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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930531024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-05
- Tag1893-05-31
- Monat1893-05
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Sie werden mit einer ungeheuren Zahl im Reiche abgegebener socialdemolratischer Stimmen sich brüsten und der Ärbeilerbevölkcrung, namentlich auch der ländlichen, imponirrn können. Es wurde dies schon »ach den letzten Wahlen nicht ohne Erfolg versucht, ob wohl damals die socialdemokratische Gesammlzifftr der nächst stärksten nicht sebr viel voraus war und insbesondere anck die nationalliberale nicht erheblich hinter sich zurückließ. Es ist jedenfalls von moralischer Bedeutung, wenn die Umsturzparlei darauf Hinweisen kann. daß sie die meisten Anhänger zählt und, wenn die Zahl sämmk- licher für eine Partei abgegebenen Stimmen durch dir Zahl der Wahlkreise dividirt würde, Anspruch aus eine bc nächtlich größere Anzahl von Mandaten hätte, als sie tbal- sätlich erlangt hat. Selbstverständlick wird die Social- temvkratic nicht die einzige Partei sein, dir sich in dieser Vage befindet; entfielen doch >880 auf die Rationalliberalen, obwohl sie eine größere Gesammtstimmenzahl erreichten als die Drutschsreisinnigen, 14 ReichStagösitze weniger als aus die letztgenannte Partei. Aber e« liegt in der Natur der Dinge, daß"eine alle anderen Parteien weit vorauSeilendc social- demokratische Stimmenanzabl auf die breiten Massen stärkeren Eindruck hervorbrinat, al» derartige Erfolge anderer Parteien. Tchon aus diesem Grunde darf wobt die Frage aufgeworfen werden, ob die staatSerhaltendcn Parteien nicht mehr, als dis jetzt geschehen, thun sollten, nn, das Grsammtwablbild ror einem hervorstechenden falschen Zuge zu bewahren. Denn da» unterliegt denn doch keinem Zweifel, daß dir über wiegende Mehrheit deS deutschen Volkes dem Gedanken einer maßvollen Fortentwickelung der bestehenden Staats- und GesellschastScinrichtungen huldigt. Bei den bisherigen Can- tidaturen entbehren Hunderttausende von Stimme», welche die Nichtigkeit dieser Ansicht bestärken würden, der Gelegenheit, ..iUü-Ltnwrtt»» »aö,«> > lnNgenRechr -von Lahlkreiscn, nickt zum Wenigsten in bisher ultramontan ver- lretenen, lassen sich mehr oder minder beträchtliche Minder heiten erzielen, deren Gesammtziffcr der Socialdemokratie rin nicht zu verachtendes AgitationSmittel aus der Hand nehmen würde. Andererseits laßt sich in solchen Wahlkreisen, wo »eineParteigruppen durch die Ausstellung von Zählcandidaturen ohnehin den Sieg deS Hauptcandivatcn der OrdnungSparleicn geführten, durch einen Verzicht auf solche Candidaturen eine Stimmen,ersplittcrung vermeiden, die der Socialdemokratie nur Gelegenheit zum Prahlen liefert und den Slimmen- sang erleichtert. Die im Reiche, so vollzieht sich auch in Preußen ein immer entschiedenere- Abr licken deSEentrumS von der Negierung einerseits und den ehemaligen Cartelparteirn. Leitern haben im preußischen Abgcordnetenhause ver miedene Fractionen über ihre Stellung zur WahlrechtS- ovrlaae beralhen, welche beute zu einer wiederholten, vvrausnchtlich namentlichen Abstimmung in der aus dem Herrenhause herübergekommenon Fassung gelangen wird. Als das Eraebniß dieser Beratbungen kann man mit aroßer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Vorlage in der Fassung deS Herrenhauses mit einer au- den conservativcn Parteien und den Nationalliberalen bestellenden Mehr heit angenommen und damit die Angelegenheit definitiv er ledigt sein wird. DaS Centrum wird gegen das Wabl- rccdtsgesetz und voraussichtlich dann auch ,n der Schluß- alstimmung gegen die Steuerreform stimmen. Den Eonservaliven von der Richtung der „Kreuzztg" wird daS einen Stich inS Her; geben, und auch Graf Eaprivi wird cS tief beklagen, daß eine Partei, auf die er sich so gern in Preußen und im Reicke gestützt hätte, dort wie hier jede« Entgegenkommen mit schroffer Opposition erwidert Ader mit den Tbatsachen werden die .,Kreli;zcil»»gö" Eonservalioe» ebenso rechnen muffen, wie Graf Eaprivi. Die antisemitische Opposition des Wiener Gerne indcralkes hat i» diesen Tagen ihre» Einzug in den von ihr bisher so grimmig angefeindcien Stadtrath gehalten. Ihr Führer, I)r. Lueger, wurde niit knapper Mehrheit in den Statlrath gewählt und die Partei hat dahin entschieden, daß der Gewählte die Wahl anzunebmcn habe. Wäre nickt, wie erwähn», die Einrichtung des SladiralhcS der Gegenstand ganz besonders besliger Angriffe von Seite der Minorität gewesen, bättc sie denselben nicht ftcts als eine zu Parteizwecke» geschaffene Beschränkung der MacktvoUkomincn heit deS Eemcindcralheö und das mäßige Entgelt, daS die Mitglieder deS Wiener SladtratbeS beziehe», als eine Bereicherung aus dem Gcmeindcvcrmögeii, wenn nicht als noch Schlimmeres verlästert, so wäre die Wabl eines Ver treters der Minorität in den Staktratb nur selbstverständ lich Aber die antisemitische Opposition bat selbst zwischen sick und de» durch daS neue Gemeintestatut geschaffenen Institu tionen einen so breiten und tiefen Graben gezogen, sie bat, in dem sie nicht dlos die Verwaltung der Majorität, sondern die Gemeinteverfafsung selbst bis aufs Meficr bekämpfte und diesen Krieg zeitweilig bis zur Abstinenz trieb, einen schein bar so unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den beiden Parteien geschaffen, daß cS einen recht besremdlichcn Anblick bietet, wen» sie jetzt mit solcher Leichtigkeit über all bas binübervoltigirt. Zumal aus der Vorgeschichte der Wahl fällt ei» eigenlhüiulickcö Lickt auf den cbcrncn EatonismuS, mit dem die Partei sonst und namentlich vor den Wählern sich zu panzern pflegt. Tie Anregung, der Minorität eine Vertretung im Stadtratbc einzuräumen, ist vom Bürgermeister I>r. Prix auSgegange». Sein Wunsch, ihr zwei StadtrathSmandate einzuräume», traf innerhalb der Majorität auf starken und unter den obwaltenden Verhält nissen nicht unbegründeten Widerspruch, und es bedurfte in der FraclionS-Bersammlung der Majorität einer zweimaligen Abstimmung, che der Beschluß zu Stande kam, der Oppo sition die zwei Mandate anzubielen. Allein der Antrag wurde stolz abgcwiescn, nickt aus principiellcu Gründen, sondern weil die Minorität aus fünf Mandate Anspruch zu habe» glaubte. Und nun, nachdem nur Ein Mitglied der Opposition gewählt worden ist, begnügt die Partei sich mit der Einen Stelle! Die von der Brüsseler Stadtverwaltung mit der Ver wendung von öffentlichen Mitteln im Interesse der beschäf tigungslosen Arbeiter gemachten Erfahrungen, über welche der Bürgermeister in der GcmciiiLeralhssitzuiig vom 8. d. M. Bericht erstattete, bestätigen im Allgemeinen die auch in Deutschland und anderswo gemachten Wahr nehmungen, daß Arbeitslosigkeit und Arbei-scke» der Regel nach zusammciilreffen, und daß daS Gros der NotbstandSschrcier von der Bildsläche verschwindet, sobald ihnen die Gelegenheit geboten wird, sich a» den ack ftoo. inS Leben gerufenen NothstandSarbeiten zu be theiligen. In Brüssel batten sich in der Zeit vom 24. Januar bis 25. Februar im Ganzen 2500 „Arbeitslose ' als solche bei der städtischen Behörde gemeldet. Für diese Zahl war au- öffentlichen Mitteln Arbeitsgelegenheit beim Straßen, Wege- und Eanalbau beschafft worbe». Von den 2500 Mann waren, »ach Ausweis ihrer Personalpapiere, lI82, also bei- nahe die Hälfte, bestrafte Tubjecte, und zwar durchgängig der schwereren Art, als Eiubrechrr, Diebe u. s. w. Der Rest bestand zum weitaus überwiegenden Theil auS Leute», die absolut keinen Berus erlernt hatten, sondern nichts wie ihre ungeübte Körpcrkrasl besaßen, also nur zu den allcrgewöbiilichsten Erdarbeiter« zu benutzen waren. Das Ebaralleristische «st nun, daß von den ganzen 2500 „Arbeit- losen" sich nicht ganz ein Zehntel zu den städtischen Erd- arbeilen stellle und daß dieieS Zehntel nickt etwa ans den ungelernten Arbeitern bestaub, sonder» auS iiiomcntan bc- sckäsligungSloscn Arbeitern der höheren .Kategorien, Tischlern, Drechslern, Posamentierern. Medailleuren u. a. in., ausschließlich Leule mit festem Domicil, Familienväter, welche «nit Freuden die Gelegenheit ergriffen, sich aus ehr liche Weise über einige beschäftigungslose Wochen, mittelst Schaufel und Spitzhacke biuwegzuhelsen. Die übrigen neun Zehntel, die sich sofort auS dem Staube machlcii, als sie auS Aliiiosenempsängern zu Arbeilcmpfängern «verte» sollte», wird wohl außer den soeialremcktatisckcn Berufs Hetzern Niemand zu den „unversckuldel ausS Pflaster ge worfenen Opfern der planlosen capitalistiscken Production« weise", sondern ;» den verbummelten, arbeitsckene» Subjectcn rechnen, welche überall dabei sind, wo eS Auflauf und Tumiilr zu insceniren gilt, als eigentliche Kcrtitruppe der Slraßcndemagogie. Die zuversichtliche Sprache, die der sranzüsischr Minister präsident, Herr Dupuy, in seincr während der Psingstfcicr- tazc in Tculonse gehaltenen Rede geführt bat, wird ibm von der Depulirtrnkammor bös bcimgczablt. Herr Diipu«) balto sich bei dieser Gelegenheit geberdek, als habe er Brief und Siegel darauf, daß «nir er und kein Anderer die nächsten Kaniuicrwablcn leiten werde DaS war mcbr, als daS trotz Panama und anderer üblen Geschickten ungebrochene Selbst gefühl der Volksvertretung vertragen konnte. Dem über Ge bühr zukunft-sicheren Dupuy «nutzte also ein Bein gestellt, seiner zuversichilichcv Stimmung rin Dämpfer aufgesetzt werten. Die Gelegenheit dazu fand sich bald. Am Svnnabend nahm rie parlamentarische „Revanche für Toulouse" ihren Ansang Ter Abgeordnete Bazille krackte den Antrag ein, daß künftighin Beamte, die sick um ein parlamentarisches Mandat zu bewerben beabsichtige», bereits vor der Aumeiduug ihrer Candidatur ihr Amt nieder- ;»t legen haben, nichl, wie bisher, erst nach ihrer Wabl; ditz Begründung, die er diesem Anträge beigab, gipfelte darin, daß ein in amtlicher Stellung befindlicher MandalS- ^ W»itl>lil »»r «deren Bewerbern voraus habe. Herr Dupuy sprach sich mit großer Ent- schiedenbeit gegen den Gr»nbgeda»kcn des Bazille'scken Antrages aus, der eine Beleidigung der Becrintcuwürde in sick schließe und durchaus »»dkmokratisch sei; ihn «vundere nur, daß ei» solcher Gcdanlc auf der Linke» cntstebcn konnte, weniger würde eS ibn überrascht haben, wenn die Reckte damit bervorgctrcten wäre. Glaube mau denn auf de« Linke», aus diese Weise die Sympathien der Bcamte»- sckast für die bevorstehenden Kämpft gewinnen zu könne»? Der heftige Toi«, in dem der Ministerpräsident >prack, be stärkte die Kammer nur in ihrer Neigung, ihm einen Streich zu spielen, und sie beschloß, kaum daß Dupuy die Tribüne verlassen halte, mit 3l2 gegen 200 Stimmen, den Antrag Bazille in Erivägung zu ziehen. Neben der persönlichen hat dieser Kammerbeschluß anck eine allgemeine politische Seite; er wird dir bedauerliche Wirkung bade», daß rie geistige Höhen linie der Volksvertretung sinken, daß daS Parlament inehr und mehr aus Männer von spccccUer Sachlenntiiiß verzichten und den Berufspolitikern anbcimfallen wird, deren mangelhaftes Vcrstänbniß für die hundert und hundert im Volksleben wirkenden Kräfte sick bald empsiiidlick fühlbar macke» wird Untre den etwa sechzig Mitgliedern der gegenwärtigrn Kammer, dir nack dem Anträge Bazille künftig vom parla menlarische» Leben serngebciltci, werden dürsten, weil sie den großen Staat- und Eisenbalmverwaltunacn angekören, bc finden sick Männer wie Lös» Sa«', Casimir PSricr und Henry Schneite«. Die französische Kammer wird nack n»b nach ein „armes" Parlament «n geistiger Hinsicht werden 87. Jahrgang. Nack einer Polemik zu schließen, dft ihren Weg in die Pariser Blätter gefunden hak, wird über da» virlgerühmte Lebelgewebr im Stillen sebr viel geklotzt. E- ist nicht ganz leicht, bei einer solchen Polemik daS Richtige herauSzu finde», aber eS scheint dock, als ob die Klagen begründet seien und die französische Infanterie die Ursache der gerügten Mängel in de» Patronen, insbesondere in den Patronen aus drei bestimmten Fabriken suche, während die Artilleriedirectiou und der technische Ausschuß dieser Waffe, mit andern Worten die Leiter der Waffen- und Patronensabrikalion, daS Gewebr Aber maiizrlhaft finde». Es haben schon seit langer Zeit iu Frankreich wegen der Waffensrage zwischen Infanterie und Artillerie Reibungen »nd Eifersüchteleien stattgefunden und iiamenrlick die periodischen Prüfungen der Insanterie- waffen durch Artillerie Officicre reizen die Infanterie nichl wenig. Nach ihrer Meinung wäre diese Einmischung der Artillerie ebenso unbillig, als wenn die Ecrvallrrie unter dem Vorwände, daß die Remontc ihr ausschließliches Feld sei, der Artillerie regelmäßig ikre Pferde untersuchen wolle. Die Streitfrage, ob an Patronen oder Gewehren geändert werden soll, wirb ain 5. Juni den oberste«« KriegSrath beschäftigen. In VgyOteii baden die Angriffe der einheimischen Presse gegen England seit dem Ministerwcchsel im Januar d. I. zwar noch nichl einen Augenblick ausgehört, sie haben aber in letzter Zeit einen so verhetzenden To» angenommen, daß der Vertreter Englands, Lord Cromer, entschlossen zu sein scheint, diese» Angriffen Einbalt zu thun. Am schlimmsten hetzt und sckürl gegen England und alle Europäer der „Uslar", dessen Herausgeber Abdallah Nrdim seiner Zeit als An bänger Arabi Paschas zur Verbannung vernrldeilt worden war. Er predigt seit Monaten offen den Aufstand, ohne in seinem Treiben irgendwie behindert zu werten, so daß bei den- Eintzcdorenen der Glaube Wurzel zu fassen beginnt, Abdallah Nedim erfreue sich de« besonderen Schutzes des Khedive. Um da« Ansehen Großbritannien» gegen die vielsacken Angriffe der ein heimischen Presse vom Schlage dev „Ustaz" zu wahren und allen möglichen ernsteren Folgen dieser Heye gegen Groß britannien und die Europäer vorzubeugen, beabsichtigte der englische Vertreter Lord Cromer, wie der „New Aork-Hirald" au« Kairo meldet, sich zuui Khedive noch Alexandrien zu hiebei, n»d nackte>Amick die NtMkdrstckiing de« „Ustaz* zu verlangen. Von dem Premierminister Riaz Pascha nimmt die „TimcS" an, daß er sich der Gefahr bewußt sei, die au« den fortgesetzte» Angriffen gegen Großbritannien für die Lickerbeil und ruhige Weitcreiitivickelung de» Lande« erwächst, daß er diese Angriffe mißbillige und Schritte zu ihrer Unterdrückung tbun würde, wen» er von seinen College» im Eabine» »iiierstiitzt würde; leider aber Kerrsche unter den Ministern leine Einmülhigkeit. Daß Lord Cromer sich der Unterstützung seines Schrittes durch Riaz Pascha sicher weiß, ist von vornherein als gewiß anzunehmen, da Lord Cromer selbst es war, der im Januar d. I., nackdrm Glavstonr die Ernennung des franzosensreuiitlichen Fahr» Pascha zum Premicrminister durch de» Khedive nicht anzuerkennen erklärt batte, die Wahl des Kbedivc aus Riaz Pascha lenkte. De« Letzteren Hinneigung zu England und sein ernste« Bestreben, mit England i» guten« Einvcrnebmen zu bleibrn, kann einem Zweifel nickt unterliegen. Aber Ria; Pascha Kat mit dem Widerstande nicht nur des einen und andern Ministers, sondern auch mit dem des Kbedivc selbst zu kämpfen, und es ist deS halb noch nickt abzusehen, wie die Verhältnisse in Egypten sich in der nächsten Zeit gestalten werden. Deutsches Reich. SK Berlin, 3o Mai. Nach dreiwöchiger Pause bat beute daS Abgeordnetenhaus wieder eine Sitzung abgebalten, welche zwar nur kur; war, immerbi» aber der interessanten Momente nicht entbehrte. Die Bänke des Hause« ivaren nur mäßig besetzt, doch zeigten sich klaffende Lücken nur bei de» „Freisinnigen". Bekanntlich sind die „freisinnige Volk« Fr»»»llotsn. Lady Sibylle. Roman von E. Schroeder. Nachdruck »krisle». 31 l (Fortsetzung.) 12 Capitel. „Nun habe ich ihm nicht einmal Zeit gelassen, seine amerikanischen Briese zu beendigen", dachte Sibylle, als ihr 'Wa-ien sich eine Viertelstunde später in raschem Tempo dem Neuländer Schlöffe näherte. „Störenfried!" wird er au-rufen, »nd dann wird er sich freuen — ja, ich glaube wahrbaslig, darin bat dir gute RtgieruugSräthin nicht so ganz Unrecht gehabt!" Ti: lachte leise aus in der übrrmüthigen Gewißheit de« Glückes Dann fiel ihr der zweite Orakclspruch deS ältlichen Pfleglings ein, den sie eben in Annaberg abaeliefert batte. ,^Das scköne Fräulein läuft also dem Gelde nach?" lachte sie wieder. „Ei ei! uud da« darf man ihm nichl gar zu übel nehmen, weil e« sonst gutartig ist uud aack seine zehn Gebote kennt? Aber, meine beste Frau RegierungSräthin, die Anbetung deo goldenen Kalbes, habe ich mir immer gedacht, verstieße dock auch einigermaßen gegen die zehn Geb —" Tibylle fuhr auS ihrer halbliegaide» Stellung empor und beuzle hastig den Kopf au« dem Wagen. Doch nur eine Eccunde, dann hatte sie ihn wieder zurückgezogen. ..Augcntäusckung!" murmclte sie. „Wir wäre eS auch wohl tenldar ? Vorhin iahen wir sie eine gute halbe Meile in der enlgegcvzesetzien Richtung!" TaS „sie" stand für Fräulein von Hatzleben, deren graues Kleid unserer Heldin Phantasie ganz am End« der Ickmalen Zweigstraße gewahrt haben wollte, in die man eben gebogen war und die nach Neuland — nur nach Neuland — führte Diese Zwcigstraße wand sich ziemlick steil auswärl«, und so dauerte es wobl »ock fünf Minuten, bi« Sibylle über die schwelle ibreS Hause- schritt. Lühr« Sander« trat iyr rutßrg«! und — merkwürdig! — mit einer Hast, die ibm sonst nicht eigen war, mit einer Miene obendrein, als verursache ibm il re verfrühte Rückte» r statt bloßer Verwunderung Sckrecken. Er schrie auch überlaut aus: „Mnlaty!" oer tbörichte Mensch, und verdarb ihr so eine» hübscken kleinen Spaß, den sie geplant gehabt. „Pfui, Lül'rSl" tadelte sic. „Es galt, meinen Mann zu überraschen. Nun weiß er natürlich, daß ich wieder hier l», Hören Sie nur! Er springt auf und — ha, ha, ha! — wirst gar in der Hast einen Stuhl »m!" Lübrs batte nicht eine» Stuhl zur Erde, sondern eine Tdür in daS Schloß fallen hören. „Gott gebe, daß Alles gut geht!" dachte er, während Sidvlle sich raschen Schritte- dem Arbeitszimmer itreS Gatten näherte. Indem sie die Hand auf die Klinke legen wollte, ward diese von innen aufgedrückt, und Waldstedt stand vor ikr. „Sckon beimgckcbrl?" rief er aus „Am Ende ist « Dir noch zu früh?" neckte sie und sab ih» dock dabei etwa« unsicher an. Da« Blut schimmerte ihm so sichtbar durch die braune Wange, und sein Auge streifte an ibr vorüber, mit einem sonderbar gepeinigten Blick nach Lühr« bin. Wie eine beiße Flamme schlug e« ihr in da» Gesicht. „Ick störe", sagte sie, den Kops hoch hebend, während sie sich zum Geben wandte, „verzeih!" sofort hatte sich sein Arm um ihren Nacken gelegt, und seine Livreii flüsterten an ibreni Ohr: „Eine Viertelstunde mein Herz, dann bin ich mit der Ovalere« zu Ende. Willst Du nicht so lange Geduld haben?" „O, noch viel länger, wenn Du willst! Ten ganzen Abend komme ick Dir nicht wieder unter die Augen." „Sibylle! Ick glaube gar. Du bist beleidigt?" Jetzt lackte sie, wäbrcnd ihr die Thränen in die Augen sprangen, „Sag cisersücklig", murmelke sie an seinem Halte, „eiscnüchlig aui die alle Farm, die Ti d drei Tage ferne hält und Dick nun nob immer nickt loS läßt Ilm Gotte« willen, schass' sie Dir enklick vom Halse, so schnell wie möglich, schreib' den fatalen Brief fertig! Ich gehe — Du siehst, ich gehe ja schon!" „Wohin?" stieß er entsetzt hervor, al- sie rasch in sein Arbeitszimmer getreten war. „Nun, ich werde dock den kürzeren Weg durch Tein Allcr- bciligsleS nehmen dürfen?" Ohne ein Wort, merkwürdig rasch, war er an ihr vorüber »nd hatte ikr von zwei Dhüre» an der LängSwand gegenüber die eine geöffnet. Aber sie kam nickt sogleich, sie stand mitten im Raum still und sog verwundert die Luft durch die seinen Nasenflügel. „Ich glaube gar", ries sie, scherzhaft mit dem Finger drohend, „Du hast Dir, meinem ausgesprochenen Widerwillen znm Trotz, Heliotropparsüm von Hamburg mitgebracht!" „Nickt dock", preßte er hervor. „Der Duft wird durch daS Fcnstrr brretnströmen " „So? Ich wüßte dock gar nickt, daß wir ,m Garten — aber nein, da stcbt er sckon und hält mir die Thür geöffnet, kann «nick gar nickt rasch genug loS werken, der Mann! Geruben Eure Majestät Dero gehorsamer Dienerin gülizst zu gestalten, daß sie wenigstens noch erst ibr Taschentuch vom Boden ausbebt? llntertbänigen Dank für die Gnade! Jetzt gehe ick, aber — warte nur. Bösrwickt, die Strafe folgt nack!" DaS Lachen, mit dem sie biuauoschliipstc, verstümmle, sobald die Tdür sich hinter ihr geschlossen batte. Indem sic da- anstoßende kleine Schlasgemack durchschritt, verschwand eS auch a»S ihren Züge». Ungewöhnlich langsam stieg sic die Treppe hinan, die zu ihren Gemächern führte. „Also cs gicbt dock Umstände", sa^Ie sic sick' „unter denen ick ihm sehr »»gelegen komnic Uinjländc? Wahrhaftig, cS bcdars nickt viel! Ich brauche ib» nur in einem angesangenen Brief zu stören, und gleich ist die Oual riesengroß Was war da» sür ein Blick, den er LübrS zuwars — was für ei» Blick, lieber Gott! LübrS braulworletc ibn mit einem Achselzucken, dann machte er sich aus dem Staube. Ta« Achselzucken l-e- dcutele so viel wie: „Es ist allerdings schrecklich, Herr, aber zu bindern war « nun einmal nicht!" Ha, ha, ha! ES ist lächerlick — nickt dock, cS ist beleidigend — nein, ganz und gar, unbegreiflich ist'«! ES bandelt sick ia weder um Leben und Tod, nock selbst um ein wichtige« Geschäft in dem Brief, sondern einzig um die Meldung eines bereit« abgeschlossenen Verkauss an dritte Personen! Wie oft bäte ick sol > c rein nebensächliche Schriftstücke mit ibm »nd für ibn abgesagt und nun — ich begreife eS nicht — ich begreift eS wayrtick nickt!" Sie war in ihrem Zimmer angelangt, hatte sich ihre« Huleö und Mantels entledigt und begann nun, wie eS ihre An war, wenn rtivaS sic innerlich erregte, mit eimgcr Hast auf nnd abzusckrcitcu. Plötzlich aber stand sic still und sog genau wie vorhin in ihres Gatte» Arbeitszimmer mit einigem Wider willen die Luft ein. „Wunderbar", murmelte sie, „nun riecht e« aus einmal hier betäubend stark nack Heliotrop, und ick bin doch fest überzeugt, daß wir kein einzige« Beel im Garte» haben." Tic griff nach ibrcm Taschentuche, um den süßlichen Tust fächelnd von sich zu webrcn, doch — nun war eS vollends, als slrönic er in dichten Woge» aus sie rin. „Mein Gott, eS ist dock nicht gar etwa daS Tuch?" rief sie unk führte cS an dir Nase. Gar lein Zweifel, daS Tuch war mit der Heliotropesse»; durcktränkt. „'Aber tan» ist « ja gar nickt da« meinige", verwunderte sic sick, dann bin ich an irgend Jemand bei Feldheim« zur Diebin geworden. O weh! niöckte wissen, an wem?" Grübelnd drehte sie da« Tuch in den Händen Als sie in einer der Ecken ein gestickte« I. entdeckte, rielb sie: „Iosc'a? Dock da« ist nicht gut möglich! Hätte daS gute Kind solcke Düfte anSgesirömt, ich hätte e« doch merken müisen, aber ich rock gar nichts, bis — ba!" Sic sah sich wieder mitten in Waldstedt'- Arbeitszimmer siebe», sah ihn die Thür geöffnet halten und sich selber mit eincm Scherzwort, bevor sie ging, ein Taschentuch vom Boden ausbcbcii. Sie bekam ein unbändige- Herzklopfen, eine große Angst, aber die Angst war »ei» instinctiv, sie dachte sich nicht« dabei. Sie »ahm sich weder Zeit, zu denken, »och eine» Verdacht zu sckövftn Sic flog nur, so schnrll ihre Füße sie «ragen wollten, zur ckbür hinaus, die Treppe hinunter. Es war auch nicht Ucberlcgiing, was sir, um in da« Arbeitszimmer zu gelangen, einen andern Weg wählen machte, al- den, ans welchem sic cS soeben verlassen baltr, e« war der blinde Zufall, der ibrc Hand statt aus dir Dbürklinkr des kleinen ScklasgemachS auf die de- Nebenzimmer« legte Sie trat in ein schmale« Eabinel, dessen Wände Bücher»
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