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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930711023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-11
- Monat1893-07
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O sann über die Manöver, wird um sv mehr zu eingehenden Erörterungen über die gesanimien Nvlhslanrsanlräge und die Erklärung der ver bündeten Regierungen bezüglich ihrer Haltung zu diesen An trägen führen, je mehr man eine be sondere Besprechung der Anträge vermeiden möchte, da eine solche dazu zwingen würde, dem Anträge deS EentrumS auf Aushebung des Jesuiten- zesetzeS das BorgaiigSrcckt cinzuräumen. WaS sodann die social- demokratische Interpellation über die Angelegenheit des Straß bürg er Polizeipräsidenten betrifft, so werden, da die Soeialdemotralen von der Sache erst in zweiter Linie berührt sind, die eigentlichen Macher wohl im Ecnlrnm sitzen. Es wird sich voraussichtlich zeigen, daß die Sache maßlos übertrieben und entstellt ist. Beschimpfende und rohe Ausdrücke, wie sie Herrn Feichler zngeschrieben werden, wären freilich nicht zu billigen. In der Sache aber kann man ihm wohl Recht geben. Diese ultramvnlan-protestlerischcn Vereine, die nichts als landeSverrätherische Umtriebe bezwecken, müssen nach Fug und Recht ausgelöst und in ibrer Wirksamkeit möglichst ge bindert werden. Und wenn einem Manne, der für die Sicher heit des Landes an seiner Stelle verantwortlich ist, einmal ein kräftiges bajuvarischeS Wörtlein entschlüpft, so ist daS mensch lich verzeihlich genug. Wenn man überall in den Reichs landen, wo hoch- »nd landeSverrätherische Umtriebe gegen daS Reick gesponnen werden, die ultramontane, meist sogar priesterliche Anstiftung und leitende Hand erblickt, so kann Einem daS Herz wobt überlaufen. Hoffentlich wird man Herrn Bebel mit seiner zarten Empfindsamkeit für die ultra- montanen LanLeSverräther und Ränkeschmiede im Elsaß kühl ablausen lassen. Aber auch wenn dies geschieht, wird die zweite Lesung der Militairvorlage höchstens begonnen werden können. Wie unter diesen Umiländen die ReicbSlags- session schon am Sonnabend soll zu Ende koinmen können, ist selbst dann nicht begreiflich, wenn man annimmt, daß bei der weiteren Behandlung der Militairvorlage fast auf jede Erörterung verzichtet würde. Uebcrdies würden auch bei dem NachlragSetat die Fristen abgekürzt werden müssen. Der Reichstag wird daker schwerlich vor dem nächsten Dienstag geschlossen werden können. Die bayerischen Abgeordneten sind wegen der Landtagswablen fast sämmllich von Berlin abgereist; cS wird sebr bezweifelt, ob die vom Eentrum alle zu cer Mililairabstimmung wieder kommen werden. Vielleicht fördern manche das Zustandekommen des Gesetzes durch Fernbleiben. Die Ueberschwemmung des Reichstags mit Initiativanträge», wie sic namentlich vom Eentrum, aber auch von anderen Parteien in Scene gesetzt werden, ist ein betrübendes Zeichen, wie unser ganzes parlamentarisches Wesen mehr und mehr von demagogischen Gesichtspunkten beherrscht wird. Keinem einzigen der Antragsteller ist es zweifelhaft gewesen, daß in der gegenwärtigen Session lediglich die ans den Futtermangel bezüglichen Anträge zur Verhandlung kommen würden. Die Einbringung anderer Anträge, und darunter weltschichtiger Gesetzentwürfe, hätte im gegenwärtigen Augenblicke nur dann einen Sinn gehabt, wenn anzu- nebinen gewesen wäre, daß die Session nach Erledigung der Militairvorlage nicht geschlossen, sondern vertagt werden würde. Zu dieser Annahme war aber Niemand berechtigt, der sich der in der letzten Legislaturperiode wiederholt ge pflogenen Erörterungen über die Nachtbcilc langer Ver tagungen erinnerte. Die fraglichen Antragsteller wußten also, daß ibr Vorgeben im gegenwärligen Augenblicke sachlich durchaus zwecklos sei. Eö bankctlc sich bei ihnen lediglich uni eine Demonstration »ach außen. Eine solche würde sich begreifen lassen, wenn irgendwelche Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar bevorstehenden neuen Wahlkampfes Vorgelegen bätte. Das aber war, was daS Reich anlangt, keineswegs der Fall, und eine Wirkung auf die bayerischen oder die preußischen Landtags wählen kann man sich von diesen Anträgen kaum versprochen haben. Die Anträge können also nur einen ganz allgemein agitatorischen Zweck haben. Zn einem solchen aber die Gcschäflötbätigkeil des Reichstags zu benutzen, entspricht nicht der Würde des letzteren, »nd wir können nur bedauern, daß dem vom Eentrum in dieser Richtung gegebenen Beispiel auch Andere gefolgt sind, von denen man es nickt bätte er warten sollen. In der nationalliberalen Fraclion ist die Frage aufgeworfen worden, ob man den mit der Militair vorlage immerbin in eine» gewissen Zusammenhang zu bringenden Antrag ans Reform der Militairjustiz nickt jetzt sofort wieder einbringcn sollte. Man bat aber davon Abstand genommen, weil eine Beratkung desselben in der gegenwärtigen Session nicht zu erreichen gewesen wäre, die Einbringung also nur ganz nutzlose Papier- und Druck kosten verursacht bätte. Für die belgische Politik ist der bcnlige Dienstag ein besonders wichtiger Tag; denn beule soll die belgische Depu- tirtcnkammer den Artikel l der belgischen Bcrfassung einer schwerwiegenden Revision unterwerfen. Die Revision betrifft zwei Pnnete. Bei der Aufführung der Provinzen sollen bei Luxemburg die Worte „vorbehaltlich der Beziehungen Luxem burgs znm Deutschen Bunde" forlsallen, dagegen soll dem Artikel die Bestimmung binzugcfügt werden, daß Belgien Eolonien oder überseeische Besitzungen erwerbe» darf, die durch Sondergesctze regiert werden solle». Das Land hat sich also zu entscheiden, ob es in die Eolonialbewegung eintrele» und den Eongostaat als belgische Eolonie übernehmen soll. Die radikalen Kreise warnen davor aufs Eindringlichste, da die Annahme des Zusatzes dem Lande Millionen über Millionen kosten werde und Evlonialarmce, Kriegsmarine, Krieg in Afrika und Eonflicte mit europäischen Mächten die weiteren Folgen sein würden. Trotz dieser Warnungen ist die Annahme des Eolonialzusabeö fast zweifellos. Selbst die dem Eongowerke feindliche „Rö forme" hält, wie bereits telegraphisch gemeldet, die Zustimmung der Dcputirten für sicher. Unter diesen Umständen ist cS der Regierung sebr unangenehm, daß gerade jetzt die Pläne deö Königs über die Bildung einer neuen großen Evloniatarmce — schon jetzt hat der Eongostaat am Eongo eine 17«! belgische Osfieicrc und Unterofswiere und 3520 schwarze Soldaten zählende Armee — bekannt geworden sind. Der König hat selbst die Grundlagen der neuen Armee mit dem jetzt »ach Ajrita abgegangeiien Eapitain NiliS geregelt, und Lctzierer bat hier von den Officieren seines Regiments Mitlbcilung gemacht. Wenn daher die Officiöscn die geplante Errichtung einer Eolonialarincc bestreiten »nd die Aeußcrnngcn des Königs als unwahrscheinlich bezeichnen, so ist daraus kein Werth zu legen; eö ist vollständig klar, daß, wenn Belgien in die Eolonialpolitik eintritt, es auch die Folgen — viele Schwierig keiten und Millionen — aus sich zu nehmen hat. Tie „Indöp. beige" bebt besonders bervor, daß eS sich bei den neuen Plänen des Königs um eine europäische Eolonialarmee handelt. Wie dem auch sei, cs steht so gut wie fest, daß die jetzigen Kammern den Zusatz zur Verfassung hinsichtlich des Eolonialbesitzcs annehmen. In der Schweizer Bundeshauptstadt hat die russische Gesandtschaft an den Erörterungen, zu denen die bekannte Angelegenheit des ArbcitersccretairS Di. Wassi liew führte, einen bestimmten Antbeil genommen Wassiliew war seiner Zeit in Bern Assistent beim Physiologieprofessor Kron- ccker. Der junge Russe kam dem Professor merkwürdig vor, weSbalb Kroneckcr den bernischen Erziekungödirector Gobal ersuchte, er möchte über die Persönlichkeit des Wassiliew ge naue Erkundigungen einzieben. RegierungSratk Gobal wendete sich zu dem Zwecke direct brieflich an die russische Gesandtschast i» Bern. Diese ertbeilte schriftlich Auskunft, wobei Wassiliew mit seiner Vergangenheit schlecht weg kam. Sobald Wassiliew verbasiet war, beschäftigte sich die gesammte Schweizer Presse lebhaft mit der Frage, wie der Russe, schriftcnlos in die Schwei; gekommen, Schweizer babe werten können. Vor einigen Tagen veröffentlichte nun das „Genfer Journal" unter den Depeschen jene zwischen der russischen Gesandtschaft und dem Berner RegicrungSratb Go bat geführte Eorrespondenz. Diese Aktenstücke, von deren Existenz nicht einmal die Berner Regierung Kennlniß gehabt zu habe» scheint, geschweige denn ein weiteres Publicum, gab die russische Gesandtschaft a»S freien Stücken dem „Genfer Journal" bekannt. An der Hand der Actenstückc suchte daS Genfer Blatt das Publieum glauben zu machen, Rcgicrnngs- rall, Gobat, der durch die Gesandtsckafl Kenntniß über daö Vorleben Wassilicw's erbielt, sei Schuld an der Ein bürgerung deS Russen. Tie von der russischen Gesandtschaft veröffentlichte Eorrespvndcnz diente also dazu, Capital gegen ein Mitglied der Berner Regierung zu schlagen. Ob die russische Gesandtschaft abnte, welchen Gebrauch das Genfer Blatt von den Aktenstücken machen werde, wer sollte außer der Gesandtschaft selber dies wissen? Daß aber sie Gesandt schaft sich überhaupt herbciließ, den Briefwechsel zu vcrösseitt- lickcn, muß auffaUcn. Vielleicht verfolgte die Gesandtschaft dabei eine» besonderen politischen Zweck, den man erst erfährt, wen» einmal die Eriminaluntersuchuiig volle Klarheit in die Person des vr. Wassiliew gebracht hat. Der Mikado von Japan als Bellagtcr — wenn auch nur in einem Eivilproeeß — daS ist trotz Ben Akiba doch vielleicht noch nicht dagcwcscn. Ter Fall, um den cS sich handelt, ist der folgende: Vor dem britischen Eonsnlatügericht Bokohama schwebt gegenwärtig ein Proceß, den der Mikado gegen die englische Pcninsular- und Orienta l- Gesellseyast angestrengt hat. Ende letzten Jahres nämlich stieß an der Küste von Japan der Peninsnlar und Oricntal- Dampser „Ravenna" mit dem japanischen Torpedoboot „Chishima" zusammen. Das Torpedoboot ging fast mit Mann und ManS unter, während der „Ravenna" nur erbeb lichen Schaden erlitt. Ein britisches Seegericht sprach den englischen Dampfer von aller Schuld frei, während andererseits ein japanisches Seegericht dem japanischen Torpedoboot teine Schuld bcimaß. Der japanische Loolse, der sich an Bord der „Ravenna" befunden batte, wurde verbastet und ihm wegen TodtscklagS der Proceß gemacht. Bei dem gegenwärligen Proccsse beansprucht die japanische Regierung aus Grund der Entscheidung deS japanischen Gerichts Schadenersatz wegen deö Verlustes der „Ekisbima", und zwar nicht weniger als 7.',0 000 Dollars. DaS Scbiss selbst bat 400 000 Dollars, die Ausrüstung 120 (MO Dollars gekostet und der Rest wird wegen der Kosten der Uebersübrung des Bovteö von Frankreich und für Leistungen an die Hinterbliebenen verlangt. Die „Peninsnlar- und Lrienlal-Gesellschaft" bat eine Gegen klage eingercicht und fordert ihrerseits Schadenersatz von der japanischen Regierung wegen der Beschädigungen der „Ravenna". Es entsteht min die Frage, ob das britische Eonsulatsgericht compclent ist für eine gegen den Kaiser von Japan eingercichlc Klage. Tie Gesellschaft macht geltend, der Mikado müßte sich eine Gegenklage gefallen lassen, nach dem er einmal die Angelegenheit vor das britische Consulats- gericht in Jolvbama gebracht babe. Erklärt sich das Gericht für unzuständig, so muß die Gesellschaft natürlich ihre Klage vor die japanischen Gerichtshöfe bringen. Jedenfalls wird der Proceß bis an de» britische» Geheimen Rath gelangen und von ziemlicher Dauer sein. Tic Reise eines afrikanischen Herrschers, dessen Land zu den Staaten Europas so gut wie keine Beziehungen hat, wenigstens nicht hätte, men» eö ganz allein nach kein Wunsche dieses Herrschers ginge, sollte eigentlich für uns Europäer, wie mau anzunebmen sich versucht fiikle» möchte, ziemlich gleichgiltig sein. Und doch hat die betreffende Reise in diesem Falle ihre politische Bedeutung. Es bandelt sich um die alljähr liche, aber gerade die« Iakr auffällige Reise, die der von England, Frankreich und Spanien in gleich bobem Grade umworbene Beherrscher des mohammedanischen Westens — deö Magbrcb-el-Aksa —, der Sultan von Marokk«, unter nommen bat. Muley Hassan ist von Fe; aufgcbrochen, er hat sich aber nicht wie alljährlich nach Marrakesch oder nach Mckine; begeben, sondern er soll die Richtung über den Attas in die Sahara nach der Oase Tafilelt eingcscklagen baden. Rach Berichten englischer Blätter bat er die Thore seines Palastes in Fe; vermauern lassen und soll große Schätze an Silbcraeld und Kleinodien mit sich führen. Zu seinem Statthalter in Fez )oll sein Sobn Muley Omar bestellt sei», während sein anderer Sobn Muley Mohammed beauftragt sei, mit einer stattliche» HeeicSmacht dem Sultan den Weg über den AtlaS zu bahnen. Die Abwesenheit von Fe; soll angeblich drei Jahre dauern. Die Oase Tafilelt ist die Wiege deS gegenwärtigen marokkanischen Herrscherhauses der „Filali", aber seit undenklichen Zeiten hat kein Sultan wieder den AtlaS überschritte», obwohl daS Gerücht geht, daß ein Theil der Schätze und Ersparnisse der Herrlcher seit Jahrhunderten in einer Schatzkammer in Tafilelt hinterlegt werte, um einen Rückhalt zu bilden, wenn die Giauren, die Fremdlinge, dem inaghrebinischen Kaiserreiche einmal ein Ente bereiten. Weit in die Sahara hinein, bis gegen Timbuktu, erstreckt sich dem Namen nach die marok kanische Herrschaft, jedenfalls ist der Einfluß deS Sultans bei allen Wüstenstämnieii maßgebend. In den letzten Jabren suchten die Franzosen von Algier ans hierein Bresche zu legen, und ihre Versuche, die Tuat-Oasen in ihre Gewalt zu be kommen, sind zur Genüge betannt. Aber die Tuaregstamme fügen sich nicht der französischen Herrschaft, sie sandten im Vorjahre Boten nach Fez und baten uin marok kanische Truppen, unk anläßlich deS dieSjäkrigen Bairam- festeö ani 20. Juni waren Abordnungen a»S Tuat in Fez, die mit dem Sultan lange Unterredungen hatten. Man wird kabcr nickt seblgeben, wenn man annimmt, die Reise des Sultans verfolge een Zweck, die marokkanische Herrschaft im Süren des Atlas neu zu befestige» und den französischen Beniübungcn entgegen zu arbeiten, und in der Thal haben wir ja inzwischen auch unterm 6. Juli eine Rachricht von neue» siegreichen Kämpfen gegen aufsässige Stämme Marokkos crballen. Zugleich ist aber auch der Sultan den Besuchen fremder Vertreter und ihren Beschwerden entgegen, kenn es ist kaum anzunebmen, daß ein Gesandter ibm in — die Sahara folgt, in der selbst die Franzosen sich so schnell nicht heimisch sichten dürften. Deutsches Reich. H Berlin, 10. Juli. Was bat Herr Lieber eigentlich für einen bürgerlichen Berus? wird sich schon Mancher Feuilleton. lieber Klippen. 121 Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten, (Fortsetzung.) Bei ihrer Rückkunft trat ibr Leben in eine neue Phase. Bis jetzt waren ihr alle Eroberungen so leicht geworden, daß es ihr oft selber wie ein Marionettenspiel vorkam; sic brauchte es nur auüuzieben, und die Figuren tanzten »ach ihrer Melodie. Ein Blick, ein Lächeln von ihr batte vermocht, Leidenschaften zu entzünden. — Sckon die Schilderung ibres Vaters von der Persönlichkeit Franz Perfall'Sbatte ibr Interesse erregt, und wenn cS auck zuerst auf rein materiellem Grunde ruhte, so reizte sie doch die Neuheit der Aufgabe.... Welch ein Triumph, diesen strengen, unerbittlichen Mann ihrem Zauber zu nnterwcrsen! .... ihn derart zu bezwingen, daß er sich selber untreu würde, er, der so hoch über Allen zu stehen sckien! Könnte cs einen größeren Triumph für eine Frau geben? Er gefiel ihr, dieser Franz Pcrfall, er gefiel ihr außer ordentlich. Seine bohe, imponirendc Erscheinung, seine be deutende Persönlichkeit überraschte sie. Welck ein süßer Sieg mußte es sein, in dieses strenge, dunkle Auge ein LiebeSläcbeln zu zaubern, diese ernsten, festen Lippen LicbeSwortc flüstern zu kören! Pastor Kis erschien ibr im Gegensätze zu ihm sebr unbe deutend; selbst die feindliche Gesinnung, die er so ungeschcut an den Tag legte, lockte >br nur ein geringschätziges Lächeln ab. Wäre Persall nickt gewesen, so hätte sie vielleicht, um ihn zu strafen, ihre Licbcskünste an ibm versucht — aber so?.... mochte er Lory nur den Hof machen! Er schien dies auch zu tku», und die beiden vollkommenen Tugend menschen paßten auch gut zusammen. Aber er, Persall, warum verkehrte er in der Meierei, da er sich doch sonst von Allem zurückzog? Die Gräfin konnte der AnziehungSpunct nicht sein, auch TereSka nicht, die säst nock ein Kind war — ein Grund mehr, mit allen ibr zu Gebote stehenden Mitteln in diesen Kampf zu ziehen. Am Morgen nach ihrem Besuche bekam sie von Lory ein Briefchen, es enthielt eine Absage. Wie die Sachen einmal lägen, sei es iyr nicht möglich, ihre alte Thätigkeit wieder aufzunchmcn. Die Gegenwart der Herren gestern habe sic nur verhindert, so fest ibie Weigerung auS;u)prcchen. Wilma biß die tleincn Zähnchen zusammen; sic zerknitterte den Brief in den Händen. „Du willst mich nicht haben, aber — ich brauche Dich!" . . . ries sie mit blitzenden Augen; kurze Zeit darauf befand sie sich aus dem Wege zur Meierei. Sie traf Lory im Be griffe zur Schule zu geben und begleitete sic eine Strecke. „Was fällt Ihnen ein, Ihr Wort zurückzunehmen?" fragte Frau von Szcnliwanh auf dem Wege. „Ich nahm cs nickt zurück; denn ick hatte es noch nicht gegeben", versetzte die Eonttcssc ruhig. „Sie müssen ja selber einseben, daß eS so reckt ist." „Gar nicktS sehe ich ein, nur daß ich auf den Unterricht und was noch mehr in, auf Ihren Umgang verzichten soll", ries Wilma in einer Art Erregung. „Seien Sie doch ver nünftig, Lory! Wir baden ja Zeit, unsere feindlichen Empfin dlingen hervorzukcbren, wenn — der dumme Proceß bcenoet sein wird. Betrachten wir die Zeit bis dahin als einen Waffenstillstand, und Sie wissen ja, in unserem aufgeklärten Jahrhundert pflegen die Feinde während eines solchen gesell schaftlich mit einanver zu verkehren." Aber auch der Witz verfing nicht, Lory bcbarrtc bei ihrer Weigerung. „Wissen Sie, was ick am Ende denken werde?" fragte die Baronin mit einem eigenthümlicken Ausdruck. „Daß — daß Sic mich fürchten daß Sie fürchten, ich könnte Ikncn bei einem Ibrer Hausfreunde Eoncnrrenz macken ... Soll ick mich ausS Ratben legen? .... Sie wissen, ich bin stark im Rathen, Lory! Es klang fast wie eine Drobnng. Eine beijw Blutwelle ergoß sich über das Antlitz deS Mädchens. Sie hob die Angen zu einem zürnenden Blick, senkte sic aber wieder scheu vor dem spöttisch lauernden und zugleich durchdringenden Strahl, der ihr auS Wilma s Augen eittgegenblitzte. „Wie ist cS, Lory, soll ich kommen?!" fragte Frau von Szentiwany nach einer Pause. Es war der Ton eine- Feld- Herrn, der dem Besiegten die Uebergabc dictirt. — Lory batte sich gefaßt und sab jetzt dir Baronin mit einem stolzen, ruhigen Blicke an. „Sie können kommen, Frau Baronin, wenn es Ihnen so sebr am Unterricht gelegen ist. Und WaS die beiden Herren betrifft, so lasse ich Ihnen vollständige Freiheit in Ihren OperationSpläncn." . . . Damit grüßte sie kurz und entfernte sich mit rasckcn Schritten. Und dock batte Wilma Szentiwany daS reckte Mittel gefunden, daS scheue Gefühl des Mädchens zu bezwingen .... XU. Franz Perfall batte jetzt Gelegenheit, Frau von Szcnti- tvany jeden Tag zu sehen und nickt nur bei Gräfin Satwar ... Der Weg vom Badeort Sckmertizsek nach W. führte durck die Straße, wo das Stuhlrickttcramt lag, und wer nickt auf Feldwegen in die Stadt gelangen wollte, mußte diese wähle». Die Baronin kam täglich in die Stadt, bald zu Fuß, bald zu Pferde, und immer in den auSgesucktcsten und geschmack vollsten Toiletten. Die Straße war zwar breit, unk sie hätte die andere Seite deö Trottoirs wählen können, wo eS sich im Schutz der grünen Bäume gewiß angenehm ging — sie zog jedoch die schattenlose vor und ritt dicht am Gericktsgebänke vorüber und zwar immer zu einer und derselben Stunde, so daß Persall, der beim offenen Fenster saß und arbeitete, un willkürlich aufblickte, wenn die Uhr über seinem Schreibtisch die elfte Stunde schlug. Bald aber wurde sie unregelmäßig, kam bald zu dieser, bald zu jener Stunde, manchmal blieb sie sogar aus. DaS störte aber den jungen Mann in der Arbeit, und cS ärgerte ibn, daß er unwillkürlich daran dachte, wann und ob sie überhaupt kommen würde. Er dachte nicht, ob cS weiblich oder nnweiblick war, er suchte es sich klar zu macken, warum sie das tdat. Denn daß eS ibm galt, das wußte er, das war zu augenfällig, daS fühlte er heraus .... und nicht nur hier, auch in der Meierei, wo er täglich mit ibr zusammentraf. Warum aber gerade ibm diese Aufmerksamkeit? Stefan war ein schöner Mann, schöner als er, nach Frauenbegriffcn wenigstens, und auch liebenswürdiger. Franz Persall batte zuerst nur ein geringschätziges Lächeln für die ibm gellenden Aufmerksamkeiten. Sie sollke ihn nur suchen, er würde sich schon finden lassen auS dem Wege geben würde er gewiß nicht Wenn sie aber glaube, er würde die Zabl der Narren und Feiglinge vermebren, dann irre sie sich Ob sich Wohl nicht, sich selb» unbewußt, in diese Ueberlegenbeit etwas von geschmeichelter Eigenliebe über diese Bevorzugung mischte? Es war srüb am Morgen: leichte dünne Nebelschleier lagerten aus Wald und Feld, hinter dem Bergwall kam die Sonne bervor, groß, flammend und purpurn, und wie eine Fcuerkrone sank eS auf die schneebedeckten Häupter der Berge. Je Keller die Garben cmporschossen, desto voller und breiter ergoß sich daS Lickt nach unten: eS rieselte über die Abhänge, breitete sich über die Tbäler, und mit ibm kam der Morgenwind geschlichen und riß die Sckleier entzwei, warf sie da und dorthin, jagte sie vor sich her über Berg, Wald und Feld, klopfte auf die Büsche, rüttelte an den Bäumen, bauchte über die Blumen, und plötzlich war Alles Leben und Bewegung. Tnrck dieses Wogen und Flammen, dieses Singen und Klingen ritt Stuhlrichter Persall, den Zügel lose über den Arm geschlungen. Wie alle bedeutenden Menschen, war er ein Frühaufsteher, und wenn Andere noch der Rnbe pflegten, batte er sckon der Vorfrühe des Tages einige nützliche Stunden abgerungen. Im Winter benutzte er dieseZeit zum Studium, zu wissenschaftlichen Arbeiten, im Sommer machte er täglich seine weiten Spazier ritte, und so batte er auck schon die Gegend nack allen Richtungen und oft meilenweit im Umkreise kennen gelernt. Die Bauern, wenn sie ihn so srüb bei ihrer Feldarbeit vorüberkommen saben, pflegten zu sagen: „DaS ist ein braver Herr; den» er ist fleißig und verschläft keinen Morgen." Er war überhaupt bei dem ärmeren Bauernvolk angesehen und geehrt; er war der Verfechter ihrer Reckte. Perfall hielt rastend ans einer Anhöhe, von der man einen wunderbaren Anblick halte. RiigSuin das gewaltige Bild der Berge, die Gipfel schneebedeckt und schimmernd im Sonnen glanze, die Abhänge von weichem, violettem Duft verbüllt und Feider, Wald und Wiesen in üppigster, grünender Fülle im weiten Umkreise von ihnen eingesckloffen. Die beiden Kirch- tbürmc, in deren goldenen Kreuzen die Sonnenstrahlen sich ver fingen und »nzäbligc kleinere Sonnen wirerspiegelten, waren die einzige Andeutung für die Stadt, die in einem Garlcnmeere wie vergraben lag. Näher gerückt und auch erkennbarer war Schmertizsek, bald schimmerte ein Dach, bald eine Mauer aus der grünen Umgebung, und ganz deutlich ragte das Herrenhaus in seiner ganzen, mächtigen Anlage hervor. Und zwischen den grünen Saatfeldern schlangen sich die beiden Flüsse, wie Silber bänder in ihren Windungen ausblitzend. Am Fuße cer Anhöhe, aus der Persall hielt, vereinigten sic sich zu einem Strome; über die Stelle fiibrtc eine zierliche Brücke auS Eisen, die eben falls Herr von SchmerlizS batte erbauen lassen. Ta ertönte plötzlich Husscklag und lanteS Pscrdewieberii hinter ihm; doch bevor er Zeit batte, sein Pferd zu wenden, um zu sehen, wer das sei, sauste Jemand mit der Schnelligkeit deS Blitzes an ibm vorbei, den Hügel hinunter und rer Brücke zu. ES war eine Dame; sic trug ein blaueS Reitkleid, ein Sammelbarret von derselben Farbe mit schwarzer, keck empor-
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