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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930710022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
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Die Elemente der früheren ReickStagsniehrheil betrachteten sick, wie auS dem jetzt vorliegenden ausführlichen Sitzungsberichte bervorgebt, als geschlagen und begnügten sich damit, Partherpfeile abzusenden, mebr vergiftete atS woblgezieltc. Der württembergischc Centrumsmann Gröber erössnete, wie TagS vorher der württembergische Demokrat Payer, den Reigen und bemühte sich, in Demagogie und Sophistik nicht hinter seinem Landsmann und seinem Führer Lieber zurück zubleiben. Wenn Herr Lieber gesagt batte, je mebr Soldaten, desto mehr werden lodtgeschosscn, so errölketc Herr Gröber nicht bei der Bcrsicherung, die »umerisckc Uoberlegenbeit der französischen Armee sei „nicht von Werth*, weil die fran rösische Bevölkerung abnekme und die deutsche zuncbme. AIS ob es in einem Kriege aus das Ergebniß der letzten Volkszählung und nicht auf die Stärke der Armee ankäme! Diese letztere aber ist bei den 39 Millionen Franzosen stärker, als bei den 50 Millionen Deutsche». Dem landesverderberiscken, weil einschläfernden Beginnen der Ullramontanen, Frankreich als militairisch unkuchlig bin- zustellen, trat Herr von Bennigsen nlit berechtigter Entschiedenheit entgegen. Dieser Ausbruch einer gewissen Art von Chauvinismus bei Herrn Gröber war das Gegcn- theil von Patriotismus, wie denn auch seine bewegliche Klage über die Feindseligkeit gegen die Monarchie und die preußische Oberleitung nicht ernst genommen zu werden ver dient. Ter Ultramontanisinns bat gegen die Monarchie geradeso gewüthet, wie die Socialdemokratie, und gegen das Reich mebr als diese, und Herr Lieber bat noch vor Kurzem dem „blöden Parlieulariönuis" gehuldigt, indem er auf bayerischem Boden seinem Bedauern über die Ber- brüderung seines Heimatblandes mit Preußen Ausdruck gab. Die „strategischen* Thesen des Herrn Gröber fanden durch Herrn von Bennigsen ihre Widerlegung, so daß dem General-Reichskanzler kaum mebr etwas zurück zuweisen übrig blieb. Der nationalliberale Fiibrer tcnn- zeichncte mit der an ibm gewohnten großen und liefen Auf fassung die Lage der Dinge in Frankreich und kam zu dem Ergebniß, daß die dort augenblicklich vorhandene Neigung, Frieden zu halten, keinerlei Bürgschaft sür die Zukunft gewähre. Die Zablcnknnstslücke des Herr» Payer, der eine Mehrheit von Wählcrstiinmen und „eigentlich" auch von Abgcortneteiistimmen gegen die Militairvorlagc berauSzu- rechnen unternommen batte, wurden von Herrn v. Bennigsen m ihrer ganzen Nichtigkeit dargethan, und Herr Richter, vr sich aus dieselbe Spielerei präparirt batte und sie pro- -ucirte, war geschlagen, noch ehe er das Wort ergriff, öei dieser Gelegenheit wurde Herr von Bennigsen auch de» conservativen Prahlereien über ihren „Zu wachs" mit der Frage^ gereckt, ob sie etwa die an die Antisemiten verlorenen Sitze sich als Gewinn anzurechncn ge dächten. Ausfallen mußte, daß der Präsident v. Levetzow den nationalliberalen Redner unterbrach, als dieser über die Bedeutung der socialdemokratischen Wahlersolgc Durchdach teres und WertbvollercS zu sprechen begonnen, als bis dahin von irgend Jemand gesagt oder geschrieben worden war. Um so ausfallender, als vorher Payer und Andere und nach ihm Richter sich des Breiteren über die aus den Wahlen angeblich zu ziehenden Schlüsse ergingen. Tie alle- Andere überragende Rede des Abg. v. Bennigsen klang auS in eine ernste Mahnung a» den Reichstag, um der Nation und um seiner selbst willen in der Pflege des nationalen Ge danken« sich nickt von den Dynastien überflügeln zu lassen und seiner Ausgabe gewackscn zu sein, wenn cs sich um Daseinssragen des Reiches handelt Gras Caprivi, der als dritter Redner folgte, setzte sich mit Herrn Gröber, der die Chrlick- kcit der Regierungen bezweifelt batte, recht gründlich aus einander und charakterifirtc das erwähnte Lieber'sche Wort über die Lortheile der niilitairiscken Minderzahl und ähn liche Aussprückc sebr zutreffend, indem er resignirt bemerkte, es gebe eben eine Ricktung, die sick leine Sorge darüber mache, wie Deutschland in einem Kriege bestehen würde. Damit war denn auch die Krokodillslhräne des Herrn Gröber bedankt. Tie Ausführungen dcSKanzlcrS über taSMilizsystem, die in dem Satze gipfelten: „je schlcckter die Truppe, desto lang wieriger. blutiger und kostspieliger der Krieg", verfehlten ihren Eindruck ebensowenig, wie der Hinweis aus Vionvillc, wo eine siegreiche Minderzahl sich zurückrieben mußte, eben weil sie die Minderzahl war. Herrn Richters zum Fenster binausgesprockene Rede» verdienten so lange Beacktung, als ikre Wirkung im Lande für eine gefährliche gelten tonnte. Nachdem die letzten Wahlen dargetkan, daß hierin ein erfreu licher Wandel cingctretcn, verlohnt eS sick nicht, ans die Expcctoratioii eines von anderen Parteilcitern abhängigen Führers von vielleicht 22 Mann näher cinzugehen. Wie iinnier, wenn Herr Rickter bei den Wahlen schlecht abgeschnitten bat, ist der neugcwäblte Reichstag „nicht der Ausdruck des VotkswillenS". Diese Späße sind nackgcrade langweilig geworden und ihr Urheber auch. Nackdem daS französische Ministerium Tupuy am Sonn abend Vormittag in der Kam nier auS Anlaß der Be sprechung der Pariser Straßenkrawalle eben erst einen Siez vavongelragcn, so daß cs nunmehr auf einige Zeit binauS gefestigt schien, bat die Nackmittags-Kammersitzung desselben TageS unerwarteter Weise den Finanzminisker Pentral ver anlaßt, seinen Rücktritt zu erklären. In tieserNachmitiagSsitzung der Kammer begründete, wie bereits gemettct, Barodel eine von ibm eingcbrachle Resolution, durch welche die Regierung aufgesordert wird, auf die OrdenSgesellschasteii die gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung zu bringen, und verlangte bierfür die Dringtickkcit. Der Minister präsident Tupuy bekämpfte die Dringlichkeit und forderte unter lebhafter Bewegung die Vertagung des Antrages bis nack Erledigung teS Budgets. Darauf ward die Dringlichkeit mit 380 gegen 132 Stimme» abgclebnt. Pickon verlangte sodann, die Regierung über die gesetzliche Stellung der Ordens- gescllschaflen zu intcrpelliren. Die Kammer vertagte mit 278 gegen 243 Stimmen die Debatte hierüber auf einen Monat. Obwohl damit die Angctegenbeit erledigt schien, Kal Pcytral doch sofort nach Sckluß der Kammersiyunz dem Ministerpräsidenten Tupuy sein Entlassungsgesuch überreicki, und zwar lediglich deshalb, weil, wie bereits telegraphisch ge meldet, die Majorität, welche die Vertagung der Inter pellation übcrdie gesetzlicheStellungder OrdenSgefellschastenauf einen Monat beschloß, mit Hilfe der Rechten zu Stanke ge kommen ist, während Peytral der radicalen Gruppe-an- gehvrt. Die Minister kalten am gestrigen Tage wiederholt Be sprechungen. Der Ministerpräsident Dupuy fuhr Hestern nach Marly, um den Präsidenten Carnot von dem Stande der Dinge zu unterrichten. Nachdem Tupuy nack Paris zurück- gekehrt, trat der Ministerrath noch in der Nacht abermals zusammen. Wie uns beute telegraphisch gemeldet wird, sollte durch die bevorstehende Ernennung Burke au's zum Finanz minister der lheilweisen französischen Ministerkrise ei» Ende gemacht werden. Einem weiteren Pariser Telegramm zufolge kielt auck Ca»»ot selber die Lage für ernst genug, um seinen Aufenthalt in Mariy zu unterbrecken; seine Ankunft in Paris wird für beute Abend angekündigt. Nack einem dritten Pariser Telegramm indeß, daS unS beute Mittag zugcgange» ist, bat Pevtral inzwischen sein EnIlassungSgcsuck zurück gezogen. lieber die Gründe dieser Zurücknahme wird gemeldet, daß Präsident Carnot selber unter Hinweis aus die Lage Pcytral auf das Dringendste ersuckt babc, im Amte zu bleiben. In dem während der verflossenen Nacht abgchaltenen Minister- ratbe stellten die Minister Pcytral vor, daß sein Rücktritt die Finanzen und die Interessen der Republik schwer schädigen werte, und den vereinten Vorschlägen seiner Eollegcn und Carnot'S hat denn auch Pcytral endlich nachgegcbeu. Auch in Spanien hat dieser Tage wieder einmal eine wenn auch nur tbcilweise Ministerkrise stattgefunden, was bei dem heißblütigen Naturell der Bewohner der Pyrcnäischcn Halbinsel im Grunde nicht befremden kann. I»i Gegentbeil sollte man sich eigentlich darüber wundern, daß das liberale Miliisterium Sagasta seit Jahren alle» Stürmen Trotz geboten bat. Auch von ber diesmalige» Ministerkrise ist Sagasta selber nicht weiter berührt worden. TaS einzige Opfer dieser Krise ist der Iustizminister Monlero R i o ö, der seine berechtigte Resormlust mit dem Verlust seines Portefeuilles hat büßen müssen. Zwischen Monlero Ries und dem aus anSrcicheiidsle Eriparniffe bedacktcn Finanzminister Gamazo bestand schon seit geraumer Zeit eine bedenkliche Spannung, die nun zum Sturze von Monlero Rio« geführt hat. Wer ausmerkiam die Geschichte des Ministeriums Sagasta verfolgt bat, der wird sick vermuthtich erstaunt fragen, warum lediglich Monlero RwS ziirücklrcleu mußte, während doch eigentlich das ganze Ministerium Sagasta auf recht schwachen Füßen seit lange stand und beute noch steht. Für den Augenblick ist allerdings dicGefahr, daß ras Gesammlmiiiistcrium seine Entlassung nehmen müsse, glücklich beseitigt. Denn die Aufregung, welche die durch Monlero Rios geplante Umgestaltung der Justizverwaltung, zumal die drohende Aushebung vieler Gerichtöbosc und Verschmelzung anderer, u» Lande erzeugte und der Widerstand, aus den diese Aenderungen nicht nur bei den LprpztlitütHpatlttLL» 'entern auch bei einem großen Tbcikc der Regierungspartei stieß, bewogen Sagasta, durch Unterhandlungen mit den Con- scrvativen und durch einige Zugeständnisse an diese ihren Wider stand abzuschwächen und ein Einvernehmen zu erzielen, das die Turchberaibung des Haushalts ermöglichte. Monlero Rios aber ging wieder an dieArbeil und suchte von Neuem, unter An passung an die veränderte Sachlage, die nölhigen Ersparnisse zu erzielen. Sein Entwurf fand die Genehmigung des Cabinets, wurde aber von Gamazo vielleicht im Augenblick nicht in seinem vollen Umfang gewürdigt und stieß, als er m der betreffenden CommisfioiiSberathung zur Verhandlung kam, auf den entschiedene» Widerspruch dcS FinanzministerS. Montcro Rios, der im Laufe der jüngst verslosfencn Zeit bereits dreimal seine Entlassung cingerricht, sich aber immer wieder halte überreden lassen, im Amte zu bleiben, macktc Ernst und erklärte seinen diesmal unwiderruflichen Wunsch, zurückzutreten, und dieser Wunsch ist ibm inzwischen erfüllt und an Stelle von Moiitero RioS bereits Cap depon zum Iustizminister ernannt worden. Auf Samoa, das schon seit Jahren deutsch oder doch vollständig dem deutsche» Einfluß unterworfen wäre, wenn der Teutfche »ur immer de» reckten Moment erfaßte, bat cS ganz den Anschein, alö wenn der seil langem drohende Kampf zwischen König Malietoa und dem Kronprätendenten Mataasa nunmebr unvermeidlich geworden sei, sofern sich die letzte telegraphische Meldung auS San Francisco bewahrheitet. Dieses Telegramm, das auf briefliche Nachrichten aus Apia vom 20. Juni zuruckgreift, verzeichnet die in Apia vorherrschende Bcsorgniß, daß der Beginn offener Feind seligkeiten zwischen beiden Rivalen unmittelbar be vorstehe und daß König Malietoa die Consuln der aus wärtigen Mächte benachrichtigt habe, er fühle sich stark genug, die Empörung ohne größeren Kampf zu unterdrücke». .FriegS- räthc" freilich, wie ein solcher nach dem San Franciscocr Telegramm am 24. Juni stattfindeii sollte, um über das gegen Mataasa cinzuschlageiide Verfahren zu befinde», haben in den letzte» Monaten wiederholt >m Lager Malietoa'S sowohl wie Mataafa's stattgefundeii, obne daß sie die Entscheidung über Krieg und Frieden gekrackt hätte». Nach Lage der ganzen Ver hältnisse auf Samoa muß jedoch früher oder später, entweder auf dem Wege eines Waffenganges zwischen den beiden feind- licken Parteien oder durch Eingreifen der Signalarmächte, Wandel geschaffen werde»; aber daß die Entscheidung gerade jetzt fallen werke und müsse, steht nickt außer allem Zweifel. Tie Wurzel des Uebels ist — woraus man in colonialpotitischen Kreise» auch kein Hehl macht — in der unglückseligen Samoa-Acte aus teni Iabre 1889 zu suchen Hätte man damals, wozu die Gelegenheit ja gegeben war, Mataasa oder auch Malietoa, denn im Grunde genommen ist einer so schädlich und über flüssig wie der andere, entgiltig kalt gestellt, so würde der Gefahr eines Bürgerkrieges, die jetzt dauernd über den Häuptern der Insulaner schwebt, vorgcbcugt gewesen sein. Das einzige Rettungömittel ist jetzt in der Entwaffnung der Insulaner zu sehen. So lange sich die Sianalarmächte zu diesem Schritte nicht entsckließcn und mit Malietoa wie mit seinem würdigen Gegner Mataasa möglichst kurzen Proceß machen, wirb auf den Inseln auch nicht Ruhe cinkehren. Deutsches Reich. §8. Berlin, 9. Juli. Selbst die principicllcn Gegner einer Handelspolitik, insofern sie eine Empfindung für deutsches Ansehen und daS — Gegentbeil haben, werten unwirrsch Uber di« M,ß«rs»lg« der deutschen Unterbändler bei den HandelsvertragSvcrhandliingen Wäbrcnd rin Zoll abkommen zwischen Rußland und Frankreich zu Stande ge kommen und von einem russisch-österreichischen Handelsvertrag die Rete ist, bat Rußland einen für Deutschland bestimmten Mapimaltarif ausgestellt und Spanien den bisherigen vor läufigen Vertrag mit dem Deutschen Reiche ablaufen lassen. In einer lahmen ossiciöscn Entschuldigung wird gesagt, rS möchte „zum Thcil innere spanische Gründe baben", daß aus den Verhandlungen nichts geworden ist. Aber diese „inneren Gründe" haben nicht gebindert, daß Spanien mit den, kleinen Dänemark zu einem Abkommen gelangt ist. Und waren eS auch „innere spanische Gründe", daß die deutschen Inter essenten erst am 5 Juli von dem am 30. Juni um Mitter nacht erfolgten Ablauf des Vertrags Kcnntniß erhielten, und dies nickt amtlich'? Ein ortbodox-freihändlerisckeS und dem neuen Curse sehr geneigtes Blatt versichert mit Bestimmtheit, auf den Ablauf teS UebereinkommeiiS sei Niemand vor bereitet gewesen, selbst die Reichsregierung nickt. Es liegt auf der Hand, daß durck die unerwartete Inkraft setzung der höbcren Sätze des Generaltarifs deutsche Interessen empfindlich geschädigt werden müssen. Man kann über die Handelspolitik der Äcra Caprivi-Marschall ungefähr mit dem Prinzen Heinz sagen, daß die Begierde daö Vermögen über trifft. Wo nickt ans dculsckcr Seile, wie bei den Verträgen mit Oesterreich und Italien, eine sehr weitgehende Selbst- Feuilleton. Ueber Klippen. Ilf Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verbot«i>- (Fortsetzung.) Laut sagte sie: „Trotz der geäußerten Anüchten hoffe ich doch, daß die Herren nickt« dagegen baben werden, wenn ich hier im Orte sür gesellige Freuden und Zerstreuungen sorge. Vielleicht unterstützen mich sogar die Herren darin in ihrem Streben für daS allgemeine Wobl und stellen mir ikre Talente zur Ver fügung? — O, was wäre auch taS Loben obne Geselligkeit, obne Zerstreuung!" In den dunklen Augen sprühte es aus wie beiße, verzehrende Lebenslust. „Scbcn Sie, meine Herren", fügte sie mit ibrem bestrickenden Lächeln hinzu, „dieses habe ich zu meinem LebenSberuse erwählt und Hilde niir nicht wenig darauf ein." Sie sah auf ihre Uhr und erhob sich dann. „Es ist Zeit, ich muß nach Hause — Papa wird schon warten. Liebste Lory, mein Besuck bat auch nebenbei einen Zweck, ick möckle wieder den alten Unterrickt aufnebmen. Es ist zwar eine etwas lange Pause, fast drei Jahre, aber Sic sollen scbcn. daß ick nickt Alles vergessen habe. Ich habe zuviel Anregungen und Eindrücke auf der Reise empfangen, um nicht den Wunsch zu degen, sie unter Ihrer Leitung geistig zu verarbeiten . . ." In Lory'S Gesicht malte sick Ueberraschung und Verlegenheit. Aus dieses Ansinnen war sic nickt gefaßt. „DaS gebt ja nickt. Fran von Szontiwann", sagte sie kann. „Sir müssen selbst einsehen, daß so etwas nicht möglich ist.. .!" „Warum den» nicht?" schnitt ihr die Baronin das Wort ab, als wollte sie keinen weiteren Widerspruch zulassen. „Da ich eS beanspruche, können Sie Nickis dagegen haben .. . WaS kümmert unS die dumme Geschickte!" fuyr sie lackend und mit der größten Ungezwungenheit fort. „Lassen wir die unsere Alten au-seckten! Wir Jungen sind sür den Frieden! Ucber- haupt ist die Wissensckaft ein neutrales Gebiet. Also wie früher, als ich »och Wilma SchmertizS war und auch die alten Gegenstände: Geschickte, Literatur, Acsthetik, Sprachen . . ." „Frau Baronin, daS gehl wirklich nicht! WaS würde Ihr Vater dazu sagen?" warf Lory nocknialS ein. „Mein Wille ist der meines Vaters, daS wissen Sie ja auch zur Genüge! ES bilst Ibnen nicht«, Lory, Sie kennen den Eigensinn Ihrer Sckülerin, WaS sie sich in den Kops setzt, das führt sie durch. Ich kann Sie nickt zwingen, zu mir zu kommen, aber ich komme jeden Tag zu Ihnen und will seben, ob Sie mir die Tbllr weisen, wenn ich sein bescheiden wie ein Sckulmädchcn mit meinen Heflcn und Büchern erscheine." Sie nickte ihr lachend wie einem guten Kameraden zu und verabschiedete sick dann von den Andern. Der Gräfin machte sie den Antrag, sie in ihrer leichten Britschka in die Berge zu fahren, den Kindern nabni sie daS Versprechen ab, noch beute die betreffenden Gegenstände zu holen; sie wollte ibnen bei dieser Gelegenheit ihren prachtvollen Reilschimmcl zeigen; vor den Herren verneigte sie sich nur leicht und schritt dann, von Lory begleitet, den schmale» Fußpfad hinunter, der auf die Landstraße führte, und wo ibr Wagen auf sie warlelc. ES war bei Comtesse Lorr mehr als die bloße gescllsckaslliche Lüge, wo man zu Dingen gezwungen ist. die Einem widerstreben. Es wäre ibr nicht möglich gewesen, einen Gast und besonders eine Frau in Gegenwart von Herren anders alö mit der größten Rücksichtnahme zu behandeln, und so sehr ibr auch das ganze Vorgebc» Wilma s mißfiel, so folgte sie doch nur dem Zwange ihrer feinen Natur, als sie sie bis zum Wagen begleitete. Nicht Alles war Verleumdung, was nian Wilma Szentiwany nacksagte, wenn auck manckeS Erdichtete dabei mit unterlief. Der arme Schreiber, von dem die Gräfin erzählt batte, daß er ans Liebe zu Wilma den Tod gesucht, aber nicht ge funden, lebte in einer Anstalt für Schwachsinnige in einer entfernten Provinzialstadt; denn er war seit dem Stur; inö Wasser wieder zum Kinde geworden, und Herr von SchmertizS bezahlte großmüthig seil Jahren die Kosten. Nach manchen kleinen Abenteuern spielte sich nack Iabren die Geschickte mit den zwei Osficicre» ab, die auf einer Ur laubsreise nach Bad Sckiinerlizsek gekommen waren. Sie waren Beide schmuck und feurig, und Wilma, der die Wahl schwer wurde, bevorzugte bald den Einen, bald den Ankern. — Die Folge war ein Duell, und da eö die jungen Leute ernster meinten als die scköne Zauberin, in deren Netze sie gerathen waren, blieb der Eine totl ans dem Platze, während der Andere, nachdem er eine schwere Verletzung überwunden, einige Iabre in einer Festung Zeit halte, über dies Ereigniß und eine jäh durchschnittene Laufbahn nack'zudenkcn. Diese Angelegenheit rief damals eine große Aufregung gegen Wilma im Städtchen hervor, besonders unter den, weiblichen Theile der Bevölkerung, und selbst ihr Vater ließ sich zu einem kleine» Vorwurf herbei. „Was kann ich denn dafür?" hatte Wilma geantwortet. „Bin ich für de» tollen Streich eines jeden HiykopfS ver antwortlich? Tann müßtest Tu mich katholisch werden lassen und ins Kloster stecken." Der Selbstmord eines jungen Advocaten aus dem nahen Nachbarstädtchen einige Zeit darauf, den man ihr auch zuschrieb, vielleicht mit Unrecht, da sich mancherlei geschäftliche Un- gehörigkciten herauSstelltcn, veranlaßten sie alSdann, die Be werbungen des Barons von Szentiwany anzunckmen, der als Kurgast in SchmerNzsek weilte und sich leidenschaftlich in sie verliebt hatte. Ter Baron war zwar schon ein Sechziger, aber noch ein stattlicher, rüstiger Herr von sebr altem Adel und großem Vermögen. Wiima hätte vielleicht seine Werbung überhaupt nicht zurückgcwiesen, denn seine Freiberrnkronc und sein großer Reichlhum waren Vorzüge, dir sic sehr wohl zu schätzen wußte, dann war sie auch der Ansicht, daß, wenn nian einmal seine Freiheit aufgeben wolle, ein alter einem jungen Manne vor zuziebcn sei, der wie Wachs in den Händen einer schönen Frau sei» müßte. Hier verrechnete sie sich aber sehr. — Herr von Szentiwany war verliebt und eifersüchtig wie ein junger und stürmisch und eigensinnig wie ein alter Mann, dabei von einer fast krankhaften Peinlichkeit in Betreff seiner Familienebrc. Wilma wollte in der Großstadt leben, einen Hofstaat von Verebrern und Bewunderern um sich versammeln; er hätte sich am liebsten mit ibr i» den verstecktesten Winkel der Welt zurückgezogen, wo sie kein fremder Blick streifen konnte. In ibrein rücksichts losen Egoismus blieb sie Sieger in den Kämpfen, die si.v ent wickelten; sie ging gegen seinen Willen, wohin cs ibr beliebte und er ... er folgte ibr, weil er eifersüchtig war, obne sie nicht leben konnte und auch, weil er jedes Aussehen und Gdrcdc scheute. Aus demselben Grunde spielte er den liebenswürdigen HanSberrn aus seinen Gütern, die ebenfalls der Sanimelplatz für die Herrenwelt der Umgegend wurden. Aber während sie lackte, liebte, sick amüsirte und immer schöner wurde, verfiel er von Tag zu Tag, ward er wirklich zum alten Manne, der er war. In stillen, unbelauschtcn Stunden aber spielten sich bäßlicke, aufregende Scenen ab, Scenen, wo sic auf seine Bitten unk Ermahnungen, seine Au-brücke von Eifersucht und Ver zweiflung nur kalte, höhnische Bemerkungen batte. Einmal hatte sie sich rücksichtsloser als je geben lassen; er batte sick den ganzen Tag schwer beherrscht, denn lieber wäre er gestorben, als der Welt oder nur seiner eigenen dienenden Umgebung das Schauspiel eines unglücklichen oder gar betrogenen Ehegatten zu geben... Als sie aber NacktS allein waren, wiederholten sich die Kämpfe. Sie hatte nur Hohn und Spott für den alten, sckwcr- gereizlcn Mann; außer sich, halb wahnsinnig, riß er die Pistole von der Wand. Gegen wen wollte er sic richten, gegen sie oder sich? — Doch die Hand sank schlaff berab, die Waffe entfiel ihr und er stürzte mit dem Gesicht zu Boden ... rin Herzsckag hatte jäh seinem Leben ein Ende gemacht. Etwa« bleicher als sonst, aber mit voller Geistesgegen wart bob sie die Pistole aus, die wie durch ein Wunder nicht losgegangrn war und bing sie an ihren alten Platz, dann erst alarmirte sie die Dienerschaft und ließ den Arzt holen. Der konnte nur den Tod constatiren. ES war ein Herzschlag, bei allen Leuten keine Seltenheit. Der alte Baron hatte sich aber doch gerächt. In einem erregten Moment batte er ein Testament im Geheimen auf gesetzt, worin er sein ganzes großes Vermögen entfernten Ver wandten hintcrließ und seiner Frau nur eine kleine Rente vermachte; die gute Stunde, aus die er wartete, um diese Bestimmung wieder »mzustoßcn, war nicht gekommen. Wilma wies die Rente zurück; ibr Vater war reich genug; sie brauchte diese Betllergabe nicht. „Du hättest vielleicht mebr Rücksicht üben sollen", war Alles, was ibr Herr von SchmertizS sagte, als sie nack Hause kam. „Aber Papa, Hab ick ibn gebeiralbel, nm daS Leben einer siebzigjährigen Greisin mit ibm zu fübren?" ries die Tockter erregt. „Ich bade ibn genug gesckont; ick Kälte ibn gleich in de» ersten paar Wochen sitzen lasten sollen, was schlimmer als der Tod für ihn gewesen wäre. Du bast ja geseben, wie er eS mir in seinem Testament getankt bat." Und in SckmertizS' Augen war sein (bind nickt nur rein gewaschen, sondern sie erschien ihm in der Glorie einer Märtyrerin. Seit zwei Jahren war sie Wittwc, lebte bei dem Vater wieder, niachte häufig Reisen und genoß das Leben in vollen Zügen. Sie batte schon so manche Hciraibsaiiträge erhalten, aber alle zurückgewicsen. Es müßte schon etwas Besonderes gewesen sein, WaS sie vermockt hätte, ibre Freiheit wieder aufzugeben. (Fortsetzung folgt.)
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