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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189305226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18930522
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18930522
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-22
- Monat1893-05
- Jahr1893
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.05.1893
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BezugS-Prel- s» der Hauptexv»ditioa oder den im Stadt« bewirk und den Vororten errichteten AuS- oobestellen adgeholt: vierteljährlich ^14.50. dei zweimaliger täglicher Zustellung ins -ou- ^l 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Lesterreich: vi»rt«l,ährlich S.—. Direkte tägliche itreuzbandiendung in« Lulland: monatlich 7.50. TI« Morgen-NuSgabe erscheint täglich '/e? Uh^ die Abend-Ausgabe Wochentag- 5 Uhr. Redaktion und Expedition; Johanne«,afi« 8. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Ltlo klemm « Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsslratz« 1, Louis Lösche. kothariaeustr. 14, Part, und König-Platz 7. Arizeiger».Prei- die 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter demRedactionsstrich (4g«» spallea) 50-^, vor den Familienoachrichta» (6 gespalten) 40-^. lSrößere Schriften laut unserem V«i«» verzeichnib. Tabellarischer »nd Ztfsernfatz nach höhere» Torts. vrtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen > Au-gabe, ohne Postbefördernng 60.—, mit Postbefördernng ^4 70.—>. Annahmeschluß für Äazeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtag« srüh '/,S Uhr. Bei den Filialen und AnnabmesteAen i« et»« halbe Stund« früher. Auttigra sind stet« an dt« Expedition »n richten. Druck und Verlag von S. Polg i» Leipzig. 257. Montag den 22. Mai 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Neiscabonncmcuts nimmt entaeaen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus Ille Lxpeäitloil lles I.e!p/,iAer ^ugedluttes, Johannisgasse 8. Zur XXX. Allgemeinen deutschen Lehrerversamiillullg. Mit dem Pfinastfeste sind auch die Tage herangckommen, die in Leipzig« Mauern eine große Anzahl der wackeren Männer zusaniinenfübren, welche die Bildung unserer Jugend zur Lebensaufgabe gewählt haben. Gern dielet unsere Stadt den werthen Gästen ein wirkliches Obdach. Mit Freuden nahm seinerzeit die hiesige Bürgerschaft die Kunde entgegen, daß die Allgemeine deutsche Lehrerversammlung in der Psingst- woche hier zu tagen beschlossen habe, und mit aller Bereit willigkeit betbeiligte man sich an de» mancherlei Vorbereitungen. Hat doch Leipzig seht und zu aller Zeit eine gute Schul bildung zu schätze» gewußt und die Männer geachtet und geehrt, die sic vermitteln. Auch wir beißen sie herzlich willkommen, die Männer der Schule au- Süd und Nord, von Ost und West! Ernst ist die Arbeit, die sie zu un« führt, und edel da« Ziel, da« sie sich vorgesteckt. Zn gemeinsamer Tbätigkeit wollen sie da« Wohl der Schule und damit der Heranwachsenden Jugend, der künftigen Generation beratbcn, sie wollen sich verständigen über Fragen der Pädagogik, die »och der Lösung harren, und die gegenseitigen Ersahrungen und Ansichten hierüber austauschen. Sie wollen das Schulwesen unserer Stadt kemien lernen und die Lehr mittel und Unterrichtsbehelfe, die al« wohl erprobt bei unS im Gebrauche sind. Schülcrzeichnungen und Werkstattarbeiten sind bereits ausgestellt; Schauturnen und Bewegungsspiele im Freien wird man von fachkundiger Seite verführen; Schulgarten, pädagogische Ccntralbibliothek und die Schreber- plätze laden zum Besuche ein. An Anregung durch Anschauung wird es also nicht fehlen; ebensowenig an mustergiltigen Vor bildern, denn schon ein Blick in die Festschrift, die jeder Tbeilnchmer der Versammlung erhält, läßt erkennen, daß da« Schul- und Erziehungöivesen Leipzigs in hoher Blüthe steht und schwerlich von dem einer andern Stadt übertroffen wird. Tbemata der verschiedensten Art gelangen zur Behandlung und Borträge üben mannigfache Gcbietr werden zur DiS- cussion anrcgen. lieber die einzelnen UnterrichtSdi-ciplinen, wie Rechnen und Zeichnen, Handfertigkeit und Gesang, Heimathkunde und Iugendspicle, wird in Nebenversamm- liingcn — l7 an der Zahl — berathcn werden; auch der Fortbildungsschule und den armen Schwachsinnigen wird hier das Interesse sich zuwcnden, wehrend den Hauplversam m- lungen die Behandlung der umfassenderen socialpädagogischcn Fragen obliegt. Die Frage der fachmännischen Beauf sichtigung und Beurteilung, jener Hauptfrage in dem Kampf um die Schule, kehrt auch bei der XXX. Ver sammlung wieder, und sie wird nicht verschwinden, bi» sich auch in den übrigen deutschen Staaten die Schult auf eigene Füße gestellt sieht. Möge sie erörtert werden mit jenem Geiste der Miite und Mäßigung, der die reifste Frucht der Bildung ist und am besten beweist, daß die Schule auf eigenen Füßen stehen kann. Bon demselben Geiste wird gewiß auch die Debatte über die Simultanscbiilen getragen sein. Wird sie nock veranlaßt durch die Ginsicht, baß die ein heitliche und gesunde Entwickelung der deutschen Nation eine einheitliche nationale Bildung verlangt, und durch den Wunsch, die conscssioneUen Gegensätze, die in der Gegenwart wieder stärker hervorlreten, nach Kräften zu mildern. — Dem Ver langen nach einer gesteigerten Volksbildung glaubt man unter Anderm entacgenkomincn zu können durch eine Verlänge rung der Schulpflicht. „Mebr-Lerncn durch Länger-Lernen" lautet der Wahlspruch Vieler, und so werden auch die Gedanken über den weiteren Ausbau der Fortbilbn ng« sch ulen wieder um zur Erwägung gestestt werden, gleich denen über die Stellung der Lehrerschaft zu den freiwilligen BildunaSbestrrbungcnluidBildungS Veranstaltungen unserer Zeit. Und endlich wird die Bedeutung der Volks schule nach allen Seiten eine Beleuchtung erfahren, die hoffentlich zur völligen Klarheit binübcrlcitct. Freilich ist die Bedeutung der Volksschule und mit ihr das Ziel aller Schulbildung eine der umstrittensten Fragen der Gegenwart. Haben doch selbst die namhaftesten Ver treter der Pädagogik sich nicht« weniger als übereinstimmend über die Bedeutung und die Aufgabe der Volksschule und über das letzte und höchste Ziel aller Schulbildung ausge sprochen. Nur daS rein Menschliche babt ibr in eueren Schülern und Schülerinnen auSzubilden, so spricht der Eine. Nein, zu treuen Söhnen ihre- Vaterlandes, zu guten Staats bürgern müßt ibr die Kinder hrranziehe», so ruft der Andere. Zu Bürgern eine« unsichtbaren Reiche«, zu gläubigen Christen die anverlrautr Jugend hrranzubilden, da« ist die eigentliche Ausgabe der Schule, so meint rin Dritter. So verschieden aber auch diese und noch andere Aus sprüche bedeutender Schulmänner lauten, so giebt es dock ein Land, iu welchem man, um die genannten Forderungen anSzugleichen, nur den Satz aufzustellen braucht: Gebt eueren Kindern eine nationale, d. h. eine den natürlichen, «ffo gott- gegebenen Eigenthümlichkeite» euere« Volke« und Lande« «nt- iprechende Erziehung, und ihr werde» sie dadurch am ersten zu treuen Christen, zu tüchtigen Söhnen ihre« Vaterlandes, zu edlen, wahren Menschen heranbilden, weil eben in dieser Nationalität schon die Keime jener drei hohen Lebensrich- «ungen in besonder« fruchtbarem Grade enthalte» sind, und diese« Laad ist unser deutsche« Vaterland. Ja, man erziehe die Jugend zu echten und wahren Deutschen, und ihre Seese wird bereit und empfäogliih ge macht werden für jene in den Tiefe« de« Evangelium« wurzelnde Gotte«kraft, welche die herrlichste Thal au« sich geboren bat, von »elch«, dir Bücher der Geschichte melden, seit der «ugebaren» Gettesseh» über nufer» Erd« gewandelt ist: die Tbat der deutschen Kirchenresormation, daS Werk vr. Marlin Luther «. Man erziehe die anvcrtrauten Kinder zu echten und wahren Deutschen, und ibre Seele wirb sich sreier und freier machen von den eincngenden Banden kurzsichtiger Vorurtheile. Genährt von jener Liebe, die von oben stammt, werten sic in allen Menschen, welches Landes und Stande«, welcher Farbe und welchen Bekenntnisses sie sind, ihre echten Brüder erkennen und sich mehr und mehr zu jenem freien, reinen Menschenlhiim erheben, zu jener wahrhaften Humanität, al« deren geweihte Priester unser deutsches Volk und mit ilmi die ganze gebildete Welt einen Lessing und Herder, einen Goethe und Schiller verehrt. Man erziehe die anvcrtrauten Kinder zu echten nnb wahren Deutschen, und in ihren Herze» wird immer reiner, aber auch gewaltiger die Flamme beiliaer Vaterlandsliebe cmpor- lodern, so daß, ob sie sich Preußen oder Sachsen, Bayern oder Württcmbcrgcr neiiuen, doch ei» jedes zu jeder Zeit sich als Glieder dcö großen GcsamintvatcrlandeS fühlen, ihm ihre besten Kräfte widmen und, wenn cS wiederum einmal gelten sollte, cS gegen ungerechte Angriffe zu vcnbeidigcn, alle in der Erinnerung an die glorreichen Siege ihrer Väter mit ibrem Herzblute einzutreten bereit sind für de« Vaterlandes Sicher heit und Freibeit. Deutschland nennt mit Stolz einen treugesinnten und von Patriotismus erfüllten Lehrerstand sein eigen; er wird, wie auch die Schul-, Lehr- und Parteimeinungen über seine letzten Ansgaben wechseln und auseinander gehen möge», sich doch einig füblen in dieser nationalen Aufgabe und sie zu erfüllen wissen. Mögen auch die Leipziger Festtage dazu beitrage», baß der Einzelne, der sonst in enacin Kreise sich bewegt, als Glied eines großen gewaltigen Ganzen sich suhlt »nv die Keime idealer Begeisterung in sich nährt. Gerade ans Leipzigs geweihtem Boden, wo vor nunmehr achtzig Jahren dir große Völkerschlacht geschlagen und der corsische Eroberer durch deutsche Kraft überwunden wurde, mahnt die Geschichte nicbr als anderwärt-, zumal in unser» ernsten Tagen, an die Wicht, vor Allem deutsch zu werden und zu bleiben und dir Heranwachsende Jugend Mit dem edlen Eifer zu erfüllen, auch den künstigcn Geschlechtern zu erhalten, was unsre Väter in edlem Gott- und Selbstvertrauen an Gütern nationaler und kultureller Art mit ihrem Herzblute erstritten! Nochmals willkommen, Ihr deutschen Lehrer, denen das Köstlichste anvertraut ist, was wir besitzen! Möge über Euren Arbeiten der Psingstgeist der Wahrbcit und Klarheit, der Liebe und bcS Friedens schweben, daß Euer Thun ge segnet sei zur Ehre GolteS, zum Heil deS Vaterlandes und der Menschheit und zu Eurer eigenen Ehre! — Politische Tagesschau. * Leipzig. 2l. Mal. Alle unS heute vorliegenden deutschen Blätter veröffent lichen an ihrer Spitze Pfiiigstbetra chtungen. Aber merk würdig: durch die Betrachtungen derjenigen Blätter, die zur Fortführung de« Kampfe- gegen die Militair- vorsaar nehmen, weht kein rechter Psingstgeist, keine rechte Psingstsreude, keine rechte Pfingsthoffnunz. Oder viel mehr nicht merkwürdig. Sind diese Blätter sich doch be wußt, daß sie Sturm säen, der keinen Frieden, keine Er hebung bringen kann. Diese« Bewußtsein liegt tief in ibnen und trübt ihre Stimmung. Die ander- dagegen diejenigen Zeitungen, di« ihre Betrachtungen mir der Mahnung schließen, den Geist der Einigkeit, der Opserwilligkcit für da« große Ganze in die Heizen einzieben ru lassen! Auch sie wissen, baß sie Sturm säen, aber einen Sturm, der Erhebung und Frieden im Gefolge hat. Und dieses Bewußtsein wirkt er hebend auf sie selbst und ihre Stimmung. Auch da» ist bedeutsam und spricht lauter als lange Artikel dafür, wer daö bessere Tbeil erwählt bat. Möge die überwiegende Mehr zahl der drntschen Wähler auch ihrerseits die rechte Wabl, die ihnen mit dem äußeren auch de» inneren Frieden ver bürgt, am 15. Juni treffen! Für die tiefe Erschütterung, welche da« kentrin» in der letzten Zeit erlitten hat, giebt cS keinen augenfälligeren Beweis, al« die Reden, welche Herr Lieber seit der Neicbs- tag«alfflös»ng im Lande berum hält. Statt vor alle» Dinge» seine Stellung zur Militairfragr zu rechtfertigen, stellt er die alten Ladenhüter der ultramontanen Congresse, die Wieder herstellung der weltlichen Herrschaft deS Papste« und dir Aufhebung des IesuitcngeseyeS in den Vordergrund, als ob eS für die CentriiniSfractioii des Reichs tagS keine dringendere Sorge gäbe, als diese Dinge. Sollten aber diejenige» ultramontanen Wähler, welche mit diesen Mitteln übcrhanvt noch zu bearbeiten sind, nicht endlich ein mal auf die Frage gerathen, wa« denn die CcnlruiiiSsraclion in diesen angeblichen LebenSangelegenbeiten der katholischen Welt eigentlich gcthan hat ? Von einer Anregung bei der ReichSregierung, ihren Einfluß sür eine den Wünschen der llltramoiitanen entsprechende Lösung der sogenannten römischen Frage geltend zu machen, hat man nichts vernommen. Herr Lieber hat einmal in einer RrichStagSrcdc, durch den Abgeordneten von Karvorff provocirt, seine Hoffnung auf »ine Lösung der Frage im Rabmen der TreibuntS- politik kundgegeben, wa« ungrfäbr ebenso viel wcrth ist, wie wenn er dir Quadratur de« CirkclS bebauptrl dältc. AuS eigenem Antriebe aber ist »S den CcntrumSredncrn im Reichstage seit Jahren nickt mehr in den Sinn gekommen, die weltliche Herrschaft de« Papste« auch nur and-utungSwcisc »u erwähnen. Und wa« den Icsliitcnantrag anlangt, so ist die Krmödie, wclAe Herr Lieber ausführj, denn doch «in wenig gar zu stark. Wörtlich hat er in Magdeburg.gesagt: „Mit besonderem Schmerz« muh ich de« Nmstandes Er wähnung thlli», daß die Auflösung de« Neichstaa« ver hindert hat, daß der Antrag de« hochverehrt«» Gresen v. Ballestrem «us Aushebung de- Iesuitengesetz«« noch zur Verhandlung ha.t kommen können. Siinr B«schwrrd« über die Freisinnigen, welch« die Ein räumung cer Priorität sür den Iefuitenantrag verweigert hätten, ist allerdings insofern berechtigt, als d>« Freisinnigen in einem weiter zurücklirgrndrn Stadium der Session da« Mittel, welchr« ihnen dir früher« Einbringung ihrer Initia- tivaatrtg« an di« Hand gab. benutzt haben, um di« ihnen iinbegiieme Verhandlung deS IesuitenantragS zu Verbindern. DaS ist indcß keine-wcgS von entschei dender Bedeutung. In der ReichStagSsitzung vom Dienstag, 25. April, bat Graf Ballcstreni, am folgenden Tage Initiativanträge aus die Tagesordnung zu setze», weil seine Freunde den höchste» Wertk darauf legten, den Iesnile»- antrag nock vor dem AnSeinandergehcn de« Reichstags bc ratbcn zu sehen. Infolge dessen wurde» säiiimtlicbe Anträge, welche vor dein Icsuilcnantrage »och die Priorität bauen, aus die Tagesordnung gestellt und am Mittwoch, dein üblichen Schwerinslage, erledigt. Die Baku war damit frei sür den Antrag Ballestrem. Am nächsten Dienstag, 2. Mai, erwartete alle Welt, daß Graf Ballestrem für den folgen den Tag die Vrrbandlnng de- IesuitenantragS beantragen werde; der Gras aber schwieg, und so begann Mittwoch, 8. Mai, die entscheidende Debatte über die Militairvorlage. ES ist also klar: das Eentruui hat die Erörterung der welt lichen Herrschaft deS Papstes »nd der Iesuitensrage im Reichstage absichtlich vermieden, und zwar aus de», doppelten Grunde, weil sic praktisch erfolglos gewesen sei», zugleich aber die Gefahr einer Aufklärung der ultranioiitanen Wählerschaft über den wahren Sachverhalt mit sich gebracht baden würde. Nunmehr zieht man den alten blinden AgitationSgaul, als ob gar nicht- vorgesallen wäre, wieder a»S dem Stall. ES wird aber doch nicht gelingen, die auö- einandcrsticbenden Massen noch einmal zusammcnzuhaltcn. AuS Vclgicn wird gemeldet, daß die Brüsseler Arbeiter partei, wie schon bei den letzten Wahlen znin deutschen Reichstag, auch diesmal ein großes Fest veranstalten wirk, um dem WablsondS der deutschen Secialslcnpartei Mittel zu- zusühren. Auch die Genier Socialistenpartci bereitet ein Fest ui demselben Zweck vor, so daß die deutschen Socialistc» sür die WablsondS ansebnüche Beiträge aus Belgien erhalten werde». Das ist ei» geschicktes Vorgehen der belgischen Socialisten. I»> nächsten Jahre finden bekanntlich in Belgien die Kammer- Wahlen stall, bei denen die belgische Arbeiterpartei zum ersten Male i» den Wahlkampf eintreten und Kammer- sitze erringen kann; die belgischen Socialisten erwarten die klingende Gegenhilsc der deutschen Soeialistcn bei den bel gischen Wahlen, sie werfen jetzt also mit der Wurst nach der Speckseite. Iu Frankreich trägt man sich mit der beseligenden Hoff nung, daß der wiederholt angekündigte Besuch eine« russi sche» Geschwader- nicht langer auf sich warten lasse» werde. Nach dem „Figaro" stünden daS Panzerschiff „Kaiser Nikolaus I." und die Kreuzer „Pamya-Äsowat" und „Admiral Nachinow" im Begriff, die Ostsee zu ver lassen, um sich aus einem noch nicht bestimmten Punete mit dem von New Bork zurückkebrendcn Kreuzer „General- Admiral", der die Flagge de« Admirals Kaynakow trägt, zu vereinigen und sich nach einem französischen Hafen z» be geben — vielleicht nach Brest, im Augenblicke, wo der Präsident Carnot diese Stadt besuchen wird — Also endlich dürfte der dringende Wunsch der französischen Nusscnsreunde erfüllt werden. Eine Auffrischung der Kronslädter Verbrüderung thut allerdings in hohem Maße Noth. Der italienische Ministerpräsident Giolitti hat, wie bereit« trlegrapbisch gemeldet, dem König Humbcrt. der sich am 19. Mai von Rom nach Monza begeben wollte, aber in Folge der unerwarteten Vorgänge in der italienischen Kammer seine Abreise bis aus Weiteres anfgescboben hat, da- EntlassungSgesuch de« GesammtniinisterininS am 20. Mai überreicht, der König aber sich die weitere Entschließung Vorbehalten, und dir Minister ersucht, bchnsS Erledigung der lausenden Geschäfte vorläufig im Amte zu bleiben. Man erwartet, daß Giolitti selber mit der Neubildung deS CabinetS betraut wird. Der Grund zum Zurücktritt de« bisherigen Cabinet« war die in geheimer Abstimmung erfolgte Ablebnung de« IustizbudgetS. Diese Ablehnung ist um so bedauerlicher, als sie ini Grunde ganz unberechtigt war. Tbatsächlich ward daS betreffende Budget ja auch nur mit 188 gegen 188 Stimmen, also mit einer mebr als bescheidenen Majorität, abgelehnt. Tic römische» Blätter, so weit sie nicht der grundsätzlichen Oppo sition anaehöre», haben denn auch Worte de- herbsten Tadels tür die Unzusriedcncn, welche da« Ministerium au« solchem Anlaß zu Falle gebracht haben. Denn wenn auch zugegeben werden muß, daß der Iustizminister Bonacci einzelne Abge ordnete durch persönliche Ausfälle gereizt batte, so konnte man doch uni so weniger erwarten, daß für die Ab lehnung deS ganzen IuslizelatS sich eine Mehrheit finden werde, als eö thatsächlich seit dem Bestehen des italienische» Parlaments da« erste Mal ist, daß ein Minister i» der Special-Debatte über den Haushalt eine« einzelnen Mini steriums und in dieser Form ein Mißtrauensvotum erhält. Rudini erklärte in den Wandelgänge», daß er in die Urne eine weiße Kugel gcthan »nd den Vorgang von Herzen bedauere. Ein Minister müsse betreffs technischer oder politischer Fragen in offenem Kampfe angegriffen, nicht aber hinterrücks und ohne Schein einer Begründung angefallen und gestürzt werden. Unter solchen Umständen muß man, da Rudi»/« Parte» und auch die äußerste Linie nur spärlich vertreten waren, annchmen, daß dir Unzufriedenen an jener Gruppe Zanardelli «inen entscheidenden Rück halt fanden, welche es dem Iustizminister nicht ver zeihen konnte, daß er in Hinsicht auf die ost auf geworfene Frage der Widcrrusbarkeit de» Escqiiainr ohne besonderes Gesetz auskommen zu können glaubte, um die Bischöfe zum Geborsam gegenüber den StaalS- gesetzen zu verhalten. Ausfällig ist eS jedenfalls, daß der Vorsitzende Zanardelli die Urnen kurz nach Beendigung de« Namensaufrufe« und früher schließen ließ, bevor die Minister und Untrr-StaatSfccretairr, welche im Senat beschäftigt waren, zur Abstimmung in der Kammer erscheinen konnten. Dadurch allein entfiele» lk Stimmen, welche Herrn Bonacci nach dessen eigener Erklärung allerdin»- nicht genügt haben würden, um ilm znr Fortführung der Geschäfte zu bestimmen. Daß unter solchen Umständen nicht nur der Iustizminister, sondern da« ganze Ministerium «S vorzog, sein EntlassungS- grsuch einzurrichen, darf nicht Wunder nehmen. Die Vcrrnssuiig der cstskepratzlnzen erstreckt sich gegen wärtig nicht mir auf die Deutschen, auch die Esten beginnen die auSgleichendc Thätigkcit der russischen Verwaltung zu spüren. So wurde, wie scbon gemeldet, der estnische litera rische Verein, der „Erst, Kirjainccste Scltö", von der Regierung aufgelöst. Der „Risbk. Wjcsln." meint, der Verein sei urfprüng- lich zum Schutze der Esten vor der Germanifirung gegründet worden, und da kieseGefabr säst beseitigt erscheine, sohättedieseS Institut seine Existenzberechtigung verloren. Der Verein hätte allerdings den veränderten Umslanden gemäß seine Richtung ändern und dazu initwirkcn können, daß unter den Esten Auf klärniig auf den neuen <d. h. den russische») Genndlagcn ver breitet würde, leider bätte er jedoch nicht diesen Weg ein- gcschlagc», sondern ein dcdeiitendcr Tbeil seiner Mitglieder hätte sogar kiesen Grundlagen feindliche Tendenzen offenbart. DaS Schicksal, das de» estnischen literarischen Verein betroffen, könne als Warnung für alte ähntichen localen Institute dienen, die deS Glaubens lebe», daß cö auch jetzt noch möglich sei, „im Geiste überlebter Tendenzen »nd vom Leben selbst beseitigter Strö mungen" zu wirken. DaS ist in dürren Worten auögedrückt: für Erhaltung des eigene» VolkSthumS ist kein Platz im Zarenreiche, Alle« soll von dem „großen russischen Meere" verschlungen werden. Die Esten haben dies eben ein- gesehcii n»d sie baben sich in der letzten Zeit immer enger an die Deutschen angeschlosscn, mit denen sie auch durch die Bande dcö evangelischen Glaubens verbunden sind. Den Pastoren wird ja auch die Schuld beigcmefsen, daß die llcbertrittc z»m orthodoxen Glauben bisher unter den Esten fast gar keine Erfolge ailszuweiseii hatten. Aber noch ans andere Weise solle» die Este» gestraft werten. In Zukunft müssen säinintliche estnische Blatter ausschließlich in Dorpat ccnsurirt werden, auch die in Reval und Narwa erscheinenden Zeitungen. Für die sich »ach dem heiligen Rußland sehnen den Czechcn, Slowaken und panslawistischen Kroaten ist die« ein sehr ermuiilcrndrr Fingerzeig, in ihren Bestrebungen zu verharren. Nach der österreichischen und ungarischen „Knecht schaft" könnte ihnen eine Probe echter uoversälschter »russi scher Freiheit" durchaus nicht schaden. Tic Nachrichten, dir radicale Partei in Terdten habe sich bereit- gespalten und die Hoffnungen auf eine feste Re gierungsmehrheit seien gescheitert, scheinen nicht ganz zu treffend gewesen zu sei». Allerdings kann nicht geleugnet werden, daß sich innerhalb der radicale» Partei eine lebhafte Be wegung bemerkbar macht. Die Frage der Feststellung der Belgrader Canditatenliste wurde zwar im ra- dicalcn Ccntral-AuSschnssc geordnet, indem man Pasitsch zuin Träger der Belgrader Liste erklärte, während man Dokilsch die Liste deS Rutnikcr Kreises zuwicS. Doch ist auch sonst eine gewisse Rivalität zwischen den einzelnen radicalen Fraktionen wahrzunebnien. Trotzdem kann vorderhand von einer bereits cingctreicncn Spaltung nicht die Rete sein. Die Wahlen werden jedenfalls nntcr dem Zeichen de« Frieden- und der Einigkeit vor sich gehen. Was dann geschieht, ist allerdings eine andere Frage. Es ist ganz gut möglich, daß sich in der Skupfchlina die radicale Partei in eine gemäßigte »nd in eine extreme sondern und daß in diesem Falle die Fortschritts partei, sei cS ans Seite der einen oder der anderen, stehen wird. DaS Vorhandensein zweier großer Parteien in der Sknpschtina könnte de», Lande und in einem gewissen Sinne auch der Krone nur zum Vortheile gereichen. Es wäre da mit die Möglichkeit gegeben, ei» streng vcrfassniigSmäßigcS und parlamentarisches Regiment zu begründen, daS innerhalb der von der Verfassung gegebenen Grenzen nicht zu inconsti» tntioncllcn Experimenten, wie e« die letzte» waren, seine Zu flucht nehmen inüßle. Deutsche- Reich. <5 Berlin, 2l. Mai. Im Ccntralbureau der nationalliberalen Partei tBcrlin >V., Kölhencrstraße Nr. 40) find zwei neue Veröffentlichungen erschienen, welche sich im Wahlkampf als scbr brauchbar erweisen werde». Die erste hat de» Titel: Die Militairvorlage (Antrag Hucne) und behandelt in übersichtlicher, aiischanlicher Kürze die letzte Phase der Entscheidung. Die andere betitelt sich: „Alte li»d neue Streitfragen", ein Wablbüchlein für 1808. Sie bebandelt linier einzelnen, alphabetisch geordneten Stichworten tiir; und treffend die wichtigsten der gegenwärtig im Vorderariiiide stehenden politischen »nd wirtuschaftlichcii Fragen. Jede dieser Schriften ist zum Preise von 25 „Z einzeln, io für lOO Stück, jedes weiteres Hundert 6 .,2 vom nalioiiallibcraten Ecutralburean zu beziehen. Wir cm pschlen de» Vertrauensmänner» und politischen Freunden im Lande angelegentlich diese Veröffentlichungen. 11 Verltii, 20. Mai. Heute Vormittag 10 Uhr wurden die Vertreter teü „Deutschen TabakvereinS", des „Vereins aller Interessenten der Cigarren- und Tabakbranchc von Berlin »nb Umgegend von 1892", des „Berlins der Tahalsabrikantei» und -Händler von Berlin und Umgegend", sowie des „Verein- der deutschen Dadaksabrikanten und -Händler" voin Vertreter des Reichskanzler-, StaatSsccretair v. Bötticher, in längerer Audienz empfangen. Es bandelte (ich liiu die Frage der Verlängerung der Geschäfts stunden a» «onn- und Feiertagen. Tie Herren überreichten eine Petition, in der auf Grund der bisher ge machten Ersahrungen die Schädigungen erörtert sind, die durch zu kurze Bemessuncz der Verkaufszeit die Tabakbranche erlitten habe. Der Minister ging auf die mündlichen Aus einandersetzungen der Herren mit größter Bereitwilligkeit ein und bekundete sein lebhaftes Interesse sür diese Frage. Wenn gleich er nicht in der Lage war, Aussicht auf eine in absehbarer Zeit zu erwartende Abänderung de- Gesetze» zu machen, so nabin er doch Gelegenheit, den Herren die Versicherung zu gebe», daß die Fra^c zur Zeit seitens der ReichSregleruug einer eiiigebcndcn Prüfling unlcrzcgcu werde »nd daß vom Reichskanzler, wenn diese Prüfung ,m Sinne der Petition aussicle, die Initiative ergriffen werden würde, um eine möglichst gleichmäßige Interpretation de- Gesetze« zu Gunsten der Verlängerung der Verkaufszeit etwa iu dem Sinne, wie die« in Pavern, Württemberg »nd Bremen, auf welche die Tabalinteressciiten Bezug genommen hatten, ge schehen, auch in den übrigen Bundesstaaten herbeizuführen. S« würde die« diejenige AuSlrgung de« - 105, der «»««nh«'
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