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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930623026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893062302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893062302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-23
- Monat1893-06
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4498 betrag« zu, meint aber optimistisch, daß dem durch finanzielle und BerwaltungSresormrn, wie sie dir ungeheure Mehrheit der cubaoischen Bevölkerung, ausgenommen vie aus dir her gebrachte Colonialpolitik eingeschworenen Rückschrittler, leb haft wünscht, unschwer abzuhelfen sei. Zweifellos eröffnen sich so Aussichten auf eine bewegte Colonialdebattc von großem politischen Gehalt. Ob rS Sagasta gelingen wirk, durch Aufwerfung dieser Frage, wiewohl deren glück liche und sriedliche Losung für Spanien von größter Wich tigkeit ist, der Verschleppung-Politik der Confervativen fürs Ersie ein Ziel zu fetzen, das wird, da der Stein nun einmal ins Rollen gekommen ist, sich ja bald genug zeigen. Im Adreßausschuß der serbischen Skupschtina ist nach langer erregter Debatte endlich der Entwurf der Adresse an den jungen Serbenkönig festgcsteüt worden. Dieser Adreßentwurf ist bemerkenswerth genug, um an dieser Stelle wieverzegeden zu werden. Hervorgehoben zu werden verdient als besonder- charakteristisch der Umstand, daß in dieser Adresse mit allem Nachdruck dir Versetzung des früheren liberalenMinislrruinS Avakumowitsch in den Anklagestand verlangt und zugleich die An klage seitens der Skupschtina bereit« angekün digt wird Der Adrrß-Entwurf lautet: „Eure Majestät, geliebter Herr! Die Betretung der Nation erachtet es als ihre erst», heiligste Pflicht, Dir Namens der Nation die tiesste Dankbarkeit siir die große Tha» vom 13. April aus zudrucken. Da» durch «in zügellose«, gewaltthäliges Regiment an den Rand de« Abgrundes gebrachte Vaterland ist durch Deine heldenmüthig» vatciotische That gerettet worden. Tu dasl Deine Pflicht gegenüber Deinem Lande und Deiner Nation roll und ganz erfüllt und al« ein würdiger Träger der glorreichen Traditionen der Lbrenowitsche Dich gezeigt, wofür Dir die serbische Ration durch uns, seine Auserwähltcn, von ganzem Herzen zürnst: Wir danken Dir. Aber indem wir noch Verdienst I»neS schmachvolle Regiment brandmarken, welchem Du am 13. April rin Ende gemacht hast, erklärt die nationale Skupschtina zugleich, daß Diejenigen, welche diese» unselige Regiment verschuldet haben, nicht ungestrast bleiben dürfen. In dieser Ueberzeugung ist die nationale Skupschtina entschlossen, „och während de« jetzigen Sejjionsabjchiiittes von dem Rechte Gebrauch zu machen, welche« ihr die Verfassung verleiht, und die Anklage gegen die Minister des frühere» Regiments zu erheben und sie der unbestechliche» Justiz zur Aburtheilnng zu über geben. Nur in solcher Weise kann endlich ein- lür allemal auch in unserem vaterlande seslgeslellt werden, daß die verbrechen gegen die Verfassung und gegen die staatlichen Interessen nicht ungestraft ausgehea können. Wir sind stolz darauf, daß Deine That vom 13. April allgemein« Zustimmung nicht nur in Serbien, sondern auch im Auslände überall, wo es Freunde Serbiens giebt, ge- fanden hat. Wir thcilen Deine Genugthuung darüber, daß die Kundgebung Deiner Thronbesteigung bei den erhabenen Souve- rainen und Staatsoberhäuptern de« Auslandes mit sreundschastlichem und sympathischem Entgegenkommen ausgenommen wurde. In den Beweisen hoher Sympathie, welche Dir aus diesem Anlass» von allen Seiten zugegangen sind, erblicken wir eine Bürgschaft dafür, dag Europa gerecht anerkennt, wie sehr Serbien seinen internationalen Pflichten zu entsprechen und aus der Höhe seine» Berufe« im Osten Europa« zu bleiben bestrebt sei. Tie nationale Skupschtina wird lederzrit bereit sein, Dich in Deineu Bemühungen zu unterstützen, um die freundschaftlichen Beziehungen, welche Serbien bereits besitzt, sorgfältig zu pflegen und durch neue zn vermehren." Der Adreßentwurf erkennt dir entscheidende Wichtigkeit der ncurnHandelSverträge mit Oe st erreich Ungarn und Deutschland für die wirtbschaftlichcn und finanziellen Interessen Serbiens an und schließt: „Die nationale Sknpschtina giebt al« treuer Dolmetsch jener Gefühle, welch« die gelammte Ratio» beseele», an den Stufe» Deine« Thrones der unbegrenzten Lieb« und Ergebenheit Ausdruck und ruft aus tiefster Seele: Es lebe Alexander I-, der Fels und die Hoffnung Serbiens!" Danach ist eS wohl zweifellos, daß das gestürzte Ministerium Avakumowitsch noch gerichtlich zur Verantwortung gezogen wird. Le«1scheS Reich. 88 vsrlin, 22. Juni. Daß die Einberufung des Reich-lagS aus den 4. Juli erfolgt ist, ist insofern will kommen zu beißen, als bis zu diesen! Tage jedenfalls die amtlichen Feststellungen über die Ergebnisse der Stichwahlen sämmtlich vorlirgen werden. Und so zahlreich diesmal die Stichwahlen waren, so wenig Ersatzwahlen werden erforder lich sein; der Reichstag kann also am Tage de« Zusammen tritts sich beinahe vollzählig versammeln. Der Kaiser wird, wir wir bereit« vor drei Wochen gemeldet, den Reich-tag persönlich eröffnen. Daß die Thronrede hauptsächlich die Nothwendigkeit der Militckirvorlage betonen wird, ist ja selbst verständlich, im Uebrigeu kann über den Inhalt der Thron rede natürlich noch nicht« Zuverlässiges verlauten, da deren Feststellung gewöhnlich erst einen Tag vor der Eröffnung dr« Parlament« erfolgt. Beim Eintritt in eine neue Legislatur periode treten nach der Eröffnung des Reichstags die Mit glieder desselben unter dem Vorsitze ihres ältesten MitgliedeS zusammen. Nach den bi» jetzt festgestellte» Wahlen würde die«, wie schon gemeldet, Herr Christian Di »den sein. Parlamentarisch ist er niemals bervorgetrete», er hat in der langen Zeit seiner öffentlichen Tbätigkeit niemals dag Wort genommen, auch niemals einer Commission angehört. Der Alters-Präsident ist auch befugt, sein Amt aus da« im Lebens alter ihm am nächsten stehend« Mitglied zu übertragen Viel leicht macht Herr Dieben — e« ist allerdings noch nicht vor- aekommen — von dieser Befugniß Gebrauch. — Durch da« Loo« wird der Reichstag sofort nach seinem Zusanimrotreten in sieben Abthrilungen von möglichst gleicher Mitglieder- rahl gelbeilt, und alsbald wird behufs Prüfung der Wahlen jeder Abtbeilung eine möglichst gleiche An zahl der einzelnen Wahlverhandlungen (Äahlacten) zu- getheilt. Wenn Wablanfechtungen (Proteste) vorliegen oder die Abtbeilung die Giltigkeit anzweiselt, gehen die Acten an die WahlprüsungScommission, die später vom constituirtrn Hause gcwäblt wird Im Uebrigen geben die Abtbeilungen schnell an die Arbeit, und gewöhnlich sind am zweiten Tage bereits mehr al« die Hälfte der Wahlen geprüft und für giltig erklärt. Unter dem Vorsitz des AltcrS-Präsidrnten wird sodann zur Wahl deS ersten Präsidenten ge schritten und nachdem dieser den Vorsitz übernommen, werden die beiden andern Präsidenten und die Scbrisrsllbrer gewählt. Den ersten Präsidenten werden wahrscheinlich wieder die Cvnservativen, den zweiten daS Centrum stellen. Auf daS Amt deS zweiten Viceprasidenten können aber die Freisinnigen wegen ihrer geringen Zahl keinen Anspruch mehr erheben. Herr Banmbach wird also keine diplo matischen Gespräche mehr sübren lönnen. Einen Social demokraten wird ei» deutscher Reichstag niemals inS Präsidium wählen, die Stelle dek zweiten Bicepräsidcnten dürste vielmehr wahrscheinlich einem Nationalliberalen zufallen. Die betreffenden Persönlichkeiten werden von der betreffenden Fraction in Vorschlag gebracht. Zum ersten Präsidenten wird höchst wahrscheinlich wieder Herr v. Levetzow gcwäblt werden, der wegen seiner lieben« würdigen Formen bei allen Parteien beliebt ist. Wen das Eentrum Vorschlägen wird, ist noch unbestimmt. Gras Balleslrem ist nicht wicdergewäblt, würde auch als Anbänger der Militairvorlage von de» Ultramontanen nicht präsentirt worden sein. Gern möchte v> Lieber den Ehren platz einnehmen, doch die Mehrheit deS Centrum« wünscht einen Aristokraten, und so wird wohl Gras v. Hompesch, der neue Vorsitzende der CentrumS- sraction, die Stelle erhalten. — Die Militairvorlage wird dem Reichstag sofort nach seinem Zusammentritt zugeben und jedenfalls noch in der ersten Woche zur ersten Beralbiniz gestellt werden. Wenn der Reichstag von einer commissarischen Beratbung deS Gesetzentwurfs absieht, was wegen der vor gerückten Jahreszeit und nach den übergründlichen Er örterungen der vorigen Session für wahrscheinlich gilt, dann dürste die Regierung von der Einbringung jeder weiteren Vorlage absehen; dann würde vielleicht bis Mitte Juli der Schlug des Reichstags eiuireten töunen. Im anderen Falle allerdings wäre noch Zeit für andere dringende Arbeiten, und dann dürste auch noch das ReichSseuchengesetz vor gelegt und erledigt werden. * Berlin, 22. Juni. Das außerordentliche, vielleicht in seiner Art einzig dastehende Unglück in Echneidemübl, wo bekanntlich in Folge einer Brnnnco-Bobruug der Bau grund eines große» TbeilS der Stadt Lurch Zusammensturz zerstört und ganze Straße» in Trümmer verwandelt worden sind, erbeischt und rechtfertigt umfassende StaatS- hilse. Da das Abgeordnetenhaus in der nächsten Woche wieder zusammentrilt, wird sich über die Bereitwillig keit zu solcher alsbald Uebereinstimmung der Volks Vertretung und der Regierung conslatiren lassen. Bei UnglückSsallen, die erfahrunzSmaßig häufig eiuireten, wie die Uederschwemmung gewisser Gegenden, und bei solchen, gegen deren Folgen man durch rechtzeitige Versicherung Schutz finden kann, wie Brand, Hagelschlag und dergl, ist StaatS- hilse nur mit großer Zurückhaltung, etwa als Darlehn, oder überhaupt nicht zu gewähren, weil sie als Prämie auf den Leichtsinn und al« Förderung desselben wirken lann. Ganz anders liegen, wie die „Naticual-Ztg." zutreffend betont, die Verhältnisse in Schneidemübl. Heiner der dortigen Ein wohner, welche ihre Häuser zusauimenstürzen sahen oder plvtz lich erwerb-loS wurden, trägt an dem Unglück, daS ihn be troffen, eine Schuld, keiner konnte cS vorberscben oder sich gegen die Folgen sichern: eS ist vollständig außerhalb derjenige» Be dingungen der Existenz entstanden, mit denen der Mensch rechnen kann und muß. Unter derartigen Umständen gebietet daS Gemeingesükl der StaalSangebvrigcn, daß der materielle Verlust auf die Gesammtheil übernommen, für so durchaus unverschuldete und ungewöhnliche Einbußen Ersatz aus der StaalScasse geleistet werde. Es muß selbstverständlich mit derjenigen Vorsicht geschehe», welche verhütet, daß für Einzelne auö der merkwürdigen Katastrophe sich Be reicherung ergiebt, wie eS mehrfach bei der Unterstützung „Sie haben Einfluß auf Röschen, bereden Sie sie, daß sie mit mir geht, eS wird immer später." „Ei, da» Schauspiel, da- Sie hier in meiner Kammer ausführen, gefällt mir", höbnte da» Weib, .weshalb sollte ich « abkürzen? Es passirt nicht alle Tage, daß eine Baronesse mir Was verspielt!" „Wenn Sir so lange in meinem Himmer gestanden bätten, wie ich in dem Ihren", sagte Gariele mit ruhiger Würde, „hätte ich Ihnen jedenfalls einen Stuhl geboten!" „Weiß Gott, sie hat Recht", knurrte da» Weib vor sich hin, während Röschen plötzlich ihr Schluchzen einsiellle und ver wundert aus die Freundin starrte, die eilfertig aussprang, Gabriele den eigenen Stuhl hinschob und sich selbst aus eine Truhe setzte, die an der Wand stand. „So — nun ist ja wohl Alle» in Ordnung", meinte die Frau spottend, „nun bin ich neugierig, waS da« Nächste sein wird." „Ick weiß nickt, WaS Sie erwarten", sagte Gabriele ge lassen, indem sie sich fetzte, „ick will RöScken mitnehmen und werde Ihnen dankbar sein, wenn Sie sie nicht ferner in ihrem Trotz bestärken wollen." „Ack so — Sie meinen, wenn ich mich nicht dareinmischte, bätten Sie RöScken schon sicher? Na, Röschen — sprich doch für Dich selbst, weSbalb gehst Du denn nicht mit der schönen Dame?" „Weil ich nicht mag — sie will mir meinen Bräutigam abspenstig machen — ja, daS will sie." „Röschen — wir können Sic so verblendet sein", versetzte Gabriele sanst, „wenn Ihnen Jemand sagt, daß Sie hübsch sind, will er Sie deshalb noch lange nicht beiratben " „O, doch — das will er — er bat - versprochen!" „Dann war'« eine Lüge", sagte Gabriele ernst „Wir können Sie daS behaupten?" rief RöScken, wieder in Walk aerathend. Gabriele sab ein, daß sie so nicht weiter kommen werde, und so sagte sie bittend: „Röschen — glauben Sie mir, ich will nur Ibr Bestes, und deswegen kam ich der. Wie wollen Sie Bernhard Dietz bei seiner Heimkebr entgegentreten, wenn Sir sich wäbrend seiner Abwesenheit mit Einem eingelassen. der nickt wertb ist, dem Dietz die Sckubriemen zu lösen." „Ra — da« ist Geschmackssache", meinte die Frau gleich» mütbig. „wenn ibr der feine Herr besser gefällt al« der Steinmetz, muß er sich darein finden — Röschen hat daS Recht, frei zu wählen." „Hier bandelt sich « nickt um NöSchen's Recht, sondern um ihren Verrath an einem braven Mann." „Aber ick habe ja doch gar nickt« Schlechtes begangen". v«rth«»digte sich Röschen. „Wenn ich Frau Baronin werben kann, gebe ich dem Dietz den Laufpaß. DaS machen Andere gerade so", schloß sie schnippisch. „Und daS Wort, welche- Sie Dietz gegeben?" fragte Gabriele traurig. „Ach, ich war noch viel zu jung, al« ick'S ihm gab — ich kannte da« Leben »och nickt. Als Bernhard'« Frau müßte ich arbeiten, und als Frau Baronin brauche ich - nicht zu tbun. Ich wär' ja eine Närrin, wenn ich mein Glück von mir stieße!" Gabriele schwieg entmuthigt — wie sollte sie diesem oberflächlichen, eitlen, grundsatzlosen Gescköps gegenüber mit Warnungen durchdringen ? Sir wollte noch einen letzten Versuch wagen — schlug auch dieser fehl, dann war sie zu Ende mit ihrer Weisheit. „Röschen", begann sie sanft, „glauben Sie mir — er täuscht Sie — er denkt nicht daran. Sie zu heirathen — und ich kann'S beweisen", schloß sie tiefausathmcnd. „Beweisen? Ei, da bi» ich neugierig", ries die Frau lachend, während RöScken in stummem Sä recken aus Gabriele blickte. „Ich würde unter andern Umständen nicht davon gesprochen haben", sagte Gabriele gelassen, „aber Lieutenant v. Raven verdient keine Schonung, und so sollen Sie wissen, daß er mir in Baden-Baden einen richtigen HeiratbSantraa gemacht bat." RöScken stieß einen Wutbschrri aus, und Gabriele s»br fort: „Er batte seine Absicht schon früber der Gräfin KronfelS mitgetbeiff — ein Mann, der am Morgen um die Herrin und am Abend desselben Tage- um deren Dienerin wirbt, ist Beider unwürdig, wie er denn überhaupt jedes anständigen Mädchens unwertb ist." „Und Sie — was antworteten Sie ihm?" fragte Röschen athemlo« „Ick wie- ihn ab." „Wie — Sie wiese» ibn ab?" rief das Mädchen ungläubig. „Ich sagte es Ihnen bereit«." „Und wer bürgt mir dafür, daß Sie die Wahrheit sprechen?" „Da« Wort der Baronesse von Dohntz(', versetzte Gabriele kühl und stolz. Röschen brach in ein verzweifeltes Schluchzen aus »nd rief außer sich: .Hätte ich so viel Geld wir Sie. dann dächte er nicht daran, Sie zu nebmen, denn ich gefalle ibm weit bester!" Die Andere batte inkeß starr nach dem Marktplatz hinab- gesehen, dort am Brunnen stand schon seit etlichen Minuten rin großer Mann, und letzt kam ein zweiter Mann des Weges und blieb bei dem Ersten sieben. Dir Gesichter der Beiden vermochte die Frau nicht zu erkennen, aber sie sah an dem Rock des zuletzt Gekommenen blanke Knöpfe blitzen, und das gab ibr zu beulen. Nach Gabrielen» letzten Worten blickt« sie finster aus die junge Dame und sagt« dann achselznckeod: »ach Ueberschwemmungen geschehen ist. Aber mit diese« Vorbehalt spricht hier Alles für ausgiebige Etaatshilse. — Dirkrouprinzessi» von Schweden ist mit ihren Löhne» über Warnemünde nach Schweden weitcrgerrist. — Dir Ankunft des englischen Bevollmächtigten EoasulS Smith in Berlin, soll nach der „N. Pr. Ztg." für Ende diese- Monats sicher sein, so daß die Berathungen über die eodgiltige Feststellung der Kilimandscharo-Grenze zum Anfang nächsten Monats beginnen können. — Die Bereinigten Staaten von Amerika werden künftig in Berlin auch einen Marine-AttachS haben. Er ist beim Deutschen Reiche, Oesterreich-Ungarn und Italien beglaubigt und heißt Breenland; der Militair-Attachö ist Lieutenant Evans. — Der BundeSrath hat in seiner heutigen Sitzung dem Entwurf eine-Gesetze« gegen den Verrath militairi- schcr Geheimnisse nach den Beschlüssen deS Reichstage« die Zustimmung ertheilt. Desgleichen wurde dem mündlichen Belicht des II., IV. und VII. Ausschusses über den Entwurf eines Gebührentarifs für die Strecke Holtenau-RcndS bürg de« Nordostseecanals und dem mündlichen Bericht de« lV. Ausschusses über die Borlage, betreffend die aus der inter nationalen SanitätSconferenzrn Dresden Unterzeichnete Uebereinklinft, die Zustimmung ertheilt. — Tie nächste Sitzung des Ausschusses der ReichS- commission für Arbeiterstatistik findet am Donners tag, den 29. Juni, im ReichSamt de« Innern statt. Dabei konimt, dein „Schw. M." zufolge, zur Verhandlung der Antrag Siegle, der eine Anregung zur Organisation einer allgemeinen Lohustatistik im Reiche gegeben hat, in dem er die berussgenossenschastliche Lohnstatistik zur Grund lage allgemeiner Lobnerhebungrn machen will. Der Direktor des statistischen Amts deS Reiche-, vr. von Scheel, hat zu diesem Zwecke, den Antrag Siegle vorbereitend, eine Denkschrift au»gea,beitet, welche eine Zusammen stellung der bereit- bekannten Veröffentlichungen über Lohn» statistiken giebt, um auf Grund dieser Vorarbeiten möglichst bald unter Anualnne deS Antrag» Siegle zu greifbaren Ergebnissen zu gelangen. Am nächstfolgenden Tage, am 30. Juni, wird die ganze Commission zusammentreten, um die Erhebung über die Havdelsgehilsen durckzuberathen und bezüglich der Untersuchung der Müllereiverhältnisse zu endgiltigea Beschlüssen zu kommen. — Der „Voss. Ztg." war berichtet worden, einer der activen Minister habe erklärt, erwerbe im zweiten Wabl- kreise für Virchow stimmen und balle die gleiche Ab stimmung aller confervativen und national-liberalen Mäkler dieses Kreises für geboten. Die „Krcuzztg.'t hielt die« für eine Erfindung, weil „nicht ein einziger acliver Minister im zweiten RcichStagSwablkreiS wvbnt, daher kein activer Minister in die Lage, für Virchow stimmen zu können, kommt." DaS ist richtig und trotzdem war, der „N.-Z." zu folge, die Mittheilung der „Voss. Ztg." in der Cache zutreffend, wenn auch in der Fassung incorrrct. In einer größeren Ge sellschaft, auö welcher der Vorgang in ziemlich weiten Kreisen bekannt geworden, bat der betr. active Minister die Bemerkung gemacht, er als Wäbler deS I. Wahlkreises werde in der Stich wahl für Herrn LangerhanS stimmen, »nd er würde, wenn er im ll. Wahlkreise wohnte, für Herrn Virchow stimmen — natürlich nickt au» Bewunderung für die Politik dieser Herren, sondern weil ihre Gegner Socialdemokraten sind. — Die angeblich gegen den Finanzminister Miquel ge richtete Druckschrift „Pharisäer und Heuchler oder die Leuchten de« deutschen Parlaments und die Stützen deS Staates" von dem Antisemiten Rudolf Plack PodgorSki ist gestern Nachmittag bei dem Verleger Gust. Ad. Dewald, beschlag nahmt worden. — Der Vorstand de- nationalliberalen Vereins in Berlin veröffentlicht folgende Aufforderung: „Wir er suchen unsere Mitglieder und Gesinnungsgenossen, bei Len Stichwahlen für die Candidatcn der freisinnigen Volkspar tri zu stimmen." — Verbältnißinäßig die meisten Stichwahlen hat die Richter'ickc Volkspartei in Schlesien, e» sind Brieg, Schweidnitz, Grünberg, Sagau, Glogau, Buozlau, Iauer, Görlitz, alle mit den Confervativen. Da das Cent rum nun in den meisten Wahlkreisen beschlossen bat, für die con- serva tiven Candidaten einzutreten, so dürfte auch ein Theil dieser Wahle» für die Freisinnigen verloren sein. — Tie „Sportwelt" batte dieser Tage die Einsendung eines Herrn G von Stein, der jetzt in Ostpreußen als konservativer Candidat gewählt ist, gebracht, in der die Leitung der Badener Wettrennen aufgcfordert wurde, die französischen Pferde von der Concnrrenz auSznsckließeu, weil ein Pariser Blatt aus Anlaß der Nennung von „Funny Face" beleidigend« Leußerungen gegen Dentschland veröffentlicht hatte. Ans diese Einsendung erwidert Herr Ulrich von Oertzen al- Mitglied der Badener Rennleitung in dem selben Blatte: „Wenn einige französische Hetzblätter sich so weit vergesse, konnten, io eben», gedöfiiger wie lächerffiher Kris« über da- etwaige Laufen von „Funny Face" in Paris zu sprechen, so ist die« Gebühren von der ganzen gebildeten Kelt vernriheilt worden. Wir können eia derartig,« Benehmen nur mit Verachtung strafen: Repressalien dafür zu üben, wäre meiner Aiisccht nach unter unserer Würde, und inir würden dadurch in deajetbea Fehler verfallen, den wir mit Recht so streng tadeln. Ich werde daher alles daran setze», dah gerade jetzt den Franzose» der Besuch der Renne, iu Baden-Baden nicht verschlossen werde, und mich frrnen, wenn diejenigen Franzosen, welche ebenso anständig denke», wie wir. un« zu dem sportlichen Turniere ans dem Jssezheiiner Rasen besuchen. Ich bin iia Gegensatz zn Herrn von Stein der Meinung, daß von einer Berletznng der brutschen Ehre durch die Zulassung der sranzäsiiche, Rennpferd« in Baden-Baden nicht die Rede sein kann; die deutsche Ehre steht zu hoch, al- daß sie durch eine derartige Maßnahme verletzt werden könnte." * Lübeck, 22. Juni. Bei der heute stattgehabten ReickS tagS-Stichwadl erhielt vr. Gorrtz (freis. Vergg.) 8023 Sr., Schwartz (Soc.) 7869 St. Erstem ist somit gewählt.— Die Socialdemokraten haben also auch die zweite Hansestadt, die sie bisher im Reichstage „vertraten", verloren. * Oldenburg, 22. Juni. Der Ausschuß der national liberalen Partei fordert die Parteigenossen aus, in der Stichwahl für den Freisinnigen Traeger zu stimmen. Halle a 2-, 22 Juni. In den „Kaisersälea" fand heute Abend eine äußerst zahlreich besuchte Versammlung liberaler, aationallideroler, deutjchjvcialrr, freiconservaliver und coaservativer Wähler stau, um den gemeinsamen Landidaten in der Stichwahl, Hern, vr. Alexander Meycr-Berlia, zu hören. Derselbe kenn- zeichnete an der Hand der mit de» Vorständen der recht- stehenden Parteien vereinbarten Punkte, siir welche einzutreten er sich verpflichtet hat, seinen politischen Standpunct, mit dem sich die Anwesenden einverstanden erklärten. Die folgenden Redner, Vertreter der einzelne» politischen Parteien, ersuchten die Anwesenden dringend, am Sonnabend allejammt für Herr» vr. A. Meyer einzutreten. Auch der Borstaud de- Bundes der Landwirthe zur Len Saatkrecs fordert all« Landwirthe und landwirthjchostlichen Arbeiter de- Saaltreise- ans, bei der Stichwahl für vr. Alexander Meyer ihre Stimme obzugeben, und ersucht die Vertrauensmänner des Bunde-, darauf hinzuwirkcn, daß bei der bevorstehenden Stichwahl Mann für Mann für die Wahl de- liberalen Landidaten ein- trete, damit sich da- kläglich« Schauspiel von 1890 nicht wiederhole. ö Raumbnrg a 2.22. Juni. Die freisinnigen Wahl vereine des Wahlkreises Naumburg-WeißensrlS-Zeiy haben zur Stichwahl keine bestimmte Stellung genommen, sondern überlassen eS jedem einzelnen Mitglied! und Parteigenossen für den nationalliberalen Candidaten (Präsident Güulber) oder den socialdenirssatischen (Redakteur Hoff man») nach eigenem Ermessen sich zu entscheiden. lI Weimar, 22. Juni. Ta- hiesige liberale Blatt „Deutsch land" ist gestern für di« hiesige Calrrne verboten worden. Dem Austräger, der die bi-her in der Lasern« gehaltenen Eremptare be- stellt«, ist di« Weiterbestellung vo» der Militairbehörde untersagt worden. Lin Grund ist nicht angegebea, auch nicht dem Verlage oder der Redaction. Letztere kann die Beranlasjuiig zu der Maß- reget nur darin erblicken, daß da- Blatt wie di» Ausruse aller Parteien auch Wahlaufrufe der jocialdemokratischen Partei im Anzeigentheile veröfientiicht hat. (Sollten die Aufrufe der Weimarer Socialdeniotralen in dem Ton gebalten sein, welchen die Leipziger „Genossen" in den ihrige» aozujchlageu würdelos genug waren, so könnte man sich über da« Verbot der Militairbehörde nicht wuoderu. Red.) * Lrfurt, 2l. Juni. Dir hiesigen Freiconservativen und Nationalliberalen haben beschlossen, in der Stich tvabl für den Candidaten der Deutschcouservativr», den Schneidermeister IacobSkottcr, zu stimmcu. Die Er klärung der Freisinnigen steht noch au«, doch glaubt man hier allgemein, daß diese sich der Wahl enthalten werden. * Meiningen. Zur Steuerung der Futternoth hat der Herzog angcordnet, 400 Stück seiner Hirsche sofort ab- znschießen und nur 200 am Leben zu lasten, die Wildparks zu offnen und da« auf den Waldwiesen wachsende Futter den Futlerbedürstigcn abzulafscn. Von der Staalsrcgieruna ist außerdem verfügt worden, der Landwirthschaft mit Wald streu rc. zu Hilfe zu kommen. * Dortmund, 22. Juni. Die CentrumSpartei prc- clamirt für die Stichwahl zwischen Möller knat.-lib.) und Tölcke (Soc.) Wahlenthaltung. * Idstein, 22. Juni. Ter Vorstand der freisinnigen Volkspartei beschloß, für den Nationalliberalen Westernach« einzutreten. * Tarmstsdt, 22. Juni. In der Stichwahl werden die Antisemiten im Wahlkreise Darmstadt-Groß-Geran für den nationalliberalen Candidaten stimmen. (F. Z.) „Ich bab'S Röschen immer gesagt, daß sie närrisch sei, seinen Schwüren :u glauben, aber sie wollte nicht Horen. Wenn sic indeß in ibr Unglück rennen will, ist'S nicht Ihre Sacke, fondrrn Rösche»'«, sollt' ich denken. Es wäre Ihnen ja vielleicht nicht angenehm, wenn Andere hörten, daß dem Herrn Baron Ihr Dienstmädchen Keffer gefällt al« Sie selbst, aber dergleichen hat man schon öfter erlebt. Bequemer wär'S Ihnen lrettich, wenn Röschen ihre» Steinmetz heirathete — dann könnten Sie ein Auge zudrückeu und Ihren Baron doch noch nehmen, he?" „Nein und tausendmal nein", rief Gabriele entsetzt. ,,Wissen Sie, weshalb ich beute Abend hierher kam? Weil Graf KronfelS die Verabredung zwischen RöScken und — jenem Manne hörte, weil Dietz de« Grasen Freund ist und der Graf RöScken als unter seinem Schutze stehend betrachtet. Graf KronfelS bat mich, an seiner Statt birrbrr zu eilen — er wird auch da« Weitere in RöSchen's und seine« Freunde« Dietz Interesse ordnen ; er ist edeldenkcnd und großherzig wie Wenige". GabrielenS Stimme brach, und sie wankte sich ab, um >hr« Erregung zu verbergen, während die Frar nachdenklich sagte: „Graf KronfelS, der Krüppel, hat sich um Röschen und um Dietz gesorgt!" „Ja, der Krüppel, in dessen siechem Körper eine weit edlere Seele wohnt, als in der tadellosen Gestalt de« Barons von Raven", sagte Gabriele stolz. „RöScken, es thut mir leid um Dich, aber ich glaube der Dame", bemerkte die Frau trocken; „Sie müssen wissen", wandte sie sich dann zu Gabriele, „daß sie mir immer sagte, Sir wollten ihr den Baron wegnehmeu, und ich hoffte, Sir würden geschlagen lverdeu." „Aber Sie kannten mich ja gar nicht, wir kamen Sie dazu, Mick zu Haffen? Ich sab'S schon damals, al« ich an Ihnen vorbeikam, an Ihrem Blick, daß Sie mich haßten!" „Ganz recht, ich haste Sie, aber es ist «ine alte Geschichte", antwortete die Frau finster. „Einerlei, sagen Sie mir » dennoch!" „Sie würden mich nicht derstehea " „vielleicht doch." Ob dir Frau dem trensesten Blick der schönen Lugen glanbtel Sir dehnte und reckte sich und fragte daun plötzlich: „Haben Sie schon Hunger und Frost gelitten?" „Hunger und Frost?" wiederholte Gabriel« verstänbnißlos, „Wie meinen Sie das?" „Ob Sie je gefroren und gehungert haben, ohne zu wissen, wir dem Einen und dem Andern avzuhelsr« sei?" „Rein — niemals", sagte Gabriele lrffr. „Und Sie wissen auch nicht, wir'» tbnt, wenn man ge treten und geschlagen wird nad als ersten Morgeagrnß Flüche hört?" Gabriele schüttelte stumm den Kopf. „Dann können Sie auch nicht wissen, wie mir'« zu Mutbe war, al» ich nach einer Kindheit, die reich an Hunger, Frost, Flüchen und Schlägen war, mit 16 Jahren als Dienerin ,n ein feine« HauS kam", fuhr die Frau eintönig fort. „Ich war hübsch, ich war fleißig und anstellig, und so gewann ich rasch die Gunst der Herrschaft, und ich war so froh über die Güte und Freundlichkeit, mit der mich Alle behandelten — besonders der junge Baron mit seinem schöne» Gesicht und seinem heitern Lachen hatte eS mir angethan, und ich glaubte «» ihm auf« Wort, als er mir sagte, ich sei schön und er liebe mich und wolle mich heirathen! Und daun fiel ich in Schande — sie jagten mich auS dem Hause und sagten, ick sei an Allem Schuld — junge Herren ließen sich gar zu leicht verführen! — Doch trugen sie Sorge, die Sacke möglichst geheim zu halten, denn der Baron sollte seine Cousine heiratbcn und die mußte geschont werden! .. Ich lag lange im Spilal, »nd als sie mich entließen, wußte ich nicht, wober Brod für mich und mein Kind nehmen. Ach, eS war ein so schönes Kind — zart und rosig, mit blauen Augen und hellblonden Locken; ich war stolz aus de» Kleinen, und da sagten die Leute, ich sei ganz und gar verworfen! Ach und ich arbeitete so gern für uuS Bride — eS durfte dem Kinde an nicht- fehlen, und wrnn ich Abend« todtmüde au< der Fabrik heimkam, wusch und nähte ich die Nacht hindurch, um ihn frisch und rein zu halten. Aber eine« Tage« kamen seine Damen au« Ihrem Stand. Baronesse, und al« sie hörten, daß ich erst t 7 Jahre alt sei, verdrehten sie die Augen und sagten, ich verdiene e« gar nicht, daß mein Kind so schön und kräftig sei. Und dann beredeten Ke mich, da« Kind tagsüber in ibrr Krippe zu bringen — dort fei es besser aufgehoben, al» daheim, wo eine Nachbarin e» pflegte, bi» ich Abends heimkam, und ich glaubte ihnen, ich trug meinen Schatz jeden Morgen, bevor ick zur Arbeit ging, bin. O, wie ich mich aus den Abend, auf de« Kinde« srobe« krähen, ans da« Strampeln der rosigen Beinchen freut«! Aber als ich eine« Abend« kam, es abzuyolea, fand ich « steif und todt — sie sagten, e« hätte Krämpfe bekommen, aber ich wnßte, wenn ich e« bei mir gehabt hätte, wäre e« nicht ge storben. — Um mich zu trösten, sagten sie, das Kind sei bei Gott besser aufgehoben, als bei seiner Mutter, die noch so jung und schon so verworfen sei — ja, da« sagten sie, und da wundern Sie sich, Baronesse, wenn ich Ihre ganz« Brut haffkl" >,Aber Sir glauben doch nicht, daß Alle so grausam «ad hartherzig find, wie jene?" sagte Gabriele schaudernd. (Fartfetz,^ folg.)
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