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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930616029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893061602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893061602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-16
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4326 Wahlanfregung «och etwa» rascher beerdigt worden, indessen ist da« weiter nicht von besonderem Belang. Entsprechend der großen Zahl und Bedeutung der diesmaligen Stich wahlen wird denselben auch da« Interesse der Parteien in besonderem Maße zugewendet sein. An mehr oder minder reinlichen Handelsgeschäften wird eS nicht fehlen. So weit Ultramontanc, Socialdemokralen und leider auch „freisinnige VvlkSpartei" in Betracht kommen, haben wir allen, aus die verschiedenartigsten im Wahlkamps gesallencn Aeußernngen gestützten Grund zu der Annahme, daß sich gegen die Parteien der Rechten ein weitgehendes Zusammengehen entwickeln wird. Wir baden, und glauben damit im Ein vernehmen mit unseren Gesinnungsgenossen im Lande zu sein, im Allgemeinen den Grundsatz, bei de» bevorstehenden Stich wahlen in rrsterLinie jeden Anhänger der Militair- reform zu unterstützen und, wenn ein solcher nickt vor handen ist, einem Eanditaten der bürgerlichen Parteien vor einem Socialdcmokraten denVorzug zu geben. Aber wir müssen entschieden auck aus Gegenseitigkeit bestehen Vielfach treiben namentlich die Freisinnigen wieder ihr altes Spiel. Sie wollen im Kampfe gegen rechts von den Socialdemokraten und im Kampfe gegen die letzteren von Ccnscrvativen und Nationalliberalen unter stützt werden. Sie selbst aber neigen da, wo ein Candidat der rechtsgerichteten Parteien mit einem Socialdemokraten in die Stichwahl zu kommen scheint, bedenklich dein Letzteren zu. Von verschiedenen freisinnigen Eandidaten (Virchow, Schenck u. A.) wird ohne Widerspruch berichtet, daß sie bereit« jetzt ihre Anhänger anfgesordert haben, im Fall einer Stichwahl zwischen einem Freunde der Militairreform und einem Socialdemokraten dem Letzteren die Stimme zu geben DaS werden wir unS nicht gefallen lassen, sondern nbtbigen- saUS die erforderlichen Repressalien zur künftigen Wahrung politischer Ehrlichkeit und Loyalität übe». — Der Kaiser und dicKaiserin brachten den heutigen Tag. den Sterbetag weiland Kaiser Friedrich'S III. in stiller Zurückgezogenheit zu. Gegen Mittag statteten die Majestäten dem Riausoleuni in der FricdenSkirche einen Besuch ab und legten, nach Verrichtung einer stillen Andacht, eine» pracht vollen Kranz am Sarkophage nieder. — König Oskar von Schweden-Norwegen hat Kaiser Wilhelm eingclaten, am 29 d M der Elchjagd in Hunneberg beizuivohnen. Ter Kaiser wird an, 28. AbentS in Gotbrnburg «intrefsen. Die Elckjazv sollte schon im vorige» Iabre unter Tbeilnahme de- Kaisers abgehalten werden, mußte aber Umstände halber verschoben werden. — Die Galerien an der Stirnseite teS Palais des ver ewigten Kaiser- Friedrick waren beute mit Trauerflor verhängt. Vom Dache berab webte die Königsflagge am halben Maste und vom Balcon des ersten Stockes hingen preußische und englische Fahnen, mit Trauerflor geschmückt, zum Andenken an den heutigen Todestag der verewigten Kaiser«. Da- war die einzige außergewöhnliche Erscheinung :n Berlin am heutigen Wahltage. — Prinz Friedrich Leopold wird an der großen General« stabSreij» cheitnehmen, welche am nächsten Sonntag von Berlin aus ihren Anfang nimmt. >- Im Ministerium de- königlichen Hauses ist der Geheime LberregierungSrath Graf von Unruh zum Wirklichen Geheime» Oberregierung-raih und Mimsterialdirector mit dein Range eines NalheS erster Llasse ernannt worden. — Der B undeSrath genehmigte in seiner heutigen Plenar sitzung den mündlichen Bericht des II. IV. und VI. Aus schusseS über die Vorlage, betreffend das Zusayprotokoll zu dem internationalen Vertrage wegen Unterdrückung de« Branntweinhandel« unter den Nordseefischern auf hoher See. — Nach der „Post" ist der Tag für den Zusammentritt de« preußischen Abgeordnetenhauses noch nickt festgesetzt; er hängt von dem Verlaus der Berathungen de- Herrenhauses über die Steurrvorlagen ab. — Nach der statistischen Erhebung, welche im Mai 1891 amtlichcrseit« über die Mittel- und höheren Mädchen schulen veranstaltet ist, besteht in der Benutzung dieser Schulen seitens der Consessionrn ein erheblicher Unter schied. Während sich in der Gesammtbevölkerung 61,20 Proc. Evangelische, 34,23 Proc. Katholiken, 0,32 Proc. sonstige Ehristen und 1,24 Proc. Juden befinden, wurden unter den Schulkindern der öffentlichen und der privaten Mittel-Schule» :c. ermittelt 78,3 Proc. Evangelische, 13,0 Proc Katholische, 0,5 Proc. sonstige Ehristen und 8,1 Proc. Juden — Da- ReickS-Versicherung-amt hat den BerusS- genoffenschasten bekannt gegeben, daß von der Summe, welche dieselben für die Weltausstellung in Ekicago zur Verfügung gestellt batten, ein Restbestand von 800 ^ verblieben ist. Unter Voraussetzung der Einwilligung der BernsSgenossen- schasten will da- ReichS-VersicherungSamt diesen Betrag dazu verwenden, die Ausstellungsgegenstände nach der Rückkunft au« Ehicago entsprechend zu ergänzen und sie sodann durch Auf stelluug s» seinem Vasallmuseum de» bethriligteu Kreise» dauernd zugänglich zu machen. — Die Berliner Anarchisten beschlossen, der „F. Z." zufolge, in der gestrigen Versammlung, sich vom Londoner Club Autonomie loszusagen. Da- Blatt gleichen Namen» wurde al- Spitzrlorgan in Verruf erklärt. Sir wollen einen Aufruf mit einem NamenSverzeichniß erlassen und die polizeiliche Genehmigung zu einer Unlcrstützung-casse für die Familien inhastirter Genossen nachsuchen. * Posen, 15. Juni. Heber den Besuch de« Kaiser in Posen entnehmen wir dem „Dziennik Pozu." noch Fol gende«: „Bei der Rückkehr vom Glownoer Excrcirplatz nach der Stadt wurde der Kaiser von der polnischen Bevölkerung der Schrodka lebhaft mit dem Rufe „>'ieeü rvse!" (Er lebe hoch!) bewillkommnet; er schien davon sehr befriedigt zu sein, nahm die Cigarre, die er rauchte, aus dem Munde, und dankte srenndlicbst für die Bewillkommnung. Als der Kaiser an dem erzbischöflichen Palais vorbeiritt, trat der Erzbischof von StablrwSki mit dem Domherrn Kubowicz und seinem " »uScaplan aus dem Balcon hinaus, woraus der Kaiser mit einer »ntbewegnng deu Erzbischof grüßte; auch bier dankte der >iser der Volksmenge, welche rief: Xieck rzse, kui-ra! Zu dem Festmahl, welches beim commandirenten General Abend- statt- sand, waren von Polen geladen: Erzbischof v. Stablewski, Fürst Ferd. Radziwill, Gras Franz Kwilecki, Gras August CieszkowSki, Stau. v. Stablewki, Stau. v. Cbla- powski, Stau. v. Zoltowskij zur linken Seite des Kaisers saß der Erzbischof, zur Rechten die Gattin des commandirenten General-, gegenüber der comniandirente General v. Seeckt, lieben ihm der Hofmarschall Graf Eulen bürg und der Ober- Präsident. Während des Diners sprach der.Kaiser haupt sächlich mit dem Erzbischof. Nach dem Diner erschienen noch verschiedene Herren, welche zum Cercle geladen waren, unter ihnen Weibbischof LikowSki, Prälat Wanjura, Domherr Knbowicz, Abg. CcgielSki. So oft der Kaiser mit dem Erzbischof und dem commandireuden General auf den Balcon trat, ließen die Polen ihre Hochrufe erschallen." — Ordens verleihungen sind mehrere erfolgt, und zwar an den coniniandirenden General v. Seeckt die königliche Krone zum Großkreuz des Rothen Adlerordens, an den Oberpräsidentcn Freiberrn v. Wilamowitz die Krone zum Rotben Adler orden 2. Classe. — lieber die Ankunft des Kaisers in Posen werden von einem Augenzeugen noch folgende Einzelheiten mit- getheilt. Nachdem der kaiserliche Ertrazug statt der signalisirten leeren Maschine in den Babnbos cingcfakrcn war, begab sich der Kaiser sofort nach dem Güterbabnhose, wo die Entladung der Reitpferde staitfand. Der Kaiser unterhielt sich hierbei mit den einzelnen Arbeitern in ireundlichstcr Weise. Nachdem er sein Pferd bestiegen, ritt er in Begleitung eines Adjutanten ans der Güterbabnvofstraße der Stadt zu. Vor dem Berliner Thore wollte sein Begleiter nach der Stadt abbiegen, der Kaiser machte ibn jedoch durch Zuruf darauf aufmerksam, daß sie nach links zu reiten hätten. An der Eaponniörc stießen die Reiter auf einen kleinen Trupp Infanterie. Der Kaiser ritt an den Hornisten heran und befahl ihm, Allarm zu blasen. Derselbe zögerte jedoch, sah ibn höchst erstaunt an und leistete dem Befcbl erst Folge, nachdem der Monarch sich mit den Worten: „Mein Sohn, ich bin der deutsche Kaiser!" zu erkennen gegeben hatte. * Eisenach, 14. Juni. Aus dem hiesigen Wahlkreise bringt die „Eisen. Ztg." eine bciiierkenswcrthe. von dem Einsender mit Namensnennung bezeugte Aeußerung des Candidaten der jreisinnigen Volkspartei Casselmann, die dieser nach einer Wählerversammlnng aus dem Lande bei freier Be sprechung getban bat. Es wurde hiernach bei Berührung des Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich von Herrn Casselmann Folgendes geäußert: „Elsaß-Lothringen sei französische« Land gewesen; kenn was vor 200 Jahren gewesen sei, könne uns beule nicht berühren!" und ferner: „Wenn der Besitz von Elsaß-Lothringen uns so viele Militair- lastcn auserlegen und so viel Geld kosten solle, dann wäre eS ihm schon lieber, wir hätten diese Länder nicht mehr." * AuS -cm Saa»gebiet, 14. Juni. Der berg männische Rechtsschutzverein scheint langsam zu ent schlafen. Die Wiederbelebungsversuche, die durch Schillo gemacht wurden, erwiesen sich als nutzlos Die ausgetretenen Mitglieder kommen nicht wieder. die Casse ist beständig leer. Nun versucht der frühere Präsident Warten nochmal«, durch ein Flugblatt aus die Bergarbeiter einznwnken. Dabei macht er das Eingeständniß, daß aus dem Saalbau und der Druckerei noch eine Schuldenlast von II 600 rube, deren Bezahlung dränge, andernfalls dies Vercinseigcntbum in andere Hände komme. Dieser Appell an die Opferwilligkeit der Bergleute wird, so meint die „F. Z.", nichts fruchten; sie sind mißtrauisch geworden und geben aus Versprechungen nichts mebr. So wird der einst einflußreiche Rechtsjchutzvercin, wenn nicht ein Wunder geschieht, binnen Kurzem sich aus lösen, eine Folge verkehrter Führung und finanzieller Miß wirthschaft. IS. Juni. Da der 2«. Juni ei» Feiertag und der 2b. eia Sonntag ist, staden die Stichwahlen iu Bayern am 26. Juni statt. Oefterretch-Unaar«. * Wie«, 16. Juni. Da» „Fremdenblatt" stellt, wie bereit« kurz gemeldet, fest, daß die Meldung de» „Pesti Naplo" von der Theilnahme de- König- Humbert an den diesjährigen Herbstmanövera in Ungarn von maßgebender Seite keine Bestätigung findet. Schon die beschränkten Unterkunft-Verhältnisse der Stadt GucnS und deren Umgebung schlöffen zahlreiche Einladungen hervor ragender fremder Fürstlichkeiten auS. Zuverlässig sei nur, daß der deutsche Kaiser, der König von Sachsen, Prinz Leopold von Bayern und der Herzog von Connaught als Gäste erwartet würden. — Die österreichische Delegation hat in ihrer gestrigen Sitzung da- Budget de« Auswärtigen, weciell den DiS« poiitioussondS, gegen die Stimmen der Iuugczechen ange« nommen. Daun ergriff der Minister de- Auswärtigen, Graf Laluoky, das Wort zu der Position Lonjulat-wesen. Kalnokr, erklärte, er pflichte dem Wumche »ach einer Besitzung der Coniulate mit öslerreich-uiigarischen Staatsbürgern bei, die Durchführung dieses Wunsches werde jedoch durch den Mangel an dazu geeigneten Personen aus Oesterreich«Ungarn im Auslande er- Ickwert. Er fördere feit feinem Amiranirilte unablässig die Thätig- keit der Conjulate, welche auch ihre schwierige Pflicht mit großem Eifer und wachsendem Erfolge erfüllten. Hieraus trat die Delegation in die Verhandlungen über die Position HeereSeriorderaiß ein. Der Rcichskriegsininister Bauer bezeichnet« die Beschwerden einzelner Dclegirter über vorgekommeae Soldaten miß« Handlungen als übertrieben, versprach aber jedensalls strenge Unterjuchung. Hierauf wurde, »ach unwesinilichen Reden über Ver besserung der Stellung der Militairärzle und des Consulatswesins, das ExtraorLinarium deS HeereS und der Marine ge nehmigt. * Prag, 14. Juni. In der vorgestrigen Sitzung der Budweiser Handelskammer wurde beschlossen, die Budweiser Handelskammer solle mit den Staatsbehörden und namentlich mit dem Handelsministerium und der böhmischen Statthalterei ausschließlich die czeckischer Sprache corresponbiren. Bisher wurde in Correspvndenz mit den Ceniral-Bebörden in deutscher Sprache ge führt. — Ezechische Studenten wollten am 1. Juli aus einer Anhöhe bei Tabor ein Huß-Denkmal enthüllen. Diese Feier wurde aber von der BezirkShauptmannschast verboten, weil sie nach dem Festprogramm einen anti-katholischen Charakter habe und deshalb den Gefühlen der dortigen fast durchgehend katholischen Bevölkerung und daher auch dem öffentlichen Wohle zuwiderlause. Arankretch. * Paris, 15. Juni. Die „Politique Coloniale" versichert, Dodds kehre nicht nach Dahomcv zurück, sondern erdalte den Befebl über eine Marine-Jnsanterie-Brigade in Frankreich. — FlourenS, ehemaliger Minister der Aus wärtigen. hielt gestern in einer Volksversammlung einen Vortrag über Frankreichs auswärtige Politik, worin er der Regierung bittere Vorwürfe machte, weil sie mit Rußland noch keinen festen Bundesvertrag geschlossen habe. Man täusche sich, wenn man Rußland bloS für eine zur Vertbeidigung geeignete Macht kalte. Rußland sei auch zum Angriffe geschickt und nicht bloS gegen Dentichland, sondern auch gegen England weridvoll. — Ein neues Abendblatt „Alerte" ist angeblich daS Organ des Prinzen Orleans, genannt Feldschlüssel, und seines Vetters, des Tonkinrcisenden Prinzen Heinrich. — Die Kammer lehnt die Dringlichkeit für den Antrag Dckroulöde ab, welcher vorschlägt, wegen des beim Vieh herrschenden Nolhstandes die Einfuhrzölle auf Viehfultrr für drei Monate aufzuhebea. — Der Kutscherstreik dauert fort und dürste bei den über mäßigen Forderungen deS KutscheriyndicalS kaum bald bei gelegt werden. Wegen einiger abfälligen Bemerkungen über den Streik sandte gestern das Syndicat zwei Delegirte in die Rcbaction des „Matin", um einen Widerras oder SatiS- faction mit Waffen zu verlangen Selbstverständlich wurde den Rittern von der Peitsche die Thür gewiesen. * Cette, 15. Juni. Im Lause deS heutigen Tages sind 6 weitere Todesfälle in Folge von Erkrankung an Cholera vorgekommen. Luxemburg. " Ltlyemburg, 14. Juni. Die gestrigen luxemburgischen Kamm erwählen zur Erneuerung der Hälfte der Abgeord neten haben mit einer entschiedenen Niederlage der liberalen Partei und deS Ministeriums Eyschen geendet Wie bekannt, bat sich die großkerzogliche Regierung geweigert, die Kammer auszulöse». obwohl die neue Wahlresorm die Zahl der Kammcrwäbler mehr als verdoppelt hat. Offenbar er wartete daS Ministerium Eysckcn nichts Gutes von den bevor stehenden Wahlen, und die üble Vorahnung hat sich leider noch schlimmer, al- man erwartete, bewahrheitet. Dean von de» 17 Sammersitzen, die gestern zur Neubesetzung gelangten, haben die Liberalen nur zwei behauptet, während die vereinigten Klerikalen und Agrarier nicht weniger als 14 Sitze end- giltig erobert haben. Die Liberalen behaupteten von den 3 Kammermandalcn der Hauptstadt ei» einzige-, indem der Bürgermeister von Luxemburg, Alexis Brasseur, wie be reits kurz gemeldet, mit knapper Noth durchging. Aus dem ?ande wurde ein einziger Liberaler gewählt, der Großindustrielle Metz in Capellen. Dagegen kommt der bisherige Lice- rräsibent der Kammer, Karl Simon-, einer der Führer der sibrralen, in Luxemburg mit dem Klerikalen Herriger in di: Stichwahl. Sonst wurden lauter Klerikale und Agrarier gewählt, darunter ihr parlamentarischer Führer, Baron Bloch ause», der sich anschickt, die hervorragendste Rolle in der neuen Kammer zu spielen. Die Niederlage der liberalen Partei bat eine doppelte Ursache: den Abfall verschiedener liberaler Person lichtesten von der liberalen Sache und die Bildung einer klerikal-agrarischen Partei, die schon während der letzten dm Jahre immer mächtiger geworden war. Die Aammeraus- lösung und der Rücktritt der liberalen Regierung werden jetzt nickt mehr lange auf sich warten lassen. Für da« Großderzogthui» bricht eine schwere Zeit herein. Denn die neue Mehrheit wird daS Land nicht nur vollständig klerikalisiren, sondern auch die günstige finanzielle Lage des Landes zur ausschließlichen Begünstigung agrarischer Inter essen benutzen. Niederlande. * Z»m Nachfolger deS päpstlichen JnternuntiuS im Haag^ Msgr. Rinalbini, ist Msgr. Benedetto Lorenzett, auscriehen. Wie die „Nieuwe Rotterdamsche Courant" fick auS Rom berichten läßt, hatte sich letzterer seinerzeit bei dem Streite zwischen RoSmini und den Jesuiten al- geriebener und schlagfertiger Polemiker bekannt gemacht, weshalb er auch für seine dem Jesuitenorden geleisteten Dienste vom Papn den Titel eines Professor- der Philosophie bei der Propa ganda erhalten bat. Derselbe gilt in Rom für einen Unver söhnlichen ersten Ranges. Italien * Rom, 15. Juni. „Popolo romano" berichtigt die Mittbeilunzen anderer Blätter über den Verlaus des Bankets für Triest dahin, daß demselben nur 15 Ab geordnete beigcwobnt haben, die übrigen dagegen ihre Zustimmung zni» Banket zurückzogen, als dessen irreden- tistischer Charakter unverkennbar wurde. Alle seien erfreut, wenn in Triest daS italienische Element über da- slawische Sieger bleibe, aber daran« für irredentistische Agitationen Nahrung zu ziehen, verstoße gegen die elementarsten Rück sichten aus einen stets loyalen Bundesgenossen. Wer den Dreibund wolle, dürfe mit jenem JrredentiSmus nichts ^ernein haben, der nur zur Verschlechterung der Lage der in esterreich lebenden Italiener führe, k. O. Die Erklärungen, die der Minister deS Aeußeren, Brin, in der Kammer über Abessynien abgab, haben allgemein einen günstigen und überzeugenden Eindruck bervor gerufen und auch diejenigen politischen Kreise, die sich durch den bekannten Artikel des „Figaro" irresllhren ließen, bezüglich der Stellung Italiens gegenüber Abessynien beruhigt. Die Ausführungen deS Ministers haben dargethan, daß der ery- tbräischen Colonic keinerlei Gefahr, sei es von Schoa oder vom Tigre-Gebiete her, drobe. MeneliI sei nicht in der Lage, etwas gegen die Italiener zu unter nehmen, und er scheine auch nichts Aehnliches zu beabsichtigen Vrokbritauieie». * London, 15. Juni. (Oberhaus.) Die dritte Lesung d«: Bill, betreffend di« Durchführung der Convention gegen den Getränteverkaus aus der Nordsee, wurde angenommen. — Ter Staatssicretair dcS Auswärtigen, Earl os Rose den,, widerlegte die Bedauptung französischer Blätter, daß er bemüht gewesen sei, Unfrieden zwischen Frankreich und Siam zn stiften. Siam kenne selbst nicht den gi- nauen Charakter der sranzösischen Forderungen. Die Franzoieii behaupteten, dir Siamesen hätten die streitigen Gebiete nicht so lange, wie sie behaupteten, besessen, und sie selbst nähmen nur von dem Besitz, was ihnen rechtlich gehört. Ferner erklärt« Roiebery, daß die Rußland gewährte Co >>- cession kür Ausführung öffentlicher Bauten in Persien nur die Erneuerung einer alten Concession von 1890 zu sein schein:, die durch Nichtbenntzung erloschen gewesen sei. Nach Nachrichiin aus Teheran und seiten- der indischen Regierung Hobe die Regierung den Eindruck, daß in der Concession nichts enthalten sei, wogegen sie einen ernstlichen Einwand erheben könne. Schwede«. * Stockholm, 15. Juni. Anläßlich der Anwesenheit der beiden Cadettenschulschiffe.Stosch" und „Stein' wird morgen im Beisein de- König- und der König im königlichen Lustschloß DroltningholmS ein Mahl stat: finden, zu welchem Einladungen an die Eommandantcn unl 8 Unwillkürlich richtete Hugo sich empor und sich auf seinen Ellenbogen stützend, sagte er mit einem Lächeln, welche« Gabriele in« Herz schnitt: „Verzeihen Sie mir, wenn ick dem Gebot der Höflichkeit, Sie hinaus zu geleiten, nicht Nachkomme, und nehmen Sie den Willen für dir Tbat. Baronesse" „Weshalb sprechen Sie so zu mir?" fragte Gabriele mit ernstem Vorwurs in Blick und Ton, „Sir müssen mich für durchaus berzlo« halten." Und dann verneigte sie sich, murmelte ein leise» Adieu und verließ da« Zimmer, während Gras Hugo ihr mit sehnendem Blick nachschaute. Vor der Tbür sah Gabriele auf ihre Uhr und entdeckte, daß die zur Spazierfahrt bestimmte Stunde gleich schlagen werde — r« galt also, sich sehr zu beeilen. „Ick werde jetzt LipS beauftragen, den Wein zu holen — gut, daß ich den Zucker sammt den Maikräutcrn und dem »öthigen Waflerzusatz schon heute früh in die Terrine angesetzt und auch Eis hinzugetban habe" Sie theilte LipS da« Nöthigc mit, und während er in den Keller eilte, beschloß Gabriele, einstweilen in ibrem Zimmer Hu« und Handschuhe anzulegen Die Treppe hinauseilend, stieß sie die »ur angeledotc Thür ihre« Zimmer« hastig aus und dann blieb sie wie erstarrt aus der Sckwelle stehen Ja — Mäuschen hatte entschieden geklatscht, dort in der Mitte de« Gemach« stand die Gräfin doch aufgerichtet, finster und ornig, und neben ihr aus dem rosensardenen Sessel lag der leine Horcher und blinzelte das ,unge Mädcken tückisch an. „Tante Adelheid", ries Gabriele mit stockender Stimme. „Du hier in meinem Zimmer — wolltest Du mir etwa- sagen?" „Ja", nickte die Gräfin. „So entschuldige mich „och jür wenige Minuten, bitte — ich komme gleich wieder" Obne die Antwort abzuwarten, eilte Gabriele hinan», indem sie die Tbür diesmal in» Schloß drückte, folgerichtig überlegend, daß die Gräfin, die ibren Hut noch nicht ausgesetzt hatte, nickt zweiinal die Treppe steigen und daher jedenfalls oben auf sie warten werde. Al« sie in den Speisrsaal trat, batte LipS die Flaschen bereit« entkorkt; wie der Wind war der Trank gemischt, und nachdem Gabriele einen Schluck genommen und den Geschmack gut gesunden hatte, deaufiragte sie LipS, die Terrine binau« aus deu Arbeitsplatz der Maurer zu «ragen und Peter zu übergeben „Gehen Sie hier durch den Saal über die Veranda und dann quer durch den Park, LipS", gebot sie, al- der Alte der Tbür zuschritt, um die Lauftrevve zu benutzen. „Hier über die Veranda, gnädiges Fräulein?" wandt» LipS besorgt ein; „die Frau Gräfin —" „Seien Sir ohne Sorge, LipS, sie ist oben >a meinem !! Zimmer. Und sagen Sie Peter, — Sie kennen ihn ja wohl — Gras KronselS schicke den Maurern Len Wein, und er würde Gott danken, wenn er sich gleich ihnen müde und durstig arbeiten könnte." „Da- soll ick wirklich sagen, gnädige« Fräulein?" „Ja, LipS, eS wird Peter gut thun und dem Grafen nicht schaden." LipS verschwand mit der Terrine, und Gabriele murmelte, während sic wieder die Treppe biiiaufcilic: „DaS wäre ge glückt — nun mag da« Wetter loSbrcchen!" Vierzehnte« Capitel. Die Majorin v. Funnel saß in ihrem Boudoir — einem höchst einfach auSgcstattelen Raum, dessen Hauptinhalt ein Bncherbret, ein Schreibtisch und ein kleine» bequeme« Sopba bildeten. Da« Bücberbrct war entschieden da- wichtigste Gerätb de« Zimmers, denn eS enthielt eine kleine Sammlung von Aphorismen und bildete somit die Rüstkammer für die gelehrten Gespräche, welche die Majorin nach Bedarf sührte. Weshalb sich mit der Lecture der großen Dichter und Schrift steller plagen — wenn man eS »ur verstand, einzelne ihrer AuSsprücke passend zu citiren, so glaubte Jedermann an gründ liche Kenntniß der Schriften, und welche Zeit ließ sich dadurch ersparen! In gleichem Maße wie Studium und Lecture, verachtete die Majorin auch augenblickliche Eingebungen — diese Quelle deS meisten Elend» aus Erden. Sic fand eS höchst albern, unter dem Einfluß solcher Eingebungen zu handeln, und war sie that, geschah nach reiflicher Üeberlegung. Freilich batte sie auch ihre Sorgen; um ihre einflußreiche, bevorzugte Stellung zu wabren, mußte sie sehr klug manövriren, denn ihr Ver mögen war mäßig, und da sie in Folge dessen weder Bälle, noch große Diner- geben konnte, batte sie fick der Wolstibätigkeit in die Arme geworfen Im Arrangement von Liebbabcr- thratern, BazarS und Maskeraden für wolsttlätigr Zwecke war sie unerreicht, und dir reichsten, vorne!msien Familien bublten um ihre Freundschaft, den» die Frau Majorin wußte bei all ibren Veranstaltungen brillant für ikre Freunde zu sorgen und vergaß Keinen Dafür fehlte e- ibr auch nie an Gelegenheit zu Äpaziersadrten, oder zum Bestick de« TdeaterS und der Oper; sie batte stet» die herrlichsten TreibhanShlnmen am Fenster stehen, und ihrer Tbeestunde gaben die seltensten Früchte und Conserven, scwie La« feinste Eonsect — Alle« Geschenke ihrer Intimen und Intimsten — stet« ein festliche- Gepräge. Br, einer so auSgebreiteten Bekanntschaft verschmähte e« die Majorin al» praktische Frau nicht, sich häufig Notizen zu macken und sozusagen Buch zu führen über DaS, wa« sie von den einzelnen »xainilienzlietern erhoffte und wünschte AIS sie heute ,o ihrem Boudoir saß, ließ sie dir Familien Waldenberg und KronselS in Gedanken Revue passiven, und in halblautem Selbstgespräch murmelte sie: „Es ist ein Glück, daß Hugo den Unfall batte, bevor es Mercedes gelungen war, ibn end- giltig einzusangen; unter ibren Händen würde das KronselS'sche Vermögen bald verflogen sein, und da sie stet- hochmütbig und schwer zu beeinflussen war, hätte ich nicht den mindesten Nutzen von der Verbindung gehabt. Adelheid ist unberechenbar» und aus der kleine» Dobna werde ich nicht recht klug; sie kann die seltsamsten Fragen thun, und —" „Die Baronesse von Dobna", nieldcte die Zofe. „Sehr willkommen", sagte die Hausfrau; „sühren Sie die Dame in den kleinen Salon, Marie, ich folge sogleich." „Guten Tag, mein liebes Kind", redete die Majorin Gabriele an, als sie eine Minute später ibren kleinen Salon betrat und dem jungen Mädchen lächelnd eine herrliche Marschall Nielrvsc bot, „ich dachte gerade soeben an Sie." „Wie freundlich von Ihnen", ries Gabriele, erfreut die schöne Blume entgegennrbmend, „ick freue mich, Sir alleinjzu finden, denn ich habe etwa- mit Ihnen zu besprechen." „Aba, — Raven oder Haller haben ihr einen Antrag gemacht, und ich soll ihr rathen", dachte die Majorin, laut aber sagte sie: „Sprechen Sie,Gabriele, ick bin ganz Okr. Ich finde e« ganz begreiflich daß ein junge« Mädchen Zweifel hegt, wenn S sich um so Wichtiges bandelt und —" „Ack, im Zweifel bin ich gar nickt", unterbrach Gabriele die Dame lebhaft, „und so sehr wichtig ist - auch gerade nicht, aber ick würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie meiner Tante Adelheid zureden wollten, mich von der activen Theil nahme am Rciterfest zu befreien " „Wie, Sie wollen nickt mitreitcn?" fragte die Majori» sichtlich bestürzt, denn sie sab verschiedene Plane bedroht. „Nein, ich würde es nur höchst ungern thnn." „Sie sind ein sonderbares Mädcken, wa- Andere reizen würde, der Gedanke an die köstlichen Costüme in Brocat und Genueser Sammet schreckt Sie ab?" „Gerade daS elegante Costüm ist «, wa» bei meiner Wei gerung mitsprickt, e« übersteigt meine Verhältnisse." „Aber da» Eostüm wird die Gräsia mit dem größten Vergnügen beschaffen." „DaS wäre mir höchst unangenehm", ries Gabriele hastig; „außerdem würden die Proben sehr viel Zeit in Anspruch nehmen." „DaS sollte Ihr letzter Kummer sein — Sie habe» ja gar nicht« zu ibun, al« sich zu amüsirea." Gabriele schwieg — sie konnte doch der Freundin der Gräfin nicht sagen, daß sie, außer den Vormittagsstunden, keine Minute sür sich batte — zudem war ihr deute von der Gräfin der Auftrag ertdtilt worden, sich in diesen Stunden mit dem Anferligen einiger eleganter Decken für Mäu-chen zu beschäftigen, und zwar sollten die Monogramme in Golt und Silberstickerei anSgeführt werten. „Ich habe weniger freie Zeit, als Sic annehmen", saz!e sic endlich unsicher, „aber «S giebt auch noch andere Grüntk, die meine Weigerung bestimmen." „Lassen Sie - gut sein. Kleine", sagte die Majorin lächelnt. Sie haben sich'« in den Kops gesetzt, all Ihre Freunde zu enttäuschen, und da sprechen die Gründe, welche Sie mühsam bervorsuchen, nicht mit. Ich bin die Letzte, die Ihnen zuretel, liebe Gabriele." Gabriele senkte da- hübsche Köpfchen. „Sie halten mich für eigensinnig", sagte sie leise, „mt doch ist mir'« sehr schwer geworden, der Tante heute zum ersten Male eine Bitte abzuschlagen." „DaS glaube ich Ihnen aern, — die Gräfin hat so tiil durckzumache», daß sie jede Rücksicht verdient." Gabriele fühlte sich immer unbehaglicher — sie war auj Widerspruch gefaßt gewesen, aber nicht auf eine Nachsich!, welche weit schwerer zu ertragen war, als Widerspruch. „Ich bin wirklich nicht iu der Stimmung, zu reiten", sag!: sie endlich gepreßt. „Dann lassen Sie e« unbedingt — da«, wogegen sich tat Gefübl sträubt, vermeiden wir am besten." „Und dock sind Sie im Stillen der Ansicht, ich muss: mich überwinden?" fragte Gabriele unsicher. „Vielleicht", lächelte die Majorin; „sebrn wir der Lacke in« Auge. Sie sind in Wynburg, um die große Welt m: ibren Vergnügungen kennen zu lernen. Da« Reilersest bieiki Ihnen bierzu die beste Gelegenheit und trotzdem wollen C,: sich, gleich einer Nonne, zurückziehen. Und zudem ist e« t:: beste Gesellschaft — der böchste Adel, einige, nicht zu Künstler — sogar etliche Prinzen de« regierenden Hause« wir!» mit und dann sind Sie doch auch vielleicht der Gräfin tu kleine Rücksicht schuldig. So, da haben Sie mein Bekenntnis Jbre Freundin Mercedes ist übrigen« auch unter den Reiterionni. liebe« Kind." „Ich weiß e«.' „Halt — da fällt mir eia — vielleicht wäre Ihnen Ege» v. Haller al» Partner angenehmer wie Raven, dem liesi sich leicht »bhelfen. Ich kenne Beide von Jugend aus, n- Wort von mir and der Tausch ist bewerkstelligt." „Ach Gott, »ein", ries Gabriele erschreckt, ,e« ist mir zan; einerlei, wer mein Partner sein würde." „Wegen Ihre« Eostüm» nehmen Sie doch am beste» m ! brr Gräfin Rücksprache", äußerte die Majorin nachdenkbck Gabriel« wollte wieder etwa« entgegnen, aber sie besus sich zur rrchtea Zeit, daß dir« autzlo« sein werde und I» schwieg sie. (Fortsetzung folgt.)
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