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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930529028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893052902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893052902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-29
- Monat1893-05
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Besonder« unter den Anhängern der Mittel- Parteien vermißt man mit Sorge jene Rührigkeit, ohne die an einen Erfolg nicht zu Lenken ist, auch wenn die Gegner einander in den Haaren liegen. Trotz de« Bruderkampse« im gegnerischen Lager, ja vielleicht gerade in Felge desselben sind die der Militairvorlage feindlichen Parteien rastlo« thälig, die Wähler gegen eine wesentliche Verstärkung unserer Wehrmacht einzunehmen. Während aber die Wort führer und Verkündiger der Licber-Rickier-Bebel'schen An schauungen in der Ausfindigmachung von Mitteln und Kunst griffen. rer Wählerschaft erfolgreich beizukommcn. eine erstaunliche Wnjeiligkeit entwickeln, eine agitatorische Findigkeit delbätigen, rie sich du rch die tausendfältig verzweigten Canäle de« Volksleben- ihren Weg di« in dir intimsten Bereiche der FamilienhäuS- lichkeil, der Werkstatt, de« Stammtische«, der Herberge bahnt, jeden einzelnen Wähler so zu sagen persönlich in die Macke nimmt, glauben viele nationalgrstnntr Männer schvn genug gelhau zu haben, wenn sie gelegentlich in einer Wab.lver- lammlung erscheinen, und verlassen sich im klebrigen auf den Streit der Gegner, aus die Presse, auf den „gesunden Sinn de« Volke-", aus die „zwingende Logik der Verhältnisse", und meinen, sie hätten den Sieg schon Lei allen vier Zipfeln. Da« ist aber nicht die Babn, aus welcher man den nationalen Gedanken zur Erringung wahlpolitischer Lorbeeren führen wird. Unerläßliche Vor- bedmgung hierfür ist ernste, angestrengte, in« Einzelne gehende persönliche Wahlarbeit nach dem Beispiele der oppositionellen Parteien. Bon diesen können die dem Reiche und seinen vitalen Interessen wohlgesinnten »reise Viele« lernen» die Agitation von Hau« zu Hau«, von Mund zu Mund, von Person zu Person. Sie müssen e« lernen, wenn die gute Sache bei dem Wahlkampfe mit Ehren bestehen soll. Eine der besten und erfreulichsten Schöpfungen der deutsch- nalionalcn Bewegung in Veste» reich, der deutsche Schul verein, befindet sich seit zwei Jahren im Zustande ernster Krisis. Anstatt sich zu vermehren, wie da« wohl der Kopf zahl und der Wohlhabenheit der Deutsch-Oesterreicher ent- Ipräche und wie da« auf der andern Seite wegen de« sich stetig mehrenden Arbeitspensums de« Verein« noihwcndig ist, gehen die Einnabmen zurück. Insonderheit da« Iabr 1892 war in dieser Beziehung recht unerfreulich, indem die Ein nahmen bei einer Höhe von rund 240 000 Gulden um 24 000 Gulden hinter dem lhalsächlichen Bedarf zurück- hliebeu. In jährlich steigendem Maße ist der Verein aus zufällige Einnahmen, wie Spenden, Erbschaften und Zuwendungen öffentlicher Körperschaften angewiesen, seine Äilzliederzahl sinkt, eine ganze Reihe seiner Ortsgruppen hat sich bereit« aufgelöst oder fuhrt nur noch ein Scheinleben. Auf der in den Pfingsttagen zu Teplitz abgehaltenen Jahres versammlung de« Deutschen Schulverein« wurde diese rück läufige Bewegung unumwunden eingestanden und erörtert, al« beschämende« Gegenstück die andauernde und wachsende Opserwilligkeit der Slawen, insbesondere der Ezrchen für ibre Schulvereine Hervorgeboben. Mehrfache Ursachen haben zusammcngewirkt, den jahrelangen kräftigen Aufschwung ter EchulvereinSbewegung in Oesterreich zu lähmen. Obgleich dir Krisi« sehr ernst ist, so würde r« doch über triebene Sckwarzseherei sein, die SchulvereinSsache für verloren zu hatten. Gerade in Teplitz bat c« sich gezeigt, welche Fasern der deutschen Volksseele berührt werden muffen, um die alte, balberlosckene Begeisterung aus« Neue zu entfachen: von den wechselnden, oft kaum den Tag über dauernden Erscheinungen unk Begebenheiten der Politik hinweg müssen die Deutschen in Oesterreich den Blick jenen kostbaren dauernden Gütern zuwenden, die e« gegen fremde« BolkSlhum zu schützen gilt, sic müssen immer wieder daraus hmgewiesen werten, daß die Wurzel ihre« politischen Einsluffe«, ihr eigene- BolkSlhum, ihr nationaler Besitzstand, ihre Sprache in Hau« und Schule, unversehrt erhallen werten muß. Die Tausende von Kindern, die ganz allein durch die Schulen, Kindergärten und Fortbildungsaiislallen de« Schulverein« von ter Bcrczechung und Berwclschung gerettet werden, bilden ein kostbare« ZukunftScapital, dessen Werth und Aufgaben den breiten Massen der Deutsch-Oesterreicher stet« aus« Neue klar gemacht werden müssen, wenn ihre Opferwilligkeit sich wieder heben soll. E« wird die dringende Aufgabe der Leiter der österreichischen Schulvueinc sein, nach dieser Richtung hin mit allen Kräften ausklärend zu wirken und an der Hin gebung, mit der die czechischen und slawischen Agitatoren für ihre Sache in da« Zeug gehen, sich ein Beispiel zu nehmen. Au« Ungarn liegt heute eine überraschende Nachricht vor. Der „Pesti Naplo" erfährt nämlich von angeblich zuverlässiger Seite. Rußland taffe die Berliner Signatarmächte zum Zwecke der Einberufung einer europäischen Conserenz nach Konstantinopel vertraulich sontiren. Die Aufgabe der Eonserenz soll die Lösung der bulgarischen Fürsten- frage in Gcmäßbcil de« Berliner Vertrage« sein. Der Ge währsmann de« „Naplo" fügt hinzu, die FricdrnSzuvcrsichl in der am 27. d. gehaltenen Ansprache de« russischen Kaiser« lasse e« ausgeschlossen erscheinen, daß Rußland bei diesem Schrille an eine kriegerische Lösung denke. — Jeden falls wird da« ungarische Blatt trotz seiner Berufung aus die Zuverlässigkeit feiner Quelle nicht viel Leute finden, die seiner Meldung glauben und seine Zuversicht thcilen. Durch eine glatte Lösung der bulgarischen Fürstenfrage würde sich Rußland selbst die Lunte auSblasen, die gelegentlich zur Ent zündung de« auf der Balkanhalbinsel lagernden Zündstoffes benutzt werden könnte, und dazu wird der Zar trotz aller platonischen Friedensliebe sich schwerlich verstehen. Da« Schicksal der nach Eidirien Verbannten ist be kanntlich auch noch in unseren Tagen weit über Rußland hinan« Gegenstand vielfachen Interesses. E« möge tcSbalb ii» Anschluß an eine frühere kurze Meldung mitgctheilt sein, daß in letzter Zeit für die sibirische» Sträflinge zwei wichtige Gcfctzc erlassen worden sind. Da« eine betrifft Veränderungen hinsichtlich der Auflösung vonEhen solcher Personen, welche, ^'ci e« zur Zwangsarbeit, sei c« blo« zur Ansiedelung in Sibirien verurlheilt wurden; da« andere Gesetz enthält die Aufhebung der Bestimmungen, welche Frauen unter Umständen einer körperlichen Züchtigung unterzogen. Da« ersterc Gesetz gewährt den verheirateten sibirischen Sträflingen da« Recht, die Auslösung der Ebe zu fordern, wenn die Fortsetzung derselben thalsächlich un möglich ist. Diese« Recht batte bisher nur derjenige Thcil, welcher unschuldig war und, sei e« freiwillig, sei e« unter kein Druck von Umständen, dem anderen Ekegatten nicht in die Verbannung folgte. Ter Sträfling konnle niemals die Schei dung von seinem in der Heimalb zurückgebliebenen Ehegatten beantragen. Nun balle diese Härte des Gesetze« die schlimmsten Folgen^ sür da« Leben der Sträflinge nach sich gezogen. Die Sittenlosigkeit nahm in erschreckender Weise Über band, wilde Eben und uneheliche Geburten mcbrtcn sich immer niehr, aber doch ließ sich die Sache bei den gelten den Bestimmungen nickt ändern. In zahlreichen Fällen, namentlich bei den Strafcolonisten, erwies e« sich im Haus stand als unumgängliche Vorbedingung schon für die Be bauung des zugcwiescnen Grund und Boden«, und auf der Insel Sachalin machte sich dies so gebieterisch geltend, daß ganz essicicll da« außerebclicke Zusammenleben gestattet wurde Warum die vor nicht langer Zeit erlassenen Verordnungen nickt schon früher erschienen, ist nick! reckt zu verstehen, da die Eben ter Sträflinge mil dem Augenblick, wo sie ibre Strafe antralc», in den meisten Fällen tbatsäcklich zerstört waren. Die Ehe gatte» sahen sich meist niemals im Leben wieder, und c« lag kein Grund vor, ein Band noch länger soribeslebcn zu lassen, da« in Wirklichkeit zerrissen war. Man hofft von der neuen Bestimmung die günstigsten Wirkungen sür die Sitt lichkeit der Sträflinge. DaS zweite Gesetz spricht im Grunde schvn für sich selbst. In ganz Rußland ist die Körper strafe aufgehoben, und daß sie in Sibirien noch bestand, znmal Frauen gegenüber, war ein Zustand, dessen Abnormität auch in RegicrungSkreise» lebhaft empfunden wurde. Sicher ist die Aufhebung ter Körperstrafe sür weibliche Sträflinge nur der Anfang der vollständigen Beseitigung derselben, und wie e« beißt, sind darüber bereit« Berathungc» im Gange. Bon nun an werde» Verschärfungen ter Kerkerhaft die Körperstrafe bei DiSciplinarvcrgchc» von weiblichen Sträf lingen ersetzen. In Serbien finden bekanntlich morgen die Wahlen für die am 19. Juni zusammentrelenbe Skupschtina statt. Der Wahlkampf ist bisber — wie au« Belgrad gemeldrl wirb — kein sebr lebhafter, da sich die liberale Partei der Tbcilnabmc enthält. E« ist demnach keinem Zweifel unter worfen, daß die Radicalcn überall siegen werden. Die Re gierung. und dies muß besonder« bervorgeboben werden, gestattet keine Wahlbeeinflussung Leider ist aber an manchen Orten der TcrroriSmu« dcrRadicalcn von derFarbc desPasitsch ein so un- gebeurer, daß cS neuerdings wieder sehr i» Frage gestellt ist, ob die Fortschritt-Partei die erhoffte Anzahl von Mandaten erkalten wird. Die Fraktion Pasilsch und Tauschanowitsch sieht ans Garasckanin mit scheelen Blicken, obwohl dieser in seinem Organ feierlich erklärt bat, daß ihm nichts ferner liege, als die Absicht, zur Macht zu gelangen. Aber auch gegen Dokitsch und Milosavljewitsch kehrt sich die Agitation der Pasiisch'schc» Radicalcn, die nach dem Zusammentritte der Skupschliiia die Berufung eine« reinen radicalcn Eabincis »nlcr Sava Grniisch oder Belimirowilsch wünschen. Interessant ist in dieser Hinsicht ein Ausspruch de- jungen König«, der erst unlängst wieder gesagt haben soll, daß er streng constitutioncU bandeln und keine anderen Rücksichten kennen werde, als die jenigen auf die Bestimmungen der Verfassung, daß er aber von den Parleicn dasselbe fordern werde. Wenn sich der König der Verfassung fügt, so müssen c« auch die Parteien. In den Vereinigte» Staaten von Nord - Amerika folgt dem FiaSco, welche« da« Schutzsystem und die Silbcr- gesctzgebung gemacht haben, die Bankerottcrklärung derjenigen Persönlichkeiten, die an der Spitze jenes Systems standen, rasch nach. Wie a»S New-Aork gemeldet wird, hat rer frühere Schatzsccretair F oft e r seine Zahlungen eingestellt und das bekannlo Bankhaus Foster L Eo. in Mitleidenschaft gezogen. Die Verbindlichkeiten Foster'S belaufen sich auf 000 000 Dollar«. Foster, der der Beschützer der berüchtigten Sherman-Bill war, ist so von dem gleichen Schicksal, wie seiner Zeit Mac Kinlcy, der Baler der Hochschutzzöllnerci, ereilt worden. Es wird nickt gemeldet, welches die Ursachen des Bankerott« Foster S gewesen sind. Vielleicht waren cS Speculationcn auf da« Steigen de« Silber«, da« aber bc- kannllich einem unaufhörlichen Rückgänge seil dem Juttas! treten der verschärften Silbergcsctze unterlag. Deutsche- Reich. Berlin, 28. Mai. Herr Professor V irchow hat kürz lich Gelegenheit genommen, sich ösfcnllich über den Wenk der Stenographie zu äußern und deren verhällnißmäßig geringe Vcrdreilung zu beklagen. Der Gelehrte begegnet sich hier mit dem Staatsmann Miguel, der sich vor einiger Zeit in gleichem Sinne hat vernehmen lassen. Und in der Thal ist c« verwunderlich, daß hundert Jahre nach der Ge burt Gabclsbcrger's seine große und nützliche Kunst in einem großen Tbcilc Deutschlands »och nicht >m Entferntesten Ge meingut auch nur ter Gebildeten geworden ist. E« gilt dies naincntlich von Nordteutschland. Während unter den an bayerische» und sächsischen Gymnasien voracbilteten Studi- renken Unkenntniß der Sienogravbie eine Ausnahme bildet, ist sie in Preußen die Regel Professor Virchow macht für diesen BilkungSdefect die „sehr barten" Köpfe der Schul männer verantwortlich. DaS mag richtig sein. Aber die jüngste Vergangenheit hat — und zwar bei der Ent scheidung principiellcr und nock überaus strittiger Fragen — gezeigt, daß die Widerstandsfähigkeit philologischer Sckädet- dccken Itickt überschätzt wird. Es dürfte kaum die Furcht vor dem Widerstand der Schulmänner sein, welche die Unter- richlSverwallung von einem energischen Vorgehen zurückhält, sondern die Verlegenheit, welche« Kurzschriftsystcm sie in den höhere» Schulen cinsükren soll. Die beklagenSwerthr und durch keinerlei prallischcS Bcdürsniß auch aus diesem Gebiete bervorgerusene Scheidung von Nord und Süd bildet da« größte H»>dcr»iß der Verbreitung der Stenographie, »nd zwar gerade im Herrschaftsgebiet des neuerco System«. Es ist gewiß sür die preußische Regierung nicht leicht, dar Betrete» de» allein gangbaren Weges zu erzwingen, aber der Entschluß wird sich auf die Dauer nicht vermeiden lassen. Es ist darum im Interesse der künftigen Generation wünsche»-- werlh, daß bald geschehe, waü doch einmal geschehen muß. * Berlin, 28. Mai. Im Zusammenhang mit der Reform de« Mrdieinalwesen- wird voraursichtlick auch zur Ent scheidung gekrackt werden, ob c« räililich sei, einen Tbril ter Meticinalabtheilung vom Ministerium sür geistliche Unterricht«- und Medicinal Angelegenheiten abzulösrn und mit dem Ministerium de« Hnnern in Verbindung zu bringe». Hierzu wird offieiös von niedreren Blättern ge schrieben: „Mag immer eine Reihe von verwallungStcchnischen Gründen zu Gunsten einer solchen Uingliederung sprechen, so ist doch auf der anderen Seite gar nickt zu bestreiten, daß der jetzige Stand der Dinge die Pflege von Beziehungen gestattet, die sür die LandeSwohlfadrt von größter Wichtig keit sind. Selbstverständlich fällt c« Niemandem ein, auch die Abtrennung der Uiiiversiläl«-Klinikc» und de« medicinischcn StutiuniS vom Eulluöminislerium zu befürworten. Zwischen den Eentre» de« wissenschaftlichen Verkehr« aber und den staatlichen, provinziellen und cominunalen Krankenhäusern und Heilanstalten siiidck jetzt ein so fruchtbringender Aus tausch von Erfahrungen statt, wie er nur gewünscht werden kann und praktisch nur so lange in der bisherigen Weise sich ermögliche» läßt, als die ministerielle Fürsorge eine einheitliche ist. Dazu gehört, daß ein und derselbe Minister sämmtliche Ställen im Auge hat und ohne Weitere« immer aufs Neue Nach forschungen veranlassen kan», ob und wie weil die nicht der Theorie und der Forschung, sondern dem praktischen Lebe» dienende» Krankenhäilscr im Lande den sorlschreilendcn An forderungen der Wissenschaft genügen. Von nicht zu unler- sckätzender Bedeutung scheint auch zu sein, daß derselbe Minister, dem die Thcorelikcr der Heilkunde unterstehen, auch die Praktiker beobachten darf. Es sind aus diese Weise uiilcr Anderem schon wiederholt Aerzte, die sich in ihrem vcrhältnißniäßig bescheidenen praktischen Deruf-kreise besonders auSzcictmetcn, in Wirkungssphären üdergesührl worden, in denen eS ihnen vergönnt war, sich die größten Verdienste um die Wissenschaft und die leidende Menschheit zu erwerben." — Von seinem Iagdau-slug nack Prökclwitz zurückkebrend, wird der Kaiser am 2. Juni am Eingang zum Tempelhofer Felde den Ezlrazug verlassen, an der Wärterbute z» Pferde steigen und daraus die Parade über die Berliner Garnison abballcn.— lieber die waitniännische Lebensweise des Feuilleton. Lady Sibylle. Roman von L. Schroedrr. Nachdruck »«rbdim. 29; (Fortsetzung.) Er war übrigen« privilegirt, war der Einzige, der auch beule da« schöne, stolze Antlitz zu sehen bekam, bevor die Thränen- spuren noch reckt verwischt waren. „Lühr«", sagte sie, ,e« sind nur vier Tage, aber ich durch lebe sie nicht, wenn ich nicht irgend etwa« zu thun habe — irgend etwa- für ihn!" „Ich glaube, e« würde dem Herrn Freude macken", meinte der Getreue, „wenn wir ibm da unten neben dem Hepen- leick den Pavillon hinsetzten, den Mylady neulich gezeichnet haben." „Eine vortreffliche Idee! Aber ich fürchte, die vier Tage würden kaum genügen, um —" „Um da« bische» Brettcrwerk zusammenzunageln? I, da« denn doch! Ich gehe gleich hin, die Leute zu bestellen." Am nämlichen Nachmittag noch ward mit der Arbeit begonnen. Lübr« legte selbst Hand an, und Sibvllr war mit guie.n Rath immerfort rur Stelle. Dir Freude, den zierlichen Vau wachsen zu sehen half ibr die Zeit in die Flucht schlagen. Mehr that noch da« Lesen und Wieterlesen de« Briefe«, den sie am nächsten Morgen erhielt. Waldstedt schrieb, wie er plauderte. Hinter Scherzen und Neckereien hielt sich die Liebe und Sebnsuckk, die ihn erfüllte, versteckt. Sir lachte, während sie la«, mit Thränen in den Augen. „So artt wie ich", dachte sie, „hat r« Niemand auf der Welt. Wenn ich r< nur nickt zu gut habe: Wenn ibm nur nicht doch noch etwa« zustößt, um mich für mein Glück zu strafen!" Aber sie sollte noch den Neid der Götter nicht erfahren. Waldstedt kehrte so woblbehalten zurück, wie er gegangen war, »xd gar einen Tag früher, als er erwartet wurde. Sie war eben im Begriffe, zu einem Damenkafser zu fahre« als er plötzlich vor ihr stand. Al« der erste Jubel der Begrüßung vorüber war, klagte sic: „Und nun soll ich gleich wieder fort von Dir? Richard, rau von Feldheim hat mick nur geladen, um mich Deine bwesenbeit vergessen zu machen. Wie wäre c« nun, wenn ick hinsckickte und sagen ließe, ich bättc sie schon vergessen, denn Du seist, Gott Lob, wieder da?" „Ich weiß nicht", lachte er, „ob sie sich über diese glückliche Idee freuen oder ärgern würde — wabrsckeinlich aber ärgern wegen de« vielen vergeblich gebackenen Kucken«. Allenfalls bürste sie sich auch lustig machen über da« alte Ehepaar, daS sich noch immer aus den Flitterwochen nicht binauSsinden kann." „Also muß ick wobl fahren?" seufzte sic. ,Ihu eS nur", rieth er. „Ich erledige in Deiner Adwesen- hcit dann gleich einige Briefe nack Amerika und kann »iick ganz Dir widmen, wenn Du zuriickkommst." Würdest Du mich nicht ein Strcckchen begleiten?" schlug sie ihm bittend vor. „Mit tausend Freuden", rief er, „bi- da« gastliche Dach, dem Tu zusteurrst, sichtbar wird." Neben ibr im Wagen sitzend, war er dann in launiger Weise bcmiibt, ibr den Yankee, mit dein er in Hamburg zu tbli» gehabt, greifbar deutlich vor die Seele zu stellen. Er ließ ibr sein Amerikanisch-Englisch hrrvornäfcln und mit Scharfsinn, Humor und Unverfrorenheit über die Dinge dieser Welt sein Urikeil fällen. „Richard, Du tödlest mich mit Lachen!" ries Sibylle ein mal über das andere, allein dadurch spernte sie den Schau spieler in ihm nur zu noch drolligeren Leistungen an. Auf einmal aber schwieg er still. Es war genau i» demselben Moment, als sie eine graugelleidele Frauengestalt gewahrte, die einige Hundert Schritte vor ihnen in derfclben Richtung ging, in der sie fuhren. „La sieb hin, Richard", drängle sie, „die Dame, von der ich Dir neudch sprach! Ist eS dicfelbe, die Lu mir nanntest?" „Sie kebrt un« den Rücken", murmelte er, „aber ja, sie ist es — Fräulein von Hatzleden!" Fast in teniftlben Athemzug befahl er dem Kutscher, zu Hallen. Sibylle schwebte e« auf der Zunge, zu sagen, daß ja da« Felvheim'sch« Hau« noch gar nicht sichtbar fei, aber seine Züge zeigten plötzlich einen so abgespannten Ausdruck, daß sic im Gegentbeil reuig auSricf: „Richard, Du bist reisemüde, und ich habe Dir den langen Rückweg zu Fuß zugemulhet!" „Müde'?' kopfschüttclte er. „Ich denke nickt daran. Ver drießlich bin ick, daß ich Dich nickt gleich wieder mit mir nebnicn kann!" Dabei sandle er, vielleicht unbewußt, eine» finsteren Blick die Straße hinunter, aus der sich die graugekleidete Gestalt sanflwiegenden Ganges vorwärts bewegte. „Ack, und wie gern ginge ick nickt wieder mit, Schatz, lieber Schatz", seufzte sie, ihm die Hand reichend, die er so beslig an die Lippen preßte, daß sic seinen K»ß durch den Handschuh brennen fühlte. Als er gegangen war, halte sie nicht« Eiligere- und auch nichlS Vernünftigere- zu thun, als ein halbe- tutzend Mal taS tobte Lerer zu küsse», wo er cS geküßt hatte. Indem sie eS that, war ihr Auge in süßem Sinnen geradeaus gerichtet, und da bemerkte sie, obne fick etwa« dabei zu denken, daß die einsame Spaziergängerin sich umgedrcbt balle und zurück- blickte. AIS der Wagen an ihr vorüberflog, stand sie noch regungslos. Unter dein wilden Wein, der die Fclkbcim'schc Veranda überdachte, waren die „Damen im (mehr oder weniger) schöne» Kranz" schon ziemlich vollzählig versammelt, als Sibylle anlangte. Da war die Wirtbin selber, Frau v. Feldbett». eine Fünfzigerin mit hartem Prosit, aber butterweicher Zunge. Lie pflegte jede Rede, gleichviel an wen gerichtet, »itt „Liebster" oder „Liebste" rinzuleilen und mit Tinnnuliven »i» sich zu warfen, doch sagte man ibr nach, daß sic ibre» Leuten mil Zärtlichkeiten viel gründlicher de» Kopf zu wasche» verstehe, al» ibr Mann mit Grobheiten, lieber den inneren Menschen ibrer ällesten Tochter, Martha, war, als ihr die letzte HeirathS- aussicht rii Schanden geworden, rin streng religiöser Reis ge- iallen. Sie verachtete die Wett und die »leisten Menschen. Ihre Schwester, Josefa, batte e« mit fünfundzwanzig Jahren zum Bedauern der Familie noch zu keinem Ebarakter gebracht. Sie war sanft, blond, schüchtern und von ihrer eigenen Werlh- losigkeit durchdrungen. Al« Gäste saßen um den Kaffeetisch: Fran RegierungSrath Schars, deren Namen die Spoltsucht obne r buchstabirte, weil man behauptete, sie habe, geistig sowohl wie körperlich. Aehn- lichkcit mit dem frömmsten Thier der Herden — Frau Haupt- inaiin Lutz, ein Persönchen von dnrchsichtiger Magerkeit, ei» poetisch angebauchlcS Ncrvenl'iintelchen — da« ältliche Srifis- fräulcin von Botcnback, die vortrefflichste Spürnase aus Meilen in der Runde — deren Schwester, Frau Forstmeister von Stablborn, die breitlächclndc Freundlichkeit selber. Letztere Dame batte sich vorhin in aller Harmlosigkeit über da- lange Ausbleiben nnsercr Heldin verwundert und war von ihrer Schwester spotlisch belehrt worden: „Ich bitte Dick, Eäcilie, daß sic u»S warten läßt, ist ja einfach englisch! Tic Engländer können einmal nicht« machen wie andere Leulc, müssen entweder eine Stunde zu früh oder zu spät kommen. Mick soll nur wunder», ob sie beute wenigstens eine Handarbeit mitdringl. Bei Bevensen'« neulich soll sic die ganze Zeit müßig gesessen haben!" „Sic wirk mil der Nadel nickt nmzngchcn verstehen", vernintbete Fräulein Marlba von Feldheim. „Sebr möglich! Englische Frauen — besonder« die an der hoben Aristokratie — sind einzig zum Schmuck auf der Welt, lesen Romane und lassen sich den lieben Tag lang an- und »inklciten!" „Nun, sie kann eS ja baden!" seufzte Frau Hauptmaiin Lutz, die eS von ibrer Wittwenvcnsion nicht haben konnke. „Ter Mann muß sabelbast reich sein!" „O, er ist vielfacher Millionair", bestätigte Frau von Feld- beim, „und weiß der Himmel, man mcrkl'S an dem LuxuS, den sie entfalten!" „So? Thut man daS?" erkundigte sich eifrig Fräulein von Bodenbach. „Bitte, meine beste Frau von Feldheim, wie sich«'« denn jetzt au« im Schlosse? Al- ich neulich Besuch machte, war noch Alle« im Werden." „Liebste- Fräulein, da möchte ick' Ibnen doch ratben, recht bald Ihren Besuch zu erneuern. Es ist eine Pracht in den Räumen — eine Pracht — ich hätte vorgestern, als sie unS berumsührle, immersorl die Hände über den Kopf zusammen- schlagen mögen! Tu nickt auck, Martha?" „Ja, Mama, aber ick muß sage», mir kommt'« sündhaft vor. so viel Geld zu verschwenden!" (Fortsetzung folgt.)
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