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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930706029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893070602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893070602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-06
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L«»»s» >»'«»»1 c r,f»kr t I»«m> . »«»t 4«L »7,6«. «8 L I»,. »7« »7 , Bezugs-Preis k» der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und de» Bororten rrrichtklea Au», gabesiellen abgehnll: vieneljahriich^l4.üO. bei zweiii,öliger täglicher Zustellung in« Hau« .st ü^O. Durch die Post bezogen snr Deutschland und Lesterreich: viertel,ädrlich S.—. Direct» tägliche ltreuzbandiendung in« Ausland: monatlich 7.öO Die Morgen.Nnrgabe erscheint täglich V-7 Uhr. die Abeud-AuSgabe Wochentag« ö Uhr. t»dd»t. l Nti>ck«r, l dtt«t»«o t»»r, »» »o« «. t. »»Io« I»r»a»>t. . - V«r in Soa»- «-«« -» 3»U. Nedartion und Lrvr-ition: Jodanncsgasse 8. DirErpedition istWocheaiag« ununterbrochen geojsnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: iktl« »e«m« Lortim. lAlfreb Hahn), Universitättsirage 1, Loni« Lösche. vatharinenstr. 1«, part und Dösigsvlatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AnzeigenPreiS Lie 6 gespaltene PetilzeUe 20 Pfg. 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V»l» A Leidig. «t«e «-I7S«», ., U«r»i«. odUueai, k-n» sc, n k>»er«. -gLüo ac, guFi d.» «epvocnr »ton. > > I »«.— IVS^V »7.S-7 »03 ^.U »7 00 103.— »OU.VV N«.- »S»Lb »»».- »01.2Ü «6 — 7»,— «».— 1V4.— 340,— »««so »44.- »7».— »»7.— SS.— so.— I» r l».- SI.— so«.— »»«.— »»»,— «a.- 3S.— »SS.— 5S — S3».«0 34.00 ««.SO »»?» »«.— SS.— «I.VS V0.70 »««so IS«.— s»»,— S1SL0 sib^o ISS.S0 »7S.V0 »oo.— »S3.SV »»«.so »«v.— »vsso iss.so »sr.so »IS.S0 »4?»°, oo.ss 1.8» »Sä SS 183^0 S4».»0 »37.— so« so 31».— 4S3 — »U87S U.S2 »««, «o^s »S». «II. «L 4»« «I «31, U« 3«, «01» SS o. »t«ne»a>m.> . v»rt>»r>er. »oNo t>l»t»- V«ik»a1«r, 4- ».»«. - o»0>»n>pk»r -»ll-a»-; t» il>»»l. Iura,-. r«n, IM m». «rtme« »» 311. Donnerstag den 6. Juli 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 6. Juli. Der Kaiser hat gestern in Person die voraussichtlich letzte Tagung der gegenwärligen Gesetzgebung-Periode des prenffischen Landtags geschlossen, wie er vorgestern die erste Session einer neuen ReichStagsperiodc eröffnete. Vorgestern ernste, mabnenke Worte «in Hinblick auf eine schwer wiegende Entscheidung, gestern ei» befriedigter Rückblick voll Dank und Anerkennung auf eine abgeschlossene Thätigkeil bedeutender Erfolge. Der Kaiser musterte eingehend das in der verflossenen Session und Legislaturperiode Erreichte und gab seiner Zufriedenheit über so manche Leistung warmen Ausdruck. Auch ibm steht die grundlegende Umgestaltung der staatlichen und communalen Besteuerung im Mittelpnnct, und mit ganz besonderem Nachdruck wies er auf Liese heilsame Errungenschaft hin, die wir bereits eingebend gewürdigt haben. Tag eine solche Er rungenschaft überhaupt möglich war und daß neben ikr Zeit und Kraft auch noch zur Bewältigung anderer großer Auf gaben ausreichten, ist ganz wesentlich der Berlin» ge r» ng der Legislaturperioden zu danken, auf die der Kaiser denn auch ausdrücklich im Anfänge der Thronrede hinwies. Zweifellos wird man sich mit dieser Einrichtung in allen Lagern, die eine Genngthnung an tüchtiger und das Wohl des Ganzen fördernden Arbeiten baden, mehr und mehr befreunden, im Reiche sowohl, wie in Preußen. Weiler aus die preußische Thronrede eiiizugehen, liegt für uns nach der ein gehenden Besprechung der Ergebnisse der 17. preußischen Legislaturperiode im Morgenblatte kein Anlaß vor. Nur den Wunsch möchten wir noch aussprechen, daß in unserer streiterfüllten und leidenschaftlich erregten Zeit die Schlußmabnung des Kaisers Bebcrzigung finden, daß der Kamps der Meinungen und Interessen nur in patriotischem, das Wohl des Baterlandes als höchstes Ziel erstrebendem Geiste geführt und der Frieden im größten deutschen Staate gemehrt werden möge! Daß im neuen Reichstage die friedliche Arbeit der Parteien zum Wobt des ganzen Reiches nicht lange dauert, dafür bat das tsclitruin bereits durch Wiederoiiibringung seines An trages auf Bilshevliiin öos Irsuitc»nrsrt;rs gesorgt. Der Antrag ist zweifellos deshalb so rasch wieder ein gebracht Worten, damit er womöglich noch im Lause der jetzigen Tagung zur Bcralhung kommen kann. Daß das Reick, die Jesuiten nicht braucht, darüber sind auch die Antragsteller schwerlich im Zweifel; aber wie sie ibre Haltung zur Militairvorlage nicht von den Bedürfnissen des Reiches abhängig machen, sondern von der Stimmung unzufriedener Wähiermassen und dem Bortbeile der Partei, so verfolgen sie auch bei ihrem Iesuitenantrage lediglich das engherzigste Parleiintereffe. Und eben deshalb wird auch der Antrag zn stürmischen Debatten Anlaß geben. Ob er eine Mehrheit im neuen Reickslage finden wird, läßt sich bei der eingelretencn Parteiverschiebung neck ni r t übersehen. Hoffent lich bleibt aber der BundeSrath fest und läßt den begehr lichen Herren vom Ecntrum leinen Zweifel darüber, daß das Reick um so weniger die Wünsche einer Partei zu erfülle» bereit ist, je weniger diese von Rücksichten auf das Wohl des ReickeS fick leiten läßt. Der Schweizerische Bundesrath schickt sich eben an, eine neue internationale Berständignng anzubahnen, und zwar eine solche über die Grundsätze bei Abhaltung von Weltausstellungen Tie Frage ist seit der Pariser Aus stellung von 1878 wiederholt besprochen worden, indem Guher-Frculer, schweizerischer Eonimissar an jener Ausstellung, in längeren Auseinandersetzungen eine solche Bereinbarung besürwvrlete. Die Erfahrungen, die man gegenwärtig in Ehicago macht, haben das Zeitgemäße der Frage besonders dar- getban. Der BundeSrath hatte dieser Tage eine Commission nach Bern einberufen zu einer Borsprcchung, die in Verhinderung des Ekefs keS Auswärtigen, Bundesratbö Lachenal, der sich von seiner Krankheit noch nicht gaiiz erholt hat, vom Bor sleber des LandwirthsckaflS- und Industrie-Departements, BundeSrath Dcucker, präsidirt wurde. Zu dieser Conferen, waren ciiigeladen Bcrtrelcr des eidgenössischen Industrie- und Landwirlhschafts-Departcments und des eidgenössischen Iustiz- nnd Polizei-Departements, ferner eine ganze Anzahl vonHerren, die als Sachverständige für die einschlägigen Fragen gelten können, wie ehemalige Generalcommissäre, Preisrichter, Industrielle rc. Das Referat hat Guuer-Freuler erstattet. Eine internationale Regelung sollen insbesondere die Fragen des Preisgerichts, des Zollwcsens und des BerkaufsrechtS in Betreff der aus gestellten Gegenstände, des geistigen Eigentbums und der Gerichtsbarkeit finken. Die jüngsten Pariser Straßenkrawalle fordern nickl nur in Frankreich, sondern in der ganzen gesitteten Welt, die Negierungen und die maßgebenden Geiellschastsclassen zu ernstem Nachdenken auf. Es gehl ein Geist der Zuchtlosigkeit durch die proletarischen Massen, der ihnen de» Aufruhr gegen Gesetz und Ordnung als Selbstzweck, als ver dienstliche Thal erscheinen laßt. Nur so erscheint es verständlich, wenn der maßlos ausgcbauschte Erfolg der „deutschen" Socialdcinokratie bei de» letzten ReickstagS- wablen von den ausländischen Genosse» mit Gewaltibätig- keitcn aller Art „gefeiert" wirk. Das Beispiel wirkt ansteckend. 2n Frankreich stehe» bekanntlich die Neuwahlen zur Dcpu- tirlenlammer dickt vor der Thüre. Das Schauspiel der von den Socialkemotralen Deutschlands eingeheimstenWabllorbceren läßt die dortigen Agitatoren nickt ruhen, sie sind daher ihrem Bedarf an hetzerischem Zündstoff dadurch abzubelscn be strebt, daß sie die gewaltlbätigcn Instinete des Pariser Straßenpöbcls für ihre Zwecke auönutzen. Bon Paris, dem „Herzen Frankreichs", pflanzt sich dann die Erschütterung Lurch das ganze überreizte Nervensystem der Nation fort und bilft so k>c Lage schaffen, welche den Uinsturzclementen das Wahjgeschäst erleichtern soll. Daß cs ganz frivole Mache n s chasle n sind, welche in Paris zu den bedroh lichen Zusammenstößen zwischen dem wulhcnden Pöbel und den Sicherheilsorganen südrten, beweist schon die gänz liche Zusammenhanglosigkeit der Ausrührer mir den Studenten, die sich wiederholt und aufs Nachdrücklichste gegen die Unterstellung verwahrt haben, als sei der Anstoß zn der Revolte von ihnen auSgcgangen, oder als hätten sie bei dem Borgefallenen irgendwie die Hände im Spiel. Den bintcr den Conlissen operircnden Machern ist diese Ablengnung natürlich sehr unliebsam, und der social- demokratische „BorwärtS" weiß sehr wohl, warum er die Schalen seines Zorns über die Pariser Studentenschaft anSgießl, die ohne Zöger» taS Tischtuch zwischen sich nnt den Krawallmachern zerschnitten hat. Trotzdem ist der frivole Anschlag in der Haupsacke gelungen. Tic Massen sind rebellisch gemacht, und cs wird schon dafür Sorge ge tragen werken, daß sic bis zu den Wahlen nicht wieder zur Ruhe kommen. Tie Regierung aber, deren Widerstandsfähig keit ohnehin nicht die größte ist, wird von der Sorge um ihre eigene Existenz so sehr in Anspruch genommen, daß sie die Borbercitungen kür den Wahlselrzug nur mit bedeutend verringerter Energie und Zielbewußtheit treffen dürste. Das wirkt natürlich lähmend aus die Tbäiigkeit der staalserballcnten, fördernd auf den Unlernekmungsgcist und den Wagemulb der umstürzlerischen Elemente zurück. Letztere haben also zunächst den ganzen und alleinigen Nutzen von der Vergiftung der socialen Verhältnisse, das schmunzelnde Behagen aber, womit die Umsturzprcsse aller Orten auf das vom Pariser Sanscutotlenthum der Autorität von Staat und Gesetz gelieferte „Borpostcngescchl" schaut, sollte von den Hütern und Trägern des modernen StaatsbegriffS wobt be herzigt und in entsprechende Borbeugungsmaßregcln umgesetzt werden. Unter den mancherlei Sorgen, welche der belgischen Re gierung zur Zeit das Leben schwer machen, ist eine der größten die, ob der lateinische Münzbund, wozu aller dings nur wenig Aussicht ist, fortbcsteben oder ob er, was das Wahrscheinlichere, schon nächstens ganz aufgelöst werden wird. Denn wenn der letztere Fall cinlritt, so siebt sich Belgien in die köckst unangenehme, ja kritische Lage versetzt, auf einmal — und zwar sofort — vertragsmäßig die auf der französischen Bank ausgestapelten belgischen silbernen Für. sfrankenstücke i» der ansehnlichen Höhe von 200Millionen Frcs. zum vollen Werthe gegen Gold umzutauschen. Dieser Umtausch bedeutet für Belgien einen Verlust von 100 Millionen Francs. Da aber eine kalbe Milliarde silberne belgische Fünfsrankenstücke im Umläufe sind, so steigt der voraussichtliche Verlust Belgiens aus 200 Millionen Francs. Im Hinblick aus diesen zu erwartenden Bcrlust hatte der belgische Finanzminister vor Jahren eine Commission ein gesetzt und einen DeckungSsondö errichtet, aber die Commission bat nichts gethan und der Fonds hat kaum eine halbe Million Francs Bestand. Es war also natürlich, daß der Dcputirte Anspach bei der jetzigen Lage der Münzsrage in der belgischen Kammer eine Interpellation an die Regierung ankündigtc. Der Finanzmi nister aber hat, wie sich jetzt zum Staunen der Tcpulirten ergicbt, diese Interpellation in wenig loyaler Weise abzuwenden verstanden. Der Minister forderte und erlangte deren Zurücknahme Lurch seine Lersichcrung, daß die Brüsseler Münzconserenz „bald und zwar in zwei Monaten" wieder znsaminentretcn werde. Der Finanz- minister hat diese Versickerung im stenographischen Bericht vorsichtiger, oder, wenn man will, unvorsichtiger Weise, ge strichen und jetzt heißt es nur, daß „die augenblicklich ver tagte Münzconserenz wieder einberufen we'dcn wird" — also keinerlei Angabe über den Termin ihres Zusammen- triltS! Dieses Vorgehen des Finanzminislers ruft bei den Volksvertretern, wie begreiflich, um so größeres Mißfallen hervor, als die Finanzautorilälcn beS Landes sich jetzt offen dechin aussprechen, Laß die Auflösung des Münzbundes nicht mehr zu umgehen ist und Belgien einen colossalcn Verlust zu erleiden hat. Ja, der als Finanzautorilät geschätzte Herr Strauß in Antwerpen verräth, daß er fort und fort den Finanzminister aus daS bedrohliche Sinken dcS Sitber- werthes hingcwiescn, ihn 1890 aufgcfordert habe, bei dem Silbcrcours von 5 t Pence 200 Millionen Francs Silbergeld abzustoßcn, aber alles Mahnen hals nichts; Bccrnaerl glaubte satalislisch an ein beständiges Steige» des Silbercourses. Kein Wunder also, wenn er nun alle 'Anfragen zn vertagen sucht. Kein Wunder aber auch, wenn die Auslösung des lateinischen MünzbundcS schon in nächster Zeit den ^kurz der gegenwärtigen belgische» Regierung — auf alle Fälle aber den des Finanzministers — zur Folge hat. Da die liberalen Abgeordneten der belgischen Kammer soeben be schlossen baden, einen Antrag aus Kündigung des lateinischen Münzbundeö zum 91. December einzubringen, wird die ganze Angelegenheit wohl sehr rasch in Fluß kommen. Wie in verschiedenen anderen Ländern Europas wird jetzt auch in den Niederlanden der Ruf nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts immer lauter, und da« Ministe» rium Tak-van Thien Hoven glaubt denn auch endlich dem Drängen der unteren Classen des Volkes nachgcbcn zu sollen und bat, ui» die Initiative nicht aus der Hand geben zu müsse», selber einen Entwurf zu einer Wahlreform ausge arbeitet, der in der Zweiten Kammer der niederländischen Generalstaaten am 25. Juli zur Bcralhung kommen soll und die Kammer, wenn nicht alle Zeichen trügen, wochenlang in Anspruch nehmen wird. Haben sich doch jetzt schon nicht weniger als vierzig Redner zur Debatte über diese Vorlage gemeldet! Der Entwurf der Regierung hat nun, wenn er auch da« all gemeine Wahlrecht nickt ohne jede Einschränkung vorschlägt, wenigstens das Gute, sich dem allgemeinen Wahlrecht derart zu nähern, daß thatsächlich ein Unterschied zwischen der Dat schen Wahlreform und dem allgemeinen Stimmrecht kaum zu bemerken ist. Die Aussichten für den Regicrungsentwurs sind trotz der Opposition und Anfeindung, die er bei all seinen Vorzügen von vielen Seiten erfährt, nicht schlecht, voraus gesetzt, daß der Ministerpräsident Tat geschickt zu manövriren versieht. Von den Liberalen, die 54 Mitglieder in der Zweiten Kammcr der Generalstaaten zählen, werden allerdings nur 40—45 für den Regicrungsentwurs stimmen. Etwa 10 bis t5 Abgeordnete der Linken verlangen nämlich da« allgemeine Stimmrecht ohne jede Einschränkung und werden deshalb der Abstimmung sich theils enthalten, tbcils gegen den Wahlreformantrag der Regierung stimmen. Dafür ist der Ministerpräsident der Unterstützung von etwa 20 katho lischen Abgeordneten unter Fübrung des Abbö Sekaepenau sicher, so daß der Wahlreforinantrag des liberalen Cabioet« schließlich mit einer Mehrheit von tö—20 Stimmen Gesetz werken dürste. Damit hätte daS Ministerium Tak- van Thienhovcn auch den letzten Abschnitt seines Programm« Lurchgcsübrt, und es bliebe ihm nur noch übrig, die General» staalen auszulösen und aus Grund der neuen Wablrrform die Neuwahlen auszuschreiben. Wie jedoch verlautet, wird die Regierung trachten, den Zeitpunkt der allgemeinen Neu wahlen bis znm nächsten Frühjahr hinauSzuzieben. Weshalb? Da- ist freilich nicht recht einzusehen. Denn in Folge deS Bruderzwistes zwischen Klerikalen und Conservaliven sind zur Zeit die Aussichten der liberalen Regierung, wenn baldmöglichst Neuwahlen ausgeschrieben würden, so günstig, daß sie eigent lich gar nicht günstiger werden können, wie denn erst am 5. Juli im Bezirk Beverwyk in der Stichwahl zwar nicht der Liberale, aber doch der gleichfalls für die Wahlreform der Regierung eintrelende Katholik Borret gewählt worden ist. Oder sollte die Regierung wirklich hoffen, bei längerem Zögern noch mehr Anhänger der katholischen Partei, als bisher, in ihr Lager herülcrziehen zu tönncn ? Sie könnte denn doch schließlich eine schwere Enttäuschung erleben. Die Debatte über die irische H«merule-P»rla«e des greisen Glavttonc im englischen Unterhaus sängt doch all- mälig an, auch den geduldigsten Zeitungslesern etwas lang weilig zu werden, und cs ist wirklich von großem Nutzen gewesen, daß Glatstone durch seine Resolution als Schluß termin der Einzclbcrathung wenigstens den 27. Juli festzu setzen vermocht hat, obwohl bis dahin immer noch einige Wecken ganz nutzlos verstreichen werden. Ganz nutzlos! Ten» wenn auch das Unterhaus die Vorlage Gladstone'S voraussichtlich nach langem öden Redekamps und nachdem Glatstone cs dem Unterhause überlassen Kat, nach eignem Er messe» die Klausel 9, den wichtigsten Punct der ganzen Vorlage, zu gestalten, so ist und bleibt dicBeratbung über dieHomerule-Bor- lage im Untcrbause doch nur eine wirkungslose Komödie. Auch wenn das Unterhaus, wie es nunmcbrwahrschrinlichergeworden, die Homcrute-Bill aus seine Weise umgemotell annimml, so ist Loch, da das Oberhaus zweifellos die Vorlage rundweg Feuillets»». lieber Klippen. 8j Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die Mutter batte nicht vermocht, den irrenden Gefährten zurückzuhallen; dazu bedurfte eS eines starken Herzens, einer liebenden, selbstlosen Seele, und in dicker Beziehung war er allein gewesen .... Haltlos, wie ein »»miiiitigcs Kind war sie seinen Spuren gefolgt, und nur ihre Schwäche und ikr Egoismus kattcn sic verhindert, den letzten, fürchterlichen Schritt mit ibm zu tbeilen. Eine so gute, opferbereite Tochter auch Lory war, so sah sie dock in dieser Sacke klar, unk waS sie für den Tottcn empfand, war tiefe-, herzinnige-, unsägliches Mitleid. Die Briese waren geordnet, und cs war ibr nickt schwer, den geschäftlichen Tkcil bcranSzufinden. Sie erinnerte sich einiger Kaufconkracle, aber ob der darunter war, der das Schloß Satwar betraf, wußte sic nicht. Jetzt, als sie noch mals diese Partie durcklaS, siel ihr zum ersten Male der reiche Besitz auf, der im Lause weniger Iakrc verschwendet worden war. Ein fürstliches Vermögen war tabingcrollt und versiegt wie die Flutben eines jäh dahinrasenren Bcrg- stromes Lory fand den betreffenden Kaufvertrag, und nickt nur diesen, sonder» mehrere sich damit beschäftigende Briese. Ibr Vater mußte den Preis für sein Besiythum viel bökcr gestellt baden; denn Herr von SckmertizS versuchte, ihn in seinen Briefen auf alle mögliche Weise herabzutrücken. Eine Erwähnung der Eisenquellen kam nirgends vor. Keiner war so glücklich über die gefiindenen Schriftstücke wie die Gräfin; sie boten iyr unendlichen Slvsi für ibre Pläne und Luftschlösser, und sic entwarf schvn ein vollständiges Programm ihres künftigen Lebens. Lory, die sich von Anfang an der ganzen Angelegenheit gegenüber kühl und zurückhaltend benommen batte, juckte die zu hoch gehenden Erwartungen der Mutter zu dämpsen und zu mäßigen; sie fürchtete außerdem, daß dies „Wenn", tic- ewige HinauSgcben au- der Wirklichkeit nicht ebne Einfluß auf die Kinder bleiben würbe. „Laß Dir doch die Hoffnungen nickt derart über den Kopf wachsen, Mutter!" sagte sie zu ihr. „Ein Nichtersüllcn wäre ja schrecklich für Dich! Wenn wir auch den Proceß gewinnen, so werden es koch nur höchstens ein paar tausend Gulden sein. In den Besitz des Schlosses werben wir nie wieder gelangen; denn wir sind nicht im Stande, die VerkausSsumme zurückzuerstattcn." „Ach, da kann Hilfe werden!" versetzte Gräfin Satwar mit einem überlegenen Lächeln. „Ich dabo schon mit unserem lieben Freunde, dem Stuhlrichtcr, darüber gesprochen. Er bat ein kleines Vermögen und will es uns sehr gern zur Disposition stelle». Eine dunkle Glutb schoß Lory ins Gesicht. „Mittler", ries sie außer fick, sassuiigslos. „Mutter, wie konntest Du so Etwas tbun? Wie Dick so vergessen'? Darlehen, Almosen von einem fremden Manne... rvn ihm?! ..." Heiße Tliränen stürzten ans den Augen des Märchens, und wortlos ging cS aus dem Zimmer. Eine Stunde später kam Pastor KiS, um die Familie nach Bad Schmcrtizsek abzuholen. Die berühmte Santoriscke Zigcunercapellc gab dort einige Tage hindurch Conccrte, und Stefan batte für die heutige Vorstellung Billets genommen. Ter Jubel der Anderen war groß, aber ibn sonnte das wenig trösten, da Lory ablcbnte. Denn obwohl er Allen gern eine Freude bereitete, so batte dock kauptsäcklich der vorwiegende Gedanke an sie ihn geleitet ... ibr ... ibr wollte er banptsächtich eine Stunde ausheilernden und anregenden Genusses und zugleich AuerubenS verschiffen! . . . Aber Lory konnte nicht mit, sie konnte die Stunden im Städtchen nicht versäumen; auch war eine Lehrerin erkrankt, die sie vertreten mußte. Al« Lory nach Hause kam, war eS schon dunkel. Mutter und Geschwister waren noch nicht zurück. Sie steckte die Lampe an und setzte sich an die Arbeit. Eine weitere Störung batte sie nicht zu befürchten; denn Stublrichter Persall war in AnttSangelegeiibeiten seit gestern verreist und wurde erst morgen oder übermorgen erwartet. Lorv Satwar batte ein befreiende« Gefükl bei diesem Ge tauten. Wie war e« möglich, ihm heute entgcgenzutrcten!.. . Was ikr die Mutter erzählt, batte ibr ganzes Sein aufge- wüdlt, ibr sür den ganzen Tag Rübe und Fassung geraubt. ES schien ibr unmöglich, ibn beute zu sekrn. Und koch kam er, sie erschrak fast zu Tode, als sich die Thür öffnete und er plötzlich hereintrat. Tie Angelegenheiten batten sich rascher erledigt, als er ge glaubt batte, und so war er um einen Tag früher zurückgekebrt! Persall entschuldigte sein spätes Erscheinen, es hätte ibm aber keine Rüde gelassen, sich nach dem Befinden der Fainilie zu erkundigen. Kaum nach Hause gekommen, babc er sich auf den Weg gemacht; denn er sehne sich nach den Knaben, deren Anblick er zwei Tage entbehrt bade. Daß es nicht die Knaben allein waren — baß eS vielleicht noch Jemand betraf.... das verschwieg er wobtweistich. Lory suckle sich zu fassen und hieß ihn willkommen. Aus seine Frage nach den Anderen erzählte sie, Laß die Gräfin mit den Kindern in Begleitung des Pastors KiS zn einem Eonccrt nach Bad Schinertizsek gegangen seien. „Sic werken wohl bald wietcrkommen", fügte sie dann hinzu. Ter junge Mann nabm Platz, sein Gesicht zeigte nicht, daß ihm daS Alleinsein unangenehm sei. „Und Sie, Fräulein Lory, sind zu Hause geblieben", zugleich aus die vielen Hefte, die Len Tisch bedeckten, hinweisend, „pfticht- getreu und die Zeit auSnupcnd wie immer." Sie konnte beute den sicheren, unbefangenen Ton gegen ihn nicht finden. TaS Ansinnen, das er der Mittler gestellt, batte sie in tiesinnerster Seele verletzt. Daß es Liese sozusagen bervorgeruse», ibn dazu anfgefordert batte, verschärfte nur noch das Gefühl tiefer Tcmiltbigung in ibr .... Was er wohl im Grunde seines Herzens von ihnen dachte?! Wir tam er überbaupt dazu, daß er diesen Antrag stellen konnte!... Kannte er sie denn nicht, und mußte er nickt wissen, wie lies verletzend es für sic war? .... La sie nicht gleich den richtigen Ton gegen ihn finden konnte und sie auch das Alleinsein mit ihm peinigte und verwirrte, holte sie, um dem Ganzen einen geschäftlichen Anstrich zu geben, die betreffenden Documentc auS kein Sckranke und legte sie ihm zur Ansicht vor. Er laS sie durch und sagte dann: „Das ist mehr, als ich erwartet habe; diese Schriftstücke sind von unschätzbarem Werth sür unS." „Bauen Sie wirklich so fest daraus, Herr Stiibtrichler?" fragte da-Mädchen, um nach einer Weile binznzufügcn: ,,E« wäre auch schrecklich sür die Mutter, wenn es sich nicht er- süllen würde!" „Warum zweifeln Sie, Comressc Lory?" fragte er mit leisem Vorwürfe. „Hatte ick überbaupt diese Hoffnung an geregt, wenn ich nicht fest davon überzeugt wäre ? Aber Ibre Fra» Mutter bat mir schon geklagt, daß Sie dieser Angelegenheit wenig Liebe und Vertrauen entgegenbringcn." „Ich freue folck große Umwälzungen im Leben", versetzte Lory. „Sie verändern gewöbnlich die Ptwsiognomie alle« dessen, was wir gcwoknt sind, was uns lieb und theuer ist doch — für die Meinen müßte ich es ja wünschen", fügte sie nach einer Pause hinzu. „Und für sich selbst nickt, Comtesse Lory?" fragte er überrascht. „Mich Kat cS glücklich gemacht, für die Meinen zu sorgen", versetzte das Mädchen einsach. Ein eigenes, fremdartiges Gcfübl der Rührung überkam de» sonst so strengen Mann. „Ist Ihnen die« nie zn viel geworden?" frag'e er und wies auf die vielen Hrslr. „Es kann Einem nie eine Last sein, was Ankern Freude und Nutzen schafft", sagte sie mit derselben Einfachheit und mit seltsam glänzenden Augen; dann, als habe sie zu viel gesagt oder etwas, was sie überhaupt nicht gesollt, fügte sie binzn: „Ich gebe ja auch nickt leer dabei a»S; mein Beruf beglückt mich medr, als eS Jemand abnrn mag; er schafft mir die innigste und höchste Befriedigung." Persall wußte wobi, waS sic mit den letzten Worten be absichtigte, wie sic ibre Handlungsweise verkleinern wollte; er gehörte nicht zu den Weichniütbigeii, auck konnte ibn Keiner einen Schwärmer nennen, was ibn aber j«tzt überkam, davon hätte er sich selber keine Rechenschaft ablegcn können; er er griff ibre Hand und küßte sie. Eine dunkle Glntb schoß Lory ins Gesicht; mit einer jähen Bewegung erkob sie sich. Nun erschrak auch er über seine Kühnheit, und e« lag jetzt ein solcher Ausdruck von ehrlicher Verwirrung und zu gleich Hochachtung, ja Ehrerbietung in seine,» Wesen, daß dieser Anblick entwaffne» mnßte. „Verzeihung, Comicsse Lory!" bat er. „Ich,. . . . konnte nickt anders .... ich mußte es thun .... cS war mir plötzlich, als sei ich in der Kirche . . ." Sie batte sich gefaßt und lät este wieder; dies Lächeln gab dem feinen, anniuthigen Genckt einen fast kindlichen Reiz. „Die Kircken sind auch nur aus Steinen und Mörtel, wie alle andere» Häuser", meinte sic; ,wir sind es selber, die das bineiniragkn, waS wir in ibncn zu finden glauben . . . ." Dann unterbrach sie diese» GospräckSgegenstand und kam auf die erste Angeiegcnbcil zurück; indem ne ibn fragte, wann die Sache eingclcitet sei. und ob ein solcher Proceß lange dauere. „WaS »lick ängstigt", saate sie. „ist die fast sieberbafte Ansregung, mit der nieinc Mutter schon jetzt den AuSgang erwartet wo kaum noch der Anfang gemacht ist." „Die Acten sind bereit- fertig, und die Klage geht schon morgen ab Ich werke gewiß thun, was in meiner Macht
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