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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930515027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-15
- Monat1893-05
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Diese Be hauptung erinnert eiucn Evrrespondenten der „Kölnischen Leitung" aus dein Königreich Sachsen daran, dag die Prophezeiung, die Ausgaben für das Heerwesen müßten zum wirthschasllichcn Ruin de« Volke- führe», schon zu einer Zeit, als die sächsische» Slrcitkräste und die Aus gabe für sie im Vergleich zu heute noch winzig zu nennen waren, als Wübl- und AgitatiouSmittel benutzt wurde. „In den irnllischen Zeiten des deutschen Bundes vor 1848" — säbrl der Verfasser der Zuschrift an das rheinische Blatt fort — „war sür daS sächsische Contingent, welches die 1. Division des 8. ArmeccorpS bildete, eine Kriegsstärke von nur 12 000 Mann vorgeschriebe». DicS ist etwa der zehnte Theil der Mannschaften, die Sachsen jetzt im Falle eines Krieges zu stellen hat. und wie ärmlich war damals in vieler Hinsicht daS Heer auSzcstattet! Gleichwohl wurde schon damals daS demokratische Verlangen »all, all gemeiner Volksbewaffnung mit der Behauplung begründet, daß das bestehende Heerwesen das Volk wirtbschaftlich ruinire, weil es an seine Steucrkraft übermäßige An forderungen stelle. Diese demokratische Prophezeiung findet sich beispielsweise in einer Bittschrift, die von einem Theile der damals stark demokratisch bearbeiteten Bevölkerung de« Vogtland«:« unterm 2. April 1848 an den König von Sachsen gerichtet und gleichzeitig der Lessentlichkeit übergeben worden ist. Dort wird geklagt, „Laß das bisherige Militairwesen markverzehrrnd an den Kräften der Nation nagt", weshalb für eine zeitgemäße Volks bewaffnung im Vatrrlande gesorgt werden müsse, also dieselbe Wehklage, wie sic auch heute wieder zu hören ist. Nun hat aber das damalige Heerwesen das Mark deS Volke« nicht nur nicht verzehrt, sondern es ist seitdem trotz fortwähren der Verstärkung des Heeres und Vermehrung der Ausgaben für dasselbe eine geravezu erstaunliche Steigerung der wirthschasllichcn Kräfte deS Landes zu beobachten ge wesen; die Stenerkraft ist außerordenttich gewachsen und die Steigerung de» Wohlstandes bestätigt neben vielen andern schon die eine Tbatsarbe, daß sich der Fleischverbrauch für den Kops der Bevölkerung seitdem gerade verdoppelt bat. So ist „das Mark des Landes durch den Militarismus verzehrt" worden! Wer sich der Einsicht nicht verschließt, daß die Ausgaben für daS Heerwesen nicht inS Wasser ge worfen werden, sondern im Lande bleiben und durch tausend Aedcrchen dem Gewerbe und Handel wieder Leben und Kraft zuführen, der wird sich aus Feuillots,». Lady Aibylle. Roman von L. Schroeder. «laivtnick rerdoirn. 181 (Fortsetzung.) Sic maß ihn vom Kopf bis zu den Füßen mit leuchtender Bewunderung im Blicke und lächle: „Wer ist denn Einer, möchte ich fragen?" „DaS weiß ich nicht, aber ich bin keiner — keiner, wenigsten- waS die Herkunft betrifft. Mein Großvater war Schmied in einem westfälischen Dorfe, mein Vater machte durch In telligenz und eisernen Fleiß sein Glück und ward ein reicher Kaufmann in einer großen Handelsstadt, ich selber — Sie wissen cS bereit« — war in den Jahren, da ich überhaupt noch zu etwa« taugte auf der Welt, Viehhändler im fernen Westen von Amerika." Ein Zucken ibrer Wimpern, ein momentane« Senken ihrer Lider bewiesen, daß die kräftig ansgetragenen Farben ihre Wirkung nicht ganz verfehlt halten, dann aber sagte sic, den Kops hebend, mit stammende» Augen, mit glühenden Wange», mit einer Miene, dir allen Bedenken, welche sich etwa in ihr ballen regen können, Trotz bot: „WaS liegt daran? Ich liebe Sie!" Die« von demselben Mädchen, da« noch vor wenigen Tagen ron der stolzen Höhe ihrer Geburt herunter gesprochen hatte: „Gleichviel bin ick nicht dafür, bin ich ganz entschieden dagegen, vom Adel zur Mittelklasse hinüber eine Brücke zu schlagen, wie c« der brennende Wunsch aller Emporkömmlinge bicr zu Lande ist, denn ich bin überzeug», r« würde nicht gut tbun, es würde ganz unerträgliche Zustande herbeiführrn!" Vor der Liede, die ibr Leib und ibrc Seele so ganz auS- süllle, daß für keinen Scrupcl, kein Vorurthcil mehr Raum blieb, stand Waldstedt gcrübrl, bewundernd und — auch be schämt, denn die seine, so groß sie war, konnte jetzt im nüchternen Morgenlicht die Vernunft nicht Lügen strasen, die da sagte: „Das ist groß und schön und berrlich! WaS sich Dir hier an Liebe biciet, ist Dir noch nie geboten worden, aber sei klug, gieb Deinem und ihrem beißen Verlangen nicht nach! Die Leidenschaft verraucht, das Vcrurtheil tritt wieder in seine Rechte und daS Ende ist bitterste Nene." „Sibylle", fragte er, bemübt, seine Stimme zu beherrschen, „erinnern Sie sich dessen, was Sie mir bei unserer ersten Be gegnung sagten?" „Wenn rin einziges meiner Worte sich so drehen und wenden ließe, daß c- aus Sie Anwendung finden konnle, so verwünsche ich eS!" fließ sie leidenschaftlich hervor. „Geliebte —" „Gieb Dir keine weitere Mühe, Dich in meine» Augen berat zusetzcn, Richard! Es Hilst Dir nicht-. Du bleibst doch, der D» bist — rin Gentleman nnlcr Genllrmen, ein Aristokrat »nler Aristokraten! Du vereinigst den Adel der Erscheinung mit dem Adel der S«tlr» Tu —" diesem geschichtlichen Rückblick die Lebre selbst zu ziehen vermögen." Jeder Sachse, dem nicht blinde Voreingenommenheit gegen jede Steigerung der Militairlast das Urtdeil trübt, wird daS bestätigen müssen. Daran- folgt freilich nock nicht, daß eS keine Grenze gebe, über die nicht biiiauSgcgangcn werde» darf, wen» der Volkswohlstand erhalten bleiben soll. Es gicbt zweifellos eine solche Grenze, und dcstzalb hak besonders die »ationalliberale Fraction deS anfgelöstcii Reichstag- darauf gedrungen, daß die Vorlage der verbündeten Negie rungen auf das unumgängtlck Nothwcndige beschränkt werte. Auch die verbündeten Regierungen selbst baden anerkannt, daß man ohne Gcsahr für den Volks wohlstand die militairischen Forderungen nicht zu hock spannen dürfe. Sic haben deshalb de» Antrag Hnene sich zu eigen gemacht, der nach ihrer Ueberzengung das unum gänglich Nolhwendigc bewilligen will. Und wenn man sich vollends überzeuge» will, daß diese Bewilligung de», Volke unerschwingliche »nd deshalb zum Ruin führende Forde rungen nicht auserlegt, so braucht man nur daran zu denken, welche Lasten rem Volke auserlegt werden würden, wenn durch eine fortgesetzte Ablehnung der Militairvorlage und einen dadurch entstehen den inneren Eonflict unsere Feinde zu einem lieber- fall geradezu provocirt würden. So wie im Kriege 1870 71 gingen selbst dann, wenn wir e« mit Frankreich allein zu tbun hätten, die Dinge nickt, denn Frankreich bat keine Kosten und Anstrengungen gespart, um un« überlegen zu werden. Unendliche Opfer a» edlen Leben »nd materielle» Göttern würden von »nS gebracht werden müsse», »in nur eine Nieder lage abzuwebren. Bon der Eventualität eine« gleichzeitigen Kriege« mit Rußland und von den Folgen eine« Weltkriege« wollen wir gar nickt reden. Können wir auch nur einen Krieg mit Frankreich durch die geplante Stärkung unserer Wehrkraft abwcnden, so erzielen wir trotz der mit dieser Stärkung verbundenen materiellen Opfer eine Ersparniß an wirtbsckaftlicher Kraft und halten den Ruin fern, der auf lange Jahre hinaus mit einem Kriege über das deutsche Erwerbsleben unfehlbar hcreinbrechen müßte. Durch die VerfassungS - Reform in Belgien ist auch eine andere Zusammensetzung de« Senates notbwcndig geworden. Rach den Vorschlägen des für die Vorberathniig der VerfafsnngS - Durchsicht niedergcsetzie» Ausschusses soll künftig die Wahl der Senatoren durch taö zweistufige Wahl system erfolgen. Alle mindesteiiS 85 Jahre alten stimm- berechtigten Bürger wähle» »nler denjenigen Bürgern, die »lindesten« zwei Wablstiiiinieu besitze», Dclcgirtc. Diese Dele- girten, die im Verhältnisse von 1 auf 200 Einwohner zu wählen sind und denen die Deputirlcu und Provinzial- rälhc der betreffenden Wahlbezirke hinzutreten, wäkle» die Senatoren. DaS Mandat der Tclcgirlcii dauert acht Jahre. Die crslstusigcn Mäkler geben ihre Sliiiimen in der Gemeinde ab; die Stimmenabgabe ist für die Wähler beider Stufen obligatorisch. Auf je 5000 Einwohner wird ei» Senator gewählt, »nd in den Senat wählbar ist nur Der jenige, rer mindeste»- 15,00 Francs direkte Steuern entrichtet. Dieses Wablsystcm ist sebr verwickelt. Würde eS von der Deputirtcnlamnicr angenommen, so würde jede Gesetzvorlage, die von der aus Grund des allgemeinen Wahlrechts gewählten .Kammer genehmigt wäre und dem Senat gegen den Strick ginge, bcaiislaiidcl werden können. DaS englische Unterbau- hat vorige Woche nach fünf tägiger Eiiizelberalhuiig nur den ersten Paragraphen von den sech-unddreitzig der Homer»le - Vorlagc erledigt. Ter AuSschuß-Vorsitzende, Herr Mcllor — bei sogen. EoniitS- bcralbuiigen leitet nänilich, wie sollst, der Präsident de« Unterhauses die Debatten —, ein den Ministeriellen wohl geneigter Man», batie eine Anzahl von Zilsatzanträgcn zum 8. l gestrichen, so daß die Debatte beschleunigt werde» konnte. AuS der letzten bewegten Sitzung sind »och einige Momeiilc bcivorznbcbcii, insbesondere eine scharfe Rede, in der Ebamberlain erklärte, Gladstone'S Bill stütze sich ans eine Schcinobergewalt deS Rcich-parlanientS, ein Schciiivcto, Scheinbnrgschaslen und Scheinsinanzen. Gleichwohl werde daS Hans angegangen, die Einrichtungen deS Reiche« zu »ntergraben und sich in den Augen der Menschheit lächerlich z» »lache». Gladstonc beschuldigte unter BcifallSjauchzcii der Irländer Ebamberlain, die Erörterung der Vorlage ungebübrlich i» die Länge zu ziehe», damit sie Schiffbrnci) leiden möge. Hierauf gab der Ge»crals>Scal ein Gutachten ab, daß, wenn die Home - Nult - Vorlage Gesetz werken sollte, das Parlament für alle Zwecke kaS Parlament des Vereinigten Königreichs, Irland mit inbegriffen, bleiben werde. Tbatjäcblich könnte keine Bill, die ras Parlament genehmigen würde, cö seiner Obergewalt berauben. Wenn indcß eine »»abhängige Elausel zwecks einer förmlichen An erkennung dieser Obergewalt eingebracht werde» sollte, dann werde die Regierung sic i» Erwägung ziehen. Ln den Kundgebungen der schwedische» Presse spiegelt sich die Erbitterung wieder, die in ganz Schweden gegenüber den auf Zertrümmerung der Union gerichtete» Bestrebungen der radikalen Parlci in Norwegen herrscht. Diese Bewegung bat neuerdings z» der Bildung eines „NationalvercinS" esübrt, der, unter Mitwirkung zahlreicher Mitglieder beider ckwedischer .Kaiiiincrii, bereit« inS Leben trat und sich zur Aufgabe mackt, die ValcrlaiidSliedc wach zu halten und für die Herbeiführung einer glücklichen Lösnng der verschiedenen schwebende», für da« Valerland bedeutenden Fragen Alles aiifznbieten. Tie wichtigsten dieser Fragen sind diejenigen, bettessend de» Ausbau der nationalen Wehrmacht »nd die Erkaltung der Union. Der Verein bat einen Aufruf erlassen, welcher mit Beifall begrüßt worden ist. Voraussichtlich werden überall im Lande Filialen des „NationalvercinS" errichtet werden. , In Athen bat sich daö neue Ministerium constiluirt — auf wie lange, daS läßt sich bei den völlig eigenartigen „Deine Liebe sicht meinen armen Menschen i» einem ver klärten Licht", fiel er ihr in bewegtem Tone inS Wort, „aber selbst Deine Liebe kann mir de» Adel der Geburt nickt geben, auf den es hier wohl vor allen Dingen ankonimt." „Wenn ich Dir sage, daß mir nicht- — auch gar nichts daran liegt! O Gvtt, willst Du mir denn nicht glauben?!" „Ick glaube Dir", entgegnete er sanft, „und ich danke Dir vom Grunde meines Herze»«, aber — Deine Verwandtschaft, wird der auch nichts daran liege», wen» D» dem Sohn des Emporkömmlings die Hand für« Leben reichst?" Ihre Augen öffneten sich weit >i»d tödtlich erschrocken. „O Gott! ich batte vergessen!" stöhnte sie. „Die Groß mutter und KarSbrvoke und — gewiß, sie werden sich wider sehen — Alle — Alle und ick, —" sie ließ sich i» eine» Stuhl sinken und schlug anfschluchzeiid die Hände vor das Gesicht — „ich Unglückselige bin ja nicht cininal volljährig — habe selbst vor dem Gesetz noch keinen Willen!" „Sibylle", flüsterte er, vor ibr niedcrkincnd »nd ihre schlanke Gestalt mit seinen Armen umfassend, „ick, verzeih' mir'ö mein Leben lang nicht, daß ich wie ein böser Schatten in Dein sonnige- Dasein fallen mußte!" Da hatte sie plötzlich sei» Haupt umschlungen und es innig an ihre Brust gepreßt. „Du — ein Schatten?" murmelte sie mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit. „Geliebter, D» bist ja meine Sonne! Bevor Tn kamst, war Nacht, und wenn Tu gehst, ist wieder Nacht! Doch Du wirst nicht gehe» — versprich mir wenigstens daö!" „Ich muß, Sibylle, beute noch — jetzt gleich, wenn cö möglich ist. Ick, kam, Abschied zu nehmen." „Abschied!" schrie sie, wie wahnsinnig in die Höhe fahrend. „Abschied", wiederholte er, sich gleichfalls erbebend, mit fester Stimme. „Ich bin eS Dir und mir schuldig, Sibylle. ES wäre schlimmer als unnütz, wollte ick, jetzt vor die Deinen hintreten »nd um Deine Hand werben — und ein heimliches LicbcSverhältniß ist Deiner und meiner nicht würdig." „So gicbst Du mich auf?" jammerte sie händeringend. „Ich gebe Tick, erst aus an dem Tage, an dem ich erfahre, daß Dein Her; sich einem Anderen zugcwandt bat." „Als ob dieser Tag jemals komme» würde!" „Wer — weiß!" „Tu glaubst eS?" stieß sie außer sich hervor. „Du — hoffst es vielleicht?" „Sibylle!" „Verzeih !" flehte sie an seinem Halse „Ich bin schlecht — ick, bin ungerecht, ich — ich weiß ja, daß Tu mich liebst! ES enljubr mir a»ck, nur. weil Deine Stimme — eS klang plötzlich etwa- so Kaltes darin, Geliebter! Nein, Tu brauchst mir- nicht z» erklären — ich weiß ja, es war die Verminst — D» hast sie »öthig sür uns Beide! Ick — ick, bin wir von Sinnen bei dem Gedanken, daß wir un- trennen sollen — trennen — O Gott, wen» cS »uc nicht so hart wäre und nur nicht beule schon! Kannst Tu mir nicht einen Tag — einen arme» Tag noch schenken, Richard?" Er schloß ihr die verzweiflung-volle» Augen mit Küssen. „Meine Seele", murmelte er, „jede Stunde erschwert nnü den Abschied." Sie krack, da« Gesicht an seine Schulter gelehnt, i» leiden schaftliches Weinen an«. „Verzeih' — o verzeih'", schluck,zte sie, „Du hast ja ganz reckt, aber —" ,.Sei stark, Sibylle, stark für u»S Beide!" bat er, ihr mit sanfter Hand daö wcickic Haar liebkosend. „Ick, will", staiiiinclle sie. „Nur einen Augenblick noch Geduld!" Minutenlang schüttelte die heftige iniicre Bewegung ilirc schlanke Gestalt, so daß sie sich nur, vo» seinem Arme gestützt, aufrecht erhielt, dann ließ allmälig der Sturm nach. Endlich sagte sie, wie aus starrer Verzweiflung heraus: „So! Nun tbue ick, Alles, was Dn verlangst. Ich gehe also zur Großmutter und tbcile ihr mit —" „Daß dringende Gesckäsle mich zwinge», sofort »ach Deutsch land zurückzukehren. Es ist zufällig die Wahrheit, nur pflege ich es mit dringenden Geschäften sonst nickt genau zu iiebmen." „Sic wird Dich empfangen, de»» sie ist srüh ans", seufzte Sibylle, „dieser Abschied ist in fünf Minuten genommen. Ich lasse mittlerweile aiispanncn und dann — seh' ick, Dich dann noch, oder — muß ick, hier jetzt gleich — ?" Sie blickte ibm mit verzehrender Angst in die Augen. „Wohin soll ick, loninic», Sibylle?" „Dank!" flüsterte sie innig. „In den blauen Salon, Richard. Ick, will Dir keine Scene machen — zum Weinen und Jammern habe ick »och Zeit genug, wenn D» fort bist — ich will nur nickt, daß andere Lippen als die meinen Dir das letzte Lebewohl in diesem Hause sagen. — Muß ,ch — nun gehe» ?" „Ich bitte Dick, darum, Geliebte!" Wie sie sich so gehorsam umwandte, mit so demülkig ge senktem Haupt in nicht-, in gar nickt- an die stolze Sibvile KarSbrookc erinnernd — da begriff Waldstedt ans einmal nicht, daß seine Verminst so tapfer milgksprocke» batte die sisnze Zeit über. Der Rausch von gestern Nackt kam wieder über ib», er brannte vor Begierde, ihr »ack'rustürzcn, sie an sein Her; zu pressen und ibr unter beißen Küsse» zu versichern, er gebe nickt, er könne nickt vo» ibr lasse» — beule nickt und niemals. Als eine Wendung des Pfades sic seinen Blicke» entzog, gewann er mühsam die Selbstbeherrschung wieder. Die alte Gräfin empfing ib» höchst übellaunig. Sic war gewohnt, daß ihre Gäste die Grenze, die sic selbst, a»s der Einladungskarte, ihrem Auscnthalt steckte, genau innehieltc» Daß Einer zu lange blieb, kam nicht vor, daß Einer vorzeitig ging, aber ebensowenig. Dringende Geschäfte gab es in ihren Kreisen nickt. Hinter solchem Vorwand konnle sich nur die Langeweile versteckt ballen »nd nun der bloße Gedanke, daß der Mann, den sie intt Liebenswürdigkeiten überbäusl »»c mit pikanten Gescbichtche» gespeist balle, es vor Langeweile nicht mebr auSbie»! — Es gebürte viel sck»mick>«lnte Berekt- samkeit von Waldstedt » Seile dazu, bis er es io weit gebracht hatte, daß sic ib» einigermaßen in Gnade» eiitlikß. Als er endlich in den blaue» Sale» trat, siaiiivslen die Pferde in der Einsabrt nuten bereits uiigctiildig den KieS — Sibylle sab cS mit starrer Trostlosigkeit von der Fenster nische au», in der sie lehnte. Ihr Gesich' war so weiß ^ und unsicheren Verhältnissen Griechenlands nicht sagen. Das Präsidium und das Portefeuille rer Finanzen übernimmt, wie f'ckon gemeldet, Sotiropu loS, ein bi« fetzt wenig oder gar nicht genannter griechischer Staatsmann, VaS deS Innern Ralli, daö Auswärtige Conlostavlo, des Kriegs Oberst Corva, der Marine ErieziS, deS Unterricht- EfkaxiaS, der Justiz Hadzopnlo. Bon den Mitgliedern des CadinctS sind allein Ralli und EftaxiaS Deputirte. — Auch das Programm des neuen Ministeriums ist bekannt; e« lautet: An erkennung der Vcrbindlichkeile» Griechenland« gegen da« Ausland, Zahlung des demnächst fälligen Eoupon«, weitest gehende Ersparnisse i»> Staatshaushalt und Einfübrunz deS TabakmoiiopolS. SotiropuloS gehört gegenwärtig keiner Partei an Tie meisten Mitglieder deS Eabinet« gehören der von Ralli geführten sogenannte» dritten Partei an. Man kann dcni Programm deS Ministeriums SotiropuloS nur Beifall zollen, da eS de» Gedanken von sich weist, die finanzielle Lage Griechenlands durch Benachtkeiligung der auswäriigen Glänbiger zu verbessern, doch fragt cS sich, ob die Verbältinissc nicht mächtiger al- Herr Sotiro- puloS sein werke» »nd ob e« ibm gelingt, seine Landsleute davon ;n überzeuge», daß sie sich in ikrem Staatshaushalt unbedingt viel bescheidener und entsagender einzurickten haben, wenn es überhaupt möglich werden soll, den Staat-bankerott von Griechenland abzuwenden. Aus den Bereinigte» Staate» vo» Nordamerika liegen beule »itbrere Neuigkeiten von erheblichem Interesse vor. Es bestätigt sich, so wird aus Ebieago telegraphisch gemeldet, daß die Anarchisten beabsichtige», die Ausstellung in Brand z u st e ck c». Bei einigen Verdächtigen wurde« Briefe gefunden, au- denen bervorgcht, daß man die Zerstörung der Wasserleitung plante, um die Löscharbciten zu vereiteln. Die amerikanischen Anarchisten baden schon früher gezeigt, daß sie vor der Verwirklichung derartiger teuflischer Pläne nicht znrücksckreckcn, und cö wird jedensall« großer Wachsamkeit bedürfen, um die Anschläge gegen die Ehicagocr Weltausstellung zu vereiteln. — AlSdann meldrt ein weitere«Telegramm Reibereien zwischen den europäischen Ausstellern »nd der AuöstclliiiigSbirrction. Die AuSstellungScoiilit'-S snr Deutschland, Oesterreich-Ungarn, England, Frankreich, Spanien, sowie »ichrerr kleinere Länder baden der AnSstelluiig-direerio» angezeigt, daß si« ihre Abrbkiliingeu schließen lassen würden, fall« die Präniürung nicht durch ein internationales Preisgericht, sondern, wie beabsichtigt, durch einen Einzrlrichler vorgenommei, werden sollte. Die europäische» Aussteller werden sicher ibrc guten Gründe haben, in solcher Weise zu verfahren und fick, dadurch vor llcbrrvorthciluiig seiten« de« zu zehr auf seine» Nutzen bedachte» Bruder« Jonatban zu schützen. — Eine erfreuliche Nachricht dagegen verlautet auS Nc>v-L)ork, indem Präsident Eleveland einen Ausschuß nnler Vorsitz de« Freihändler« David Well« zur Aus, arbcitnna eines nencii ZollgcsetzeS eingesetzt hat, da« dix Mac Kinlcy-Bill ersetzen soll. Der Ausschuß besteht auz wie da« Kleid, da« sie trug. Sie schien ruhig, doch r« war nur die Rübe der Verzweiiluna. Langsam, den inneren Drang gewaltsam zügelnd, ging sie Waldstedt entgegen. Wie sie sich ibm in den Arm schmiegte, wollte ibr rin Schluchzen kommen, doch e« ward im Nu unterdrückt. Für Küsse und Licdetworte war der Moment z» ernst. Wange an Wange gepreßt hielten sie einander eng umschlungen. Endlich hob Sibylle den Kopf. „Ich bleibe Dir ewig treu", sagte sie und e« klang wie ein feierliche« Gelübde. „Dbii eS, wenn Du kannst", ries er au«, „aber gieb mir kein Verspreche» —ich mag Dir Dein Leben nicht verdorben haben!" „Dn würdest also zufrieden sein, wenn ich einen Anderen nähme?" Er gedachte de« Grasen KarSbrvoke und fluchte ibm im Grunde seiner Seele. Doch er zwang sich, brrvorzustoßen: „Wenn Tn in diesem Anderen Dein Glück seben könntest —" „Dn brauchst Dick nickst aufzuregcn", unterbrach sie ihn mit einem matte», aber seligen Lächeln. „Mein Glück ist und bleibt in Dir — ick kenne mich." „Aber ich will kein Versprechen", bcharrte er, „Du sollst Deinem freie» Wille» keine Fesseln anlegen um meinetwillen!" „Und Tu selbst willst auch nicht gebunden sein, Rickard?" „So eng und so fest Du wünschest!" „Gut, auf ein Iabr dann, Geliebter! UeberS Jahr bin ick majorenn. WaS ich mit der Zustimmung der Meinen bis kabin nickt erreicht habe, das kann mir dann kein Mensch und kein Gesetz mehr wcbren." „Wen» cö aber bis dabin allen Werth sür Dich verloren haben sollte —" „Daß Sibnlle KarSbrooke je einem Anderen so die Lippen bieten wird, das glaubst Dn nicht, Richard — da« kannst Du nicht glanden!" Ihr Mund begegnete dem seine» i» einem letzten leiden schaftliche» Kusse, dann machte er sich sanft von ibr lo«. „Ick warte", mnrnielte er, „und ich hoffe! Leb' wohl, mein Herz — meine Seele!" „Aus Wiedersehen!" wollte sic flüstern, aber sie brachte keinen Laut aus der ziisaiiimengeschnürlen Kcblc. Als die Dbür sich hinter ihm geschlossen hatte, schleppte sie sick, mit strauchelnden Füßen an das Fenster. Ta trat er ans dem Hause, stieg er in den Wagen. Jetzt batte er sie gewährt und grüßte mit Auge und Hand noch einmal hinauf. Letzt zogen die Pferde an. Alle- Blut hämmerte ibr im Herzen. Wie ein schwarzer Scklcier fiel c- ihr vor den Augen nieder, aber ihre Seele batte ib» ii» Nn zerrissen, verzweifluiigSvoll klammerte sie sich an die tbeurr Gestalt. Da war da« Parkthor — gleich krümmte sich der Weg — ob er sich noch einmal —? Noch einmal wandte Waldstedt sich zurück. Seine Hand schickte den letzten Gruß, sein Antlitz war sehr bleich. Im nächsten Moment war der Wagen verschwunden. Mit einem dumpfen Laut brach Sibylle zusammen. (Fortsetzung folgt.)
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