der Hand, dem so wvdlvcrbicuten Antrag Huene zum Sieg zu verhelfen. Aber sie fügten sich bis auf 8 der schweren Hand de» Parteityraanen, und der Antrag Huene'» fiel. Und wa» ist für die Schwankenden selbst die Folge? Sie werden nun doch abgeschüttelt, sie sprengen die bisherige Fraction. Hätten sie zur rechten Zeit ihrer Ueberzcugunz Folge gegeben, so gebührte ihnen da» Verdienst deS großes Lage«; so haben sie ihre kleine Partei zerstückelt. Ganz gleich steht eS in der anderen Partei, in welcher der Zwang herrscht. Zwölf Männer haben den Muth detbätigt, der Tyrannei zn trotzen. Die Anderen, unter welche» gewiß noch manche mit jenen 12 Ubereinstimmen mochten, haben sich gefügt, und waS ist auch hier dir Folge? Der bisherige geachtete Führer zicbt sich zurück, die Partei aber wird mehr und mehr der Demagogie der Club- und LolkSrrdnor anheimsallen. Auch die »vesentlick au» unserer engeren Hcimatb rccrutirte Volk-Partei stimmte wie Ein Mann gegen die Vorlage. Sollte auch hier kein Einzigrr gewesen sein, welcher im Herzen daö Gefühl gehabt hätte, was da- Wokl de- Vaterlandes auch von ibm an Opfern erheischt? Vielleicht bringen die Vorgänge in Verl», die zu spät kommende Reue, vielleicht bringt da» hämische Lob der autläudifche» Zeitungen doch Manchen »n Volk zur Bcsinuuoz nnd Umlehr. Hoffen wir, daß es wieder gebe wie 1887. Mögen die Erwerb-kreise im Volk, besonder« die ländlichen, endlich zu der Einsicht kommen, daß unter wüstem Parteilreiben ihre gedrückte Lage nicht besser werden kann, daß nur geordnete Zustände nnd ein dauernd gesicherter Friede, wie ihn die Militairvorlage gewähren wird, ihre Lage heilen kann. Dazu aber ist da» Allererste, daß die Wähler sich selbst befreien von der überlebten Tyrannei solcher Parteien. (Schwab. Merk.) Politische Tagessch«». * Leipzig, 11. Mal. Die Wntzlbewegung kommt mit jedem Tag lebbastcr in Floß, wa« bei der Kürze der Frist bi» zu den Neuwahlen auch sebr nothwendig i>t. Die Zeitungen wimmeln bereit« von Mittheiluagen über Ausstellung von Candidaten. Mancher alte Parlamentarier scheint ernstlich entschlossen zu sei», sich aus dem öffentlichen Leben zurück; u ziehen, aber an Nachwuchs jehlt e» nicht. Aller Voraussicht nach wird die Parteizersplitterung und die Zahl der sich ei,tacgenstebenden Candidaten größer werden al« jemals. Wahlbündnisse zwischen sonn sich nahestehenden Parteien werden leider allein Anscheine nach nur in einzelnen Bundesstaaten oder gar nur in einzelnen Wahlkreisen Vorkommen, wo sie in den besonderen örtlichen Verhältnissen eine Unterlage baden. Ueberau» rührig sind gleich von Anfang an die Cocial- dcm»kraten und Antisemiten in den Wahlkampf cm- getreten; dutzendweise werken bereit» ihre Candidaten nam haft gemacht und e» herrscht in diesen Lagern offenbar eine große Zuversicht. Die Conservativen boffen aus die Macht der agrarische» Bewegung. Wa» sich au- der jsrci- siniziaen Zerklüftung entwickelt, läßt sich noch gar nicht überleben Im Centrum befürchtet man viel fach Gezencandidaturen vom reckten und linken Flügel. Di« natinnalliberal« Partei ist bereit» rüstig m die Wadlbewegung eingctrelcn;aPa r wIcn°de' jaulen,' wird"dereu'?die AnffwUnng L!» L S..^.7ä'S WnAU der Wablkre.se bringen. ,n denen ^ den Wahlkampf ausnimmt. E»' Bild von de - > des nächsten Reichstags sich Z" cn.w-rfe» L.im . u,. '- Vollzug der Wahlen ganz unmöglich ,cin. >-"m»u noch niemals n.it so wenig ^.cherbk.rbabevor^jebu, können, wie '.» diesem Wablkampl. rn^wirrima der herrschende Zersetzung und Zerfahrenheit, d'- ^ w rn.ng rrr Begriffe »nier so vielen mächtig ans da» Volk cinfturn knrcu Autregnngen und Leidenschaften droben ein ga^-ndcs ^ba.. zu erzeuge», au« welchem noch Niemand zu r»Un»e>i isrn g, welcheS Gebilde sich gestalten wirk. Au« de'i.gegc,'^ Dunst der politischen Verhetzung und de- materiellen lutere,ffn- srrciis de» Blick zu erbeben zu de» großen n-t.onale., und vaterländischen Aufgaben und Z»cl ' - mehr als je die Pflicht aller patr,ot,,chrn und einsichtsvollen Männer. Tic Worte, die der Kaiser über die Ablehnung der Militairvorlage an Generale und StabSofficiere n, Berlin gerichtet hat. werden von der Presse dersrnigen Parteien, welche die Ablehnung verschuldet haben, zu de», Zwecke au».- gebeutet, den Lesern riiiznrkteii. eS solle ein underechligter Druck auf sie auSgenbt werden, dem jeder seiner ltaatSbürger- lich-n Nechlc und Pflichten sich bewußte Wähler sich einzieben müsse. Am wenigsten kann dies bei der Presse de» CentrumS befremden, für die der Ausspruch des Kaders, daß er Reichstage sich getäuscht babe, allerdings etwas recht licheS haben muß. Denn am meisten dal der Zeaifer in dem Centrum sich getäuscht. Mit Recht bemerkt der „Schwad. Vterkur"! „DaS hatte der Kaiser wohl nicht gedacht, al» er kürzlich mit dem Papste über Wohl und Wehe Deutschlands — denn da« wird ei doch wohl gewesen sein — sich angelegentlich unterhtrlt, daß die Partei de» Papste» ihn. deu Kaiser, tn einer da» Wohl und Wehe Deutschland« im Innersten berührenden Sache so. wie g«. Ichehen. im Stich lagen werde. Da» hatte er wohl glelchsall» nicht gedacht, at« er ebendort, in Rom. »inen Mann zu Gnaden wieder onnahin, den Polen und katholischen tkirchensürslen Ledochowski, der sich schwer gegen den preußischen Staat vergangen hatte, ^er Kaiser bat jene Schritt» nicht gethan, »in Stimme» im Reichstag zu werben; dazu ist seine Stellung zu hoch. Aber er hält« sie vielleicht unterlassen, wen» er gewußt hätte, wir ihm gelohnt würde. Mit den besten Hoffnungen zog er über die Alpen heim." .. Gar manchem CcntrumSwählcr mögen Wohl ähnliche Ge danken aussteigcn, woraus der Groll der nltramontancn Presse sich erklärt. Am ruhigsten und sachlichsten wird die Rede in der Münchener „Allgem. Ztg." besprochen, die u. A. auSsübrt: „Die Wiedergabe der kaiserlichen Worte durch die „Nordd. Allg. Ztg." beweist, daß sie für dieNation, insonderheit die Wähler, deslimmt waren. Sie werden ohne Zweifel auch gehört werden. Die freisinnige und klerikale Preffe werden freilich auf dies« kaffe» liche Willensäußerung schlecht zu sprechen sein und wohl gar nach, zuweisen suchen, daß der oberste Krieg-Herr in solchen Tinge» nicht» drcinzurcLcn »nd mindestens den, Reichstag nicht öffentlich noch «ine derartige Privatcensur zu ertheiien habe, nachdem die Verbündeten Regierungen ihrem ltriheil durch den A»siöjung«btschluß Uiizweideutigen Ausdruck gegeben. Ter gesunde Sin» der Nalion Wird aber elwas Selbstverständliches darin sinden, daß der Kaiser seinem tiesen Bedauern über die gefallene Entscheidung auch öffentlich Worte leiht, um so mehr, als daraus ver zichtet wurde, in der feierlichen Form einer Botschaft dem Reichstag seine nationalen Pslichie» noch einmal besonder» dringend ans Herz zn legen. Daß man diese Maßregel unterließ, war gewiß richtig. Genutzt halte sie ja doch nichts mehr, und zu einem Dekorationsstück für dt» Schlußseene eines derartigen Reichstag« wäre eine Botschaft der verbündeten Regierungen zu gut gewesen." Iu Belgien sind, da die Fertigstellung des neuen Wahl gesetzes und der neuen Wählerlisten »och Monate beansprucht, Regierung und Kammern dahin übcrcingckouinicn, im Iabre 1831 beide Kammern, sämmtlicbe Provinzialrätke und Gemeindcrätbc auszntösen nnd alle diese Körper» schaffen aus Grund de« erweiterten Stimmrechtes neu wählen zu lassen. Es wird also zu einem in Belgien noch nicht ta- gewesencn Riesenwablkamps kommen, lim so interessanter sind die Aufklärungen, die der Urheber de- angenommenen Mehrstiminc»Vahl,'ystei»S, der Deputirte Nossens,»» Arbeiter vereine zu Cbarlero, über diese» neue Wahlsystem gegeben hat. i^ie 135 33(1 bisherigen Wähler baden in der neuen Wahtkörper- sckast nur 333 033 Stimmen, während die bisherigen 1 385 333 Nichtwäklcr über 1 833 333 Ctimmen verfügen werden. Alle 25 Iabre alten Bürger haben nämlich eine Stimme, so daß Belgien an Stelle seiner bisherigen 135 333 Wähler sortab l 230 333 Stimmberechtigt« besitzt. Da viele Arbeiter ver- bcirathet sind und 5 Franc» Personalstcncr entrichten, so baben diese eine Doppelst„nmc. Eine Doppelstimme siebt ferner denjenigen Bürgern zu, die böbere Studien gcniackit haben — eine Vergünstigung, die nur .53 303 Bürger trifft — oder ein Eigentknm von 2333 Franc» besitzen. Die Ar beiter tonnen sich auch diese letztereDoppeIst„»i»e erwerben, denn abgesehen davon, daß viele Arbeiter ein solche» Eigenlhum be» m,,."' ^stattet taS neue Gesetz über Arbeiterwohnungc» den .lrbcilern leicht die Erwerbung eine» die Doppelst»»»!« sichcrn- den (.igentbum«, so daß ihnen die Tkeilnakme am politischen leben erustbast gesichert ist. In der Thal macht Belgien einen mächtigen Fortschritt ans der Bahn de» allgemeinen Stimmrechts aber eS ist in keiner Weise zu ermessen, waS an- dleiein Wahlsystem hcrvorgchcn wird. Wie immer sind die Klerikalen die ersten auf dem Plane; sie haben bereit- in Mecheln einen Congreß abgebalten unv ge- eigncte Maßnahmen getroffen, um rie Emschwenkung der neuen Lahlermaffen ,n das klerikale Vager anzubahnen "-nzöfische Volksvertretung vor Ablauf der Wahlperiode aufzulösen, soll. Pariser Berichten zufolge, nicht emer bestimmten Partei angeboren, sondern säst »"euest!» Gruppen Anhänaer haben, und nach einer neuesten Meldung »st auch der Ministerpräsideut Devellc . Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Reklamen unter demRedectioa-strich («ge spalten) bOnj, vor den Famslieuaochrichtea <6 gespalten) 40nß. Größere Schriften laut unserem Prei»- verzeichuiß. Tabellarischer «ud glfferiffetz nach höherem Tarif.. Ertra-Bcila»e» (gesalzt), an,'afft de« Morgen-Au«gab«, ohne Posibesörderuag SO.—, mit PostbeförLeruug 70.—. Anaahmeschluß sir Aiyel-ea: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margea-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Soun- und Festtag« früh Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sinh stet« au di» Ergehtti«t» za richten. , Druck «nd Verlag von L. Polz 8> Leipzig. 87. Jahrgang. dafür gewonnen. In den Kreisen der Deputirtru ist au«- schließlich da« Wablinteresse entscheidend und dir Anbänger der Auflösung recrutiren sich daher auf allen Bänken, unter den Opportunisten. Radikalen und Monarchisten. Die Letzteren scheinen allerdings da« Hauplcontingent der Zustimmenden z» bilden. Da cS sich in erster Linir um das specielle Wabl- intrrcsse eine- jeden einzelnen Deputirten handelt, so ist auch da» Resultat einer etwaigen Abstimmung der Kammer über den Auflösungsantrag sehr zweifelhaft. Wa- di« Regierung anbclaugt, so rst sic au« dem bereit« angedeutelrn Grunde, daß sie dann berufen wäre, die Neuwahlen durchzuführen, gewiß nicht gegen die vorzeitige Auflösung der Kammer. E» fragt sich nur, welche Rückwirkung die Auslösung de» deutschen Reichstage» auf die französische Deputirtenkammer äußern wird Im ersten Augenblicke sühlte man sich in Paris von der Besorgnis; nicht frei, daß der Wablkampf in Deutschland, wie im Januar 1887, die dortige Regierung dazu führen könnte, die von Frankreich her drohende KnrgSgesahr als Wabl-Ägitation-mirrcl in einer Form au»zuspirlen, welche zu einer Verschärfung der beiderseitigen Beziehungen führen könnte. Diese Erwägung hat auch auf eie Auflösung«- Aspirationen eines TheilcS der Deputirten abkühlend gewirkt. lieber die Persönlichkeit de« neuen narwrgische« Minister präsidenten Stang baben wir bereit» da» Nöthige mit- gclheilt. WaS die übrigen Mitglieder de» dermaligen nor wegischen CabinctS betrifft, so gehörten dem früheren kon servativen Cabinct der Großindustrielle Johann Thorne (Inneres) und der Ädvocat Ole Kuru (Finanzen) an, außer dem der als StaatSmimster nach Stockholm gehende Gram, drr gegenwärtig al» vom König Oskar ernannte» Mitglied de» iLchietSgrricktc« in der BehringSmeer-Frage in Pari» weilt. Al» Neulinge treten in da» Ministerium: der Assessor' im Höchstengericht E. Motzfeldt, Sohn und Enkel be rühmter Politiker (Mitglied der Staat-rathS»Abthriluog in Stockbolm); Professor Dr. tbeol. A. C. Ban- (Cultu«), Verfasser einer Reihe kircheuhistorischer Schriften; Proseffor l)r. zur. Georg Hagerup (Justiz), Sohn eine« ge wesenen Minister». De« Letzteren Mutter war die Schwester de« bekannten Norweger- Henrik Steffen», der 1848 al« Professor an der Berliner Universität gestorben ist. Da» KrirgSdepartement leitet Artillerie-Hauptmann W. OlSsön, Betriebsdirektor Pcker Nielsen das Arbeit-miiiisteriuni. TaS StortbingS-Mitglicd Consul Johann Harditz gebt nebst Gram und Nivtzsclbt zur StaatSraths-Abthcilung nach Stockholm. In Schweden herrscht eine sehr gereizte Stimmung über die union-feindliche Politik der norwegischen Radikalen. Diese Stimmung kommt zunächst den Wehrplanen der Regierung zn Gute. Insbesondere eine bedeutende Klotten- verstärknng wird geplant; man beabsichtigt, fünfzehn Panzer erster Classc, fünfzig Torpedoboote nnd sechs AoisoS a» zuschasfen. DaS schwedische Volk scheint zu jedem Opfer bereit. Man bat sich in vielen Familien, wie schon grmeldek, eine sogenannte „Entbehrung-woche" auserlcgt, um die er zielte» Ersparnisse an den Flottenfond» abzuführen. Die königliche Familie geht mit gutem Beispiel voran. Liner derjeniacn Staaten, die in politischer Beziehuuz aus zu großem Fuße leben und in Folge dessen au- den finanziellen Nöthen gar nicht hcrauSkommen, ist v-rircheiilaiid. Es kann nicht verwundern, wenn jetzt von dort die Nachricht kommt, daß die Aussichten auf da» Zu standekommen der geplanten Anleihe sehr schlechte geworden sind und die Finanrealaniitätcn einen derartigen Umfang ge Wonnen haben, daß der Ministerpräsident TrikupiS entschlösse» ist, seine Entlassung zu geben. Angeblich soll der Grund zu diesem ausfallenden Sckritt iu einem Eonflict mit dem König zu suche» sein, indessen die Begeb nisse an der Londoner Börse während der letzten Tage lassen diese Bebauptnng al- unbegründet erscheinen. Danach ist die griechische Anleihe ganz aussichtslos. Wegen drr befürch teten Verlegenheiten der Athener Regierung erfuhren die griechischen Werthe einen weiteren CourSsturz von 3 bis ff»/,, v. H. Dadurch sind die Schwierigkeiten Grieöhenlanks aus den Höhcpuncl gestiegen, und cS wird begreiflich, daß TrikupiS, nachdem er ein Jahr lang versucht hat, die Finanzen einer Gesundung zuzusübrcn, enlmüthigt die Büchse in« Korn wirst; ist cs Loch sogar nicht auSacschlosscn, daß Griechenland vor einem Staat-bankerott steht. Aus alle Fälle kann man den Melkungen aus Athen in der nächsten Zeit mit Interessen entgegen sehen. Deutsche- Reich. ^ Q Berlin, II. Mai. Durch den raschen Schluß des Reichstags sind eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen »iierledigt geblieben, welche zum Thril bereits nabezu durch gearbeitet waren. Dabin geboren da» bereits zweimal liegen gebliebene Gesetz gegen Rodheit und Unsitllichkcit, die Gesetzentwürfe über AbzablungSgeschäfte, über Reform de« UnkerstüyungSwohnsitzgesrtzeS, da« Reichs- s euch engeseh; selbst der Handelsvertrag mit Columbia ist „jcht mehr zur Erledigung gelangt. Von größeren Gesetzcntwürsen sind nur noch die Gesetze über Wucher, über Verrath militairischer Gebeimnisse und da» Mil itairpension-gesetz zur vollen Erledigung im Reichstag gekommen. Der Reichstag hat sich, obwohl er von Regierungsvorlagen, Anträgen »nd Anregungen aller Art ans dem Hause förmlich überschwemmt war, auch ab gesehen von dem Scheitern der HccrrSresorm, sehr wenig schöpferisch erwiese». D«e positiven Leistungen einer dald- läkrigen Tagung sink überaus dürftig. Auch in dieser Hin sicht stand der Reichstag allen seinen Vorgängern nach. «, Berlin, kl. Mai. DasAbgrordnetrnbau» hat vor seiner Vertagung va- Vermögen-- und daSEommunal- steucrgesey mit großen Mebrbeiicn, die auch noch ansehn lich genug gewesen wären, wenn sich da» Centrum nicht der Abstimmung enibalten. sende»» für Ablebnung gestimmt batte, in endgiltigcr Schtußabstimmnng angenommen. Die Schluß- abstimmnng über taS lleberwcisungSgrsetz, welche» aber selbstverständlich als Verzicht auf Staatssteuern zu Guustea drr Gemeinden am wenigsten Widerspruch findet, ist dem Centrum
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