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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930621023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893062102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893062102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-21
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Gröber» Echrisrrn laut unserem Preis- verzeichnist Tadellariicher und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Vrtr«»veil«»en (gesalzt), nvr mit de« Morgen - Ausgabe . ohne Postbeiörderuag ^4 SO—, mit Poftdeforüerung 70.—. Ävnahmeschluk für Anzeigen: Abead-Au-gabe: Bonniitags lO Uhr. Morg« n.Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Sluiid« früher. Anzrigrn sind stets an dt» Er»r»ttl«u zu richten. Lrnck nnd Verlag von L. Pol» in Leipzig. 313. Mittwoch den 21. Zuni 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesscha». ' Leitzzi«. 21. Juni. Je naher di« Tage der Stichwahlen rücken, um so klarrr tritt e« zu Tage, da« Herr (Lugen Richter, der nur eine Gefahr für Deutschland zu erkennen vermag, nämlich die »Gefahr einer neuro Cartelmehrbeit". die Ein sicht und den Patriotismus eines großen TheileS seiner bisherigen Anbänger unterschätzt hat. wenn er meinte, sie durch den Hinweis auf diese „Gesahr" zur Unterstützung slialSewOkraltfcher Eandidaten bewegen zu können. Sogar Herr vr. LangerbanS, sonst einer der treuesten llnter den Getreuen Richter'», erlaubt fick, die von der Socialdemokralie und ihrem weiteren WachSlbum drohende Gefahr für die bedenklichste zu batten und dieser Ansicht rfsenen Ausdruck zu geben. 3» eiuer am l!) d. im „Deuisck- sreisinnigen Arbeiterverein" in Berlin gehaltenen Rede verwies Herrvr.Langrrhan» ausdrücklich aus seme politische Vergangen heit seit 1848, zum Beweise dafür, daß er unentwegt an demokratischen Answauungen festgehalten habe und festhallen wolle; dann aber schloß er — wie das »Bert. Taget.'!." berichtet — mit den Worten: »Ohne wirllich an dem Vaterland rin Unrecht zu begehen, dürfen wir nicht einer Partei Gefolgschaft leisten, welche den Zweck hat, unsere jetzige Gesellschaftsordnung zu stürzen, um eine neue an deren Stelle zu setzen, welche der menschlichen Natur ganz und gar zu wider ist." Stürmischer Beifall, der in dem Bericht de» genannten Blatte- verzeichnet ist. beweist zur Genüge, daß die breiteren Schichten, welche der Fahne der freisinnigen BollSpartei im Uedrigen folgen, i.i Uebereinstimmung mit Herrn vr. Langerhan» nicht der Ansicht de- Herrn Richter bei pflichten, man dürfe, um der EartelmebrheilSgesahr zu begegnen, die Zusammengehörigkeit der bürgerlichen Parteien gegenüber den socialrevolutionairen Bestrebungen außer Acht lassen und müsse bei den Stichwahlen sich in die socialdemokratische Gefolgschaft begeben. Letztere» zu thun, nannte Herr vr. Lanaerhan» ein Unrecht am Baterlande unk seine deutschfreisinnigen Zuhörer begrüßten dies« dankenS- werthr Erklärung mit stürmischem Beifall, woran» geschlossen werden darf, wie wenig die „kluge" Nichter'scke Stichwahltaktik auch nach ihrem Geschmack ist. Um so unerhörter wäre e». wenn Anhänger anderer Parteien, welche die engherzige und blinde FractionSpolitik de» Herrn Richter von jeder getadelt baden, bei den Stichwahlen hinter Herrn vr. LangerbanS und seinen deutschfreisinnigen Zuhörern zurückbleiben und nicht mit aller Energie die von per Cocialdrmokratie drohenden Gefahren wollten abwenden helfen. Die Nackweben der socialdrmokratischen Wahlagitation baden sich in einer Reihe mehr oder minder enkster Arbeiter» knwatle bemerkbar gemacht, welche nachdrückliche» Ein schreiten der SicherbeitSorgane erforderten, bezw. noch jetzt erfordern. An den vorzekommcnen Ruhestörungen ist sowohl Deutschland wie da» Ausland betbeiligt. In Bre-lau mußten bekanntlich Polizei und Militair den plünverung»lust,aen Pöbel zu Paare» treiben. Brünn in Mähren ist schon seit mehreren Tagen der Schauplatz wiederholter ernster Arbeiter- tumultej auch au» Bern werden Ruhestörungen durch dir einheimischen Arbeiter gemeldet, deren Spitze sich zwar zu nächst gegen die Concurrenz der dortigen italienischen Arbeiler richtet, am letzte» Ende aber doch auch nur darauf au-geht, die Arbeitgeber unter da» Joch der .Arbeiter" zu beugen. Allen diesen Ausschreitungen — und r» sind keineswegs die einzigen, sondern nur die bezeichnendste» Beispiele aus de» gesetzwidrigen Geschehnissen der letzten Tage — ist der Geist planmäßiger Widersetzlichkeit und Empörung gegen die be stehende Ordnung und der Haß der zu ihrem Schutze berufenen staatlichen SicherbeitSorgane gemeinsam. Man bat dem Pöbel so oft die Mahnung: .Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" nigrrusen. daß der am lL. Juni errungen» provisorische Wahltriumph der „deutschen" Socialdrmvkrati« d«n Leuten vielfach zu Kopse gestiegen ist und sie offenbar bewogen hat. ihre Solidarität mit den im deutschen Wahlkampf siegreichen Genossen durch all doo arrangirte Putsche AuSkruck zu geben. Wir zweifeln nickt im Mindesten daran, daß der „vorwärts" und seinesgleichen sich in gut gespielter sittlicher Enlrüstung, die gerade irnem Blatte und seiner bekannten Wahrheitsliebe so trefflich zu Gesichte siebt, gegen die intellektuelle Urdeberschaft der von den aufgeregten Arbeitern verübten Exccsse verwahren werden; dabei aber wirb die systematische Ärbritrrvrrbetzung zu Stichwahlzweckcn gleichzeitig auf der ganzen Linie fortgesetzt. Der .Borwärt»" bebarrt mit eherner Stirne darauf, das allgemeine Wahl recht sei in (sftfabr, obwohl ihm die handgreifliche Lüge, deren er sich mit dieser Behauptung schuldig macht, acten- mäßig nachgewiesen ist. Je mebr gerade diese» Reckt den Arbeitern von den berus-mäßigen Agitatoren als Universalheilmittel gegen alle irdischen Mißstände angepriesrn wird, desto erbitternder soll» nach ihrer Rechnung, dir angeb liche Bedrohung desselben durch die .derrickenden Elasten" auf die Massen wirken. Vernünftige Vorstellungen Kelsen gegen diese Verhetzungen nicht»; die bürgerlichen Parteien haben daber, wenn sie weiter» Exersse vermeiden wollen, gar kein andere» Mittel in der Hand, als durch engen Zusammen schluß den Betbörten zu beweisen, daß sie noch lange nicht da» Heft in der Hand habe». Mit Gladstonr'« irische« Extzeriment siebt <S, wie schon gemeldet, nicht gut. Kaum ein Neunzehntel der Home- Rule-Borlage ist erledigt. Die Radikalen schmollen, die Iren rebelliren. Die Ersteren wollen um jeden Preis, daß. nach dem der irischen Einzelberatbunz hinter einander 2? Sitzungen gewidmet worden, endlich auch einmal die englischen Rrformprogramme berücksichtigt werden. Morton wird di« Wahl eine» Wochentage» in diesem Sinne bean tragen. Die Irländer zeigen ibrrrseit» eine Begehrlichkeit, ein« Unersättlichkeit, woran der ganze Home-Rule-Plan mög licherweise scheitern wird Im antiparnellitischen Lager ist der alte, seit Parnell'S Tod sortglimmende Streit zwischen der priesterlich-rabicalcn Gruppe Tim Hcaly'S und der ge mäßigt liberalen Septon'» nahe daran, wieder bell aufzulodrrn. Die Anti-Parnclliten-Partci bat jedenfalls jene Festigkeit ein- arbüßt, welche sie in den ersten Zeilen der nun schon bald fünf Monate währenden Session beleffen Kat. Der Pari ellit Elancy wie der Anti-Parnellit Sexton haben in der stür mischen FreitagSsitzung Gladstone den Vorwurf zuge schleudert, er vernichte in dem hoffnungslosen Bestreben, die Opposition zu gewinnen, die Home-Rule-Bill. Gladstone'S kluges Entgegenkommen wird von den Iren als Schwäche aebrandmarkt. Diese Meutersucht der Nationalisten, die Unzufriedenheit der Radikalen, welche in der liberalen Wahl niederlage zu Lialilhgowshire ihren Ausdruck gefunden, haben den Widerstand der Unionisten neu belebt. Die unionistischen Blätter jubeln über den Unionistensteg im genannten schot tischen Wahlkreise, und der Erfolg de» conscrvativen Eandi daten Hope bedeutet auch ohne Wortspiel neue Hoffnung; Chamberlain deutet da« Wahlergcbniß dahin, daß die über wiegende Mehrheit der reinen Schotten nicht Home-Rule haben wolle. Der russisch« Botschafter in Konstantinopel, der vielgenannte Herr NeltSsw, will demnächst eine Rundreise durch den türkischen Archipel unternehmen. Wir man nu» au« Konstantinopel schreibt, wird in türkischen RegierungS- kreisrn diese» Sommerrrisr-Project de» Vertreter« de« Zaren mit sehr gemischten Gesüdlen ausgenommen. Was — so fragt man sich — will Nelidow aus den zur Türkei gehörenden griechischen Inseln? Daß eS sich nickt um ein« Vergnügungsreise handelt, ist so ziemlich klar, denn Ende Juni, da« heißt dort in der heißesten IabreSzeft, unternimmt man nicht gerade eine Vergnügungsreise. Man ist in wohlunterrichteten Kreisen Konstantinopel- der Ansicht, daß r« sich um irgend einen Schachzug gegen die Türkei handle, deren Entgegenkommen in der bulgarischen Frage bestraft werden solle. Am selben Tage nämlich, wo der türkische Eomnii'sair in Sofia, Reschid Dey, sich au dem Empfange ke» Fürste» Fervinand bctbeilizte, empfand Nelidow da» Bedürsniß, sich i» der lroxischen Sonnengluth zu erholen. Die Reise des russischen BolschafierS gehl an Bord dc- SlationairS .Eolchido" nach de» Dardanellen. Smvrna, Mitilene, Ehio», Rhodu« und den übrigen Inseln de« türki schen Archipel«. Die russische Presse kann nicht genug bervorheben, mit welchem EnlhusiaSi»»- gerade daS russische Geschwader und reffe» Bemannung in New-Part ausgenommen worden sei. Ein Ncw-Aorker Evrrespoiident de- „Nerelja" gebt sogar so weit, zu behaupten, dieser Enthusiasmus habe durch die den Engländern enigegengebrackte Feindseligkeit noch eine ganz besonder- charakteristische Färbung erballen. Das Volk habe wesentlich und säst ausschließlich den Russen zugejubell und die amerikanische Presse bade gegen England geradezu einen hcrau«forterndcn Don angeschlagen. Die englische» Marine- soldatrn seien z. B im „Ncwuork Hcralk" .rothc dumme Puppen" genannt worden. Die englischen Schiffe waren am besten illuminirl, dennoch sei das in den Witzblättern carrikirl worden, wie z.B.in dem »Illustrated American", wo daS englische Geschwader als in Brand stehend targestcllt wurde mit der Be zeichnung: .Eine Illustralion der Vernichtung der englischen Flotte". Ter Eorresponvent ist zwar einsichtig genug, derartige Ausfälle auf irische Einwirkungen zurückzusühre», aber er fügt bei, nickt nur die Iren schwärmten sur ein Bündniß mit Rußlanv, sondern da- amerikanische Volk selbst ahne als die AntttripelaUianz der Zukunft den Bund zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten, wobei als Freund de« ersten natürlich Frankreich hin,ugcdachl werden muß. Der Eorre- spondent erzählt u. A. zun, Beleg seiner Behauptungen: Bus dem großen Banket der Stadl New-Vork nahm der russische Admiral de» Ehrenplatz zur Rechten de« Banket-Prasidenten rin. Die lautesten Ovationen wurde» gerade den Russen daraebrachl. Ta» die russischen Schiffe besuchende Publlcun, drückte bel jeder Ge legenheit seinen Enthusiasmus au». In Palmer- Theater land etn Loncert zum Beste» der Invaliden statt, zu dem ausschließlich dir russischen Mariiieosficierr geladen wurden: da» MusikcorpS des Kreuzers „R»»da" war »densall» hinzugrzogen und spielt« dir russisch« Hymne nebst anderen russischen Weisen Daß die Zukunft ein Bündniß zwischen Rußland und deu Vereinigten Staaten im Gegensätze zu Englauv bringen könnte, ist eine Möglichkeit, welche durchaus »ich: außerhalb des Bereiche- der Wahrscheinlichkeit lieg« Deutsche- Reich. ^ Berlin, 2o. Juni. Eine allgemeine partciojslcielle Anweisung über die Haltung bei den Stichwahlen wird, wie schon telegraphisch gemeldet worden, seiten- der nationalliberalen Parteileitung nicht erlaffen und kann auch nicht erlaffen werden. Dir Verhältnisse in den einzelnen Wahlkreisen und die taktische Ausstellung anderer Parteien gegenüber den Nalivnalliberalcn sind hierfür zu verschieden artig. Die einzelnen Wahlkreise werden je nach de» örtliche» Verhältnissen und Bedürfnissen die richtige Stellungnahme schon zu finden wissen. Al» allgemeine, durch dir gegenwärtige Situation gebotene Richtschnur haben wir bereits vor einigen Tagen darauf bingewiesen, daß in erster Linie jedem Freund der Militairresorm Unterstützung gewährt werden müsse. In der Stichwahl zwischen zwei Gegnern der Militairvorlage wird man im Allgemeinen einen, Ean- didatrn der bürgerlichen Parteien gegenüber einem Gocial- demokraten den Vorzug geben, selbstverständlich vorausgesetzt, daß jene auch ibrrrseil» loyale und ehrliche Gegenseitigkeit im Kampf zwischen Nalionalliberalen und Socialkemo- kratrn walten lasten. Wir habe» freilich bi« jetzt von Gegenleistungen der freisinnigen Volk-partei und namentlich de« Eentrum« noch kaum etwa« bemerkt. Die erster« ist bestenfalls über einige matte NeutralitälS- rrklärungen nicht hinauSgckommeii, hat aber in einzelnen Hallen direct Partei für dir Socialbemokralcn ergriffen, so n Jena, Stuttgart u. a. Da« Eentrum dal durch übcrcin- 'tilnmendc Erklärungen aller Parlciblätler und ossicicUc Anweisungen ullramonlaner WahlcomitöS (z. B. in Mai»;) allen Parteigenosse» zur Pflicht gemacht, in der Slick wähl zwischen Socialremokralen und Nalionalliberalc» sick 'trcngsrenS der Stimme zu enthalten; einem National- liberale» oder Freiconservaliven dürfe unter keinen Umständen eine EenirumSstiinmc zusallen. Das heißt natürlick einfach, soeialremokratischcii Eandidaten zum Sieg verhelfen. Es kominl sogar vor, z. B. in Wiesbaden, daß selbst einem Mitglied der freisinnigen Bereinigung in der Stichwahl mit de» Socialdemokrale» die Unterstützung des CcntrumS vcr weigert wird, wodurch lcickt der soeialdemokralisckc Siez herbcigcsübrt werden lann. Wir wolle» hoffen, daß wciiigslens nicht die gesammte Wählerschaft de- Eentrum« solchen Aus brüche» des ParlcisanalismuS nackgiebt. 0. U. Verliit, 2l>. Juni. Mit sehr gemischten Gesüßten haben die .Unabhängigen" die Wablsiege ibrer feindlichen Brüder ausgenommen. Die Herren ballen einen großen Feldzug gegen die Wablbetheiligung in Aussicht gestellt, aber r« wurde nicht viel daraus. In den von den „Unabhängigen" rinderusenen Versammlungen batte» die FraclioneUen die Majorität, und von den .bandgre,flicken" Beweisen, welche die letzteren lieferte», solle» einige „Unabhängige" „ock blaue Erinnerungszeichen mit sich derum tragen. Da« von den .Unabbänzigeu" gegen die Wahlbelbeiligung verbreitete Flug blatt ist auch wenig bekannt geworden: denn Denen um Werner, Wildberger, Bubr und „Genossen" fehlte cS an dem nöthigen „Pulver", um eine Massenfabrikation ihres Manifeste» zu bewerkstellige» und dasselbe auch auswärts verbreite» zu können. InSgesammt werde» die „Unabhängigen" in ganz Deutschland aus 12 000 Mann geschäht und so groß dürfte auch die Zahl der Socialdemokrate» sein, die an der Wahlurne nicht erschiene» sind. Aus das Gesammtresultal hat die» so gut wie keinen Einfluß gedabl. Eine Zeii lang sah e» allrrdttig« so aus, als ob die „Unabhängigen" Boden gewinnen würden; aber da warfen sich die Führer den Anarchisten in die Arme »»d nun ging es wieder rück wärt». UeberdieS leitete der Redacteur de« „Socialist", ein ehemaliger Student Landauer, da- Blatt so, daß es immer mehr zurückging: speciell die i» einem eigenartigen Deutsch geschriebenen Erörterungen darüber, ob man nickt besser Ibäic, sich „Anarchisten" statt „Unabhängige" zn »ennen, brackien die Gruppe um allen Eredit bei den Arbeitern. Heule haben dir -Herren Singer und Bebel die socialteiiiokratischcn Wähler schaareu Wirker ;»»> allergrößte» Tbcile hinter sick: tie mächtige Strömung hat das kleine Seitengcwässer wieder in da« alte Bett gesüvrt, nur hier und da ist »och ei» lleincS lUmpclchen zurückgeblieben Auch basisteil, Wablcrsolg der Socialdcmokra lie. Hoffenilick kommen nun endlich die antisocialistischrn Parlcien zu der Ucberzcugnng, daß sic ans den Streit im socialistischen Lager, wenigstens zur Zeit, nicht die geringsten Hoffnungen baue» könne» und der compaclcn Masse der gemeinsamen Gegner ebenso compacic Massen ent gegenstellcn müssen. — Der Kaiser wird, wie eS beißt, bis Ende der laufen den Woche in Kiel verbleiben und erst am Sonntag »ach dem Neuen Palai« zurückkchrcn. Auch in Kiel nimmt er die lausknden Borträge entgegen und erledigt die Regierung« g,schäfte. — Tie Kronprinzessin Victoria von Schweden ist aus der Rückreise nach Schweden heute Bormiltag au« Baden-Baden hier «ingetroffeu. — Der Lultusminister Ist. Bosse hat seine 2ur in Karlsbad beendet, und zwar mit gutem Erfolg«. — Die „Freisinnige Zeitung" schreibt in Nr. 142 wörtlich: „Im Danziger Landkreis wurden abgegeben 4927 conservalivc Stimme», lb',7 Eentrum, l.',W freisinnige für Dan, 1204 polnische, l lOl socialistische. Ohne die Zer Offene Pforten. l8s Roman von B. W. Howardt. (Fortsetzung.) Die frühen Morgenstunden verbrachte der Graf nach wie vor in seinem Parkwinkel, aber zur Zeit de« Gabelfrühstücks siedelte er nach der Frontseite über und hier unterdielt er sich mit jedem Besucher und forderte sogar seine Bekannten zu häufiger Wiederkehr auf. Die Gräfin sowohl wie Mäu«chrn fanden diese Neuerung widerwärtig, während Gabriele dieselbe mit Freuden begrüßte — ihr schien die Villa nicht mehr öde und unbehaglich, seit Hugo'« Sessel den Eingang slankirte und sein Lächeln, mitunter freilich ei» reckt inaliliöse« Lächeln, dir Vorgänge, die sich in seinem Gesichtskreise abspiclten, begleitete. In Erinnerung an ihren Besuch in Hugo « Zimmer wagte Gabriele r» anfänglich nicht, dem Grasen nahe zu kommen oder ihn gar anzusprechen, so gern sie «» auch getdan hätte, aber ihr erster Blick suchte stet« den Sessel und dir regungs lose Gestalt in demselben, sobald sie auf di« Veranda trat, oder den Fuß in den Garten setzte. Al» sie indrß eine» Mittag-, auf den Wagen wartend, au» dem Portal trat, be merkte sie, daß Gras Hugo Lip» den Befehl gab, seinen Fahr stuhl ihr entaegenzuschieben, und dies« Wahrnehmung machte sie lehr glücklich. Al- der Fahrstuhl dicht neben «hr Halt machte, zog Hugo den Hut uud sagte freundlich: »Baronefle, haben Sie mir vergeben? E« scheint mir schon eine Ewigkeit her zu sei», daß ich i» Sack und Ische Buße thun muß." „Aber ich war ja die Schuldige", rief Gabriel« hastig und erglübend; „ich drang in ihr Reich und regt« Sie auf —" „Ich »ein. Sie tbaien mir wohl, ick empfand es nur nicht sogleich, Baronesse. Ilso, wenn Sir Gnade für Recht ergehen taffen und sich mitunter um mich armen Schelm bekümmern Wollen, »erd« ich Ihnen unenrlich dankbar sein. Ich bm freilich kein bequemer Gesell", schloß er ernsthaft; „ich habe oft Anfälle von schlechter Laune —" „Sie haben da» Recht dazu", sagte Gabriele sanft. „Mag sein, aber ich gebe meinen Launen doch zu sehr nach. Und Ihnen kann ich nur dankbar sein — ich werde mich bemühen, meine „Stimmungen" zu überwinden und wenn'» Ihnen recht ist, beginnen wir unsere Bekanntschaft aus» Neue." „Rur zu gern", nickte sie glücklich; „ich bade bi« jetzt nicht gewagt, mich Ihnen zu nähern, um Sie nicht von hier zu vertreibt», Graf Hugo." „So hoffe ick, daß Sie da» versäumte sehr gründlich nachhole» und mir recht oft ein Wort oder einen Blick gönnen werden." „Denn Sie wüßten, wie glücklich mich diese Bitte macht", rief Gabriele strahlenden Blicke». „Ist da» wahr?" ries Hugo lebhaft. „Ich wollte —" Wa« er wollte, blieb unausgesprochen, denn jetzt rauscht« dir Gräfin heran, und ihr Gesicht ward finster, al» sie Gabriele neben dem Fahrstuhl stehen sah. „Tante Adelheid", begann Gabriele, al» Bride im Wagen saßen, „dürfte ich nicht wöchentlich einmal Nachmittag» zu Hause bleiben? Selbst Babette und Röschen haben doch immer einen Tag für ffch." „Schäme Dich, ei l« solche Parallele zu riehen." „Ach, so meinte ich'« nicht — ich möchte den fraglichen Nachmittag mit Graf Hugo verbringen, Tante." „Hat er diesen Wunsch geäußert?" „Nein; aber ich glaube, er würde e« nicht ungern sehen." „Ich würde doch lieber warten, bi« er Dich darum bittet", höhnte die Gräfin. „Iber warum soviel Errrmoniell, wenn sich'« um «inen Leidenden Handel». Und ich habe Hugo gern, er ist wunderbar geduldig." ,H»go und geduldig, da» ist nen", sagte die Gräfin kühl; „er leitet ja freilich eben uickt viel." „Dock, der Arzt sagt» er habe häufig heftige Schmerzen." „Woher weiß» Du denn das?" „Weil ich ihn gestern, »l« er fortging, fragte." „Gabriele, Du bist nnverbrffrrlich." „Ich glaube c« selbst, Tante Adelheid; nun, wie ist », soll ich den freien lag haben? Warum soll ich immer Besuche machen und meine Karte abgeben, wenn die Leute so lieben»- würdig sind, nickt zu Hause zu sein." „Lbnc Visitenkarten wäre kein gesellschaftlicher Verkehr möglich — sie sind eine sehr nützliche Erfindung, Gabriele." „Da« mag ja sein, aber e» sind nicht nur die Karle» — r» ist die Zcitverschwendung — und all das, wa« vru», und dran hängt." „Gabriele — Deine Neigungen sind entschieden plebejischer Natur — wenn ein Mädchen von Adel sich mit Maurern uutrrbält und " „Ich will ja nicht mehr mit Maurern, sondern mit Graf Hugo plaudern", siel Gabriele der Dame in« Wort, und lackend setzte sie hinzu: „Sicherlich ist Dir doch seine Familie aristo kratisch genug." „Wenn Du solche unbezwingliche Sehnsucht hast, Andere u unterhalten nnd zu erheitern, so kannst Du bei mir an angen", sagte die Gräfin derbe. Gekränkt und erkältet ließ Gabriele da« Thema fallen und die Spazierfa rt endete in unbehaglichem Schweigen Etliche Tage später erklärte Re Gräfin, sie wollte nach dem Gabelfrühstück im Park promeniren — die Majorin kalte e< für sehr zuträglich. Auf Gabrielen» Arm gestützt, schritt die Dame der Kastanien-Allee zu, in welcher Hugo'» Fahrstuhl stand; Mäuschen, welchem d» Neuerung nicht an genehm schien, walschelte vorau« und näherte sich Hugo mit mürrischer Miene „Guten Morgen, Hugo", sagte die Gräfin matt, „ich kennte Dich heute noch nicht aussuchen, weil Mäuschen mir einen solchen Schrecken einjagte, daß ich »an» elend war — der arme kleine Schelm bat ein Stück Wollitoff verschluckt. Ick gehe jrtzt täglich spazieren — dir Majorin bat c« mir verordnet." „Ach. sie behandelt Dich demnach jetzt; ist sie auch Ihr Arzt Baronesse?" ,,Ach, Gabriele ist glücklich — ,bre eiserne Gesundheit be darf keine« Arzte«", sagte di« Gräfin sp,tz; ..sie ist nicht so leusittv wie ich." Trifft da« zu. Baronesse?" fea?'- Hngo. „Gottlob ja", lachte Gabriele, und dann schritt sie tiefer in die Allee hinein, um Mutier und Sohn ungestört zu lasten. „Sie bat mitunter seltsame Einfälle", sagte die Gräfin, ibr »achblickend; „bat sie mich doch allen Ernstes, sie manch mal zu Hause bleiben zu lassen, damit sic Dick uutcrballcii könne Als ob Tu llntrrbaltung uölhig bättcsl!" „Du hättest sic inimerkin gewähren lassen sollen", versetz!« Hugo kübl, „um so mehr, als ich ja wie Du sagst, durchaus ungefährlich bin." „Ack, daran dachte ich nicht — e« war nur eine Laune von ihr, die sic längst wieder vergessen hat. Weißt Dn, ick glaube manchmal doch, daß sie Raven nehmen wird — bei der OuatriUe neulich kokellirtr sie mit ihm »nv mit den Andere», trotz Mercedes, die doch schon eine abgefeimte Kokette ist." „(keine von Beiden ist eine Kokette", sagte Hugo scharf. „Mäuschen, mein Herzblatt!" ries die Gräiin, „komm birrber und laß die ordinäre» Hunde draußen auf der Straße in Ruhe" Gabriele kam jeßt zurück: der Hund folgte ibr langsam, wandte sich aber plötzlich wieder der Straße z» und begann wüthend zu bellen. „Höre nur, wie lustig er bellt!" ries die Gräfin, „daS ist Recht, MäuSche», lacke de» häßlichen Köter draußen auS! Ach Gott!" schrie sic dann plötzlich, „er wird ibn lott beißen — o, mein armer Engel — Hugo, Gabriele, zu Hilfe!" Aber Gabriele war schon daveiigeeill unk batte das bciiltiikc MäuSche», welche« der große „ordinäre" Hund an, Schöpse gefaßt und derb »ersauft und geschüttelt batte, dem jedenfalls nickt bösartigen Feind entrisse» und auf de» Arm genommen. Mäuschen zitierte vor Wulh und heulte ,ä„inicrlich, schien aber nickt verletzt, sonder» »ur erschrocken zu sein Die Gräfin batte nicht übel Lust, in Ohnmacht zu fallen. aber Hugo « spöttische« Gesicht ließ sic sich ankcrs entschließe», unv mit halbcrsticktcr Stimme besabl sie: „Gabriele, sende Babette nach einem Wundarzt nnd laß Rö-cken alte Lemwand unk Arnica bringen, hole mir mein Riechfläschchen, ack Gott, kann man denn nicht» für meinen armen flummcn Engel lbun?" „Na. Mama, sluoini ist er nicht, er stuckt in seiner Hundc- lprache trotz einem Dragoner", lachte Hugo, indem er den
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