02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930712024
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-12
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Zig", auö einer Reibe von Reden der Führer deS CcntruuiS den Beweis zu führen, daß Gras Caprivi völlig im Rechte gewesen sei, als er kürz lich im Reichstage erklärte, die demokratische Richtung im Centrum nehme zu und diese Partei sei in der IIin Wandlung von einer confessionell-kirchlichen in eine politisch demokratische Partei begriffen. Wie wir beute aus der betreffenden Nummer der „Nordd. AUgem. Zig " ersetzen, sind die Beispiele, welche die Richtigkeit der Worte deS Grafen Caprivi erhärten sollen, recht glücklich gewählt. Aber das Blatt hätte nicht vergessen sollen, daß ^.hatcn noch beweiskräftiger sind als Worle, und daß soeben das Cenlrum eine Thal vollbracht hat, die den Beweis führt, daß die Partei den UmwandlungSproceß aus einer confessionell-kirch lichen in eine politisch-demokratische bereits vollzogen bat: Herr Fusangel, der im vorigen Reichstag vom Centrum, an dessen Spitze die Herren v. Hcerenian und v. Huene standen, verleugnet wurde, ist jetzt in die CentriimSfraction ausgenommen worden, deren Fübrer Herr Lieber ist. Dazu zwei kleine Erinnerungen. Anfangs Juli — es war kurz nach der Bismarckreise — sagte Herr Lieber in einer Ver sammlung zu Köln: „Unsere Stellung ist, mögen die Anderen treiben, was sie wollen, an der Seite von Kaiser und Reich, von König und Vaterland. Wir werde» gemeinschaftlich dem Kaiser ein Hoch rufen, daß die Säulen dieses Saales wackeln." Ob die Säulen wirklich gewackelt haben, wissen wir nicht, aber jedenfalls ist die damals plötzlich aus- gekommcne ultramontane Reichstreue wieder inö „Wackeln" gekommen. Sonst bätte nickt ein Mann Mitglied des CentrumS werden können, der auS seiner Abneigung nicht nur gegen den deutschen Kaiser, nein, auch gegen den König von Preußen kein Hebt gemacht bat. Von dem katholischen Rheinländer Fusangel rühren die Worte her: „Wer als katholischer Rheinländer sich als Preuße aufspielt, handelt ebenso „charaktervoll", wie ein Pole, der sich für einen Russen ausgiebl." „Die durch 1870 in Europa geschaffene politische Lage (also die Gründung deS Reiches) ist unnatürlich und datier aus die Dauer nnball- bar. Mag daher auch der letzte Heller deutschen Geldes und der letzte Tropfen deutsche» Blutes auf dessen Ausrcchtcrhaltung verwandt werden, einst wird der Tag kommen, wo die ganze Herrlichkeit in sich selbst zusammenbricht!" Herr FuSangel wirk denn auch den Riegel bilden, der dem Herrn Reichskanzler sowobl, wie den Kreuz- zeitungs Conservativcn die immer noch mit stiller Sehnsucht betrachtete Thür zum Ccntrum verschließt. Diese öffnet sich nur noch den Demokraten und den Socialdeniokraten, und Graf Caprivi wird klug bandeln, wenn er die Scknsucht nach dem alten „confessionell-kirchlichen" Centliini schleunigst aufgiebt und seine Politik so einrichlct, daß er die Lieber und Fusangel entbehren kann. Die im heutigen Morgcnblatte mitgethcilte Ansprache, die Prinz Ludwig von Bayer» am 8 ds. in der Schrift sie ller- und Journalisten-Versammluiig zu München hielt, ist von der Sckriftstellerwclt Deutschland« und Oesterreichs mit freudiger Zustimmung ausgenommen worden. Wenn Prinz Ludwig der deutschen Presse das Verdienst zusprach, Millionen von Deutschen außerhalb deS Deutschen ReicbeS geistig mit der Gcsammtnation zu verbinden, so haben diese Worte namentlich in Len Herzen der Oesterreicher mächtig gezündet. „Da Prinz Ludwig", sagt die „Neue Freie Presse", „indem er von den dranßcnstehenden siebzehn Millionen sprach, in erster Linie an die Deutschen in Oesterreich gedacht haben wird, so kann er überzeugt sein, daß die Anerkennung dieses Verdienstes eine dankbare Thal der Gerechtigkeit ist. Schwer genug wird cS den Deutschen anßerkalb des deutschen Reiches gemacht, die Angriffe auf ikre Nationalität abznwebren, obwobl sie wahrbaslig gute Unlerthanen ihres Monarchen und gute Bürger ibres Staates sind. Und wenn sie um ihr Deutscb- tbunl ringen und kämpfen, wenn sie von der Presse inimer wieder ermutbigl werden, der Ungunst, welche sie umgicbt, z» widerstebcn, so ist dies um so rübnilicherc Arbeit, alö sie ans sich selbst, auf ihre eigene Kraft und ihre eigene Treue an gewiesen sind, denn Niemand sicht ibnen hilfreich zur Seite." Nick't minder snmpatbstch äußern sich andere große Blätter der österreichischen Hauptstadt, so namentlich daö „N. W. Tagbl." und das „Fremdenblall". CS ist gewiß nicklS Ge ringes, daß die Macht, bas Deutschlhum außerhalb Deutsch lands in dem nationalen Bewußtsein scstzubaltcn unk seine Lebenskraft zu stählen, der Presse von so erlauchtem Munde zugesprochen wird. Nack Nachrichten aus Bangkok lieferte am 8. Juli die Regie» ung von Liam dein dortige» sranzösischen Gesandten den vollen Beweis dafür, daß Grosgurin, wie bereits ge meldet, nicht ermordet worden, sonder» im Kampfe gefalle» ist. Ob die französische Regierung sich bei dieser Erklärung beruhigen wird, bleibt abzllwartcn. Vorderhand sieht cS freilich nicht danach aus. Nach Nachrichten aber, die in Berlin ans Siam eiiigegangen sind, herrscht in Bangkok unler den Fremden Besorgnis; über die Haltung der chinesischen Bevölkerung ber Stakt für den Fall eines französischen Angriffs oder einer Blockade des Men am ström es. Man fürchtet freindcnscindliche Demonstrationen seitens der zahlreiche» Ebincsc», deren Handel von der Ofsenbaltung des Flusses abhängig itt. Die deutsche Reichsregierung hat sich daher veranlaßt gesehen, zum Schutze ihrer Angehörigen Las aus der chinesischen Station liegende Kanonenboot „Wolf" nach den sia mesischen Gewässern zu enlsenden. Die Runiänenconserrnz, die am 9. Juli in Hermann- stadt bätic tagen sollen, ist, zum größten Verdruß der russisch- panslawistifchen, sranzösifch-chauviniflischen und rumänisch- irrebentistischeii Hetzblätter, von Denen, die sic geplant hatten, aus eigenem Antriebe aus unbestimmte Zeit verschoben worden. Das Geschrei jener Gesellschaft über die neue „Vergewaltigung" der Rumänen durch daS Magyarcntbuni wird in Ungarn ebenso spurlos verhallen, wie alle ähnlichen Redensarten früherer Zeit; man ist in Ungarn an unausgesetzte lügnerische Angriffe von jener Seite gcwöbnt und läßt sic um so glcick- mütbiger gewähren, als Ungar» weder die Macht hat, syste matische Verleumder eines Besseren zu belehre», noch die Mittel, um mir Leuten zu conenrriren, die sich der er wähnten Hetzblätter al« politischer Werkzeuge bedienen. Wohl aber legt die öffentliche Meinung Ungarns Wcrtb darauf, daß das deutsche Volk sich durch erkeucheltc Jainnierrnfe der anliniagyarischen Hetzer nicht irresühren lasse. Mit Rücksicht darauf betonen unterrichtete Pcsler Politiker mit vollem Nachdruck, daß der dortigen Regierung nichts ferner gelegen hat, als die Untersagung der eingangs erwähnte» rumänischen Partciconserenz. Ihre Stellungnahme beschränkte sich auf die den Herman»- släbter VerwaltnngS - Behörden erlheilte Weisung, die Conferenz zu beaufsichtigen, staatsfeindliche Kund gebungen hintanzuballen und ausländische Rumäne» zur Conferenz nicht zuzulassen. Ein von der Hermann- städter Polizei erlassenes Verbot der Conferenz wurde seitens des Ministers LeS Innern alsbald außer Kraft gesetzt, so daß der Abhaltung der Conscrenz durchaus kein Hinderniß im Wege stand. Wenn die Rumänen trotzdem auf Abkaltung der Eenfercn; verzichteten, so kann diesem Entschluß »ach Lage der Sache kein anderer Beweggrund unterstellt werden, als die Enttäuschung darüber, daß die ungarischerseits getroffenen Maßregeln den Plan einer ansschlicßlich staats feindlichen, von ausländischen Elementen assistirten Demon stration zu nichte »lachten. Die Eenferen; verlor eben in den Augen ihrer Veranstalter alle Bedeutung, sobald die Regierung verlantbaren ließ, sie werde die Tbcilnabme von Bnkarestcr Studenten und „Senatoren" nicht dulden. Belgien, lange von fortschrittlicher Seite als ein liberaler Musterslaat gepriesen, bat schon seit geraumer Zeit das Anrecht daraus verloren, als ein solcher Musterslaat zu gelten, und während in diesem Lande die Socialdemokratie inimer kecker das Haupt erhebt »nt den allen absolutistischen Gelüsten abholden, streng constitutionell regierenden König Leopold in der maßlosesten Weise angreist, ja hier und da geradezu verhöhnt und trotzdem selbst im Heere inimer mehr Boden gewinnt, kann auch die klerikale Partei sich'S nicht ver sagen,sich cindcniokralischcsMäntelchcn umzuhänge». Wie dürste auch, wo die rotbe Internationale frobgemntb an der Maulwurfs- arbeit ist, die schwarze Internationale müßig zusebcn? Sind dock, für die eine wie für die andere, die beide lediglich ihren Sonkerzwecken dienen, Nation und Vaterland weiter nichlS als Schall und Ranch! Den Ton unter den mit der Demokiatie liebäugelnden Klerikalen geben die Professoren der talbolischen Universität Löwen an, niertwürdige Leuchten der Wissenschaft. Professor Nyssens erfand bekanntlich das Pluralwahlsyslcm. Tie Professoren Helleputhc und Kurtb erweilcrii täglich das christlich-sociale Programm deS Papstes, und nun bat gar Monsignore de Hartes, Professor an der Löwcncr Universität und päpstlicher Hansprälat, einen deniokra- lischc» Sck'ulanlrag ausgehcckt. Dieser bezweckt nichts Ge ringeres, als die vollständige Aufhebung des Versasfungsartikels, der den Staat zur Errichtung und Erkaltung öffentlicher VollS- schulen verpflichtet. Nach der Ansicht deS geistlichen Herrn, der übrigens ja auch in Deutschland Geistes- und Gcsinnungs- vermankte genug bat, bat der Staat damit überbaupt nickt- zu schaffe», tan» vielmehr die Errichtung von Schulen getrost der Privatiiiilialive überlasse» und sich damit begnüge», die Privaischulen nach der Anzahl der Schüler aus Staatsmitteln zu unterhalten. Zahlen soll der Staat also »ach wie vor, nur dreinreden soll er nicht. Wir brauchen wohl nickt erst zu sagen, waö der fronime Antragsteller unter Privat- schulcn versteht. Jedermann weiß, daß er sich darunter aus schließlich Klost ersckulen denkt. Daß ein derartiger An trag aber überhaupt cingebrachl werden konnte, beweist mehr als Alles die Erstarkung des belgischen KlerikaliS- nins, der sich noch vor fünf Jabren mit einem der artigen Vorschläge nickt bcrvorgewazt Kälte. WaS aber geradezu Erstaunen bcrvorrief, ist die Tbalsacke, daß daS Brüsseler raticalc Parteiblatt „Resormc", obwohl ihm nickt unbekannt sein kann, daß der Antrag im Grunde nichts weiter bezweckt, als die Unterordnung der Schule unter die katholische Kirche, dennoch den Antrag unterstützte. Es er- blickle darin ein Mittel, in de» großen Städten rationa listische Schule», in Lenen die Kinder mit socialistiscken Grundsätzen und Atheismus gefüttert werke», auf Staatskosten errichten zu können. Dies« Verquickung zwischen Radikalismus und päpstlichem Hausprälaten- tbum hat jedoch in der gcsanimlen liberalen Partei Belgiens einen derartigen EntrüstungSsturm hervorgcrnfen, daß die „Resornie" sich bald wieder erschreckt in ibr Schneckenbaus zurückgezogen bat. Harlez aber wird bald die Erfahrung »lachen, daß für Belgien, obwohl cs bereits in ein „Kapuziner nest" umgewandelt ist, dock die Schulreformen der Löwener Universität zum Mindesten noch um ein Kalbes Jahrhundert zu früh sich ans Tageslicht bervorgewagt haben. Wir haben bereits am 10. d. gemeldet, daß 3000Gruben« arbeiter in Forest os Dean wegen eines ihnen angekün- dizten 25procentigen Lohnabzuges dir Arbeit niedergelrgt baben und daß die Bergarbeiter in den benachbarten Revieren und in der weil davon nach Nordosten zu liegenden englischen Grafschaften Nottingham drohen, gleichzeitig in den Aus- stand einzutreren; in Forest of Dean selber haben, wir uns writerbin gemeldet wird, schon heftige Zusammenstöße der Koblenarbeiter mit der Polizei und zahlreiche Verhaftungen stattgefunden. Danach bat es ganz den Anschein, als wenn ein notbwendiger Weise auch aus daS europäische Festland sein« Rückwirkungen ausübender allgemeiner AuS st and der Koblenarbeiter Großbritannien» bevorstehe. Die dortigen Grubenbesitzer versichern nämlich, daß bei der gegenwärtigen Geschäftslage eine Herabsetzung der Arbeitslöhne um 25 Proc. eine unumgängliche Notbwendigkeit sei; sie wollen infolge dessen uiilcrJnnebaltuiigdervierzebiitägigeiiKündizungSfristaue diejenigen Arbeiter ablobnen, die sich eine solche Lobnermäßigung nickt gefallen lassen. Die Arbeiter hingegen versichern, daß, da sie auf die ibnen zilgeiiintbeie Lohnverminderung nicht einzu- gchen verniechlen, die Ausführung deS Planes der Arbeitgeber den allgemeinen AnSstand zur Folge haben würde. Sollte also nickt schließlich wider Erwarten dock »och eine Einigung sich ermöglichen lassen, so würde der bereits begonnene Streik an Ausdehnung und Bedeutung die früheren Ausstände auf bergbaulichem Gebiete voraussichtlich weit nbertreffcn. Die Organisation der Grubenarbeiter hat sich nämlich im Laufe der letzten Jabre wesentlich vervollkommnet; die Arbeiter der Bezirke von Durhain und Northumberland, die bisher ikre eigenen Wege zu geben pflegten, sind jetzt dem nationalen Bunde der Bergleute beigelreien und auch die Grubcn- leute von Süd-Wales sollen zum Anschluß geneigt sein; die Leitung im Kampfe würde also auf Seiten der Arbeiter von einer Centralstcllc auS erfolgen, und ein der Arbeiterschaft günstiger AuSganz de- Streiks würde den Bund zu einer wirtbschafNicken Macht ersten Range« machen. Das Ideal des englischen BergmannSbundcS ist, daß die Preise der Kohlen sick nach den Löhnen richten sollen und nicht umgrtrdrt dir Löhne nach den Kodlcnpreisen; im Falle deS Sieges würden die Bergleute für weniger Arbeit mehr Lohn bekommen, und die Zecke hätten natürlich die Con- sumenten zu zahlen, emsmließlich des ärmsten Theils der Bevölkerung. Tie verschiedenen Gewerke handeln gegen wärtig wie unabhängige Staaten: Steigt der Preis der Koblen, so erhöben sich die ProductionSkostcn in allen In dustrien, welche Koblen gebrauchen, und ibr Nettoprofit ver mindert sich demgemäß. Sollten andere Gewerkvereine auch böbere Löbne zu erzwingen oder zeitweise Lobnberabsetzungen zu verhindern im Stanke sein, so wäre naturgemäß eine allgemeine Verthcucrung der LebenSbaltung die unvermeid liche Folge, unv gerade der Untergang der wirlhsckaftlich Schwachen, die sich, allerdings nur soweit die eigenen Beruf« genossen in Frage kommen, durch Erzwingung höherer Löhne zu helfen suchen, wäre so gut wie gewiß. Die Frage der Gerichts re form in Ägypten beschäftigt gegenwärtig die politischen Kreise Frankreich« nicht minder als die Englands, so wenig im klebrigen hinsichtlich Egyptens beide Staaten einträchtig sind. DaS Reglement, oas die Consulargerichtsbarkeit in Egypten ge schmälert hat, wurde im Jahre 1875 angenommen und soll, nachdem sein Termin niedrere Male verlängert worden, bis zum l. Februar des kommenden Jahres in Kraft bleiben. lieber (Klippen. 13j Roman von Caroline Deutsch. Naibdruik «trioien. (Fortsetzung) „Für Naturenthusiasten ein entzückender Anblick", meinte sie und beschrieb mit der kleinen Hand, die die Reitpeitsche dielt, einen Bogen; sie besaß eine eigene Kunst, nach Belieben den Gesprächögcaenstand zu wechseln. „Wenn Sie auch einer sind, Herr Ttuhlrichler, dann bietet Ibnen ja die Gegend Ersatz für die Langeweile und die kleinlichen Verhältnisse der Bewohner." „Ich liebe die Natur, und der gewaltige Anblick dieser Gegend bewegt mir immer von Neuem die Seele", versetzte der junge Mann. „Dann werden Sie mich eine Barbarin nennen. Mir sind diese Erdkolossc oft lästig genug. Der Blick möchte darüber binwcg und kann nicht — und ick laste mir durch nichts gerne Grenzen setzen. — Du lieber Himmel, wie kann man auch für Etwas begeistert sein, was man täglich und stündlich vor Augen hat! Sie finden eine derartige Äeußerung gewiß bobl und oberflächlich, aber, was meinen Sic, Herr Slublrichter, diese Offenheit ist doch einem erheuchelten Enthusiasmus vor- zuziehen?" Eie waren bei diesen Worten an einer zweiten zierlichen Brücke angelangt, die über den Fluß direct in den Par' führte. Durch die hohen, prächtigen Stämme sah man bald ein buntes SommerhäuScben, dann wieder einen Springbrunnen, auch hie und da eine weiße Statue schimmern. „Die Schmertizseker Badegäste sind Langschläfer", sagte die junge Frau. „Zu Ihrer Berubigung, Herr Stublrichtcr, rS hat uns Keiner gesehen! .... Meine Absicht war, gleich von hier auS in die Stadl zu reiten, aber Sie sollen sehen, ich kann auch großmüthig sein. ... Ick will Sie nicht in die Verlegenheit bringen, mit mir zu gleicher Zeit den Ort zu betreten, das würde auch den klugen Leuten dort zu viel Kopfzerbrechens macken. . . . Ter Herr Stuhlrichter Perfall und die Tockter von Joses Sckmertizs! —" Tie großen, schwarzen Augen sahen ihn bcrauSfordernd, spöttisch und zu gleich so übermüthig lachend an, dann neigte sie leicht das Haupt und sprengte, ohne sich nur einmal umzusehen, in die Allee deS ParkeS hinein. Der junge Mann blieb einige Augenblicke regungslos aus seinem Platze und sab ibr nach. Zwischen den Stämmen binkurck schimmerte eine Zeit lang bald ihr goldblondes Haar, bald der Schein ihres blauen KleideS; langsam ritt er in die Stadt zurück. lieber welche Mächte gebot diese Frau? Was war gut, was böse in ihr? XIII. Eines TageS kam der Stublrichtcr etwas später als sonst zu Besuch bei der Gräfin. Ein BergiflungSfall kalte sich unter cigcntbünilichcu Umständen in einem naben Torfe ;u- getragen; er war Nachmittags mit einer Gerichlscominission dort gewesen und spät zurückgekchrt. Ter Unterricht Frau von Szentiwany's war zwar schon beendet, aber sie war wie gewöhnlich »och geblieben; sic pflegte erst zu kommen, wenn Lory alle ihre anderen Stunden gegeben batte, um den Abend in der Meierei zuzubringen. Derartige Ereignisse pflegten nicht häufig vorzukommen, und der Todes fall erregte um so mehr Aussehen, als er Len reichsten Bauern der Umgegend betraf. „Ich habe diesen alten Murrkopf, den Jerizsek, gekannt", erzählte die Baronin. „Er war ein tüchtiger Schafzüchter, und Papa hat Geschäfte mit ihm gemacht, sonst aber ein un- angenebmer, grämlicher Geselle." „Nimmt man nicht an, daß cS ein Selbstmord ist?" fragte Pastor KiS. „Im Gegentbeil, Alles spricht für einen Mord, und der Verdacht lenkt sich auf «ine Frau", sagte der Stublrichtcr. „Hast Tu sic zu einem Geständniß gebracht?" fragte Stefan. Pcrfall sagte, daß sie die Tbat hartnäckig leugne und Himmel und Erde zum Zeugen ihrer Unschuld anriefe." „Und wenn sie wirklich unschuldig ist?" meinte Lory jetzt. „Warum soll sie eS denn gerade gethan haben?" „Es spricht Alles sllr tiefe Aiiiiabnie. Ter Mann war alt und grämlich, die Frau jung und hübsch und, wie die Leute sagen, hat sie cS mit der ehelichen Treue nickt besonders ernst genommen . . . Wie erschrocken hielt bier Pcrfall inne; zu spät besann er sich, was er von Gräfin Satwar vernommen hatte und daß die- ein heikle- Tbema in Gegen wart Frau von Szentiwany's war. Eine dunkle Rotbe trat plötzlich in sein Gesicht. „Die Sektion der Leiche bai Arsrnikspuren erwiesen", fügte er dann hinzu; zum erste» Mal war etwa« wie Verwirrung und Verlegenheit in seinem Wesen zu bemerken. „Wie erklärt denn die Frau das Vorhandensein deS Giftes?" fragte der Pastor, den der Fall sehr zu interessiren schien. „Sie will es zur Vertilgung der Raiten gekauft haben. Da sie aber erst Abends die Löcher in dem Fußboden damit verstopfen wollte, habe sie es inzwischen in die Speisetrube gegeben, es aber vergessen, ibrem Manne zu sagen, als sie Nachmittags zur Feldarbeit Hing. Er mochte geglaubt baben, daß eS Zucker sei, und cs möglicher Weise i» seinen Kaffee ge worfen haben; als sie Abends nach Hause gekommen sei, habe sie ihn tovt aus der Bank gesunken; die geleerte Tasse habe vor ihm gestanden. „Das kann sich ja Alles so zugctragen haben!" sagte Lory mit der größten Theilnahme. „Es könnte so sei», wenn nickt alles Dorhcrgegangenc dagegen spräche", versetzte der Stublrichtcr. „Tie Frau hat unzählige Male vor den Nachbarn da« Leben des Manne- vcrwünfcht, bat seinen Tod als eine Erlösung hcrbeigesehnt; die Ehe wurde von Jabr zu Jahr unglücklicher. „Es kann dock ein Justizmord werden, wie es unzäblige schon gegeben yat", nabm Frau von Szcntiwany in einer seltsamen Erregung das Wort. „Weil die Frau jung und hübsch ist, muß sie zu Allem fähig sein, wird ihr daö Unge heuerlichste angcdicktct! Vielleicht war dem Manne das Leben selber eine La»? grämlich unk cholerisch war er genug dazu, oder eS hat sich in Wirklichkeit zugetragen, wie eS die Un glückliche auSsagt, ein Verscbcn trägt die Schuld daran. Tie Aussagen der Nachbarn können Verleumdungen sein. Glauben Sie denn, daß die Bauern uns Gebildeten an Erfindungsgabe nachstehcn, wenn eö ihren lieben Nebenmenscken gilt? . . . Und besonders, wenn cs Einer ,st, der daS Unglück bat, anders geartet zu sein, als sie sind? . Nock nie batte man die Frau so ernst sprechen kören; ihr schönes Gesicht glühte vor Eifer, und in den Augen lag ein erhöhter Glanz. Lory erkundigte fick, ob die Frau Kinder > abe, und Persall sagte, daß ein kleines Mädchen von zwei Jahren da sei und raß der Abschied von diesem, als man die Frau nach der Stadt transportirtc, furchtbar aufregend gewesen sei. „Ich bin sonst ziemlich Karl bei derartige» Anlässen", gestand er, „aber diesmal ist eS mir wirklich nahe gegangen. Die Frau bat sich wie eine Wabnsinnigc geberdet und bei dem Haupte ihre- KindeS ihre Unschuld betbeucrt." Bc> dem Leben ihres KindeS? . . . Für mich wäre daS ein Beweis, daß sie unschuldig ist!" bemerkte Lorh, in deren Gesicht sich die tiefe Tbeilnabme ihre« Herzens spiegelte. „Da- wird die Untersuchung erweisen. Ich als Richter konnte nickt anders handeln und hätte eS nicht können, selbst wenn weniger Verdachtsmomente Vorgelegen hätten. Wir Männer sind ja auch härter; die Frauen urtheilen meist nach ihrem Gefühl." „WaS mich betrifft", meinte Stefan mit einem Blick auf das Mädchen, „so stelle ich die- Unbewußte in der Frauenseele jeder irdischen Instanz gleich." „Du eignest Dick ebenso wenig zum Richter", versetzte Perfall lächelnd. „Eine beißgewcinte Tbränc würde, glaube ick, bei Dir ein TodeSverbrecken wegschmelzen .. . Nein, mein Lieber! Bei diesem Berufe bat die Welt der Empfindungen gar keine oder wenig Berechtigung, da ist nur ein scharfer, unbeirrter Verstand am Platze, denn die Verzweiflung nimmt oft so viel Masken an, wie daö Verbrechen." „Und meiner Meinung nach muß ein Richter ebenso mit den Augen deS Herzens leben, als mit denen eines kalten, unbeeinflußten Verstandes", sprach Stefan erregt. . . . „Und in manchen Fällen noch viel mehr mit den ersteren . . Ein Bote kam vom Schlosse, die Baronin zu holen. AuS dem Nachbarstättcbc» seien Bekannte mit der Balm zu Besuch gekommen, die Anwesendest der Herrin wäre erwünscht; Herr von SchmerlizS babe den Wagen geschickt, der unten aus der Landstraße auf sie warlele. Da man seit Wochen mit einander verkehrle und schon bekannter war, gingen die jungen Lenle auch die kurze Strecke bis zum Wagen mit, doch Stefan gewiß nur, weil Lory da runter war. Die silbernen Beschläge de« eleganten GefäbrteS und das Geschirr der Pserde funkelten »nd blitzten im letzten Abend- sonnengold, daS die eine Seile des Himmel- wie in ein Flammenmeer tauchte. Die herrlichen Thiere gaben Zeichen großer Unruhe, sie scharrten mit den Husen, rissen an den Strängen, und vergeblich suckle sie der Kutscher zu beruhigen. „DaS sind auch so ein paar feurige Rebellen", sagte die Baronin mit einem Blick, der nur für Perfall bestimmt war und auch nur von ibm verstanden wurde. — „Mein Reit- schimmcl bat schon klein beigegeben »nd setzt jetzt über die größten Hindernisse wie über ein Blatt. Nun sollen Sie aber sehe», wie Liese gehorchen können!" Damit nabm sie dem Kutscher die Zügel au« der Hand und schwang sich auf seinen Platz, während dieser den Vordersitz einnavm. Und als wüßten die klugen Thiere, wer jetzt die Zügel hielt, blieben
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