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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930602023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893060202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893060202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-02
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Die schon vor her m der Hauptsache bekannt gewordenen großen An forderungen, welche an die Wehr- und Stenerkrast tes BolkeS gestellt wurden, Halle» eine ticfgebcndc Erregung erzeugt, die sich in einer ungewöhnlich lebhaften Erörterung in der Presse und in Versammlungen äußerte und von Anfang an wenig Aussicht aus eine Verständigung eröffnete. Auch abgesehen von der großen nationalen Frage, in der er versagte, bot der Reichstag ein wenig erfreuliches Bild. Geringe Scköpfnngökraft auf allen Gebieten, fast ununterbrochene Beschlußunfäbigkeit, immer wiederkehrende widerwärtige persönliche und Partei-Streitigkeiten, in zahlreichen Fällen ein würdeloser und roher Ton, wie er bisher im Ehrenrath deS Volke« nicht üblich gewesen, beein» lrächlizlen da« Ansehen der Reichsvertretung in allen ge bildeten und patriotischen Kreisen. — ES bandelt sich in dem letzt eröffnet«» Wahlkampfe um die Sicherheit unseres Reiche», um den Be stand unserer nationalen Einheit, und dagegen muß alleSAndere zurückt re ten. Mit dieser klaren und einfachen Parole, mit der Forderung einer Ver ständigung über die HeereSreform auf den von den verbündeten Regierungen und einer ansehnlichen Minderheit deS Reichs tages gebilligten Grundlagen, treten wir in den Wahl- lampf ein. Und wenn wir auch nicht werden verhindern leimen, daß der wüste Kampf um materielle Interessen und kleinliche Parteivortbeile, der unser heutiges politisches Leben so unerfreulich kennzeichnet, mit zügelloser Macht ausbricht, wir haben doch noch Vertrauen, daß die großen vaterländischen Fragen, die jetzt auf dem Spiele stehen, in de» patriotischen und einsichtigen Kreisen deS BolkeS Wür digung und Berständniß finden. Klar und einfach ist die Stellung derjenigen Parteien, die ruhig und zielbewußt, ihrer patriotischen Pflicht und patriotischen Verantwortung eingedenk, bemüht waren, einer Verständigung die Wege zu bahnen. Es ist vielleicht gut, daß die Dinge diese Wendung genommen haben. In der Lösung einer großen nationalen sirage durch eine winzige, mühsain zusammenczcschaarle Mehr bcit halte auch kein Segen liegen können. Ein kräftiges tust reinigendes Gewitter, wenn es auch für den Augenblick einige Perbeerungen mit sich bringen mag, ist einer schwülen, un gesunden, versumpften Stickluft noch immer vorzuziehen. Dem „luftreinigcnden Gewitter" der Reichstagsauslösung und der Wablbewegung hat man eS zu danken, daß die un- »cutschk Gesinnt»»« der „deutschen" Locialdemokraten un- verbüllter al« jemals zu Tage tritt. Der Haß dieser Partei gegen die übrigen Gesellschaftsklassen bat sich allmälig so gesteigert, daß er zu einem förmlichen, wenn auch vielfach un bewußten Haffe gegen da« Vaterland selbst geworden ist und zu einer direkten Parteinahme für seine schlimmsten Feinde, bie Franzosen, geführt bat. Obre engen Beziehungen zu ten Letzteren treten immer offener hervor. Daß dem focial- bcmokratischen WablfondS auS Frankreich Geldmittel zusiießen, leimte man unlängst im amtlichen Eentralorgan der Partei, im .Vorwärt-", lesen Daß aber von Frankreich auS auch birect die socialdemokratischen Candidaten durch Zuwendung von Wählerstimmcn unterstützt werden, dürfte »och nicht allgemein bekannt sein. Es sei deshalb auf eine Kund gebung bingewiesen, die am letzten Montag aus dem Jahres» congreß der elsaß-lothringischen Hilfsvereine in Paris stattfand. Bekanntlich erfreut sich die von den nach Frankreich üdergesiedcllen elsaß-lothringischen Optanten ins Leben gerufene deutschfeindliche Propaganda in den Reichs landen der ausgiebigsten moralischen wie materiellen Unterstützung seitens der tonangebenden Pariser Kreise Ganz Frankreich betrachtet das Werk der in Pari« wohnenden Emigranten als «in Unterpfand deS späteren Rückfalls der .geraubten Provinzen" an dir .nfire- peu-ie^ und würde um keinen Preis aus die Pflege, der Traditionen verzichten, welche sich in dem Treiben der auf sranzösischem Boden agitircnden elsaß-lothringischen Optanten verkörpern. In Letzteren besitzt Frankreich die uner müdlichsten, beredtesten Kriegshetzer, welche Sorge tragen, daß sowohl die Erinnerung an die Niederlagen der Vergangenheit, als auch dieHoffnungen auf ausgiebigste Revanche in der Zukunft dem Herzen der Nation sich täglich neu beleben. Diesen Geist atbmet auch die vom Präsidenten deS CongrcffeS SanSbocus gehaltene Ansprache, in welche er, wie die .Rep. sran^aisc" berichtet, auch eine direete Anspielung auf die im Juni aus reichsländischem Boden statifinrenden NeichStagSwahlen cin- flocht. Er behandelte die Frage, wie die französische» Elsaß- Lothringer im Hinblick auf die Wablbewegung »» Reichslande auf ihre Landsleute in der Heimatb einznwirienhätten. .Da, wo es an Protestcandivatcn mangelt", — sagte Herr SanSboeus — .muß für den socia lde m okra t if chen Bewerber gestimmt werben, vorausgesetzt, daß dieser auS den annectirten Provinzen gebürtig ist und Beweise seiner protestle- rischen Gesinnung erbracht hat." Nun, unter beiden Gesichtspunkten können die .deutschen" Soeialdeme- kraten Herrn SanSboeus nach Wunsch bedienen. Ihre un deutschen Gesinnungen baden der .deutschen" Socialdemokratie in ten deutschfeindlichen Kreisen der ReichSlande Anhänger genug erworben, und daß die Auslieferung Elsaß Lothringens an daS revanchewütbigc Frankreich nicht nur kcnreichSlänbischen, sondern auch den socialdemokralischc» Hetzern mindestens keinen Kummerbereite» würde, istvondenKübrrrn derPartci imReichS- lage oft genug in aller Form erklärt worden. Der socialdemo- kralische Wahlredner, welcher in einer am DirnStag in Weißensee abgebaltenen Volksversammlung unter betäuben dem Zustiminungsjubel aller Genossen sich den Satz leistete: .Wenn aber Frankreich mit u»S wegen Elsaß- LotbringenS Krieg anfangen sollte, so ballen wir Socialdcmvkraten dies für vollständig richtig; denn dir Wegnahme Elsaß-Lothringens war ein Unrecht. Elsaß-Lothringen gehört Frank reich und darum halte ich eS für recht und billig, daß sie e« sich wieder holen" — sprach aus der Seele der Partei, die in ihrer Vaterlandslosigkeit und in ibrem Haffe gegen ibre Mitbürger gar nicht daran denkt, daß der Rückfall von Elsatz-Lotbringcn an Frankreich Deutsch land militairisch ebenso schwächen müßte, wie eS Frankreich stärken und zür AuSfübrnng seiner kühnsten Pläne bcsäbigen würde. Wenn eine solche Partei trotz der klaren Enthüllung ihrer Gesinnung aus den bevorstehenden Wahlen infolge der Uneinigkeit ihrer Gegner verstärkt dervorgcnge, so wären diese Gegner deS deutschen RamenS kaum weniger unwürdig, als die Socialdemokratcn selbst. Es ist noch ungewiß, welche Schritte die öfterrrichtsch« Regierung gegen die Anmaßungen und den allmälig das Interesse deS KaiscrstaateS empfindlich schädigenden Terroris mus der Iungezrcben tbnn wird. Von höchster Stelle ist zwar denselben in schärfster Weise da» Mißfallen zu erkennen gegeben worden, indem jetzt auch in einem Wiener Artikel der „WoravSka Llice" bestätigt wird, daß der Kaiser Franz Joseph den jungczechischcn Delegirtcn seinen Unwillen in geradezu niederschmetternder Weise kundgetban babe, indessen wir konnten auch schon melden, daß diese WenzelS- brüder in der Person deS allerdings von jeher czcchisch an- gebauchten IustizminislcrS Grasen Schönborn eine sebr wirksame Unterstützung erjabrcn baden. ES ist beute unzwcijelkast, daß die wiederholten Ministerdrratbungcn über die Zustände i» Böhmen bisher ohne Ergedniß geblieben sind. Der Justiz minister Gras Schimborn verweigerte seine Zustimmung zu der gesetzlich zuläjsigea Errichtung eine- deutschen KreiS- gericktS in Trautenau ohne vorherige MeinuiigSäußeruiig deS böhmischen Landtags. Allem Anjctiein nach wirb die Regierung nun überhaupt nichts gegen die Iungczechen unter nehmen, sondern sich mit deren Ausschließung a»S den Aus schüssen der österreichischen Delegation begnüge». Die Deutschen planen, wie bereits gemeldet, falls die Regierung hierbei bebarr», den Austritt auS dem böhmischen Landtag. E- scheint ganz, als ob die unseligen inneren Wirren in Oesterreich niemals aufhören würden. Der neue belgische Kriegs min ist er widmet sich seinem verantwortungsreicht» Posten mit einer Energie, welche dar- zulhun scheint, daß Belgien angesichts der im größte» Styl fortgesetzten Krieg-Vorbereitungen auf französischer Seite nicht länger mehr zurückstcheii will. Zum Herbst dürsten wichtige Vorlage», betr. eine Reorganisation des Heere-, in der Kammer zu erwarten sein, und wenn cs auch nochsraglich ist, ob das Princip der allgemeinen Wehrpflicht eine parlamentarische Mehrheit findet, so herrscht doch darüber an kundiger mili- tairischcr wie politischer Fachstelle kein Zweisel, daß die Armee unvcrwcilt in dem Maße verstärkt werden muß, wie eö die im Interesse der LandeSvcrlhcikigung gebotene aus reichende Belegung der MaaSsorlS mit Truppen erfordert. Einstweilen aber sucht man daS Heer auf alle Möglichkeiten cinzuüdcn, und zu diesem Behufe finden seil Kurzem zabtreiche Mobilmachung-Versuche im engeren Radmen statt. An denselben nehme» Truppen aller Waffengattungen in vollständig kriegSmarschmäßiger Ausrüstung, einschließlich der Traineolonncii, Thcil, und »ach den Meldungen der Blätter sind diese Versuche über Erwarten zusrietensteUend ausgefallen. Insbesondere wird auch der Moral und Manneszucht der Truppen — im Gegensatz freilich zu srübcren wiederholten Blättermeldungca — ein- müthigcS Lob gezollt. Zu den vielfachen, gegen Gladstonr's Homr-Nule-Vorlage von der Opposition erhobenen Einwänden kommt neuer dings auck der nicht ganz ohne Weiteres von der Hand z» weisende Vorwurf, daß infolge deS einseitigen Home-Rule- BorgehenS der Regierung ein völliger Stillstand der parla mentarischen Geschäfte deS englischen Unter banse- cin- getretcn sei. Am Montag haben die parlamentarischen Psingst- fericn in England ihren Abschluß gesunden, und schon rechnen konservative und liberal unionislische Blätter der Regierung vor, daß sie unmöglich dis zum ScssionSschluß im August irgend eine ernstere gcsetzgcderischcTbäligkeit aus andere» Gebiete» entfalte» könne, wenn sic cs überhaupt dahin bringen wolle, daß die Homerulebill im Unterbaust durchgedrückt werde. Nach dem bisherigen mehr als schleppenden Gange der Berbanklunzen scheint c» allerdings, als ob daS Cabinet von Glück werde sagen können, wenn die Homerulebill, gleichviel in welcher Gestalt, der Gencbmigung des Unterhauses lbcilhaft wird, wäre eS auch nur, um mit ihr daS Oberhaus in die Enge zu treibe» und nöihigciifallS zur Parlaments auflösung schreiten zu könne». Die Opposition läßt — da« Kat auch soeben erst der ebenso geschickt als erfolgreich veranstaltete lllsterscltzuz Lord Salisbury- darzcthan — nicht locker; sie wird von allen ihr geschäftSordnung-mäßig zu- stehendcn Mitteln zur Verzögerung der Entscheidung Ge brauch machen. Ter Hauptkampf dürste bei der Elauscl 9 (der sogen. RetcntionSclauscl), betreffend dir Frage der Beibrbatlung irischer Mitglieder im Reichsparlament, und bei den Finanzclauseln entbrennen, welch letztere die pecuniäre Seite der HameruleblU regeln sollen lieber beide Puncte herrscht nämlich in den Reiben der Gladstoneancr selber die größte MeinuiigSverschirdeiikeit, weshalb die Regierung jede» falls versuchen wird, sic einstweilen von der LagcSoeknung abzusetzcn und die Homerulebill als solche in Bausch und Bogen zur Annahme zu bringen. DaS ist eS aber gerade, wogegen die Opposition sich an- Leibeskräften sträubt. — Eine unerwartete Unterstützung babcn die Gegner von Home - Rule aus katholischer Seile gesunden. Die „TimeS" veröffentlicht einen 130 Unter schriften tragenden Protest gegen Homerule von britischen katholischen Unioniften. Die Spitzen de» katholischen Adel«, Lordmayor Knill und der frühere Minister de» Inner» MaltbewS, befinde» sich unter den Unterzeichnern dieses Proteste-, worin die Befürchtung auSgetrückt wird, Homerule müsse unvermeidlich zur schleunige» Entfesselung de« Umsturzgeistes führen, den der irische KleruS wirksam zu bekämpfen schon bisher nickt vermocht habe. DaS amerikanischr PrciS-Eoinit« für die ffbicagocr Ausstellung scheint i» Folge der Energie, welche die aus ländischen AusstellungS-Eommissare, an ibrcr Spitze der deutsche, an den Tag gelegt baden, allmälig zu der Einsicht zu gelange», daß eS in seinem eigenen Interesse liegt, den berechtigten Wünschen der ausländischen Aussteller in Bezug auf eine gerechte Bcurlbeiliing ihrer Leistungen thunlichst Rechnung zu tragen. Nach einer bereits veröffentlichten Kabelmeldung ließ der Vorsitzende kcs PrciScomifis, Tbacker, trm Eoniitö der auswärtigen Aussteller die Mittheilung zugebcn, daß zwar daS angenommene System der PreiSvcrtbeilung nickt völlig geändert werde» könne, daß aber ihrer Forderung gemäß zwei oder mehr ausländische Preis richter zur Prüfung der einzelne» Ausstellungs-Gegenstände ernannt werte» könnten. Vielleicht wird nach diesem von dem amerikanischen PreiScomitS gezeigten Entgegenkommen die Grundlage zu einer gegenseitigen Verständigung gesunden, waS im Interesse deS gcsammlen Unternehmens dringend erwünscht wäre. Deutsche- Reich. ^ Berlin, l. Juni. In den meisten Wahlkreisen deS EentrumS in Schlesien und Rbeinlaiid-Westsatc», auch einige» süddeutschen, sind jetzt de» vfficiellen Partei candidaten, welche sich gegen die Milita irvorl age ver pflichten, solche gegenübergestellt, welche eine Verständigung in dieser Frage austreben, oder, wo nicht Doppclcaiididalurcii ausgestellt sind, ist den Bewerbern sreic Ha»d gelassen. Der Erfolg dieser in mehr oder minder schroffem Gegensatz gegen die EcntrumSleitnng befindliche» Eandidaturc» ist freilich zur Zeit noch nickt zu übersehen. Mögen aber auch die compromis; freundlichen Elemente noch einmal durch den FractioiiStcrro riSmuS nietcrgebalten werten, die Spaltung in der Wähler schaft ist vorhanden und wird nickt mehr auSzugleichen sei». Sollte die Huenc - Schorlcmer'scbe Richtung Erfolg haben, so wird obne Zweifel die Bildung einer besondere» parlamentarischen Gruppe, eines „rechten EentrnmS", erfolgen. Unbefangene Kenner der Veibältnisse betrachte» übrigens die Aussichten der klerikalen Ecressioniücn keines wegs als so schlecht, wie eS tic hochmütbigeil Aciißcruiigeii der .Germania" »nd anderer Centruinsbläiier glaube» mache» wollen. Die Zersetzung der bisherige» EentruinSparlci kann nur ferner dadurch befördert werten, daß die demokratische, reich«- und preußenseindliche, gegen die Berliner EentrumS leitung gerichtete Strömung im klerikalen Lager in Bayern so gewaltige Fortschritte macht, wie au- allen Schilderungen der dortigen Wablvorgängc berrorgeht. * Berlin, I. Juni. Unter dem Vorsitz des Landesökonomleratls Robbe Halber evaiigelijch-socioleEongreß beule Vormittag im Saale der Stadtiniisivn zusammen Demselben wotmte» circa :»»> Tbeilnebmer bei. AI- Verlreier des Reichsamt« des Innern waren Äeh Reg.-Raili Kaspar, als Vertreter des Haiideloimiiisieriums UnteriiaaiSieeretair Lvhiiianii und Geh. Reg-Rail, Nenhaus anwesend. Der Voriitzrnde begrüßte die Veriammlung nnler VinwciS aus die politisch ernste Zeit, in welcher dieselbe zusammen- tritt. Es fei erwogen worden, ob es nicht ziveckmüßig sei, den Longreß aus »ine rutugere Zeit zu vertagen Man sei aber davon abgekommen, »amenllich auch mit Rücklicht aus das neue Arbeitsgebiet, welches der Eongieß sich gesielli bade: die Einrichtung de- evangelisch-socialen üursus, dessen /«uiHetsn. Offene Pforten. b Roman vo» B- W. Howardt. N.tdruS veidolea. (Fortsetzung.) Lorenz v. Raven schaute mit einer unbehaglichen Empsin dunz aus daß Bündel von Decken und Pelzen, au- welchem das bleiche Gesicht mit den unnatürlich großen, dunklen Augen bervorsab und überlegte bei sich, ob er Len Unfall berühren solle, während Graf Hugo im Stillen dachte, der Kamerad sede unverschämt gesund und kräftig aus. .Ist 'ne Ewigkeit der, seit ich Dich zuletzt sah", begann Raven endlich- „auf dem Ball bei Sandstein wa?S, ja wohl", und dann stockte er und schalt sich einen Tölpel — wie durfte er mit diesem Krüppel vom Tanzen reden! ..Ja, ich babe überhaupt während de« Winter» Niemanden geseken", versetzte Hugo matt» „meine Stimmung war un erträglich." „Wir baben alle oft nach Dir gefragt- Die Gräfin wird Dir's wobl gesagt haben?" „Ja. Ihr wäret alle sebr freundlich." „In hast ja vorhin meinen Ajax gesehen — wie findest Tu ihn?' „Er scheint sebr kräftig zu sein und sein Kopf ist ausfallend hübsch und zierlich." „Ja, nicht wahr, beim nächsten Rennen soll er mitthun; ich —", hier hielt Raven wieder erschreckt iane — wie hatte er nur vom Rennen sprechen mögen! Gras Hugo blickte den Kameraden fest an und sagte dann heftig: „Um« Himmel» willen, Raven — faß mick doch nicht mit GlacSbantschuben an! So viel ich weiß, ist » 1a keine Schande, den Gebrauch seiner Glieder einzubüßen — Mitleid vertrage »ch aber adsalut nicht." freut mich", ries Raven sichtlich erleichtert, „aber »ritzt Du, es giebt verschied«»» Auffassungen. Hatte einen Großonkel — Pferd überschlug sich mit ibm — war lange vor unserer Zeit! War ein Krüppel geworden, koiint'S aber nicht vertragen, wenn man seines Unfalls erwähnte. Ist aber dock über 8V Jahre alt geworden — war 85, glaube ich, al» er starb!" „Nun. Da» ist tröstlich", sagte Hugo trocken „Nicht wahr, er kann sogar 86 alt gewesen sein — „Na, Lorenz, laß den alten in Frieden bei seinen Vätern ruben — wcnn'S so weiter geht, schraubst Tu ihn noch aus lOO Jahre." Lorenz v. Raven wußte wieder nicht, wovon er reden sollte und so griff er auf da» Rennen zurück und sagte lebbast: „War schade, daß ick» im September nickt zuin Nenne» kommen konnte — mußte zur Hochzeit meiner Cousine nach Berlin. Soll ja geradezu pyramidal gewesen sein, wie Du mir Deinem „Eomet" durch die Bahn flogst — noch nie da- gewesen!" „DaS glaube ich", nickte Graf Hugo bitter. „Hm — war eben ein Unglück — kann Jedem passiren! Ganze- Casino ist noch voll Deines Lobe»! Erst gestern sagte v. Palpow von einem neuen Kameraden: Und Der bildet sich ein, er könne »eiten — sollte Kronfrl» aus seinem „Comet" gesehen baben! — Armer Comet", schloß der Lieutenant warm. „Wie siebt » in Wynburg, Lorenz?" fragte der Kranke nach einer Weile, „giedt'S dort eben keinen Skandal — ist d>e Welt fromm geworden, seit ich hie» liege?" „Nein Aoer Du bist'- ja wohl geworden, he?" „Ich, wer sagt Da»?" „Nun. die Gräfin." reilicb, sic niuß eS wissen", nickte Hugo, a. Findet - auch ganz paffend sur Dich, sagt. Du hättest immer ein kleine-, schwarze-, fromme- Buch in der Tasche." „In der Tbat", lachte Hugo, „na DaS ist ein guter Spaß!" „Spaß?" wiederholte der Lieutenant gedehnt. „Ja. und dabei sällt mir ein Geschichtchen ein da» hierher paßt. Früher kam ab und zu eine arme alte Frau hierher, um zu betteln, sic lebte in einen, Spittel mit andern armen alten Weibern, aber sie bat nicht um Almosen, sondern um Bücher und Da- machte sie der Dienerschaft verdächtig. Ich kam zufällig dazu, als man sie hinauSwie«, und aus meine Frage erfuhr ich, daß Lesen ihre einzige Freude auf der Welt sei, daß sie aber absolut keine Traktätchen lesen möge, und andere Bücher gebe man ihr nicht. „'S ist genug, daß ich arm bin", ries sic heftig, „weshalb muß ick auch noch Tractätchen lesen?" Meine Mutier fand diese Reden „sündhaft", aber ich beugte mich der Logik der Alten und so versorgte ich sie auf dem Fleck mit einer Partie Romane und abonnirte sie in einer Leihbibliothek, lind an diese Alte muß ich jetzt denken und möchte mit ibr au-rufen: Ist'S nickt genug, daß ich ein Krüppel bi», niuß ich auch noch „fromme" Schriften lesen? „Aber lasten wir die alten Weiber", schloß Hugo jetzt, „und sprechen wir von den jungen Damen von Wynburg." „Auch von diesen ist nicht viel zu sagen, höchstens von Gräfin Mercedes und —" Gräfin Mercedes? WaS ist'S mit ibr?" rief Hugo gespannt. „So weißt Du Nickis?" fragte Lorenz v Rave» zögernd; „diesmal soll'S richtig sein mit dem französischen Gesandten, aber freilich, wetten möchte ich nickt darauf." Graf Hugo zeigte sich nicht überrascht. „Also mit dem alten de Vallion", sagte er zu fick selbst halb ungläubig und doch von Zorn unk Schmerz gefiltert; „Erictet, waS sagst Du dazu? Aber freilich, mit Dir hat Mercedes nie getanzt und —" „Der Marquis de Vallion muß doch etliche 60 Jahre alt sein", meinte er dann fragend. Raven zuckle die Schultern. „WaS willst Du — sic kann nur einen Mann mit Geld heirathen — wir Lieutenant- sind zu arm für sie. lind dann — sie »st seckSundzwanzia Jahre alt lind kann recht scharf sein! Ich möchte keine Frau habe», die mich so von oben herab behandelt und bei der man nie weiß, ob sie nicht über Eine» spottet Die Mutter bat'S natürlich «n nicht« fehlen lassen. Du lieber Gott, die jüngeren Schwestern wollen auch versorgt sein und sie können die kleine Ella, die schon zwanzig zählt, doch nickt ewig im Sckulzinimer lassen — auck Liga bat schon ihre» nennzehnten Geburtstag gefeiert. Hm, ,ch bin srob, daß ick keine Schwestern zu versorgen habe, dir armen Dinger würden mich dauern." „Pah, die „armen Dinger" sinken Gefallen an der Männer jagd, sic wissen, wie man'« macht, und die Naiven sind die schlimmsten. Und nun weiter in, Text, Lorenz, waS gicbt'ö o»sl Neues? Vo» Mama erfahre ich nick»«, wabrschciiilich ürcbtct sic, meine „frommen" Obren zu beleidige»!" Lächelnd ivillsabrlc der Lieutenant dem Verlangen und berichtete von dem Duell, welche« zwischen ciucm Kameraden und einem Banquier, der eine sehr schöne Frau batte, statt gesunden — von dein Aufsehen, das cs gemacht und daß die Herzogin der Baronin Marie den Rücke» zugewentet, woraus der Cavalier der Baronin — ein ueiigebackener Gras, der seinen Titel gekauft — sie vor der Tbür stehe» ließ — daß die neue Soubrette mindestens vierzig alt sei und daß Kurt, den sie ruiuirt, nun die reiche Amerikanerin beiratbc» müsfi. In dieser Weise rann der Strom der Mittbrilungeii weiter. Hugo dachte bei sich selbst gleich Faust: „Das ist Deine Welt — das beißt Deine Welt!" und lächelte bitter, wäbicnk Lorenz unermüdlich plauderte »nd sich für sehr untor- baliend hielt. „Ob sie mich wohl geliebt bat?" »iurincllc der Kranke vor sich bin, „abgcseben davon, daß meine Wirbelsäule verletzt ist unk ich i» Folge dessen nicht mebr geben, tanzen und reiten kann, bin ick, dock, „och der, der ich früher war! Und wen» sie gekommen wäre und leise gesagt hätte: „Hugo — ick liebe Tick» — laß mich bei Dir bleibe» »nt Dir helfen. Dein Schicksal rrlragen" — WaS hätte ich wobl gesagt? Vielleicht wäre ich feige genug gewesen, sie bei», Wort zu nebinen — vielleicht batte ich auch den Mutt, gehabt, sic abzuweisen, aber ich denkt es mir so berrlich, solche Worte zu hören Wäre Mercedes gekommen, dann wollte ich da» Schwerste klaglos tragen — ich bin freilich ein Krüppel, aber doch nicht krüppcl- basrcr, als jener alte Rouö Vallion!" „Ich niuß >etzl fort", sagte Lorenz endlich, aus seine llbr blickend, »nein — pfeife nicht, ick finde schon LipS und meinen Ajar Wen-, Dir - recht ist, komme ich bald wieder und heitere Dich rin Bischen aus, bc?" .Dbue Da«", nickte Gras Hugo müde, „und wenn D» die Gräfin Mercedes siebst, gratiilirc ibr in meinem Namen." „Ha! Ha! Ha! Wäre versrübt — müssen erst die Karten abwarten!" „In der Ihat — daran dachte ich nicht; aber wenn stch
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