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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930620022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893062002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893062002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-20
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Seitdem ist Herr Richter dem Fürsten Bismarck nicht ähnlicher geworden, aber gegangen ist auch er. Mag auch seine Persönlichkeit durch «ationalliberale Beihilfe im Reichstag vielleicht wieder austauchen, der Parteiführer Richter bat zu existiren auf- gebört. E» bedarf möglicherweise eine» Omnibu» statt der distvriscben Droschke, um die gesummte volksparteiliche Fraktion vor da» RcichStagsgrbäude zu bringen, von einer Partei kann aber nicht mehr die Rede sein. Und daß auch nur diese« Häuflein rinmüthig Herrn Richter als Führer acceptirt, ist zweifelhaft. Gewisse deutschsrcisinnige PreßauSlasiungen lassen das Geaentheil vermuthen. UnS, die »vir Richter immer be- lämpft habe», flögt cs nicht gerade Hochachtung ein, wenn Organe, dir bi« ;»m Morgen de» 16. Juni zwischen Ber einigung und Bolkspartei schwankten und kein freimüthige» Wort gegen den Gefürchteten wagten, ihm nun :u Leibe rücken. Aber diese Einpsindung bindert nicht, dir volle symp tomatische Bedeutung zu würdigen, wenn, wie eS nun ge schieht, fortschrittliche Blätter die Ansicht anssprechen, der „Mentor" habe mit seinen Lcbren die Partei „in den Sumpf geführt", r« sei nöthig, Diejenigen au» ihren einflußreichen Stellungen zu „verabschieden", welche sich „der schwierigen Aufgabe einer Parteileitung nicht gewachsen gezeigt haben" »c. Es ist nickt anzunchmen, baß derartige Urtbeilc bei der großen Mehrheit der Parteigenossen auf Widerspruch stoßen, lind zwar wird cS nicht nur der 6. Mai. die Sprengung der Partei sein, die man Rickler zum Vorwurfe »nacht. Allerdings hat gerade dieser Act die Wähler unmittelbar den Terrorismus empfinden lasten, unter den» die Gewählten des DeutschsreisinnS so lange und so schwer geseufzt haben. Ein Hospitant der Fraction, ein Frankfurter Demokrat, war schon vor sechs Iabren aus Grund seiner Berliner Erfahrungen zu dem Ausspruch gelangt: „Die Tyrannei Richter'« ist ärger als die BiSmarck'S"; jetzt ist kaS in der Partei herrschende persönliche Regiment auch den „Profanen" in seiner ganzen Rücksichtslosigkeit rnt- zezengetreten E» ist noch niemals deutschen Wählern gebot«» worben, baß ein Mann unmittelbar vor den Wahlen auf eigene Faust eine provisorische Partei mit einem provisorischen Namen begründete und noch dazu die Aufrichtung dieser Diktatur in einem Manifest verkündigte, welche nur seinen Namen und den eines Angehörigen einer anderen, selbst ständig sortbestebenden Partei trug. Herr Richter bat nun die Quittung über diese» despotische Verhalten. Gewiß ist cS aber dieser, immerhin Bedenken mehr for maler Natur hervorrusende Vorgang nicht allein, welcher der Mehrheit der Deulschsreisinaige» iin Lande eine retormatio in eapite »olbwcndia erscheinen lassen muß. Herr Richter hat sich unfähig und schädlich als Parteiführer erwiesen. Diese Erkenntnis drängt dazu, da» Urthril über seine politisch« Tbätigkrit überhaupt einer Revisiion zu unterziehen und der bisher unbedenkliH verworfenen Anschauung der Gegner, daß der deutschfreisinnige Führer dem Reich und Preußen niemals genützt, sie aber unzäbligemal geschädigt habe, unbefangen gezenüberzutrelen. An historischem Material wird e» nicht fehlen, selbst wenn man an dem tief eingeprägten Wahne festhalten sollte, unter und nebrn dem „Gewaltmenschen" Bismarck sei einem entschiedenen Lieberalen dieEntfaltuna einer ersprießlicbenThätig- keit nicht möglich gewesen. Wa« bat HerrRichter unterEaprivi geleistet? Weder unter dem alten, noch unter dem neuen EurS hat sich sein Name al» der eines Mitwirkenden mit irgend einem Gesetz« enger verknüpft; selbst bei dem sehr beträchtlichen, völlig den deutschsreisinnigen Anschauungen entsprechenden Dheile der Gesetzgebung (ältere WirthschastS- grsetze, Währung, Notenbankwesen u. a. m.) hat er niemals Beweis« «ine» hervorragenden Können» gegeben. Ein« fünf- undzwanzigjcihrige, überaus geräuschvolle parlamentarisch« Thätigkeit und kein bleibendes wohltbätigr« Denkmal derselben, wie «» sich doch selbst Windthorst, der „Vater aller Hindernisse", durch die Mitwirkung an wirthschastlichrn und socialen Reformen gesetzt hat! Eine Leistungsfähigkeit ist bei dem deutschfreisinniaen Führer nur hervorgetreten, wo eS NezierungSvorschläge zu bekämpfen galt, und hier sind an ihm neben großer rednerischer Gewandtheit und seltenem Verständniß für da« demagogisch Wirksame Sachlichkeit und ein über das nächst« Parteiziel hinaus- reichender Blick jederzeit vermißt worden. Und nicht minder, wenn man von seinen nianchesterlichrn Grundsätzen absteht, politische Principien. Niemand, auch Stöcker und Puttkamrr nickt, bat dem Liberalismus schwerere Wunden aescklagen» al» dieser Politiker. Durch die thatsächlicke Stärkung der theoretisch befehdeten Socialdemokratie ist da- Bild de« Libe ralismus zu dessen Schade» in den Augen von Factoren, mit denen jede politische Richtung rechnen muß, entstellt worden; da« Berhättniß Richter» zu Windthorst, enger, al« die meisten Anhänger zu erkennen vermochten, ist der AusgangSpunct der reactionairen Strömung, in der wir un« befinden. Wie sehr der LiberaliSmug diesem Führer einer liberalen Partei al« Mittel zur Erreichung persönlicher HerrschastSlweckr diente, hat sich vor einigen Wochen gezeigt, al» Herr Richter das unter die Führung eine» Vr. Lieber gekommene Eenlrum als eine liberale Partei in dem Augen blicke bezeichnet«, wo der Wahlaufruf eben diese- Eentrum» di« Bekämpfung der „Wabnlehren de» Liberalismus" al» die wichtigste Aufgabe bezeichnete. Die Politik de» Fortschritt« ist unter der Leitung Richter » eine völlig grundsatzlosr geworden, die Taktik und Agitation traten an die Stelle politischen Wirken». Und nun erweist sich die Taktik al« falsch, die Agitation als ver kehrt. Um der Wahlen — zunächst nur der LandtazSwahlcn — willen halte dir deutschfreisinniae Partei die zur Erleich terung drr wirthschastlich Schwächeren in Angriff ge nommenen preußischen Steuerreformen bekämpft. Man hoffte, die Unzufriedenheit mit der ungewohnten Selbsteinschätzung würde dri einer Wahl die Mühle Derer treiben, welche die Reform bekämpften. Es hat nicht» »«nützt. In Bayern wurde im Einverständniß mit der Berliner Parteileitung eine Bewegung im großen Stil behufs Aushebung de» Jnvaliditäts- »»nd AlterSversichernngSgesetzeS hervorgerufen, obwohl inan aus derselbe» Seite anerkannt hatte, daß die Abschaffung diese» Gesetzes eine Unmöglichkeit sei. E» sollten die kleineren Arbeitgeber gewonnen werden. Effect: die Erregung über da- .„Klebegesetz" bat sich wirklich gesteigert, zu Gute aber ist sie den verhaßten Baurrnbündlern ge kommen. Die gesetzliche Sonntag-rüde, lange von der drutsch- sreisinnigen Partei in der Idee bekämpft, schien sehr volkS- tdümlich geworden zu sein. Tie Partei begnügte sich nicht damit, sic nach den Vorschlägen der Regierung zu gestalten, sie betbeiligte sich an empfindlichen Verschärfungen. Al» in der allgemeinen Stimmung ein Rückschlag eintrat, versuchte man die Regierung für da» Gesetz überhaupt und andere Parteien für die Verschärfungen verantwortlich zu machen. E» ließen sich viele andere Belege für di« Uuwabrbaftig- keit der von Richter geleiteten drutschfreisinnigen Politik an- führen, da« Erwähnte genügt aber, um «» begreiflich er scheinen zu lasten, daß deutsche Liberale sich nicht weiter zu Werkzeugen einer solchen Politik und eine» solchen Politiker- Herz »geben gesonnen sind. Politische Tagesschau. " Lettzrts. 20. Juni. u den „freisinnigen" Politikern, denen der Au«fall der Wahlen vom 15. Juni zu der Einsicht verhilst, daß auf dem von Herrn Eutzen Richter mit blinder Leidenschaft ver folgte» Wege rin erstreben-werthe« Ziel nicht zu erreichen ist. scheint auch Herr Prosessor Virchow zu gehören, der bereit» am letzte» Freitag i» einer „festlichen Trauervrrsannnlung" der Freisinnigen Partei Berlin» da« Grständniß ablegte: „Wir sind geschlagen. Wir werden künftig den den Kampf weniger mit dem Militairstaat al» mit dem Zukunftsstaat zu führen haben, und diesen auf anderer Basi» wie b>»hrr, denn e» handelt sich um die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung." Allem Anschein nach besitzt aber Herr Virckow einen Einfluß auf den halsstarrigen Parteiführer ebensowenig, wie auf Vesten nicht minder halsstarrige engere Gesinnwngs- genoffen, denn au- einer ganzen Anzahl von Wahlkreisen, in denen Anhänger der freisinnigen Volkspartei den Ausschlag bei den Stichwahlen .wischen Eandidaten der Ordnung-Parteien und solchen der Socialdemokraten zu geben haben, wird gemeldet, daß diese Anhänger auf Anweisung de» Parteisührer» für den Socialdrinokraten und also egen die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung cinzutrrtrn beschlossen haben. Herr Richter und die Seinigen befolgen also dieselbe Taclik, wie bas Licder'scht Eentrmm, das gleichfalls trotz seiner theoretischen Gegner schaft gegen die Socialkemokratie den socialkeinolratischcn Eandidaten bei den Stichwahlen seine Unterstützuna zu Tbcil wrrdra läßt. Zn rer Socialistendebatte de« ausgetösten Reichstages, Anfang Februar diese» Jahre», war der EcntrumS-Abgeordnrte Bachem einer der wirksamsten von den Rednern, welche die Verwerslichkeit und Gefährlichkeit der socialdemokratischen Agitation schilderten. Er schloß seine Rede vom 3. Februar mit folgenden, an die Socialdrinokraten gerichteten Worten: „Kehren Sic zurück zur Vernunft und Besonnenheit — dann werden Sic den» deutschen Arbeiter mehr nützen, al» wenn Sie ihn in die Revolution treiben, al» wenn sie ihm de» ZukunstSstaat vorgankrln, al» wenn sic ihm Vcr sprechungr» macken, die Sie nicht halten können, und eine Entwickelung anstreben, deren Ende Niemand abschrn kann, die aber ohne Zweifel unsere deutschen Lande zu einem gewaltlgen Trümmersclde macken würde, »vir noch niemals ein« gewesen ist." So einer der Eenlrum» Redner an» 3. Februar. Mitte Juni aber giebt da- Berliner An»t«blatt de» Herrn Lieber dir Parole au», die Soeialdemokratic bei den Stichwahlen durch WablenthaUung zu unterstützen. Und c» bleibt keines weg« bei dieser passive» Unterstützung, die u. A. in Mainz, der Bischofsstadt de» Herrn Vr. Hanner, soeben ausdrücklich beschlosten worden ist. Man schließt bereit« Verträge Uber die gegenseitige active Unterstützung mit den Socialbeinokratcn. Au» de, Pfalz erhält die „Nal. Ztg." darüber folgende Meldung: Speyer, 20. Juni. Im Wahlkreis Speyer beschloß da» Eentrum Unterstützung de» Svcialistrn Ehr Hardt gegen den Nationaltiberalcn Klemm, wosür »n ZweibrUckcn die Socialistrn den EentrumSmann Reeb gegen den Nationallibrralen Adt unter stützen. Aehnlicke Nachrichten kommen au» drr Provinz Hannover, wo die Hospitanten de» Eenlrum-, die Welfen, derartige Abkommen niit den Socialdrmokraten schließe». Indeß da- Welsentdum hat sich wenigsten» niemals, wie da» Eentrum, sür ein Bollwerk de» Staate» und der Gesellst» aft, de« Thron« und Altar- gegen die Socialdemokratie auSgcgebcn; die Welfen haben sich auch nicht an drr großen antisocialistischen Action de» Reichstags vom Februar bcthciligt. An dieser Activn hatten die Freisinnigen uud da» Eentrum den Löwen- antbeil; sie allein handeln also auch direct ge^cn ihre eignen Lehren und Mahnungen, wenn sie bei den Stichwahlen für die Eantidatcn der Unisturzpartei cintreten. Diesem Treiben gegenüber würden kieOrdnungöparloien nur Verwirrung in die Reihen ihrer eigne» An hänger tragen, wenn sie dieseanffordern wollten, Rich ter'schc „Freisinn ige"undLicvcr'sche Ec nt rum«- männer, die mit Soeialdemokratcn in die Stich wahlen komme», zu unterstützen. Wer trotz seiner Einsicht in die von der Socialdcmokratie drohcnkc Gesabr und trotz seiner theoretischen Bekämpfung dieser Gefahr sie heraufbeschwören hilft und mit Hinwegstoßung jeder anderen BundeSgcnosscn- sckast die Sociatdemokratie zum Bundesgenossen wählt, der bleibe auch hübsch allein mit ihr und ernte allein ihren Hohn sür seine Doppel züngigkeit. Der wehrhafte, nun äußersten Widerstande entschlossene Geist des deutschen Stammes in Böhmen, der die Führer der deutsch liberalen Partei in Oesterreich leider nur in geringem Maße erfüllt, bat aus dem vorgestern in Prag abgchalteiien deutschen Parteitag, wie bereits gcmeltcl, kraftvollen Ausdruck gesunden. Die lcisetrctcrischen Diplo »natenkünste, inil denen die Parteileitung noch immer ibr Auskommen gegenüber einem aalglatten Widersacher, wie Graf Ta affe, zu finden hofft, begegnen bei de» wackeren Deulschböbnicu keinem Verständniß; in den» Gcsübl der ge waltigen Kraft, die ihnen da- Bcwußlscin, ihr nationale» Da sein zu verlhcidigen und nichts als ihr gutes, selbst von einen» Taasfe anerkanntes Recht zu wollen, verleiht, fordern sic die Wiederaufnahme des rubmreichcn Kampfes der achtziger Jabre, den der faule Friede vom 26. Januar 1890 nur zu unterbrechen, nicht zu beenden vermochte. Nur wenn er ge fürchtet wird, gilt der Deutsche in Oestcrreick, darum bat die jüngste Kundgebung der Deutsch-Döbmen den Werth einer Tbat. Der Parteitag nah»» einstimmig eine Entschließung a», die der Ent rüstung des deutschen Volkes über daSVorgcbc» derJungczcchcn imLandtageunddicankerLandcSvcrtrelungverüblcliGclvaltacte Au-dnick giebt »nd al» Pflicht der Regierung erklärt, durch BerwaltunaSmaßnahmcn an» ihrer Zuriickv^'.'ung hcraus- zntretcu. Für de» Fall einer ablehnenden Haltung der R gicrung wird von den deutschen Abgeordneten die äußerste op po> itionclle Stellungnahme erwartet. Gleichzeitig wird au-gcsprochc», daß das deutsche Volk in Böhnicn am Wiener Ausgleiche scstbaUe. Die Entschließung erklärt scrncr, die Deutschen seien unversöhnliche Gegner des ezcchischcn Staatsrechtes. Tie sittliche Entrüstnng, welche der franzüsische Vhaiivi- ni»«u» während de» Dahvmen-Feldznges gegen die in Weitab ansässigen deutschen Firmen zur Schau trug, weil letztere völkerrechtswidrig den Leuten des Königs Behau; in Feucrwasfen und Munition verkauft haben sollten, wird nachträglich in eine wundersame Beleuchtung gerückt durch einen neuerlichen EntrüstnngSsturm, der sich diesmal aber an die Adresse de» französische» KriegsministeriumS selber wendet. Es bandelt sich um die öffentliche Versteigerung eine» Postens von 600 000 Gewehren älterer Modelle nebst einer großen Zahl auSrangirter Säbel und Kürasse, treffliches Material sür den Waffenhandel nach Binncnasrika und sonstige vo» der Eultur noch minder beleckte Gegenden unseres Erdballes. Selbst ei» Blatt wir die „Röp. fraiitz." läßt sich im Eifer der Besprechung vieser Sache bis zu dem bcmerkenS- wcrlhen Eingcständniß hinreißcn: „Je nach den Händen, in welche diese Waffen übergeben, werden sic zur Ausrüstung unserer Frcnnde oder Feinde in Afrika oder Asien dienen." Danach erscheint cs den sranzösiscbcn Politikern als durchaus selbstverständlich, daß, wenn französische Händler diese Waffen erwerben, sie dieselben an die Feinde der Feinte Frankreichs Offene Pforten. 17j Roman von B. W. Howardt. N»«»rmr vn»,ini. (Fortsetzung.) Siebzehnte« Eapitel. Wenn dir Besuche de» jungen Steinmetzen für den Kranken eine tägliche Erkolung und Erfrischung bedeuteten, so batten die Unterhaltungen, welche die Beiden führten, sowohl für den Aristokraten, al» auch sür den Arbeiter entschiedene Vonbeile, ugo lernte sein Loo» geduldiger tragen, ohne daß Bernhard iey ihm jemals Geduld gepredigt batte, und Dietz wiederum lernte über Manche», wa» er sonst ruhig hingenomiiien, Nach denken, und er freute sich Vesten. Seitdem dll« Wetter anhaltend schön war, hatte Dietz daraus bestanden, daß Hugo jeden Morgen kurre Gehversuche machte; anfänglich batte Hugo wenig Lust dafür gezeigt und ßnsiere Blicke aus Dietz geworfen, wenn dieser ihm die Krücken brachte, aber nach und nach gewöhnte er sich daran, auf dem Rasenplatz auf und ab zu geben. Bernhard » starker Arm unierstützte den Grafen und sein Allgemeinbefinden war weit befriedigender geworden, seit er regelmäßige Beweg ng batte. .Tanzen werde ich trotz alledem nicht wieder, Dietz", sagte er wobt mit grimmiger Selbstironir, aber der Blick, den der junge Steinmetz als Antwort ans diese Worte für ihn batte, war voll so tiefen Jammer»» daß Gras Hugo sich vornahm, mil seinem getreuen S»ilkknapven, wie er Dietz mitunter nannte, nie wieder in dieser Weise zu „scherzen". Die Gräfin klagte laut und leis« darüber, daß sie Hugo stet- im häßlichsten und ihrer Ansicht nach ungesundest«»» Tbeile de« Parke« aufsuchen »nutzte, wenn sie ihm ihre Morgenvisite machte. „Könntest Du Dich nicht später am Tage hierher bringen lasten, Hugo?"' nörgelte sie, „während ich beim zweiten Früh stück bin rnva? Der Geruch der Burbaumrinfastiing ist mir zuwider, und Mäu-cken vergiftet sich gewiß noch einmal daran — da frißt er schon wieder. Mäuschen, mein Eugel, Buxbaum ist schädlich für hübsche kleine Hunde." „Sowohl der Doctor, wie auch Lip» und Tiey sind darüber einig, daß ich täglich so laug« al» möglich draußen sein soll, Mama", sagt« Hugo ruhig. „Dietz — ab so, da» ist jener ouvrivr — Du hast schreckliche Pas»onen Hugo! Hoffentlich läßt Du Dein Zimmer stets gut auSlüsten, wenn der Mensch Dich dort besucht — dcSinsiciren wäre noch bester, denn solche Leute sind stet» die Träger von Gott weiß wa» sür Krank- heitSstostrn." „Meinst Du wirklich? Ich werde Dietz fragen, ob er dergleicheu in ter Tasche bat." „Spotte nur, man kann nickt »u vorsichtig sein. Wa« sindest Du übrigen« an dem Menschen, Hugo? — ich kann Dich absolut nicht begreife»." „Bernhard Dietz ist von seltener Güte gegen mich", sagte Hugo gelasten. „Ein Arbeiter ist von seltener Güte gegen Dich, den Grafen Krönstl«I Na — er wird wohl auch wissen, wo sein Dortbeil liegt!" Hugo wollte eine heftige Antwort geben, aber er besann sich und seufzte nur „Ich kau, eigentlich hierher, um Dir etwa» mitzutbeilen, Hugo — ich habe Gabriele in meinem Testamente bedacht! Nun — Du sagst ja gar nicht» dazu?" „Wa« sollte ich denn sagen, Mama?" „Ach — Du bist heute wieder schlechter Laune. Weißt Du übrigen», daß v. Paalzow wieder in Wvnburg ist? Ich denke, er wird Gabriele heirathen. Hast Du auch dazu nicht» zu bemerken, Hugo?" „Absolut mcht«, Mama." „Gabriele ist leider nicht so anschmiegend, wie ick e« ge- hofft — sie versteht mich nicht! Ja, wenn ick eine Tochter hätte! Und sie ist undankbar — ick biete ibr alle Arten vrn Vergnügen, aber sie erkennt'» nickt an. Und Tact bat sie a,„t> nick»; al» sie damal« in Dein Zimmer stürmte, um sich über mich zu beklagen —" „Mama", unterbrach Hugo sie ruhig, „ich babe Dir schon mehrfach die Versicherung gegeben, daß sie die» nicht Ibat. Al« die Baronesse v. Dohna mich zum ersten und einzigen Male besuchte, war ibr Gebühren nicht daS einer bedrückten und gekneitcten Gesellschafterin, die sich au-spricbt, sondern viel eher da» eine« Manne» voller Evurtcoisie und Selbst beherrschung. Daß ich nicht lüge, solltest Du endlich wissen." „Pab, ein Paar schöne Augen verändern mitunter die Grundsätze", spottete die Gräfin. „Hast Du sie seitdem nicht wieder gesehen?" fügte sie mißtrauisch hinzu, „kommt sic nickt manchmal hierher, »m mit Dir zu plaudern?" „Nein", cntgegente Graf Hugo mit dumpf grollender Stimme, „ich habe sie nur ad und zu im Vorbeigehen an der Fern« gesehen, aber wenn sie mich manchmal besuchte »ind fick mit mir untrrbielte, könntest Du mir die kleine Abwechs lung wobt gönnen. Mein Leben ist elend genug", schloß er ia auSbrechenderLeidenschast, „und wenn sie mir «inen Schimmer von Lickt und Frische und Schönheit brachte, solltest D» Gott danken!" „Mein Gott, wie Du heftig bist, Du hast Dich ja geweigert, sie nur kennen zu lernen! Leine Unbeständigkeit übersteigt alle Begriff«, Hugo! Wenn sic Dick übrigen» besuchte und sich mit Dir unterhielte, hätte es auch nicht» zu sagen — Du bist absolut ungefährlich — Du zählst nicht mehr mit! Aber da Tn sie nick» sehen mochtest, liegt c« aus der Hand, daß sie sich Dir ausdrängte, und das kann sie nur getban haben, um sich über mich zu beklagen! E» ist hart, daß ich stet« so traurige Erfahrungen machen muß, ick bin eine ein same, beklagen-wertkc alte Frau!" Sie fuhr sich ostentativ mit der Hand über die Augen, aber Hugo sah o» nickt — bei ihren unbarmherzigen Worten hatte sich etwa» iu ihm cmporgebäumt und er hatte laut hin- auSschreicn mögen: „Wer sagt Dir, daß ich nickt mehr »»itzäble? Ick bin nickt todt — trotz meiner Krücken fühle ich »och warme« Leben in mir pnlsiren und ich nehme e» noch mit all den Lassen, die Du prvkegirst, aus!" Leise stöhnend schloß Hugo die Augen — er glaubte diese Gespenster der Vergangenheit, diesen Heißhunger nach Glück und Schönheit und Freude längst überwunden zu baden, und nun sah und fühlte er mit Schrecken, daß dem nicht jo war. In diesem Augenblick schlug e« vom Thurm der Marien kirche zwölf Uhr »nd gleich daraus klangen Schritte an der Hecke. „Ah — da kommt Dietz", ries Gras Hugo, auf dessen bohlen Wangen tunkclrothe Flecke brannten, „nun kannst Du ihn ja fragen, Mama, ob er Ansteckungssloff in der Tasche hat." Die Gräfin erhob sich eilends und hielt ihre Lorgnette an die Nase; jcyl sprang Dietz über die Hecke und stand gleich daraus mit sreundtichen» Gruß am Lager de» Leidenden. „Dietz", sagte Hugo, die Hand de» jungen Arbeiter» er fassend, „lassen Sie mich Ihnen meine Mutter vorstcllc»! Mama, da» ist mein Freund. Herr Bernhard Dietz!" und so sah sich die Gräfin dem .,v»vrii-r- regelrecht vorgestellt. Aber Adelheid v. Kröntet» verlor nicht leicht die Eon- tenance: sie »abm die goldgefaßte Lorgnette zur Hand und beschaute durch dieselbe Bernbard Dietz in einer Weise, wclckc in studentischen Kreisen entschieden als „Tusch" bezeichnet worden wäre! „Adieu, Hugo", sagte sie kurz, dem Sobnc die schlanken Finger reichend, die er beute z»»i ersten Male zu küssen ver gaß; komm Mäuschen!" Hund und Herrin verschwände»: Die» sab der stattlichen Gestalt nack» uud wandte fick tan» zu Hugo mit den Worten: „Sie scben »lüde aus, Herr Gras — vielleicht lasten wir das Gebe» heute?" «O nein — ich bade mich schon darauf gefreut" Schweigend reichte Dietz dein Krauten die Krücken und half ibin anfstebcii: Hugo biimpclte allein bis zum Spring brunnen und murmelte leise: „Wie sagte sie dock: absolut »ngesäbrlich! Hätte ick doch nicht geglaubt, daß die mitleidlose Wahrheit mich so ausrcgrn würde!" Al« er nach einer Weile wieder in dem Sessel lag, fragte Dietz plötzlich: „Herr Gras, weshalb sebcn Sie nicht manchmal Besuch bei sich, r» wäre besser sür Sie!" „Glauben Sie da», Dietz? Ich bin anderer Ansicht", knurrte Hugo „Wenn ich den ganzen Tag so allein da läge und stet»
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