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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.06.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930627021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893062702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893062702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-06
- Tag1893-06-27
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vez«g»^Sret» A d« tzoptiMditto» »der de» i« Stad^ b«irk »nd dm Vorort»» errichteten An«, gavestrve, «bgeholt: vierteljährliche4.50, »ei jwrtmaliger täglicher Zustellung in« tau« e Ü.ÜO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,äbrlich e 6.—. Direkte tägliche Areuzbandiendung tu- Au-land: monatlich e 7.50. Dir M orgkn-Au-gabe erscheint täglich'/,? llhrz dir Abend'Au-gabe Wochentag- b Uhr. Ledartion und Lrpeditioar Äotz«»ne«,asfe 8. Di« Tipedition ist Wochentag« unnutrrbrvchr» geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. /Malen: vtt» «e»m « G«rtt«. tAlfrr» Hatzujd UniversitätSstraß« 1. Laut« L-sche, -atharinenstr. 14, pari, und König-vlatz 7. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzetgen-PreiA die Sgespaltme Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter demRedaction«srrich (4 g«» spalten) ÜO^, vor den Familirnnachrichte» <6 gespalten) 40 GrShere Schrillen laut unterem Prei«. verzeichniß. Tabellarischer und Zisfernjatz nach höherem Tarif. 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Freilich ist man bei einem Tbeile der Gewählten noch nicht völlig über ihre Parteistellung klar; aber im Großen und Ganzen dürfte doch zutreffen, daß unter den 382 Gewählten sich 73 Conservativc» 21 Mitglieder der Reichspartei, 50 Nationalliberale, 90 Mitglieder des CentrumS, 21 der freisinnigen Volkspartei, 14 der freisinnigen Vereinigung, 12 der süddeut schen Bolkspartei, 7 Welfen, 19 Polen, 18 Anti semiten, 9 Elsässer, 2 Wildliberale und 46 Social demokraten sich befinden. Da im aufgelösten Reichstage 5 Mandate erledigt waren und unter den 392 Mitgliedern 66 Deutschconservalivc, 18 Mitglieder der Reichspartei, 107 Mitglieder des CentrumS (einschließlich der Welfen), 16 Polen, 42 Nationalliberale, 66 Mitglieder der Freisinnigen Partei, 10 süddeutsche Volksparteiler, 36 Socialdemokraten und 6 Anti semiten sich befanden, so ergiebt sich, daß die Deutschconservativcn bis jetzt einen Zuwachs von 7, die Rcichspartei einen solchen von 3, die Nationallibcralen von. 8, die freisinnige Volks partei und die freisinnige Vereinigung zusammen einen Ver lust von 31, die süddeutsche Bolkspartei einen Zuwachs von 2, die Polen einen solchen von 3, die Antisemiten einen solchen von 12, die Socialdemokraten einen solchen von lO und das Centrum mit Einschluß der Welfen einen Verlust von 10 Mandaten erlitten haben. Den größten Zuwachs haben somit bisher die Antisemiten, den größten Verlust die ehe maligen Deutschfreisinnigen zu verzeichnen, die überdies in zwei Gruppen gespalten zurückkehren. Die Resultate der bis jetzt noch nicht bekannten 15 Wahlen werden dieses Stärkeverhältniß der einzelnen Parteien Wohl nicht wesentlich verändern; allenfalls dürften die Nationalliberalen noch einen verhält- nißmäßiq größeren Zuwachs zu erwarten haben. Und da der in Straßburg und Hamburg gewählte Abg. Bebel das letztere Mandat angenommen bat, so ist auch die Hoffnung nicht unbegründet, den nationallibcralen vr. .Petri noch im Reichstage zu sehen. Ob alle Polen für die Militair- vorlage eintrctcn, ist noch ungewiß und völlig im Unklaren ist die Haltung der meisten Centrumsmitglieder in dieser Frage. Die von vielen Blättern angestellten Wahrschcinlich- keitSbercchnungen über daS Schicksal der wichtigsten Vorlage der bevorstehenden Reichstagssession sind also vorläufig noch ohne Werth. Während die Aussichten der zum Uebermaße erörterten Militairvorlage im neugewählten Reichstag nock> der völligen Klärung harren, ist mit Bestimmtheit vorauszusagen, wie sich die Mehrheit in einer plötzlich und überraschend aufactauchtcn Frage verhalten wird, falls der Reichstag mit ihr besaßt werden sollte. Einem „Zollkrieg in Sicht "-Artikel der „Köln. Ztg." ist rasch ein Art »er rusfischc» Negierung ge folgt, den man wobl als ein Ultimatum betrachten muß. DaS im volkSwirthsckaftlicken Tbeile unserer gestrigen Abend ausgabe mitgethcilte Decret des Zaren ordnet nach berühmten Mustern die Einführung eine« Doppeltarifs in der Weise an, daß der gegenwärtige Tarif als Minimaltaris zu gelten hat und den Ländern zugestanden wird, welche die russischen Produkte unter den günstigsten Bedingungen zur Einfuhr zulasten. Anderen Ländern gegenüber kann der neue Maximaltarif, welcher die Zollsätze um 20 und 30 Procent höher bemißt, in Anwendung gebracht werden. Zu den Ländern, welche die wichtigsten russischen Ausfuhrartikel unter den günstigsten Bedingungen zulasten, gehört Deutschland bekanntlich nicht. Seit Inkrafttreten der Handelsverträge vom 1. Februar 1892 zahlt russisches Getreide 1 ^ 50 -s mehr als österreichisches, amerikanisches, indisches rc. Um diese Differenz zu beseitigen, führt Rußland seit geraumer Zeit mit Deutschland jene Ver handlungen, die so viel Beunruhigung in unsere landwirth- Offene Pforten. 23j Roman von B. W. Howardt. Nachdruck rrrdotkn. (Fortsetzung und Schluß.) „Gewiß, Baronesse — ich fürchte, Tietz hat -Kummer, und Sie werden ihn trösten. ES bandelt sich wahrscheinlich wieder um Röschen, die Ihnen so viel Noth gemacht hat." „Nun, ich werde Ihnen später berichten, was es war", sagte Gabriele hastig, „denn, Gras Hugo, ich muß fort." Sobald die Gräfin weggesahren war, begab sich Gabriele auf die nach LeSlach führende Straße, wo Tietz im SonntagSanzug mit verlegenem Gesicht neben einer Droschke stand und das gnädige Fräulein bat, einzusteigen. Gabriele that'S, er setzte 'ich ihr gegenüber, und der Wagen rollte dem Dorfe zu. Gabriele dachte an daS letzte Mal, da sie diesen Weg um Mitternacht und allein zurückgelcgt, und seufzte leise. Dietz hatte freilich keine Ahnung von jenem nächtlichen Ausflug, und sein Gesicht erschien Gabriele sogar freudig erregt. Jetzt hielt der Wagen vor einem engen Hof, in welchem Schaarcn von Kindern spielten. Tietz half Gabriele bein AuSstcigen und schritt ihr voran über den Hof zu einem Schuppen, dessen Ibür er ausschloß und. sobald Beide eingctretcn waren, wieoer verschloß. In der Milte des sonst leeren Raumes stand eine Art Gerüst oder was eS sonst sein mochte, eS war mit Weißen Tüchern verhängt und machte auf Gabriele, die es erstaunt betrachtete, einen gespenstischen Eindruck. Dietz näherte sich dem jungen Mädchen und versuchte zu sprechen, aber seine Erregung ließ ihn kein Wort hervorbringen. So schüttelte er denn lächelnd den Kopf, trat an daS Gerüst und entfernte die verhüllenden Tücher. Und nun sab Gabriele, daß daS, was sie für ein Gerüst gehalten, die ia Lebensgröße ,n Tbon modellirle Gestalt eines Mädchen« war! Da« in spärlichem Faltenwurf bis über die schaftlichen Kreise getragen haben. Die agrarischen Besorg nisse waren unbegründet, denn wie sich jetzt herausstellt, haben die Verhandlungen zu einer größeren zollpolitischcn Ent fremdung, statt zu einer Annäherung geführt. Der neue russische Marimaltarif ist offenbar gegen Deutschland ge richtet, er enthalt an Prohibition beranreichende Sätze für die specisisch deutsche chemische Industrie, für unsere Eiscn- und Maschinenfabrikation, die deutsche Baumwoll- und Woll- waarcnindustrie und für zahlreiche andere Erzeugnisse, mit denen Deutschland bei der russischen Einfuhr immer noch in hervorragendem Maße betheiligt ist. Die Anwendung deS MaximallarisS ist auch nicht obligatorism gegenüber allen Staaten, die Rußland nicht die günstigsten Einfuhrbe dingungen gewähren; eS bleibt Vorbehalten, „wann und gegen welche Länder" er in Kraft treten soll. Die Dinge haben mithin einen den allgemeinen Erwartungen oder Befürchtungen entgegengesetzten Verlaus genommen. Ruß land strebt nach Ermäßigung für seine wichtigsten Aus fuhrerzeugnisse, die lankwirtbschaftlichen; da die wichtigsten deutschen Ausfuhrerzeugnisse schon jetzt mit geradezu exorbi tanten EinganzSzöllen belegt sind, so erschien eS selbstverständlich, daß auf diesem Gebiete die russischen Gegenleistungen zu suchen und zu finden waren. Was geschieht nun? Statt eine Ent schädigung zu bieten, gedenkt Rußland, für die Aushebung der durch die Handelsverträge geschaffenen, ihm ungünstigen Neuerungen durch weitere Erhöhung seiner riesenhaften Zölle Deutschland vor ein ungünstiges novum zu stellen. Der Petent von gestern spielt sich als Erpresser auf. Kann man in dieser Entwickelung unmöglich einen Erfolg der deutschen Diplomatie erblicken, so ist doch anzuerkennen, daß die wirthschastliche Position Deutschlands in diesem Streit bis zur Stunde nicht gelitten hat. ES bandelt sich nun darum, auch in Zukunft fest zu bleiben. Läßt Rußland seinem Ultimatum die Kriegserklärung folgen, so ist die Aufgabe der deutschen Regierung vorgczeichnet: stärkste Erhöhung deS Zolls aus russische Ausfuhrartikel, namentlich auf Roggen. Die Umstände werden den deutschen Widerstand außerordentlich begünstigen, jedenfalls mehr, als eS von der „diesseitigen" diplomatischen Geschicklich keit zu erwarten ist. Einmal hat sich, wie wir vor einiger Zeit eingehend dargelegt haben, zur Zeit der russischen Ausfuhrverbote herausgestellt, daß Deutschlai.d in Bezug auf seinen Roggenbcdarf auch in schlechten Jahren von Rußland unabhängig ist. Oesterreich-Ungarn, die Balkanhalbinsel, Belgien und andere Länder sind im Stande, das größte Manco zu decken, und dieser Zweck er heischt nur zum kleineren Theil die Manipulation, den ein heimischen Roggen auszuführen und dafür russischen zu consumiren. Sodann bietet der neugewählte Reichstag der Regierung dir volle Gewähr, daß sie in einem Zollkampf mit Rußland nicht im Stiche gelassen wird. Die constitutionelle deutsche Regierung wäre in diesem Falle noch günstiger gestellt, als die absolutistische russische, die bei dem Unter fangen, ihren durch Mißernten an den Bettelstab gebrachten russischen Bauern die Verwerthung künftiger guter Ernten zu erschweren oder unmöglich zu machen, sich nur auf die Bay»nette stützen könnte. Unsere Regierung wird in Petersburg hoffentlich keinen Zweifel obwalten lafscn, daß sic für die Dauer der Anwendung des MaximaltarifeS gegen Deutschland für die russische Regierung zollpolitischnicht zu sprechen sein wird. Unsere Industrie würde eine thatsächliche Absperrung der russischen Grenze selbstverständlich schwer beklagen, zumal in dieser Zeit der Stagnation. Allein sie ist viel widerstandsfähiger als die russische Landwirthschaft, und umsomehr bereit, in einem aufgedrungenen Kampfe auszuharren, als der Sieg mehr als die Beseitigung dcS Maximaltariss verheißt. Die deutsche Schutztruppe in Sndtvcstasrika sollte be kanntlich aus Wunsch des HauptmannS von Francois einige leichte Feldgeschütze erhalten. Die „Arcona" hat die Kanonen nach der Walsischbai gebracht, der dortige englische Beamte weigerte sich aber, wie die „Times" meldet, unter Berufung auf ein Gesetz der Capcolonie, die Beförderung nach dem deutschen Gebiet ohne besondere Genehmigung der Knöchel reichende Gewand ließ wohlgeformte Füße erkennen, deren einer zum AuSschrcitcn erhoben war; eine lose Blouse mit bis über die Ellenbogen aufgcstreiften Aermeln umhüllte die zarte Büste, die aus ein kaum dem KindcSalter entwachsenes Mädchen deutete. Der rechte Arm hielt einen gefüllten Wasser zuber aus dem zierlichen Köpfchen fest, während der linke lässig herabhing. DaS reizende Gesicktchen war halb zur Seite ge wandt — ein süßes Lächeln spielte um die vollen Lippen, und man meinte in dem zögernden Vorschreiten daS Bedauern zu erkennen,sich dem unterhaltenden Geplauder am Dorfbrunncn entreißen zu müssen. Ein Ausdruck blumenartigcr, mädchen hafter Frische lag auf den schönen Zügen — man sah, mit welcher Liebe der Künstler dies Werk seiner Hände geschaffen hatte. Gabriele blickte in wortlosem Entzücken auf die Statue, und Dietz sagte mit einem tiefen Athemzug: „Nun, da mir dies gelungen ist, bin ich bereit, zu sterben, nicht, daß ich gern sterben möchte, aber ich weiß, daß ick das größte Glück, das ich je erhoffen durfte, erreicht habe. Seit Jahren verfolgte mich die Sehnsucht, diese Gestalt auSsühren zu können — ich zählte kaum vierzehn Jahre, als ich in der abendlichen FortbildungSstunde mein erstes Epheublatt zur Zufriedenheit deS Lehrers modellirte, und schon damals faßte ich den Entsckluß, dereinst eine Statue zu entwerfen. — Aber eS ging langsam vorwärts; einer meiner Mitschüler war weit talentvoller als ich, und so wurde er zu seiner weiteren Aus bildung nach Rom geschickt, während ick zu einem Steinmetz hcranwuckS. Und ich wollte auck niemals Bildhauer werden; nur Röschen wollte ich so darstellen, wie sie mir stets vor Augen stand — ich versuchte eS unzählige Male, aber eS glückte nie. Ich wußte ganz gut, wie eS sein sollte, aber ich konnte eS nickt fertig bringen, lind dann sandte Graf KronfelS mich nach Italien, und waS ick so oft vergeblich versucht, ge lang mir nunmehr wie durch Zauberei. In Rom erst lernte ich so sehen, wie der Künstler sehen muß, um daS, WaS er erblickt, auch Anderen sichtbar zum Ausdruck zu bringen; dem Grasen danke ich die Erfüllung meine« heißen Wunsche-, und ich möchte es Keinem lieber danken, als ihm." Capregierung zu erlauben. Die deutschen Behörden erhoben selbstverständlich dagegen Einspruch, und erst darauf hin hat die Regierung der Capcolonie die Genehmigung crtheilt, daß die betreffenden Geschütze durch das cnglijche Gebiet tranS- portirt werden dürfen. Immerhin ist, wenn man bedenkt, daß Henrik Witboi in Walfischbai immer Unterstützung fand, daS vorher gekennzeichnete Benehmen des englischen Beamten in der Walsiichbai ein neuer Hinweis aus die freundschaftlichen Gefühle, mit denen man dort unten Deutschlands Vor gehen betrachtet. Wir haben unS bei dem deutsch-englischen Abkommen auch darin gründlich hinters Licht führen lassen, daß wir den einzigen Hafen an der Küste den Engländern ließen. Jedenfalls muß mit aller Energie darnach gestrebt werden, daß durch Anlage einer Mole an der Swakob- mündung wir endlich einen eigenen Landepunct erhalten und von englischen Liebenswürdigkeiten unabhängig werden. Um so unverständlicher ist das Benehmen, welches mau in Walsischbai beliebte, als die Verstärkung der Schntztruppe mit Waffen und Munition landen durste. Jetzt plötzlich wird den Geschützen der Durchgang versagt. Vielleicht ist daS die Folge der Niederlage Hendrik Witboi'S, denn aus Walstschbai stammten auch alle die Lügcnberichtc der cap- ländischen Presse, die den Deutschen die empörendsten Dinge vorwarfen. Frankreich bleibt das Land der Uebcrraschungen. Aus der HochvcrrathS-Angelegenheit, die gegenwärtig in Paris die Geniüther in Spannung erhielt, ist nun cndgiltig ein Fälschunqsproccß geworden. Der Neger Norton hat vor dem Untersuchungsrichter, wie bereits telegraphisch ge meldet, daö unumwundene Geständniß abgelegt, er habe die vielgenannten Actcnstücke gefälscht, um mit ihnen ei» schönes Stück Geld zu verdienen. Aber er fügt hinzu, diese Fälschung sei im Einverständniß mit Ducrel, dem Redacteur der „Cocarde", begangen worden, und dieser habe ihm die für seine possenhaften diplomatischen Documenle erforderlichen Hilfsmittel geliefert. Dies bestreitet Ducret durchaus; auch er will hintergangen worden sei». Die beiden Angeklagten wurden einander gegenüber- gestellt. Sie überhäuften einander mit den gröbsten Sckimpf- reden und der Untersuchungsrichter mußte sich ins Mittel legen, um einen Faustkampf zu verhüten. Es scheint nicht, als ob Millevope i» jenem Fälschungsprocesse eine andere Rolle als diejenige eines Zeugen spielen werde, aber auch unter diesen Umständen ist seine Stellung wenig bcneidenS- wertb. Er wird ohne Zweifel mit seinem Kumpan D6roulöde für eine gute Weile vom politischen Schau platz abzutreten haben. Um seinen Sitz für AmienS will sich, wie cs heißt, Goblet, der denselben schon vor ihm inne batte, bewerben. Döroulöde muß sogar auf seine Versöhnung mit Rochesort verzichten. Dieser hat ihm drahtlich gemeldet, er möge sich die Bußfabrt nach London ersparen, da sein Besuch nicht angenommen werde. — Die englische Botschaft läßt den Blättern eine Note dieses InbaltS zustcllen: „Alsr. Norton ist niemals in irgend einer Weise in der Botschaft beschäftigt gewesen; er war derselben völlig unbekannt bis zum März d. I. Damals bat er die Botschaft in seiner Eigenschaft als britischer Untertban, ein Gesuch zu unterstützen, welches er an die französischen Behörden richten wollte, um eine Stelle als ver eidigter Uebersetzcr für die engliscke Sprache zu erhalten. Die Botschaft bat das mit Empfeblungcn vcrscbcne Gesuch Norton'S auf amtlichem Wege dem Minister des Auswärtigen zugehen lassen; sic weiß jedoch bis beute nicht, ob dasselbe ciue günstige Ausnahme gefunden hat." DaS italienische Cabinet iCiolitti hat die drohende Krisis noch einmal überstanden. Die von dem Ministerpräsidenten in der letzten Sonnabendsitzung der Deputirtenkammcr ge stellte Vertrauensfrage hat ihm, einem von unS bereits gebrachten Telegramm zufolge, eine beträchtliche Mehrheit ge bracht, indem der von Giolitti bekämpfte Antrag Rudini aus Vertagung der Berathung des Bantgesetzes mit 238 gegen 143 Stimmen abgclehnt wurde, während sich Dietz sckwicg und blickte mit rührender Zärtlichkeit auf RöSchcn'S Ebenbild, und Gabriele fühlte ihre Augen feucht werden, als er nach einer Weile leise murmelte: „Gott segne Dich, mein Röschen — wenn eS mir nur ge lingt, Dich so glücklich zu machen, als Tu cü verdienst und ich eS ersehne." „Herr Dietz", sagte Gabriele ergriffen, „ich danke Ihnen für Le» Genuß, den Sie mir verschafft haben — o, waS wird Graf Hugo sagen!" „Ja — weil ich'S ihm nicht zeigen konnte, bat ick Sie, mich zu begleiten", entgcgncte Dietz einfach; „sobald die Statue in Marmor auSgcführt ist, soll er der Erste sein, der sie sicht. Und im October ist unsere Hochzeit, gnädiges Fräulein." „So hat RöScken sick endlich entschieden?" fragte Gabriele. „Ja, sobald ich zurückkam. Und ick werde viel Geld ver diene», gnädiges Fräulein, mein Professor, dem ich die Statue gestern zeigte, sagte cs mir, und o, wie gut soll'S Röschen naben! Und sie verdient'S. Sie ist so brav und so bescheiden und fleißig. Aber so war sie von klein auf — sie erschien mir immer wie der Sonnenstrahl, und cö ist mir wie ein Wunder, daß sic mich einfachen Menschen gewählt bat." Gabriele dankte im Stille» Gott, daß eS nicht ihre Aufgabe war, Dietz zu zeigen, wie RöScken in Wirklichkeit war, aber der Widerstreit der Empfindungen batte etwas Aufregendes für sie, und während der Heimfahrt sah sie so bleich aus, daß Dich fürchtete, sic möchte krank werden. In der Villa angelangt, eilte Gabriele geraden WegS in Hugo'S Zimmer, und in Thräncn ausbrechend sank sie mit dem AuSruf: „Hugo, Hugo!" in einen Sessel und schluchzte leidenschaftlich. Gras Hugo beobachtete sie sebnenden Blickes und pochenden HerzenS; daß er auck »och dergleichen tragen mußte! Wäre er ein Mann gewesen wie Andere, dann hätte er da« weinende, ausgeregte Mädchen in seine Arme, an sein Herz gezogen — er hätte ihr die Thräncn von den Augen geküßt und sie ge tröstet, wie nur ein liebender Mann ein Weib trösten kann! Ja, er liebte sie — was hals's, sich darüber hinwcgtäuschen zu wollen! Aber weil rr sic liebte, mußte er für sich und 21 Abgeordnete der Abstimmung enthielten. Schon die Sitzung vom vorletzten Montag, in der die Regierung die Anberaumung der ersten Berathung auf den vergangenen Sonnabend verlangte, hatte gezeigt, wo die Gegner deS Cabinets zu suchen sind; die extreme Linke hatte gegen den RcgicrungSantrag gestimmt und die Rechte hatte sich der Abstimmung enthalten. Wie damals, setzte sich auch am Sonnabend die Opposition auS den beiden äußersten Flügeln der Kammer zusammen. Die Linke stimmte ge schlossen gegen daS Ministerium und ein beträchtlicher Theil der Rechten gab seine Stimme nicht ab und unterstützte da durch die Opposition. Den erregten Charakter, den die Debatte am Sonnabend aufwies, zeigte diese auch bei der Fortsetzung der Berathung am Sonntag. In dieser Kammer- fitzung vom Sonntag entstand zwischen den Deputirten Aprile und Bclgiojoso ein Wortwechsel und dieser artete alsbald in eine regelrechte Schlägerei auS, die daS Dazwischenspringcu anderer Abgeordneten nöthig machte. Nur mit Mühe konnte man die Kämpfenden von einander trennen, und die Sitzung mußte auf kurze vertagt werden. Daß Aprile und Bclgioioso einander ihre Zeugen schickten, ist ein Vorgang, der in der italienischen Kammer ebenso wenig selten ist wie in der französischen; er zeigt aber die Erbitterung der Oppo sition und die Gefahr, die aus ihr fortgesetzt dem Bestand« deS Cabinets erwachsen kann. In dem StaatSprocesse gegen die Mitglieder de« früheren liberalen serbische» Cabinet« werden die betreffenden Bestimmungen der serbischen Verfassung zum ersten Male zur Anwendung gelangen, da seit der Schöpfung der serbischen Verfassung noch kein derartige- Verfahren durch- gesübrt ward. Nach dem Wortlaute der Constitution must die Erhebung der Anklage gegen ein Ministerium oder ein zelne Mitglieder desselben von mindestens 20 Abgeordneten in der Skupschtina beantragt werden. Erfolgt die Annahme dcS Antrages seitens der Volksvertretung, so wird eine von der Skupfchtina zu wählende Commifslon mit der Aus arbeitung der Anklageschrift betraut. Letztere gelangt dann vor den spccicll cinberufenen StaatSgerichtSboi, der auS Mitgliedern deS StaatSratheS unv des CafsationShoses gebildet wird. In diesen beiden Körperschaften ist derzeit, nebenbei bemerkt, das radicale Element allein ausschlaggebend, so daß die Durchführung deS Verfahren« bei dem «taat«- gcrichtshofe gewiß nicht auf Schwierigkeiten stoßen wird. Da« llrthcil wird vom StaatSgerichtShofe selbstständig gefällt und bedarf zu seiner RcchtSgiltigkcit keiner weiteren Bestätigung. Dem König ist allerdings durch die Verfassung das Begnadigungsrecht eingeräumt und man glaubt in Belgrad allgemein, daß er davon im Falle der Verurteilung der Mitglieder des Cabinets Avakumowitsch schon nach kurzer Frist Gebrauch machen werde. Zu berücksichtigen bleibt aber, daß der Monarch dieses Recht mit Bezug aus verurthcilte Minister verfassungsmäßig nur nach eingeholtcr Zustimmung der Skupschtina ausüben kann. Deutsches Reich. Berlin, 26. Juni. Kein Reichstag wird so viele neu« Mitglieder zählen und, thcils freiwillig, thcilS gezwungen, von fo vielen alten, vielgenannten Parlamentariern verlassen (ein, wie der soeben gewählte. Planche der jetzt auS dem Reichstag scheidenden Mitglieder wird man schmerzlich vermissen und ibnen ein freundliches Andenken bewahren, bei anderen macht sich der TrennungSschmerz weniger stark fühlbar. Bei den Conscrvativcn wird man u. A. vermissen die Herren Acker mann, Prinz Handjer», Hartman», v. Helldorff, Gras Udo Stol- berg, v. Henk; bei der NeichSpartei die Herren v. Keudell, Graf Bchr, Fürst Hatzscldt; beim Cent rum die Herren Gras Adelmann, Gras Ballestrem, Bichl, v. Gagcrn, v. Huciic, v. Psetten, Porsch, die beiden Grafen Preysing, v. Schalscha; bei den Nationalliberalen die Herren Büsing, Bubi. Endcmann, Scipio, Hastedt. Holtzmann, Götz, v. Hülst, Müllensiefen, Occkelhäuser, Psähler, Schneider, Petri; bei den Freisinnigen die Herren Bambcrger, v. Bar, auch für sie vernünftig sein. Auch für sie — sie war mit ihrem Kummer zu ihm geeilt — sic hoffte auf seine Theil- iiahmc! Im ersten Augenblick batte er nicht anders geglaubt, als seine Mutter habe ihre» Entschluß auSgefübrt und Gabriele entlassen, aber dann bescnn er sich, daß die Gräfin ja nickt zu Hause war, und außerdem hätte die Kündigung daS sonst so beherrschte Mädchen wohl kaum so aller Fassung beraubt! Nein, waS sic so aufregte, war gewiß fremdes Leid, und — o, wie hatte er das nur vergessen können — sicher handelte sich'S wieder um Röschen — war doch Gabriele in Leslach gewesen! Endlich beruhigte sick das junge Mädchen und, sich die Thräncn a»S den Augen wischend, sagte sie, mit einem schwachen Versuch, zu lächeln: „Wie gut Sie sind — ein Anderer würde zu mir gesprochen, mich gefragt habe» — Sie ließen mich rukig weinen, und das war das Beste. Ich bin sonst gar nicht so weichmüthig, aber eS überwältigte mich." „Sie sollten sich um des Mädchens willen nicht so ausrcgen", sagte Graf Hugo sanft. Sic blickte ihn fragend an. „Ach nein", ries sic dann lebhaft, „eS ist nickt so, wie Sie zu denken scheinen — eS ist etwas unendlich Schönes, wa« mich so fassungslos machte. In jener Nacht in Leslach, als ich so Trauriges veriiabm und sab, blieb ich ganz ruhig, aber Dietz mit seiner rührenden Güte und Sanslmutb brachte mich aus dem Gleichgewicht. Doch ich will Ihnen Alles der Reihe nach berichten, oder nein, nicht der Reibe nach — ich will mit dem Ende, mit beute ansangcn, damit Sie mich ver stehen." Und einen niedrigen Sessel dickt an Hugo « Lager schiebend, erzählte sie dem gespannt ausborckcndcn von dem Meisterwerk, welches der junge Künstler geschaffen, von der geradezu über wältigenden Liebe, welche Dietz für daS leichtsinnige Mädchen empfinde, und wie eS ganz unmöglich sei, daß diese große Liebe Röschen nickt »nt der. Zeit bessern und läutern werde. Und dann berichtete sie von jener Nacht m LeSlach, mehr al« ein-
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