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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930520021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893052002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893052002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-20
- Monat1893-05
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ros«, «s.— 10».— 07S0 102., r 102.7» »1- «»o « — »IM. »so.— I» 11».— «ö— 10?I— S1 — «.so 120,- 1LS- Vez«g»^prer» » r« Han-texpeditio» oder den kn Stad«. bezirk und den Bororten errichteten Au», gavestellea abg « holt: vierteljährlich./>> 4.50, »ei zweimaliger täglicher Zustellung in» tzaus -l 5^0. Durch die Post bezogen sur Deutschlaud uud Oesterreich: vierleliäbrlich 6.—. Directe tägliche Rreuzbandienduug >»S Ausland: monatlich 7.50. ikie Morgen-AuSgabe erscheint täglich V,7 Uhr, die Adeud-Auogabe Wochentags 5 Uhr. NeLarlion und Lrveditioa: ZahanneSgassr 8. Tie Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geossnet von früh 8 bis AbeudS 7 Uhr. Filiale»: Ott» Sle«m's Sorttm. (Alfred Hahn), UniversitätSsttaße 1, Louis Lösche, tlothariaeusir. 14, Part, und SüuigSplatz 7. Abend-Ausgabe. 'cwiigtrTagMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschüstSverkehr. AnzeigenPretA die 6gehaltene Petitzeile 10 Pfg. 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Ich« L .7« S r»dll>»r. »«so «32-, S.7V-, 120.2» 181.7» 2VI.80 «03.— 238.70 I»7>— 373 — «04 »0 12» S0 S.80 aot» i S0.SS I»'.. «->. 7?'. IL». SS-, 40-, 02-i. 22'. Lrg«ut. VS Zur gtfiilligen Leachtung. Unsere Expedition ist morgen Lomltag, den Ä1. Mai, Bormittags nur bis /-Lt Uhr revssnet. I^xi>L<Uti«»tt <le8 I,eli»/,irxer '?rii;6lrlatte8. Die Lehren des 82. Mai 1693. tt Am koiiimcnken Pfingstmontag werden cS zweihundert Iakre, daß Heidelberg von der Hand französischer Mord- brcnncrbaiitc» in Asche und Trümmer gelegt wurde — ein grauenvolle»? Wahrzeichen der damaligen Machtlosigkeit des deutschen Volke», sich »gegen ruchlose Bergewalligung durch äußere Feinde zu schützen. l)n der Presse ist mehrfach aus die Wiederkehr diele- so düsteren Datums vaterländischer Vergangenheit hingewiescn worden, aber der naheliegende Vergleich zwischen dem Da mals und dem Heule verdient doch in noch schärfere Be lcuchlung gerückt zu werden. Damals, im Zeitalter Ludwig'- XIV., dcS .Sonnenkönig-"» batte Frankreich eine» allgemein bewunderten Höhepunkt seiner nationalen Krafteinwickclung im Allgemeinen, seiner mililairischcn Kraslcnlwickelung im Besonderen erklommen, wogegen Deutschland durch die furchtbaren Heimsuchungen tcö Dreißigjährigen Krieges zum völligen nationalen Ruin berabgedrückl war. De» einzigen Licblpunct in der Nacht der allgemeine» Trübsal bildete der Staat des Großen Kur fürsten, das kleine, aber kernige Kurbrandenburg; allein dieses junge Gemeinwesen hatte alle Hände voll zu tbun, seine tristen; zu bcbaiiptcn und sich, durch allmälige Erlösung des deutschen NordoslenS von dem Alp der Schwedenherrschast, die Vabncn gedeihlichen politischen Fortschritts zu eröffnen. Gleichwobl zeigt schon die Entwickelung Kurbrandenburgs unter dem Großen Kurfürsten, welche identisch ist mit der Entwickelung der mililairischen Institutionen und des militai- rischcn Geistes, daß das Emporkommcn eines, wenn auch zunächst »och kleinen, aber in sich gefestigten, tüchtigen HecreS genügte, die angeborene Raus- und Raublust der Franzosen iiuseiiweise in immer bescheidenere Grenzen zurückzudrängen. Diese für Preußen Deutschland vortbcilhafte Wandlung der Dinge lritl unter den königlichen Nachfolgern des Großen Kurfürsten augenfällig bervor, am entschiedensten und dauer- dasteslcii seit dem glorreichen Tage von Roßbach. Die unab lässige Arbeit an der Vervollkommnung der Webreinrichtungen crbob die Armee des großen Friedrich zum Ideal damaliger Zcitanschauung. ES folgte vaS Napoleonische Zeitalter. Preußen war, wie daS erkeniitnißlicfe Urtheil der unvergeßlichen Königin Luise lautete, eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich'S des Großen. Ter Tag von Jena besiegelte daS Schicksal dcS Friderieianischcn Staates und barg doch zugleich schon in sich die Keime einer größeren Zukunft. Diese war gesichert m dem Augenblick, als die Einsicht in die Ilcberlcbtheit der alten Kckrverfaffung und in die Notbwcndigkeit einer zeit gemäße:» HcercSreform an maßgebender Stelle gewonnen wurde. Fünfzig Jahre nach den Großthaten der preußischen Waffen bei Leipzig unv Bellc-Alliance blieb eS dem weit- schammdcii Geiste König Wilbclm'S I. Vorbehalten, an der Echwellc der neuen Zeit, welche zu der nationalen Wieder gebürt Deutschlands leitete, die schon in Verknöcherung über gegangene» mililairischcn Traditionen der Befreiungskriege mit irischem Leben zu erfüllen. Seine, gegen erbitterten Widerstand durckgescyte HecreSrcsorm befähigte Preußen erst zur Durchführung seiner geschichtlichen Sendung und schuf ene Heerschaaren, unter deren unwiderstehlichem SirgeS- chritt daS zweite französische Kaiserreich zermalmt wurde. Seit dein Frankfurter Friedensschluß ist nun unter den ührenden Militairmächten Europa» ein förmliches Wettrennen um die Palme der militairischen Suprematie entstanden. Die neue Militairvorlage der verbündeten Regierungen will Deutschland vor der Gefahr bewahren, von seinen schlimmste» und unversöhnlichsten Feinden militairisch in entscheidender Weise überflügelt zu werden. Die Gegner der Militairvor lage aber mochten, daß Deutschland auf den Lorbeeren KaiserWilhelm'Sl. einschlafe, wie einst daSPreußen von Jena aus den Lorbeeren Friedrich s des Großen. Drängt sich nun nicht angesichts solcher Kurzsichtigkeit der Opposition unwillkürlich die Frage aus, ob denn die Lehren der Vergangenheit nur dazu da sind, damit sie von den ab gesagten Gegnern jede» militairischen Fortschritt-, brzw. von den lauen Befürwortern halber Maßregeln mißachtet werde»? Redet die Erinnerung an den 22. Mai 1693 nicht deutlich genug? Wenn die Geschichtswissenschaft in der Lage wäre, wie die moderne WittcrunzSlchre mit selbstregistrirenden Apparaten zu arbeiten, so dürste eS selbst dem blödesteo Auge klar werden, wie auffällig die Curvcn unseres militairischen Auf- und Abstiegs dcnWandlungcn unseres nationalen Geschicks in Glück oderUnglück entsprechen,und viele,die jetzt aus dieWorte Richter s, Singer'S und Lieber'- schwören, dursten doch wohl zweifelhaft werden, ob die neue Militairvorlage nicht auS anderen Erwägungen entstammt, als auS dem .Uebcrmulh" eines .volksfeindlichen Militarismus". Möchten die deutschen Wähler sich daS wohl zu Herzen nehmen, wenn sic am Tage der Wahl sich über die Männer ihres parlamentarischen Vertrauens schlüssig machen. Möchten sie insonderheit ihr nationales Gewissen daraufhin prüsen, ob sie die Verantwortung für die Entsendung von Reichs lagSvcrtretern übernehmen können, die in letzter Consegucnz ihrer militairischen Anschauungen über daS ganze Deutsch laut» die Gefahr berausbeschworen würden. daS zu werden, was die blühende Ncckarstadt Alt-Heidelberg am Abend des 22. Mai 1693 war: ein rauchgeschwärzter Trümmerhause! Politische Tagesschau. * LeiP»i», 20. Mai. Wa» de«» Fürsten Bismarck trotz aller Mühen und div.'omatische» Künste nicht hat gelingen wollen: den .festen Thurm" dcS Centr««S zu sprengen, daS bringt jetzt der patriotische Sinn von Tausenden deutscher Katholiken, der sich gegen daS undeutsche Wesen uud die FractionStyrannci der Führer empört, zu Werke. Es steht nunmebr fe>t, daß eS den Herren Lieber und Genossen nicht gelingt, daS Centrum, selbst nach dem Rücktritt der Herren von Huene, Gra Ballcstrem und Porsch aus dem Vorstande und von der Candidcler, in der Opposition gegen die Militairvorlage zu zusammcnzuhalten. In Schlesien ist die Politik der .freien Hand" proclamirt. Gestern veröffentlichte die .Germ." folgendes Telegramm: Bre-lau, 18. Mat. Tie BertrauenSmänuer der sckil« fischen Centrumspartei hielten heute hier «ine Berlammtung ab, in welcher nach dreistündiger theilweise erregter Debatte mit großer Mehrheit ein Antrag de» Buchdnickereibesitzer» Franz Huch «Frankenstein) angenommen wurde, wonach die Centrurn-partci Schlesien» keinen besonderen Wahlausrus erläßt, sondern sich dem allgemeinen Wahlaufruf der CentrumSsractiou anschließt und aus Grund desselben die Candidaten aufstellt. Man konnte leicht vcrmutben, daß diese Meldung, in der nur die Constatirung .erregter" Debatten greifbar war, unvollständig sei. Die jetzt vorliegende klerikale .Schles. Volksztg." ergicbt denn auch, daß das .Germania"-Telegramm die Hauptsache verschwiegen hat. Die .Schles. BolkSztg." berichtet: BreSlau, 18. Mai. In einer^ auS allen Theilen der Provinz Schlesien sehr zahlreich besuchten Versammlung von CentrumS- Wählern, welche heute Vormittag 10V, Uhr im alten Saale de» St. Btncenzhause» abgeholte» wurde, ging in überwältigender Mehrheit die Ansicht dahin, daß man den Candidaten ln her Militairfrage vertrauen-voll freie Hand lassen müsse, nach gewissenhaster Ueberzeugung aus dem Boden de- zu erlassenden Wahlausrus» der CentrumSsractiou zu stimmen. Im klebrigen wurde die Ausstellung der Candidaten, sowie die Ent- cheidung über die Frage der Zählcaudidaturen den einzelnen Wahlkreisen überlassen. Der Kampf innerhalb der CeutrumS-Partei wird also in den einzelnen Wablkreisen auSgefochlen werden, und zwar keineswegs nur in Schlesien. In der wichtigsten nationalen ßrage stehen vie bisherigen CentrumSwählcr einander in scharfem Gegensätze gegenüber. Der eine Thcil stellt daS Interesse dcS Vaterlandes über daS der Partei, der andere mit Herrn vr. Lieber daS Interesse der Partei über daS des Vaterlandes. Jeder, der eS mit dem Vaterland« Wohl meint, kann dieses Ereigniß nur mit Freuden begrüßen und ven Wunsch hegen, daß cS auch jenen anderen Kreisen zum Vorbild diene, die bisher dem starren FractionSzwange selbst in nationalen Fragen mehr oder minder widerwillig sich gefügt baden. Erst wenn in solchen Fragen daS nationale Gewissen sich frei und ungehindert äußern darf, wird der deutscke Reichstag ein würdiger Ver treter dcS deutschen Volke- werden und jenes Anseben wieder gewinnen, daS ihm in der so jäh zu Ende gekommenen Legis laturperiode durch die FractionStyrannei der Führer der MehrheitSparteicn verloren gegangen war. Die Dinge in Böhmen treiben, darüber kann kein Zweifel bestehen, einer Katastrophe zu. Die Junge zechen haben die Bah« offener Gewaltthätigkeit betreten und da giebl cS kein Einkaltcn mehr, sondern eS ist nur noch ein Schritt bis zum förmlichen Straßenkamps, bei dem aber sicher die Herren Gregr, Vaschaty und Genossen den Kürzeren ziehen werde». Bis zu welchem Grade die BolkSlcidcnschasten ausgewüklt stad, daS kann man au» einer heute cingcgangcnen telegraphi schen Meldung auS Prag ersehen, wonach die jungczechischcn Demonstranten einen Strick um den HaiS des Standbildes de» Kaisers Franz legten. Vorläufig ist allerdings Angesicht- der Schaukelpolitik des Grasen Taafse an eine Zurückstauung der jungczechischcn Bewegung für absehbare Zeit noch nicht zu denken, und die von dieser Seite auSgestreule Saat wird reichlich Zeit haben, sich zu voller Reise heraus zuwachsen, zumal da sie einen Nährboden findet, wie er günstiger nicht gedacht werden kann. Die von den Altvordern ererbte Freude des czechischen Volke- an rober Gcwaltlhal allein würde noch keine Gefahr bilden, sie ist erfahrungsgemäß mit einem ausgiebigen Maße von Feigheit gepaart und ver steckt sich alsbald, sowie sic nur einem entschlossenen Widerstande begegnet. Allein gegenwärtig fehlt ei» solcher Widerstand und die Folge ist, daß die czechische Brutalität üppig in die Halme schießt. Gras Taaffe brauchte den Czechen nur die Faust zu weisen, und sie würden sich ducken, wie sic sich noch immer geduckt haben, wenn ihnen eine starke Regierung in den Weg trat; aber Graf Taaffe denkt nicht daran, daß Czechentbum zu meistern, denn er weiß, daß die Voraussetzung hierfür die offene Anerkennung des guten Rechte- der Deutschen wäre, und dazu vermag er sich nicht zu entschließen. Bei solchem Mangel jeglichen Willens an der dazu berufenen Stelle, der jungczechischen Bewegung ent schieden entgegen zu treten, bleibt den mitten im Getümmel stehenden Parteien nichts übrig, als sich fest zusammenzuschlicßcn und sich vor Allem des BodenS, aus dem sie stehen und in dem sie wurzeln, da- heißt de- Vertrauens der Wähler schaften zu versichern, auS denen sic hervorgegangrn sind. Die- zu «hun, haben die Abgeordneten des deutschen Volkes in Böhmen keinen Augenblick gezögert. In Gestalt dcS von unS bereit- mitgetheilten Manifeste- liegt eine Kund gebung vor, in der sic der Bevölkerung von den Ersahrungcn Mittheilung machen, welche sie in der abgelauscncn Landtags scssion gemacht baden, in kurzen klaren Zügen die Lage schildern, keinen Zweifel darüber lassen, daß ne nach wie vor an dem vereinbarten Ausgleiche fcsthaltcn und denselben als die unumgängliche Grundlage jeder Reform in Böhmen an scben und zur Einigkeit, zur geschloffenen Abwehr aller An griffe auf den nationalen Besitzstand, zum Muth und zur Ausdauer für die Zukunft ausfordcrn. Wenn auck die Ergebnisse der Untersuchung in Betreff dcS jüngsten Anarchistenfanges in Part» vielleicht den daraus gesetzten Erwartungen nicht entsprechen sollten, so steht doch fest, daß der immer dreister auftrelendc und anwachsende SocialiSmuS in Frankreick» dem AnarckiSmuS in hohem Maße verarbeitet oder vielmcbr in diesem aufgeht. In Deutschland sind biSdcr die Soeialdemokratcn nur vereinzelt in städtische Vertretungen cingedrunacn; in Frankreich dagegen ist die Verwaltung der größten Stabte, Paris, Marseille re. in socialistischen Händen. Eine ihrer Schöpfungen, auf welche die Socialistcn große Stücke halten, ist in der Hauptstadt die .ArbcitSbörsc". Der frühere Arbeit-minister Ave« Guyot, der ihnen in- Gesicht gesagt, daß diese ArveitS- dörsc ihren Zweck des Arbeitsnachweise- nicht erfüllt, ondcrn nur als Tummelplatz für professionelle .Arbeitslose" und Agitatoren dient, wird um so heftiger angegriffen, alS die socialistischen Stadtväter die Wahrheit seiner Behaup tungen nicht widerlegen können, sonder» theilweise direct ^lgcben müssen Mau zeibt Herrn Guyot, der auf den iLchullcrn von Radicalcn und Socialistcn emporgestiegen, de» chwärzestc» Undankes. Besagte .Arbeitsbörse" nun. deren Kosten die Pariser Steuerträger, also in der Hauptsache die .Bourgeois", ausbringen müssen, giebt ein osficielleS Organ heraus, welches in seinen vcrbctzcndcn und umstürzlerischen Brandreden jedem anarchistischen Winkelblättchen Concurrenz mache» könnte. So beißt cS z. B. in demselben: „Man kann kühn behaupten, daß jeder Proletarier nach und nach durch die müßigen Bourgeois hingemordet wird, welche ihm sein Lebe» sichle» aus alle Art, Tag für Tag, Stunde für Stunde, und das; gegen die unversöhnlichen Feinde seiner Existenz der Pro- letarier alleMittel anwende» muß, weiche eS auch seien. Er ist ihnen gegenüber fortwährend im Falle der legitimen Bertheidigung: um die universelle Lüge niederzujchlagen, die den Namen Copilaj und Vaterland führt, um die universelle Gewaltthätigkeit nieder»»- ichlaaen, die de» Namen Gesetzlichkeit führt, um den universellen Diebstahl »iederzuschlage», der de» Namen Eigcnthum führt; end- lich, um die Bourgeoisie niederzuschlagen, die in ihren Einrichtungen alle diese abscheulichen Grundübel repräsentirt und stützt: Dazu ist Alle» gut, ist Alles gerecht, ist Alle« legitim?' So schreibt ein vom Pariser Stadtrath unterhaltene- Blatt! Kein Wunder, wenn die Regierung mit solchen Stadtvätern und .Socialistcn" sich hart thzit. Eine nicht unerhebliche Verlegenheit ist für sie derzeit auch der Fall Baudin. Dieser socialistischc Dcputirtc ist aus Anlaß der Maifeier mit der Polizei in Conflict gcratkcn, hat Schläge bekommen und auSgetbcilt, ohne daß bisher klar geworden, wie weit sein Verschulden bei der Angclcgcnbcit geht. Die Kammer muß nun schlüssig werden, ob sic die Er mächtigung zur Ertheilung der gerichtlichen Verfolgung Baudin'S geben will. Vom Ministcrtische behandelte man anfänglich Baudin scbr kurz, nachher verfiel die Regierung jedoch wieder in ihre gewöhnliche Schwäche gegenüber den Extremen und suckle die Sache zu vertuschen, die trotzdem Regierung und Kammer noch unangenehme Stunden bringen dürste. UebrigenS bat jetzt auch die socialistischc Presse be schlossen, ein .Syndicat" zu bilden und damit ihren Einzug neben de» Handwerkersyndicatcn in die Pariser .Arbeitsbörse" zu halten. Dem betreffenden Ausruf haben 57 socialistischc Journalisten entsprochen. In Viigland pflegt von Zeit zu Zeit immer einmal die Nachricht auszutauchcn, daß die Königin Victoria daran denke, abzudanken »nd die Bürde der Regierung auf die Schultern des Prinzen von Wale» abzuladcn. Eine solche Nachricht ist wieder vor Kurzem von London aus verbreitet worden, als bei Gclegendeit der Festscicr zur Eröffnung de- .ReichSinstituteS" das Publicum zu bemerken Gelegenheit batte, daß die Königin nur miibsam, aus einen Stock sich stützend und am Arme dcS Prinzen von Wales sich aufrecht erkaltend, vorwärts schreiten konnte und außerordentlich ISSd tdr u,o äeu »ut> t»d. I,t>. uut IS» 247-» 114 400 — 4bSK ZS«.— 2SS.— 4^, d«I«tw»«w) 8 v«e»»uN- V»r24ut«r, liov»o>I>,r- «4-1.»- X»,»I ,I»b> »u>pk»e »uk pk«r.k-,»» » 0»»pe«s ir.8»t»e>»- »»«« >. Ik»t ec» »» 12A»t »treue I» evo rou. I> 6ri»»de. Feuilleton. Lady Sibylle. Roman von C. Schroeder. Nachdruck rndclen. 23j lFortsetzung.) Wenn der elektrische Drabt dein gemeinen Manne über haupt etwas zu melken bat, so betrifft cs meisten- Krankheit oder Tod Deshalb waren sowohl des Reitknecht-, wie EandcrS' Blicke mit ängstlicher Spannung aus ihren Herrn gekettet, als er nun das Papier auSeinanderschlug. Dcin Gcbabren schien denn auch ihre unheimlichsten Ahnungen zu bestätigen. Er laS — fuhr sich mit der Hand über die Augen — las wieder — blickte wie geistesabwesend um sich, und dann aus einmal übcrkam de» starken Manu ein Zittern, daß er nach der Trcppciibalustrade Haschen mußte, um sich aufrecht zu erkalten. AIS Sanders eine Bewegung machte, ibm zu Hilfe zu eilen, wehrte er ihm heftig mit der Hand. Im nächsten Moment hatte er sich umgedreyt und war im Hause ver schwunden. In seinem Studirzimmer, vor dem Schreibtische sitzend, die Ellbogen aufgestützt, den Kopf zwischen den Händen, die Augen unverwandt aiif das vor ihm auSgcbreitete Telegramm gerichtet, so fand ibn Sander-, der ihm nach wenigen Minuten gefolgt war „Ob vielleicht auf daS vermaledeite Ding» da 'ne Antwort wäre, will der Mensch wissen?" brummte der Getreue, der vor lauter Mitgefühl bärenhaft verdrießlich dreinschautr. „Er soll ziiritcklelegrapbircn", fuhr Waldstedt herum. „Doch nein", unterbrach er sich, „ich will eS selber besorgen! Hier — gieb ibm die- und schick ihn fort." „DicS" war ein blankes Goldstück, daS Sander- mit wahrem Entsetzen entgegennabm. „Wie? WaS ?" rief er entrüste», „der Kerl soll's gar noch bezahlt kriegen?" Als sein Herr ihn verwundert ansah, setzte er erklärend binzu: „Es kostet ja nicht», Herr!" „So? Kostet'S nichts ?" fragte Waldstedt, leise auslachend „Wieder ein Beweis, wa» für eine verkehrte Welt eS ist. )ührs! Hunderttausend Lumpereien muß man theuer bezahlen, und daS Glück, so daS rechte HcrzenSgliick, für daS man sein Hab und Gut dis auf den letzten Heller mit Freuden hingebcn würde — das hat man ganz umsonst!" Sanders stand einen Moment lang wie der verkörperte Blödsinn. „Donnerwetter noch 'mal! WarenS denn gute Nach richten?" stieß er endlich bervor. „DaS will ich meinen, Freund!" rief Waldstedt, sprang auf, faßte des Anderen beide Hände und schüttelte sie, als wollte er ibm die Arme auSrenken. Damit batte eS nun freilich keine Gefahr. Daß dem guten Lührs vor Verwunderung der Geist ein bischen aus den Fugen kam, war eher anzunehmen. Sein Blick wandrrte langsam von der räthsclhasten Depesche drüben auf dem Schreibtisch zu Waldstedt und dann zu dem Zwanzig-Markstück, das er in der flachen Hand hielt. .Na, dann man zu!" murmelte er endlich und schob sich mechanisch zur Thür hinaus. Die Neugier war sonst seine schwache Seite nicht, aber eS mußte ihm doch wohl daran liegen, in daS Glück, das seinen Herrn so unversehens überkommen hatte, näher eingeweibt zu werden, denn er erschien nach fünf Minuten wieder aus der Schwelle. „WaS soll nun mit dem Ali Pascha werden?" fragte er, um einen Borwand nicht verlegen. Waldstedt, der wieder am Schreibtisch saß, bob den strahlenden Blick von der Depesche, die er gar nicht müde werden konnte zu lesen, obgleich die drei Worte, die sie enthielt, die drei einfachen Worte: ,Homm wieder! Sibylle" sich ihm gleich beim ersten Anblick für alle Ewigkeit in die Seele ge drannt hatten. .Ali Pascha?" wiederhclte er, als habe er Mühe, sich zu besinnen. .Ick meine nur, reiten Sie heute nach E-dors, Sir, oder nicht?" ESdors! ES war wunderbar, welche Wirkung'die Nennung dieses Namen- übte. Waldstedt'- Brauen zuckten zusammen. Alle- Licht war wie mit einem Schlage fort aus seinem Antlitz. Langsam drehte er sich um, langsam erhob er sich. Dir Arme über der Brust faltend, mit gesenkter Stirn fing er an, im Zimmer auf und ab zu schreiten. Mitunter knirschte er ein unverständliche» Wort vor sich hin, mitunter war cS, als wolle er den Absatz seines Stiefels in die Dielen graben, plötzlich tand er vor dem Diener still. .LührS", sagte er, während in seinen verdüsterten Augen die Pupillen unruhig hin- und hersuhren, „Du wirst Dich auf daS Pferd setzen und für mich nach ESdors —" „Ja, Sir." „Halt! Nicht ganz nach ESdors wirst Du reiten, sondern bis dahin, wo der Pfad nach Annabcrg den Wald kreuzt, Du kennst den Punct?" „Jawohl." .Gut! Da triffst Du eine Dame — eine Dame in Trauer- klcidung, und — bah! da triffst Du mit einem Worte das Fräulein von Haylebcn. Du wirst ihr eine Empfehlung auS- richten und ihr sagen, ich sei — verhindert, zu kommen." „Hm!" brummte LübrS, dessen ahnungsvoller Geist durch die neueste Rechnung, die er gemacht, bereit- einen dicken Quer strich gezogen sah. „Und weiter sage ich ihr nichts?" „Meinetwegen kannst Du noch hinzusetzen, ich sei gezwungen, abzurriscn." „Abzurcisen? Donnerwetter! Aber da lüg' ich ihr Wohl nur vor?" „Gewiß nicht, ich reise mit dem Zehn-Uhr-Zuge" „Mit dem Zehn-Uhr —! Na, das wird ja heiter für alle Theile!" LührS Sander« lackte kurz und hart aus und bemerkte dann auS seinem HerzenSgrimmc heraus: „Schicken Sie 'neu Anderen, Herr! Ich bin ein gar zu grober Klotz — weiß mit Frauenzimmern nickt umzuqeben. ES soll ja welche geben, die vor Schreck die Ohnmacht Kriegen, und da« wär' mir 'ne schöne Bescheerung da hinten im Wald!" „Ohnmacht?! Mensch, wa« willst Du damit sagen?" fuhr Waldstedt ihn an. .WaS die Spatzen aus den Dächern pfeifen. Herr, weiter nichts." Diese Antwort in mürrischem Tone gegeben, reizte den Änderen zu wahnsinniger Wuth. „Kerl, ich erwürge Dich!" schrie er. „Man zu, Herr!" ermunterte LübrS Sanders. „Ich Hab'S sowieso satt, das ganze Jahr hier allein zu sitzen und Trübsal zu blasen!" Vor diesem unerschütterlichen Gleickmulb ballte Waldstedt'S auSgcstrcckte Hand sich langsam zur Faust und sank herab. Es war, als wolle er den Man» mit den sprühenden Flammen seiner Blicke in Asche verwandeln. Plötzlich drehte er sich, mit dem Fuß ausstampsciid, um und begann das Zimmer wieder zu durchmessc». Neben dein Schreibtisch blieb er endlich sieben. Von hier aus, durch die ganze Breite des Zimmer» von dem Diener getrennt, sagte er mit bochgebobencr Stirn, aber mit einer Ltiinmc, die die innere Aufregung noch nicht ganz beherrschte: „LührS Sanders, Du bist ein Narr und Dummkopf, aus tcn Klatsch zu hören! Verstanden?" „Ja, Sir." „Gut. Nun zu Deiner Beruhigung: Es fällt kein „Frauenzimmer" in Ohnmacht, weil ich beule reise, oder wenn sic cs thut, so ist'- — bol' mich der Teufel! — ihre eigene Schuld und nicht die meine! — So, nun geh' und thu', Wa ich Tir ausgctragcn habe!" Sander- machte langsai» Kcbrt und schob sich wieder zur Thür hinaus. Aus dem Corridor subr cS ibm durch den Sinn: „Wer '„ reine- Gewissen bat, dem schlägt die Wuth nicht so zu Kopse!" Indem er auS dem Tbore trabte, siel ibm ein, daß er über da» Glück, taS seinem Herrn so plötzlich zu Thcil geworden, nun doch keinen Ausschluß habe „Na, WaS wird - groß sein?" meinw er nach einigem Sinnen mit mißmutkigem Achselzucken. „Sic baden ihm an gezeigt, daß wieder 'mal ne Expedition nach Afrika oder sonst wohin, wo'S Menschenfresser giebt, im Winke ist, und das kann ihm herrlich paffen. Er bat ja doch keine Ruhe, bis sie ibn bei lebenkigeni Leibe gebacken und gebraten haben!" Als Sanders nach etwa einer kalben Stunde zurückkehrte» hielt der Wagen »lit de» Reise Effecten seines Herrn bereit» vor der Tbur. diese,» selbst begegnete er in der Halle „Nun?" fragte nicht sowohl Waldstedt'S Mund als sei» etwa- unsicherer Blick.
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