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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930705027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893070502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893070502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-05
- Monat1893-07
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Der seltsamste ist jedenfalls der eines „freisinnigen" Blattes, die Thronrede habe den Gegnern der Mililairvorlage den Patriotismus nicht absprechcn wollen, und zeichne sich dadurch vortheil» Haft vor den Thronreden während der Aera Bismarck aus. Allerdings macken die Worte, die gestern der Kaiser an die neuen Abgeordneten richtete, diesen Gegnern keine direkten Borwürfe; aber waS diese Worte über die absolute Nothwendigkeit einer ausreichenden Stärkung unserer Wehr kraft sagen, ist jedenfalls alles Andere, als eine Anerkennung der Einsicht oder des Patriotismus jener Gegner, denen man nur empfehlen kann, die kaiserlichen Worte wiederholt obneParteibrille zu lesen. Wir selbst haben dem, WaS wir schon gestern über diese bochernste und eindringliche Kundgebung anSgefiibrt haben, beule nichts hinzuzufügen Nur »m zu zeigen, daß unsere AuSsührungen sich beinahe vollständig mit dem Urtbeile Anderer decken. lassen wir die Auslassung unseres Berliner ^-Correspondentcn über die Thronrede hier folgen: „Die Thron rede bat — gemäß den preußischen und deutschen Ueberliefcrungen — keine eigentliche Uebcrraschung gebracht. Sie beschränkt sich aus die Erwähnung berMilitairvorlagc, begründet dieselbe nochmals sachlich und knüpft zum Schluffe eine überaus zeitgemäße Er innerung an die Qpfer, welche die Einigung Deutschlands gekostet, die eindringliche Mahnung, das Errungene zu wahren. Der Ton der kaiserlichen Rede ist ebenso rubig als fest. Daß die Regierungen bei einer abermaligen Verwerfung der Heeresrcform sich nickt beruhigen würden und könnten, geht aus der Kundgebung deS Kaiser- unzweideutig hervor. Hinsichtlich der Deckung der Kosten äußert sich die Thron rede so, wie es durch die Lage der Dinge vorgeschrieben war. Ta neue DeckungSvorschläge in dieser Saison nicht gemacht werden, war eS untbunlich, der früheren Steuerenlwürfe nicht Erwähnung zu thun. die Geneigtheit, ganz oder zum größeren Theile andere Einnahiiiegncllen zu erschließen, geht aber auS den Worten deS Kaisers mit der erwarteten und erwünschte» Klarheit hervor. Sehr wohllhnend berührt es, daß cer günstige Stand der augenblicklichen europäischen Verhältnisse mitNachdruck hervorgebobcn wird. DieSpeculation aufdieAngst bleibt also nach wie vor vermieden. Unisowirksamer ist die Andeutung, daß die deutsche Wehrfähigkeit hinter der der Nachbarn in einer für die Zukunft die schwersten Besorgnisse erregenden Weise zurückgeblieben ist und sich sogar seit Ein bringung der Milirairvorlage für unS noch un günstiger gestaltet bat. Die politisch bedeutsamste Stelle der Tbronrede ist diejenige, welche eine rasche Er ledigung verlangt, weil eine Verzögerung bis zum Herbst sich mehr als zwanzig Jabre hindurch zum Nachtheil Deutsch lands fühlbar macken würde. ES ist dringend zu wünschen, daß der Reichstag diese» Wunsch erfüllt, indem er eine bei der erfolgten völligen Klarstellung der Heeressrage durchaus nutzlose Commisstonsberathung vermeidet." Das Ecutrum des preußischen Abgeordneten hauses bat gegen die Steuerreform gestimmt und es ist dadurch die Mehrheit für dieses GesctzgebunaSwerk, wenn sie auch noch immer groß genug ist, doch nicht so überwältigend ausgefallen, wie eö bei allseitiger rein sachlicher Bcbandlung des Gegenstandes der Fall hätte sein können. Das Cenlrum hat gegen die Steuerreform an sich nichts von irgend welchem Belang einzuwcnden, die Partei hätte auch, schon mit Rücksicht aus die Wünsche ihrer Wähler, den Vorlagen ganz sicher zugcstimmt, wenn nicht die Gewißheit gegeben ge wesen wäre, daß auch ohne ihre Mitwirkung die Gesetze zu Stande kommen würden. So konnte sich die Partei den wohl feilen Luxus der Ablehnung gestalten. Sie tbat dies mit dem Hinweis auf die den klerikale» Wünschen nicht entsprechende Gestaltung des Wahlgesetzes. Also weil ein mit der Steuerreform doch nur in begrenztem Zusammenhänge stehendes anderes Gesetz den Wünschen des EentrumS, das auch bei dieser Gelegenheit ein politisches Prositchcn machen wollte, nickt ganz entsprach, stimmte die Partei gegen eine große, wohlthätige Reform, gegen die sie sich kaum mehr die Mühe gab, materielle Einwendungen zu erheben. DaS soll eine sachliche, unbefangene Politik sein! Die Schacher praxis, die immer mehr in unser öffentliches Leben eir.zieht, ist dabei grell hcrvorgctreten, zum Glück aber abgewiescn Worden. Das Cenlrum hat aber wieder einmal unfachliche, illoyale, durch die nacktesten Partciinteresscn eingegebene Opposition-Politik getrieben. Daß eS damit abgcfallen, ist ein erfreulicher Zug in dem Bilde des jetzt zu Ende gehenden Landtages. In der zweiten Hälfte der vorigen Woche ist die Schweizer Bundesversammlung geschlossen worden, und wenn sich nicht etwas Unvorhergesehenes ereignet, waS eine außerordent liche Tagung des NationalrathcS nöthig macht, so bat die Bundesversammlung die lausende dreijährige AintS- dauer nunmehr hinter sich. Es war die 15. Legis laturperiode seit der Gründung des neuen Bundes 1518, eine Auflösung der Bundesversammlung fand nie statt, ruhig und unbeneitet konnten alle AmtSperiodcn ihre drei Jahre anSlebcn. Auch bei Neuwahlen waren Ueber- raschunge» selten, während der 45 Jahre parlamentarischen Lebens zog sich wie ein rolher Faden ein radicalliberalcr ug durch alle bedeutenden Beschlüsse; die uttramontane artei zählt im Nationalrath nur einige 30 Mitglieder, zu denen zuweilen 15 bis 20 conservative und mitunter auch die 20 gemäßigt liberalen Mitglieder deS schweizerischen Centrums stoßen, wodurch, wenn das Cartel fest geschloffen auflritt. eine Mehrheit möglich ist. Jedoch sind solche F^'le große AuSnahinen und waren in der Thal auch gegen,ik er der starken radicaldemokratischen Mehrheit der abgetaufeiien Amtsperiode nur sporadisch zu verzeichnen. Ob bei den kommenden Neuwahlen im October eine veränderte politische Constellation Platz greifen wird, ist heute schwer zu entscheide», da während der letzten drei Jahre keine politischen Ereignisse cintratcn, welche große Umgestaltungen von vornherein als wahrscheinlich hinstcllcn. Bon bedeutsamen Neuerungen, die über locale Interessen hinausreichen, beschloß die Bundes versammlung bloS die Erweiterung der Volk-rechte durch Ein führung der Verfassungsinitiative, die verfassungsmäßige Fest legung der Einführung des BanknotemnonvpolS, die Ein richtung einer eidgenössischen Kranken- und Unfallversicherung. Tic Bewegung für die Verstaatlichung deS Eisenbahn wesens scheiterte, die Reform der Bundesverwaltung blieb in den Anfängen stecken, andere Anregungen kamen nie zur Berathung. Die letzte Legislative hat Großes nicht geleistet, aber auch keine Fehler begangen, die eine dauernd nachhaltige Wirkung hervorriefen. Dieses allgemeine Urtbcil berechtigt zur Annahme, daß die Neuwahlen. Wohl manchen persönlichen Mandatwechscl bringen, nicht aber zugleich auch politische Verschiebungen in der Stärke der biSberigen Parteien nach sich ziehen werten. Die radicaldcmokratische Partei wird ihre Mehrheit behalten; die Gegner können einige wenige Sitze verlieren und die Socialdemvkraten außer ihrem jetzigen einzigen Vertreter höchstens einen gewinnen. Im Ganzen aber wird Alles hübsch beim Alten bleiben. Der Bestand des jetzigen französischen Cabinetö wurde in den letzten Tagen von der scandalsüchtigen Opposition der Teputirtenkammer auf eine nicht ganz unbedenkliche Probe gesetzt, welche Dupun indeß leiblich be standen bat. Die parlamentarischen Gönner der akade mischen Straßcnhelden deö Quartier latin brachten daö Treiben der studentischen Lärmmacher aus der Kammertribüne vor und verlangten nicht etwa Bestrafung der jugend lichen Radaubrüder, sondern im Äegentbcil der gröblich insultirtcn Sicherhcitsagenten, deren Eingreifen behufs Wieder herstellung der frivol gestörten öffentlichen Ruhe und Ordnung als „ungerechtfertigte Brutalität" hingestellt wurde. Ministerpräsident Dupuy versuchte in seiner Beantwortung der Interpellation daS Unmögliche fertig zu bringen, nämlich beiden Parteien Neckt zu geben, was zur Folge batte, daß er Niemanden zufrieden stellte, wohl aber die Opposition in ibrer herausfordernden Haltung noch mehr ermuthigte. Nach längerem Hin- und Herreden einigte man sich endlich auf eine Tagesordnung, die ebenso wenig wie die Erklärung Dupuy'S Hand und Friß batte, aber doch dem Be- dürfiiiß des Augenblicks genügte. Dieser ganze Zwischenfall ist bezeichnend für dieRegierungspraxis des jetzigen CabinclS. Das selbe fristet sein Dasein nur kraft der ibm innewohnenden vi» mertiao und der Scheu, die an tonangebender Stelle besteht, so kurz vor den allgemeinen Kammernenwahlen eine CabinetS- krise beraufzubcschwören. Ministerium und Kammermebrbeit suhlen sich gewissermaßen durch das Band der Jnteressen- solidarität an einander geknüpft. Die der Mebrbcit ange- bvrigcn Kammermitgtieeer hoffen, unter den Auspicien deS Ministeriums Dupuy, bessere Wahlgcschäfte als unter dessen Nachfolger, gleichviel wer das sein möge, zu macken, und Dupuy wiederum rechnet auf die Erkenntlichkeit seiner jetzigen parlamentarischen Gönner für den Fall ihrer glücklichen unver sehrten Rückkehr auS dem naben Wahlsetdzuge. So haben sich beide Theile stillschweigend das Versprechen gegeben, den Wider wärtigkeiten deS Schicksals die Stirn zu bieten. DaS Un- vorbcrgcsehcne freilich ist in diesem Programm nickt berück sichtigt; da dasselbe aber tagtäglich in den mannigfachsten Focmc,. zum Ereigniß werden kann, so ergiebi sich daraus für die tonangebenden politischen Factorcn der Republik die Nothwendigkeit, von der Hand in den Mund zu leben und mehr ans die Gunst des blinden Zufalls, als ans ihr eigenes staalSmännischeS Können und Handeln zu rechnen. Angesichts der ziemlich feststehenden Thatsache, Laß eine gütliche Einigung zwischen Frankreich und Siam aus sichtslos erscheint, und der weiteren Thatsacbe, Laß die Eng länder den sich weiter vorbereitenden Ereignissen mit be sonderem Mißtrauen cntgegensehcn, muß es von Interesse sein, einige berufene englische Preßstimmcn über diese Frage zu vernehmen. In dem „Ninetecnth Century" läßt sich des Weiteren Cnrzon über die Forderungen der französischen „Colonialchauvinisten", über die Rechte der Siamese», über den Ursprung und die möglichen Folgen deS jetzigen Streites aus; in der „Fortniahtly Review" behandelt Sir Richard Temple die Frage vom Standpunkte des indischen Staatsmannes, und in der „National Review" beleuchtet Gun dry, Lessen praktische Kenntniß der Schleich wege orientalischer Politik vielleicht obne Gleiche» ist, die frühesten Beziehungen zwischen Frankreich und Siam. Frankreich wünscht — ebenso wie den Rbein zur Grenze zwischen sich und Deutschland — den Mekong zur Grenze in Indo-China, obgleich Siam noch ein ungeheures Gebiet östlich vom genannten Flusse besitzt, während Groß britannien wegen seiner Besitzung Birma ebenfalls über ein bestimmtes östliches Gebiet Suzerain ist. Tic Franzosen streben nach dem Besitz jenes Gebietes nicht nur um des Gebietzuwachses willen, sondern weil sie, trotz aller gegen- theiligen jüngsten Erfahrungen, den Fluß als eine große Handelsstraße in die chinesischen Schanstaaten im Norden der Halbinsel betrachten; auch den Weg in die Laosstaaten im Cen lrum, die gegenwärtig noch im Besitze Siams sind, glauben sie durch die Beherrschung des Flusses gesichert. Nun aber fand Archer, der britische Consul in Nord-Siam,der jüngst den Mekong hinunterfuhr, um über seine Verwendung für HandrlSzwecke zu berichten, daß seine User saßt unbewohnt sind und dort von Handel gar keine Rede sei, während ja auch jeder französische Forscher in den letzten 20 Jahren fand, daß der Fluß wegen zahlreicher ungeheuerer Wasserfälle zur Schifffahrt durchaus ungeeignet sei. Die englischen Schriftsteller meinen nun, wie der Krieg um Tonkin eigenö unternommen wurde, um den Handel der südchinesischen Provinzen in die Hände zu be kommen, und seinen Zweck eingestandenermaßen verfehlte — so werde auch die französische Speculation in Bezug auf die handelspolitische Verwerthung deS Mekong und der Laos- staaten sehlschlagen. Für England ist die Frage keine handelspolitische, sondern eine rein politische. Siam im Osten des indischen Reiches ist, waS Afghanistan im Westen ist. England wünscht weder im Osten, noch ini Westen eine europäische Macht und möchte daher Siam frei sehen; denn die zwei Hauptaufgaben der englischen Orientpolitik sind: Siam als unabhängigen Staat zu er balten und den Emir von Afghanistan dem Einflüsse de« General - Gouverneurs von Russisch - Turkcstan zu entziehen. Es wäre daher kein Wunder, wenn die Franzosen — aus Selbstliebe wie aus Freundschaft zu den Russen — alles daran setzten, sich SiamS zu bemächtigen. Daß das frühere serbische Cabinet Avacumotvitsch in Anklagezustand versetzt werden soll, haben wir bereits gemeldet. Es erübrigt heute, über das dabei nach serbischem Gesetz cinzuichlagenke Verfahren das Nähere niilzulheilcn. Nach dem Gesetz über die Verantwortlichkeit serbischer Minister muß der betreffende Anklage-Antrag von 30 Tipuftrten ringebracht, schriftlich dem Präsidium der Skupschtina überreicht werken und eine genaue Formulirung aller Anklagepuncte enthalten. Der Präsident hat den An klage-Antrag sofort zur Verlesung zu bringen, ihn hierauf in Druck legen und an die Abgeordneten, sowie an die ange- sckiildigten Minister verthcilcn zu taffen. Binnen längstens fünf Tagen ist die Verhandlung hierüber in der Skupschtina aus die Tagesordnung zu setzen. Die angeschuldigten Minister werd»n zu dieser Sitzung vorgeladen und könne» sich münd lich oder schriftlich vertheikigen. Nach Schluß dieser Debatte wird geheim über den Ilebcrgang zur Tagesordnung abgestimmt. Beschließt die Skupschtina mit einfacher Malvrität den Ucbergang zur Tagesordnung, so ist der Anklage-Antrag beseitigt. Lebnl aber die Majorität den Uebergang zur Tagesordnung ab, so ist sofort mittelst geheimer Wahl ein Untersuchungs-Ausschuß von zwölf Depn- tirlcn zu wählen, in den jedoch die Unterzeichner des Anklage-Antrages nickt eintretc» können. Der Untersuchungs- Ausschuß bat die Angelegenheit zu prüfen, die Acten zu studiren und die Zeugen einzuvernehmen, sowie binnen einer von der Skupschtina zu bcstinimendcn Frist seine» Bericht zu erstatten und die Anklage zu sormuliren. Der Unter- tuchungs-Ausschuß kan» auch die Verhängung der Ver wahr n n g S h a f t über die angeklagten Minister be antragen, die von der Skupschtina mit Zwei drittel-Majorität beschlossen werden kann. Sobald der Fruilletoi». lieber Klippen. 7s Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verbalen. lFortsetzmig.l Herr von SchmertizS war zugegen, denn er hatte die Sitzung veranlaßt »nd meldete sich zuerst zum Wort. Er machte keine Einleitung, gab keine Erklärungen; er wußte, daß die Sache schon stadtbekannt war, wozu also Erläute rungen, die nur peinlich und deuiülhigenk für ihn waren? „Meine Herren", sagte er, „Sie wissen, um was es sich bandelt. Ich will jetzt nicht untersuchen, ob meine Handlungs weise damals recht oder unrecht war, ick sage nur: ick war nicht der Alleinschuldige und füge hinzu, ohne Ihrer Ekren- baftigkeit nabe trete» z» wolle», daß ich nicht weiß, ob Einer in der Versammlung hier in dem gegebenen Falle anders gehandelt hätte." Das war etwas stark, und die Herren sahen sich verdutzt a». Aber daS tiefe Schweige», das minutenlang herrschte, fasten ein beredter Zeuge für die gewagte Behauptung zu sein. — Da sprang Apotheker Janowitsch mit gerölbctei» Gesicht auf, und der tiefe Baß seiner Stimme verschärfte nur noch den grollenden Ausdruck seiner Rede. „Soll dies als Entschuldigung dienen, oder waS soll daS bedeuten? ES ist ja gerade, wie wen» Einer, der von einer Krankheit angesteckt worden ist. sagen würde, wer sie mit erlebt, sei a»cb von ibr befallen worden. Mein lieber Herr von SchmertizS, der Eine ist disponirt, Ankere nicht, der Eine stirbt an einer Krankheit, der Andere überdauert sic! DaS ist ja eine ganz merkwürdige Art, sich zu entschuldigen." „Daß dies nickt meine Absicht ist, habe ick bereits gesagt", versetzte SchmertizS, dem ebenfalls eine dunkle Röthc ins Gesicht trat. „Ich ziehe e» vor, wie eS nun einmal meine Art ist, mit Tbatcn zu reden Glaubt sich die Stadt von mir beeinträchtigt, gut, so bin ich zur Entschädigung bereit! Ich will eine dem damaligen Kaufpreise gleickkommende Summe zahlen, ich glaube, man kann damit zufrieden sein." „Ich glaube die- wiederum nickt", nahm Tcctor Nikolinv das Wort. „Sir zahlten damals viertausend Gulden für die Grundstücke; zieht man den wirklichen, jetzt festgestelltcn Werth des Objecteö in Betracht, so ist das geradezu ein lächerliches Angebot, Herr von SchmertizS! Und wissen Sie, an was mich dies erinnert? aber ebentalls, ohne ihrer Ehrenhaftigkeit nahe zu treten " hier lächelte der Toctor ironisch, „an die Anekdote von jenem Manne, der ei» Geschäft daraus machte, Schweine zu stehlen, um es dann seinem Beichtiger zu gestehen und sich mit dem Bestohlenen durch eine gewisse Smmme abzuiinden. Vom Pfarrer gefragt: warum er dies thue, warum er nicht lieber gleich daS Schwein kaufe, da er eS ja doch nachher bezahle, versetzte der Dieb: „O Hoch- würden, daS ist dock ein Unterschied! Kauf ich das Tbier, bestimmt der Bauer den Preis, stebl ich'S, bestimme ich ibn." Ein schallendes Gelächter ertönte nach diesen Worten, und daS Gesicht deS Herrn von SchmertizS wurde jetzt nicht rotk, sondern sckncebleich. So etwas hätte er niemals für möglich gehalten. War er noch Herr von SchmertizS, oder nickt ? Genügte die kurze Spanne von einigen Tagen, sein Ansehen derart zu erschnttcrn.daß mqn ihm da« zu bieten wagte?! . . . . Zwar der Doctor war ihm seit vorigem Sommer nickt be sonders freundlich gesinnt, obwohl er bis jetzt seine Gegnerschaft nicht öffentlich gezeigt batte. Und daß Janowitsch zu seinen wirklichen Gegnern zählte, davon sollte er sich immer mehr überzeugen. „Meine Herren", sagte dieser, „daß Herr von SchmertizS einen Vergleich beabsichtigt, bevor noch eine Klage eingelettct ist, daS ist uns ein Beweis, daß er — zu vertieren fürchtet. Wir wären also Narre», wenn wir uns darauf cinlicßen " „Ich fürchte keinen Proceß und fürchte ibn also auch nicht n verlieren", widersprach SchmertizS und zwang sich gewalt- am zur Ruhe. „WaS ick scheue, ist der Unfriede, itt der Streit! Jcl> habe bis jetzt im besten Einvernehmen, ja in Freundschaft mit Euch gelebt, und mein Wunsch ist, daß eS ferner so bleiben möge Und seht!" er hob die Stimme, „um diesen Preis erhob' ich die Summe auf das Doppelte, dabei bleib ick aber stehen, keinen Gulden mehr! — Achttausend Gulden in die Stadtcasse, und Alles bleibt beim Allen! Seid Ihr einverstanden?" „Ich glaube, wir sollten daraus eingeben", nahm der Holzhändler Ctepbany da« Wort; dieser hatte bis jetzt vor sichtig geschwiegen, um erst die Meinung der Anderen kennen z» lernen. „Hat Herr von SchmertizS vor Jahren nur an leine» Vorlbril gedacht, so bat er unS irit der Zeit so manche» Vorlbeil zukommen lasten, daß er unS da» Entgangen« reichlich ersetzt hat". „Ja. natürlich! Tn bist ein reicher Mann geworden, Du, der Pauln und Marko!" schrie der grimmige Apotheker. „Ihr habt Hundertlausendc dabei zusaininengerafst, was hat aber die Stadt davon?" „Die Stadt!?" ries jetzt der dicke Pauln, und sein Gefickt wurde purpurrotb vor Aerger: „All die schönen Anlagen und städtischen Einrichtungen und die Eisenbahn; ist daS alles nichts? Waren wir srüber nickt wie cingemaucrt? Wann sah man einen Fremden? Selbst die Märkte waren nicht wie jetzt besucht, weil sich nicht Jedermann auf die mühseligen Gebirgs wege wagte. Jetzt fteken wir mitten im Verkehr, und wem haben wir daS zu danken?" „Wir hätten die Bahn auch obne Herrn von SchmertizS bekommen", versetzte der Doctor gleickmüthig. „DaS war nur eine Frage der Zeit. Es tag im Jntereiie der Regierung selber, die Karpatbcngcgend dem Verkehre zu erschließen; mit der Telcgrapbcnanlcgung batte sie den Anfang gemacht, das wird Herr von SchmertizS ja auch wisten, der damals zu diesen, Zwecke in, Aufträge der Regierung bier war . . . ." Wieder lag da« scharfe, ironische Lächeln in dem Gesichte dcs Doctors „Wäre Grund und Boden unser Eigcnthum geblieben, so hätten wir unS all daS Gute selber verschaffen können, daS wir jetzt Herrn von SchmertizS zu verdanken haben", meinte Hotelbesitzer Strakosck. „lind bei Gott! der Stadt hätte eS bester angestanden, Besitzer eine« Badeortes zu sein, als einer Privatperson!" siel der unermüdliche Apotbeker ein. „Die Stadt hätte noch hundert und tausend Jabre im Be sitze deö Bodens sein können, ohne eine Atmung von dessen Reich- tknm zu haben. Ja wir und gerade die klugen Köpfe dazu!" sprach Eiscnbändler Marko mit dein Tone tiefster Geringschätzung. „Meine Herren", sagte jetzt SchmertizS. Bei aller Rübe und Gleickmiitbigkeit, die er zur Schau trug, ward ihni doch immer schwüler zu Mntke. „Meine längere Anwesenheit hier ist überflüssig. Erwägen Sie nochmals meine» Vorschlag, ick bin bereit, die betreffende Summe zu jeder Stunde auS- zuzablen. Denken Sie sich die Sache nicht gar so leicht, trotz der Vorspiegelungen deS StublrichterS! E,n Mann wie ich wird nicht so leicht labni gelegt! Soll eS ein Kampf sein, dann aber einer bis aufs Messer!" Und ohne noch ein Wort weiter binzuzufügcn, verließ er bocherhobenen Hauptes und mit einem stolzen, sicheren Aus drucke das Zimmer. Als er sich entfernt hatte, da entbrannte erst recht der Kampf. „Eö ist eine Schande, einem solchen Manne derart mit- spielcn zu wollen!" riet Holzhändler Stephany erregt. „WaS bat er nickt alles für die Stadt gethan, und wie will man ihm eS lohnen!" „Wir haben ibm nichts zu lohnen, er soll zurückgeben, WaS ibm nicht gehört!" sagte Hotelbesitzer Slrakofch. „Ihr fürchtet webt, Eure Lieferungen einzubüßen?" warf Janowitsch in seiner rücksichtslosen Weise ein. „Oder Ihr denkt, die Stadt wird nickt solche gute Preise beim Weiter baue» zahlen? . .. Natürlich, Herr von SchmertizS hat Grund und Boden fast umsonst bekommen und mit dem Geld nicht zu knausern gebraucht " „Du wärst nicht so nncigeiiiiüyüz, Bruder Apotheker, wenn Deine Interessen »nr im Geringsten mit dabei im Spiele wären", meinte Marko. „So denkst Du aber: Medicin muß Jeder, der krank ist, ans Deiner Apotheke holen, da sie die einzige im Orte ist, mag eS ein Arbeiter sein, den die Stadt, oder einer, den Herr von SchmertizS bezahlt." „Du sprachst vorhin vom Geltzusainmenraffcn. Da wirst Du mir Rede sieben müssen!" rief der dicke Pauln. „Wir haben redliche Preise, jedenfalls redlichere als Du für Deine Quacksalbereien, wofür Tu oft dem armen Arbcilcr den letzten Kreuzer abnimmst." „Quacksalbereien!" schrie der grimmige Apotheker, und sein hageres, dunkelbärtigcS Gesicht wurde so dunkelroth wie das seines Gegners. „Daö soll Dir tbcuer zu stehen kommen!" „Rubig, meine Herren, rubig, nur keine persönlichen An griffe!" ertönte in diesem Augenblicke die Stimme deö Sladt- hauptmanns. Er batte sich bis jetzt mit keinem Worte an ber Debatte betheiligt; klug und behaglichen Sinne-, wie er mar, wollte er cS fürs Erste mit keiner Partei verderben und ließ rubig die Fluch der Meinungen hin und- Herwegen. „Wir sind hier, »in über eine wichtige Mittbeilnng zu be- rathcn, und nicht, uni unS persönliche Liebenswürdigkeiten zu sagen. Wie ist's! Wird der Vergleich des Herrn von SchmertizS angenommen?" „Nein, und nochmals nein! Wir wollen keinen Vergleich, die Sacke soll den gerichtlichen Weg geben!" rief der Apotheker. „Ter Tcctor und Strakosck unterstützten ibn. „Und wir unterschreiben die Klage nicht!" schrien ebenso einstimmig Marko, Pauln und Stephany, «Ihr könnt alt und grau werden, ehe so etwas geschieht." „Achttausend Gulden hat Herr von SchmertizS geboten", meinte dann noch Marko. Ist daS nicht eine Sunime? Wa» will die Stadt mit mehr Geld beginnen?"
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