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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930516028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893051602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893051602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-16
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Einige von ihnen haben ja selbst auf eine Wiederwahl verzichtet, andere aber und besonder» Herr Hugo Hinze, der seilhcrige mililairische Sachverständige der frei sinnigen Partei, treten energisch in den Wablkamps ein und betonen mit größter Entschiedenheit, daß sie die Annahme des Antrags Huene für eine unerläßliche Bedingung der Erhaltung drS äußeren und inneren Friedens halten. Herr Hinze begründet diese seine Urderzrugung in einer Erklärung an die Wähler des l. oldcnburgischen RerchS- tagS-Wahlkreise-, der wir das Folgende entnehmen: „Ich habe die Anschauung, daß eine Frage von so weit reichender Bedeutung, wie die Militairvorlagc, in welcher eS sich um den Schutz und die Ehre dcS Vaterlandes und um die Sicherung des euro päischen Friedens handelt, nicht einseitig von dem Staadpuacte einer politischen Partei, noch viel weniger von dem der parlamentarischen Fraktion betrachtet werden darf. Ist die Lösung der Frage mit einem programmgemäß festgcstellteii Princip der Partei zu vereinen, dann sollen, nach meiner Meinung, nur die allgemeinen Interessen de» Reiche« und deS Volke» maßgebend sein. Da nun die Militairvorlage im Princip nichts forderte, was nicht mit dem Artikel V de» Programms der »Deutschen freisinnige» Partei" vereinbar gewesen wäre, so lag für mich ein Streit principieller Natur nicht vor. E» handelte sich nur um die Fest stellung des zu gewährenden Maßes. Ich gestehe offen, daß ich von Anfang an die Forderung der Regierungsvorlage für zu hoch, das Angebot der deutschfreisinnigen Fraction aber auch für viel zu tief gegriffen er achtete. In der Commission wurde von Seiten des Reichskanzlers und des KriegSministeriumS durch unwiderlegbare militair-politrsche und militair-technisckie Darlegungen der Beweis erbracht, daß der Friede am sichersten aufrecht erhalten werden könne durch die Erhöhung unserer Kriegsstärke an ausgebildeten Mannschaften, so weit, daß wir der französischen Kriegsstärke überlegen werden. In einer solchen Kriegsstärke und in Organisationsveränderungen des FriedenSheereS, durch welche die Mobilmachung erleichtert und be schleunigt wird, liegt aber auch für den Fall eines Krieges die Äussichl auf siegreiche Durch führung desselben. Nach anhaltenden und gewissenhaftesten Prü fungen des sehr weitscbichtigen Materials gelangte ich zu der festen Uebcrzcugung, daß eine bedeutende Erhöhung der Friedenspräsenzstärke geboten und möglich sei; auch mußte ich anerkennen, daß die vorgeschlagene Eingliederung der EtatSvermebrungen und Neuformationen in die bestehende Organisation dcS Heere» eine sachgemäße war. Nachdem diese Ueberzeugunz bei mir unerschütter lich festgelegt war, babe ich meine Bemühungen unauSgHtzt darauf gerichtet, daS Maß der Mehr- fordernngen bis auf das Unerläßlichste herab zumindern. Mit dem Antrag Huene war die Grenze er reicht, bis zu welcher die Regierung geglaubt bat, nachqeben zu können: »nd diejenigen Mitglieder de» Reichstage-, welcbe sich bis zur letzten Stunde be- mübtcn, eine Mehrbeit für die abgeminderle Vorlage zu schaffen, konnten sich hiermit zufrieden geben. Mein Bestreben, eine Bewilligung berbeizusübren, war nicht nur begründet durch die Güte und Noth- wcndigkeit der Sache an sich selbst, sondern auch noch durch meine lleberzeugung, daß die Ablehnung der Vorlage eine tiefe «chädigung deö innern Friedens im Reiche und keine Steigerung des Ansehens des deutschen Reiche» im Auslände bcrvorbringe» würde. ÄuS alle» kiesen Gründe», und trotzdem meine An schauungen nur von einem lleinen Theil meiner bis herigen Fraclionsgenossoii als hcrcchtigt anerkannt wurden, mußte ich für den Antrag Huene stimmen." Man kann nur wünschen, daß diese Erklärung eine» MaoneS, der jahrelang von den Freisinnigen als mililairische Autorität ersten Ranges gepriesen worden ist, der die Unabhängigkeit seiner Ueberzcugung gerade in mili- tairischen Dingen i» zahllosen Kämpfen mit anderen rnilitairiscken Sachverständigen bewiesen hat und außer dem nvch beute an dem Programm der freisinnigen Partei unverbrüchlich festbält, i» allen jenen Kreisen gewürdigt wird, die trotz ihrer principicllen Billigung der Richter'scken politischen Grundsätze noch der Pflicht sich bewußt sind, i» Fragen, „bei denen cS sich :»» den Schutz und die Ehre deS Vaterlandes und um die Sicherung de» euro päischen Frieden- handelt", da» Fractioiisintcrcsse und da» FractionSdogma hinter die großen vaterländische» Interessen und die sachverständigen Urtbeile berufener Autoritäten zurückzustellcn. Mit einer Neugier, welche immer spöttischer wird, er wartet man von einem Tage zum anderen den Wahl aufruf «es Eentr««», mit dem dir Verfasser nicht fertig werden können. Diese cigcnlhümliche Art von Spannung drückt sich auch in der folgende» Notiz der klerikalen „Schlef. VolkS-Ztg." au»: „Der CrntrmnS - Wahlaufruf ist, wie unsere» Lesern hiermit bekannt gegeben sei, his znni Schluß der Redaktion noch nicht in unsere Hände gelangt. Er dürfte aber wohl demnächst fertig gestellt sein und an die Lentrumspresse zur Berfcndung gelange» und wird auch dann sofort von »nS veröffentlicht werden." In derjenigen Provinz, in der die meisten klerikalen Freunde des Antrags Huene gewählt waren, ist man also offenbar nicht der Ansicht, welche eine Berliner Eorrespondenz von CentrumSblättern zur Verdeckung der in der Partei herr schenden Verlegenheit ausspricht: aus Wahlaufrufe komme Überhaupt nicht- an. Es fragt sich eben, unter welchen Umständen sie erlassen werden. Gegenwärtig hätten die Nakionallihcralcn und die Freiccnservativen, sowie antcrersoits die Socialdemokratcn allerdings sick, wen» sic gewollt hätten, einer derartigen Kundgebung enthalten können, da die Stellung dieser Parteien in der ausgcbrochcncn Krisis vollkommen klar ist. Nothwendiger war schon ein Wahlaufruf der Eonscr- vativen wegen ibreS Verhaltens zur zweijährigen Dienstzeit. Unerläßlich aber ist eS offenbar, wie für die einzelnen Be- standtheile der zerfallenen deutschfrcisinnigen Partei, so für daS innerlich schwer erschütterte Eentrnm, seinen bisherigen Anhängern zu sagen, was diese Partei jetzt und für die Zu kunft bedeutet — und selbstverständlich interessircn auch die übrigen Parteien sich für daS schwierige Kunststück, daS hier getriftet werden muß. Dir Führer der srutschen Locialdrmokratir sind durch den begeisterten Empfang, den der „Sieger von Dabcmoy", General Lass», in Marseille, in Paris, überhaupt überall dort in Frankreich, wo der hcimkchrciirc Triumphator den Blicken der Menge sichtbar wurde, gesunden bat, in nicht gcringe Verlegenheit gesetzt worden. Das essicielle Partei orga», der „Vorwärts", sucht sich über die idm recht un- beaueme Tbatsache mit den üblichen Schimpfereien binwcz zusctzc», die jetcSinal bcrbalten müssen, wenn ihm die Grünte auSgeben, oder wenn seine tendenziösen Vorspiegelungen gar zu icbr den Tbatsachcn widersprechen. Die Leser dcS „Vorwärts" erfahren denn auch nur, daß General Dodts von den Anhängern der „Neaclion" aus den Schilt gehoben werde, insbesondere die Tkeilnchmer an den Marseillcr Festklindgebnngen, welche;» mindestens "w auS Ge sinnungsgenossen der deutschen Socialtemokratie bestanden haben, werten, der socialdcmokratische Maire an der Spitze, als „Mob" abgcscrtigk. Es ist dies rieselte Taktik, welche im Februar lv»2 den „Vorwärt-" bewog, seine an den da maligen Berliner Straßcnkrawallcn bctbciligten Gesinnungs genossen als „Lumpciiproletaricr" zu verleugnen, einzig, weil !bni die damaligen Krawalle nicht paßten und er für die intellectuelle Urheberschaft derselben nicht in Anspruch genommen sein wollte. Es wird rcn Herren L>e bkncckt und Genossen aber Alle- nichts helfen — ihre proletarische SolikaritätS- tbeoric bat in Folge des auch von den französischen Sccialistcn dem General DotdS bereitete» begeisterten Empfanges grünt lichcS FiaSco erlitten. Wäre die bis zum Ucbertruß wiederholte Behauptung dieser Herren richtig, daß in den Reiben des sranzösischcn Proletariats die Liede zum Frieden, die Liebe zu ikrcn deutschen „Brüdern" so allgewaltig sei, um sic jeder chauvinistische» Regung mizngänglich zu mache», wie könnte denn der socialistischo Maire von Marseille unter dem Beifallsjubel seiner Getreuen sich für die „Per ticnstc" eines siegreiche» Generals und seiner Truppen so begeistern, wie cs in der Tbat geschehen? Jene Legende ist unbarmherzig zerstörl worden und nun greift man zu dem brlicblcn AuSbilsSmiNcl des Lügen- und ccchimpsenS — aus die Gcfabr, von den sranzösischcn Genossen wegen der in- juriösen Bezeichnung „Niob" ebenso energisch abgcsertigt zu werten, wie s. Z. von den Berliner Straßenhcldo», welche sich nicht bei der LUialification als „Lumpenprolctarier" bczw. „Ballonmützen" beruhigen wollten. Innerhalb der österreichischen Stusentenschast herrscht in Folge de» seiten» der Arinecleitniig an die Einjährig freiwilligen ergangenen Verbote-, sarbcnlrageiiden Studenten - Verbindungen als Mitglieder anzugcdören, eine sehr lebhafte Bewegung. Man bat cS hier offenbar nur mit einer den Zcitverhältnisscn entsprechenden, oder von diesen hcrvorgeruscnkii Erneuerung einer alten Norm zu lbun. Es ist Personen deS ArniceslanteS von jeher untersagt, an Vereinen mit politische» Tendenzen rbeilziinehinen Tie österreichischen sarbcntragcnten Slndcntenvcrbindunge» beschäftigen sich aber entgegen ihre» Satzungen in der neueren Zeit vielfach mit Politik, und cü ist bekannt, daß aus diesem Grunde von den Civil- bcbörkcn zahlreiche Auflösungen solcher Vereinigungen cr folgten. Daß auch die Armeelcituiig denselben gegenüber sich nicht vvllstänkig passiv verhält, ist gewiß begreiflich. Wobl ist ein ausdrückliches Verbot gegen die Tbeilnahine von Militairpersonen an Politik treibende» Vereinigungen in, Dienstreglemenl nicht zu entdecken; aber mit Ausnahme einer kurzen Zeit während der Sturmperiode dcS IadrcS löG, wo den Ossicieron das Wahlrecht gestattet worden war, baden, so oft irgend ein Anlaß kazu vorhanden gewesen ist, immer »nd iiiimcr wieder sogenannte Reservat-Befehle das erwähnte Vorbei aus- Nachdrücklichste wiederholt und den Angehörigen der Armee daö Politisircn streng untersagt. TieS ncncrlich in Erinnerung zu bringen, bat sich nnn vor Kurzem die Ärmcclcitung angesichts der augonblick lieben Strömlingen innerbalb der Stlidcr.tcnschaft in der Eingangs besagten Form veranlaßt gesehen, und hiergegen ist die Bewegung unter der Sliiteiilcnschaft, von der oben die Rede ist, gerichtet. Ton Anstoß zu dieser Bewegung haben die Hörer der Innsbrucker Universität gegeben. Nach eingehentcn Besprechungen baden sie beschlossen, eine Prolcstvcrsammlunz gegen die Verfügung der Armceleitung zu veranstalten unk gleichzeitig die Hörer anderer Hochschulen, in erster Reibe diejenigen der Resitruzstadt Wien, durch ei» Rundschreiben zu gemeinsamem Vorgehen aufzufordcrn. Tic AiiSscbußberathung über die Home-Rnle-Horlage ha^ wie schon gemeldet, in der ersten Woche niit einem Siege der Negierung geendet; die ständige Mehrheit von 42 Stimmen für Glatstonc zeigte noch keinerlei Verminderung. Trotzdem stcbcn der Vorlage aber nock große Schwierigkeiten im Wege und diese haben »n Lause der vorigen Woche sogar noch ui» eine sich vermehrt. In der allgemeinen Erörterung über dir Zulassung der Bill zur zweiten Lesung traten bis jetzt Haupt- sächlich drei schwierige Punctc in den Vordergrund: Ulster, die sinaiiziclle Frage und die Zulassung der irischen Vertreter ins Reich-Parlament Jetzt beherrscht eine vierte Frage dir Erörterung, die der O ber hohe i l deS Re >ckspa rl ain ents über die irische Legislatur. Ebamberlain, gegenwärtig der erste Wortführer der Opposition, hat durch die Aufwerfung dieser Frage einige Verwirrung in die Reiben der Regierungs partei getragen, wie sich aus den Erklärungen Sir E. Reed's unk Mi . Bolton S. zweier treuen Anhäuger Gladstone'S, ergab; beite betonten, daß sie ihren Wählern gegenüber verpflichtet seien, für eine Elausel zu stimmen, welche eie Oberhoheit de« RcichSparlainenls als eine wirkliche hinstelle. Da die Regierung zugesagt bat, einer etwa zu beantragenden eigenen Elausel tieics IndaliS woblwollende Beachtung zuzuwenden, so wird die Oberdohoiissrage auch writrrbein eine große, vielleicht entsaicidtiide Rolle in der AuSschußberatbung spielen. Dir Ernservativon sind denn auch gehobenen MutheS In welcher Richtung ihre Hoffnungen sich bewegen und auf welche Voraussetzungen sie sich gründen, erhellt au« einer Rede» die Lord Randolph Eburckill am Sonnabend in einer conservativen Wäblcrversammlnng hielt »nd in der er die fortgesetzte energische Opposition der Torypartei gegen die Homerule-Vorlage in Aussicht stellte. Im Oktober werde, nachdem das Oberbau» die Vorlage verworfen haben werde, die Lage der Regierung eine verzweifelte, die Auflösung des Parlament» und Ncuwahlen binnen zwölf Monaten geradezu unvermeidlich sein. Schreite die Regierung indrß, so betonte Ebnrchill weiter, wider Erwarten nicht zu einer Auflösung, so werde die Krone berechtigt sein, taS Eabinet zu entlassen »nd Rätbe zu wählen, die sofort zur Rettung de» Reiche- die Nation anrusen würden. Tie Zusammensetzung deö neue» »riechischrn Ministe riums und dessen Programm habe» wir bereits mitgelheilt. DaS letztere macht allerhand schone Versprechungen, die sich aber schließlich nicht verwirklichen lassen, wenn cs nicht gelingt, ein- größere Anleihe abzuschlicßcn. Was TrikupiS nicht ge lang, daS wird dem Ministerpräsidenten SotiropuloS, der selbst keiner parlamentarischen Partei angehört und nur die kaum ein Dutzend zählenden Abgeordneten der Milkelpartei hinter sich bade» wird, sicher nicht gelinge». Ohne Ein führung einer sinanziellcn Eontrole giebt cS für Griechenland lein Geld, die Verlegenheiten werten sich immer mehr Käufen und der Bestand dcS Ministerium« dürste kam» nach Monate», vielleicht nur nach Wochen zähle». Au der Einführung de« Tabakmonopols bat schon Tclijannis Scbissbrnch gelitten, TrikupiS konnte sich nicht entschließen, eine so unpopuläre Vorlage der Kammer zu »nlorbrciten, und für ein Ministerium, das keine Partei hinter sich bat, ist eine Mehrheit um so weniger zu finden. Wahrscheinlich wird man cS mit Ncuwahlen versuchen, aber auch diese versprechen für SotiropulvS-Ralli keinen Erfolg; schon da- einstige Ucbcrgangscabinet KonslantopuloS mußte bei den Wahlen die Erfahrung machen, daß nur zwei Par teien in Griechenland aus eine Mehrheit rechnen können, deren Führer schon i» ibren Namen ein Programm ver bürgen: Trilupis und Delijannis Zwischen Beide» wechselte seit langen Jahren dir Herrschajt, einem von ihnen ist bei Feuillrtsn. Lady Sibylle. Roman von L. Schroebrr. li-chtruck »erbeten. IN (Fortsetzung.) 16. Eapitrl. Richard Waldstedt batte die Geschäfte, die ihn nach Deutsch land zurückriefcn, erledigt und war dann über Frankreich und Spanien nach Nordafrika abaereist. Sehr lange litt eS ihn nie an einem Ort — am wenigsten lange in der Heimatli. Sein Vater, Wohl wissend, daß er in dem Sohne keinen Nachfolger am Eomptoirpult sinken werde, batte, kurz vor dem Tode, seine durch glückliche Speculationen gewonnenen Millionen in Land gesteckt. In einem der schönsten und fruchtbarsten Tbeile von Westfalen batte er sich auf eine beträchtliche Enlfcrnung Hügel und Thal, Feld und Wald zu eigen gemacht, «IS selbstverständlich voranSseyend, daß Richard, Lesse» Briese aus Amerika daS regste Interesse an der Landwirthschast be kundeten, ibm diesen Erwerb danken werde. Darin batte er sich nun getäuscht. Richard dankte ihm höchsten» die väterliche Fürsorge, zu dem Besitz konnte er au» dem einen und dem anderen Grunde kein Herz fassen Mit der Landwirthschast bier war eS auch ein ander Ding, wie mit der Landwirthschast drüben. Tie Farm seiner Frau halte hart an der Grenze der Eivilisation gelegen, da, wo nach Westen hin die Staaten Nordamerika- zu Ende sind und die herrenlosen Territorien ansangen. Durch Ausreden de» Urwaldes dringt bier der Mensch allmälig vor. Gewaltig sind die Schwierigkeiten, die sich ibm rntgegenstellen, aber gewaltig ist auch sei» Lohn. Wo vor Kurzem noch undurch dringliche Wildniß war, wogt jetzt in ManoeShöh« und in un- abscdbaren Feldern La» Korn. TaS Bewußtsein, rin Schöpfer in der Schöpfung, ein Um- gestaltcr de» Erdboden», der Erste zu sein, der der jungfräu lichen Natur den Fuß aus den freien Nacken setzlc, batte der Sache in Waldstedt'» Augen den Hauptrei; verlieben. Gern halte er seinen Rancho aufgegedea, um Nrlly« Farn, zu be- wirthschasten, »nd sebr ungern batte cr sic nach deren Tode verpachtet, um dem sterbende» Vater zulicb nach Deutschland zurückzukehren. Wenn er »un auS seinem Studirziinnierscnster in Nenlano auf sein väterliches Erbe niedcrsab, so war eS ihm fast ;»m Lachen. Wo in Amerika kaum für ei» Weizenfeld Raum ge wesen wäre, lag hier, ziemlich ineinander geschachtelt »nt durcheinander aewürsclt, da» Unmögliche an Felderchen, Wäld chen und Wiesen Jeder Flecken Raum schien ängstlich auö- enutzt und e» lohnte so wenig der Mühe. Was der Boren ervorbrachte, war so malt in der Farbe, so dürftig im Ge balt — und kein Wunder! Iabrbnnderte batten hier gepflügt, gesäct und geerntet. Nein, mit dem Puppcngärtchcn befaßte er fick nicht. Andere mochten eS für ihn bewirthschaslc», da die Pietät ihm verbot, eS zu veräußern. Er selbst ging lieber aus Reisen. So ward er denn ein Wanderer c»if dem Erdboden wie weiland Kain, und wenn er auch nicht gerade einen Mord aus dem Gewissen mit sich trug, ohne eine kleine unangenebnic Bürde war er doch auch nicht. Zeitweilig füblte er sie nicht. Heiteren Sinne» gab er sich der Fronde, die Welt zu sedcn, dem Genüsse der wechsrlvollen Stunde hin, allein nach und nach kam ibm dann doch zum Bewußtsein, daß er ein ver dammter „Faulenzer" sei, Einer, der seine Pflichten „heillos" vernachlässige und seinem Alten Ursache gebe, sich im Grabe »»izudrrhen. Dann pflegte er heimzukehren, Tie« und Jenes in Unordnung zu sinken, zu wettern, zu fluchen und — wieder abzurrisen. Am längsten batte er eS noch im vorigen Somnier in Neuland auSgebalten. Eine große Leidenschaft batte ibn ge fesselt und im Sckatten dieser Leidcnschast war ibm etwas wie eine schwache Neigung erblüht — zu einem Hüttenwerk nämlich, da- sein Vater damals nur widerwillig mit in Kauf e»o»ime» batte. In E»dors lag c», nicht weit von der Be- ausung seiner damals Angebeteten, und von dieser kommend war er fast regelmäßig dort abgesiiczen. Etwas in ibm — vielleicht da- Blut de- großväterlichen Derfschmiedes in seinen Adern — batte sich freudig angeregt gefühlt durch daS Stann'sen der Walzen, da» Dröhnen der Hämmer. Mit Bebagen war er oft stundenlang inmitten all der lärmendeu Tbätigkeit berumgowandert, in der ersten Zeit nur oberflächlich bedauernd, daß cr der Sache lein ans chemische Studien gegründetes Ver ständniß cntgegcnbrachtc, nach und nach aber zu der Frage gelangend, ob tonn nicht diese Lücke in seinen Kenntnissen nock reckt gut auSzilsüllcil sei. Was ibn auf die Frage ge bracht halte, war neben wachsendem Interesse »och die Ucbcr- zeugung gewesen, daß diese- Hüttcnwert den meisten der Um gegend an Bedeutung nachstand. Er sab nicht ein, wcöbalb. iLvwcit cr die- deurtbcilen tonnte, rechnete nian hier genau mit denselben Factore». Da» jäbe Ende, das seine Leidcnschast genommen, batte ihn veranlaßt, »ach England abzurcisen. Warm» gerate dorthin'? Weil er der Wntn, dem Haß in seiner Brnsl kein besseres Gegengift gewußt hatte, als das Studium »nd die Arbeit. Um die Erinnerung zu tödten, wollte er jetzt mit ganzer Energie, waS cr bis dabi» nur nebensächlich gewollt batte, nämlich die Eisenindustrie kennen lernen in allen ihren Zweigen. In Wales und Eornwallis batte er Berg- »nt Hüttenwerke besichtigt, mn den Betrieb an einer großen Fabrik von Grund au» kcniien zu lernen, balle er nach Norlbampton Weiterreisen wollen, da war er in KarSbrcoke Eastlc hängen geblieben, in der Weise, die wir kennen. Nun batte seine Liebe zu Sibullc alle« Andere in den Hintergrund gedrängt. Als cr England verließ, besann er sich kaum »och aus Da», waS ibn eigentlich bergesiibrt batte. In Neuland, besonders in Esters, aber kam ihm fast bei jedem Schrille mit einem Gcsüble drr Selbstvcrachtung die Erinnerung n die Leidenschaft, die ihn vor Kurzem nock bier durchlebt alte. Deshalb litt eS ihn diesmal kaum acht Tage am Orte. Sobald er an Stelle dcS kürzlich verstorbenen Verwalters einen neuen eingesetzt hatte, trat er seine Reise a». In Pari» empfing er ein Schreiben Robert «. Brieflich batte er diesem Len Grund, weSbalb cr KarSbrookc Eastte so plötzlich ver lassen, klar gemacht, ohne gleickwobl Sibylle'- Name» zu nennen. „Ich kabc die Tummbeit begangen, mich z» verliebe»", batte er geschrieben, „in einen Gegenstand, der mir ewig unerreichbar sein wird". Ewig unerreichbar — damit batte er seine tief- iiinerste Ueberzeugung anSgesrrockcn, den» mit jeder Meile, die sich zwischen ihn und Sibylle gelegt batte, war ibm dir Unmöglichkeit einer Verbindung mit ibr deutlicher vor die Seele getreten. Ihre Liebe mockte noch so groß sein, den Hiiidcriiisscn, die sich ihr in den Weg «bürmen würden, war sie ganz sicherlich nicht gewachsen lieber den gcbeininißvvUcn „Gegenstand" batte Robert sick nicht lange den Kops zerbrochen, sein Scharfsinn war sofort ans Mrö. Scymour Vorfällen. Er bedauerte nun den Frrunk, lobte ibn vom moralischen Stantpuncto auS, deutete aber auch an, cr werte sich seine« ebrenwcrtbcn Benehmen» wegen neck eine- Tage« Glück z» wünschen baden. MrS. Scymour sei zwar eine schöne Frau, gleichzeitig aber (der Freund möge ihm diesen Wink verzeihe»! ein li-chen reichlich kokett u. s w. u. s. w. Waldstedt taS mit trübem Lackeln bis gegen den Schluß bin. Ta stand: „Sibylle macht >i»s Sorge. TagS schleppt s>o sich, blaß wie der Tod, im Hanse herum, Nacht- soll sie fast beständig Fieber haben. Ter Arzt spricht von Erkältung. Uebelanstrenguiig —" Waldstedt s erster Impuls war, nach England zurückzukehren. Tan» brsann cr sich aus die Thorhcit, die er in diesem Falle beging. Hatte er sich gewaltsam von ihr ioSzerissen, uni ihr »nd tick» die O-nal noch eimnal zu bereiten? Er setzte sich hin und schrieb einen Brief an Robert, einen Brief voll »liilffani zusaininengetrechsellcl Pbrasen, die al- inncrstrn Kern eine Frage umschlossen, an der für ibn Glück »nd Unglück hing, so küdl und nebensächlich sie sich auch laS. „Wie gebt cs Laby Sibyllen ?" schrieb er. „Leg' ihr meine Empfehlungen zu Füße» »nd inciii herzliches Bcvaucrn über ihr Uittvoblscin" Am Schlüsse hieß c»: „Ich beabsichtige, eine Wocko in Paris zu bleibe». Vielleicht läßt Du mittler weile noch einmal von Dir kören'?" Eigentlich batte cr noch in derselben Nacht weiter reisen wollen, dock min blieb er in fieberhafter Ungeduld wartend. Am fünften Tage kam Robert'- Antwortschreiben. In argloser Weise drückte cr seine Verwunderung darüber auS, daß kein Frcnnd a» seinen Briefen plötzlich etwa» gelegen sei. „Wie viele bade ich im Laufe der Iadrc an Dich ab- gcschickt, obne auch mir ein Lebenszeichen von Dir wieder)»- erhalten ?" schrieb er, »nd dann „Sibylle tankt jür dir gütige Nachfrage u»v kbut Dir mit einem freundlichen Gruß zu wissen, dgß sie sich vollkommen wohl befinde. Das ist nua
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