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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930718022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893071802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893071802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-18
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Durch die Haltung des vorigen ReichstagSin der sür unsereAiachlslellung entscheidenden Frage batte sich in ganz Europa eine unruhige Spannung ver breitet, die bei de» Gegnern des Dreibundes, vor Allem aber bei unseren sranzösiscke» Nachbarn, neue und kühnere Hoffnungen erregte und sie mit aiigehaltencm Athen, die Entwickelung der Dinge beobachten ließ. Welche Folgen sür unsere Stellung zum Auslände eine zweite Ablehnung des Gesetz entwurfs und eine abermalige Reichstagsauslöi'nng gehabt haben würde, ganz abgesehen von den schweren Schädigungen unserer wirtbschastlichen Verhältnisse in diesem Falle, läßt sich schwer ermessen. An dieser Klippe sind wir glücklich vorüber, und damit löst sich auch jene allgemeine nervöse Spannung. Auf wie lange, das muß freilich dahingestellt bleibe». Tcr deutschen Reichsleitung droht schon im Spätherbst?, wenn der Reichstag vor die Losung der Deck» n g sfrage gegellt wird, eine neue Schwierigkeit. Festigkeit und Geschicklichkeit werden in gleichem Maße auf Seilen der Regierung nökhig sein, wenn sie mit tcr gegenwärtigen Volksvertretung zu be friedigenden Ergebnissen gelangen will. Graf Eaprivi hat nicht blos das- demokratische Ecntrnm Licber's gegen sich, auch ein großer Tbeil der Eonscrvative», obwohl diese am Ende geschlossen siir die Militairvorlage gestimmt haben, sind seine Gegner. Das tritt nicht bloS in ihrer Partciprcsse hervor, sondern war auch in ihrem ganzen parlamentarischen Verhalten gegenüber dem HccreSgcsctz, schon im vorigen Reichs tag, ersichtlich. Ihre Absicht war ursprünglich, diese Vorlage zu Fall zu bringen, aber mit ihr zugleich den Kanzler. Da sie deS letzteren Erfolges nicht sicher waren, so ließe» sic den elfteren, den zu erreichen in ikrcr Macht stand, schwinden, zumal die Wahlen nicht gerade die Segel der KrenzzcitnngS- pvlitiker mit neuem Winde blähten. Aber kaum ist die Vor lage mit Hilfe der Eonservativen angenommen, so giebt die „Krcuzzeitmig" aufs Neue ein Signal zum Kampfe gegen den Kanzler, indem sie auSrufl: „Für jeden conservaiiocn Mann ist gerade Das am tiefsten betrübend, daß die so lange, so mutbvvll und so erfolgreich unter tcr glorreichen Regierung Kaiser Wilhclm's l. von Sr. Majestät selbst und seine» großen Veralbern, Bismarck, Moltke, Roon, erkämpfte Position preisgegeben ward und man sich dem militairischen Programm der fanatischen Gegner Jener an- bcgiieiiit hat." Wessen sich Gras Eaprivi von solchen Politikern zu versehen hat, ist leicht zu ermessen. Er wird es bei seinen Stcuervorscblägen und bei jeder Entscheidung in Hinsicht ans wirlbschafllichc Fragen bald zu erfahren be kommen. Verfährt er hier nicht von vornherein mit größerer Geschicklichkeit, als bei der Vorbereitung und Einbringung des MilitairgcsetzcS, so dürsten Mißerfolge nicht lange ans sich warten lassen. Unter den zahlreichen Initiativanträgen der kurzen ReichstagSsession waren die aus die Futtcrnotli bezüg lichen die einzigen, welche ein unmittelbar dringendes Be- dürfniß betrasen, deren Beratbung also auch mit'Bestimnit- hcil erwartet werten konnte. Wir bedauern, daß sie uiiler- bliebcn ist, können es aber nicht billigen, wenn ein Mitglied des Reichstags, Herr v. Ploetz, in der letzten Stunde, in welcher der Reichstag beisammen war, darüber lebhaft Beschwerde geführt hat. Wenn Herr v. Ploetz ein so großes Gewi.lt auf die Durchberalbnng der fraglichen Anträge legte, so hätte er ei» sehr einfaches Mittel in der Hand gehabt, dieselbe zu erzwingen. Er brauchte nur am Freitag, bei Festsetzung der Tagesordnung sür den Sonnabend, aus die Vorschrift der Geschäftsordnung gestistst, zusammen mit 14 anderen Mitgliedern, die er «IS Versitzender dcS Bundes der Landwirlhe doch wobl mit Leichtigkeit für sich hätte ge winnen können, zu widersprechen, und die drille Beratbung der Militairoorlage wäre erst am Montag vorgenomnicn worden, der Sonnabend also für die Futtcraiilräge frei ge wesen. Ein Abgeordneter, der dies Miktcl zu benutzen unter lassen, bat auch kein Reckst, sich zu bc'chwerc». Wir unserer seits bedauern die Unterlassung der Beralbung der Anlräge, weil wir von ibr eine Beruhigung der Bevölkerung >n de» »ollsteidenten Bezirken erhofft hätten. Wir verstehe» cS jedoch vollkommen, wenn man in den parlamentarischen Kreise» vielfach ganz entgegengesetzter Ansicht war, indem man von tcr Debatte über die Anträge ein lcidensck>astlick>ca Anseinanterplatzcn der Gegensätze befürchtete, das nur neue Erbitterung i» das Land hätte hinauslragen können. Nimmt man Hinz», daß die Negierungen der Bundesstaaten sowohl, ivie diejenige des Reiches bereits hinlängliche Beweise davon gegeben haben, daß sie die Frage der Fuitcriioth in ikrcr vollen Bedeutung würdigen, so wird man den Reichstag nicht einer schädlichen Vernachlässigung der Interessen der Lantwirthschast be schuldigen können, und zwar um so weniger, als er sein eigenes Interesse sür die Frage nickt nur durch die Ein bringung jener Anträge, sondern auch bei Gelegenheit der Beratbung der Interpellation Osann über die Manöver bekundet hat. Die Mittheilungen, die ein nugarischcS Blatt über die Unterredung seines Wiener Vertreters mit dem römisbc» Runtius in Wien, Agkiardi, gemacht, haben in denjenigen Kreisen des Vatikans, die Agliardi als einen zwar tbat- trästigen, dock immerhin maßvolle» und aufgeklärten Tiploinaten icnne», den Eindruck absichtlicher Uebertreibnnge» binlerlassen, und mit Reckt Als der erwähnte Nuntius nach ström reiste, sollten ihm die noti>wc»digen Weisungen aus Wunsch des Papstes von einer Seile zugehe», die sich um die Er haltung friedlicher Beziehungen zwischen dem Valican unk Oesterreich-Ungarn die hervorragendsten Verdienste cnvorbc» batte. Es ist nickst bekannt geworren, ob diese Weisungen abgeschickk wurden. Daß sie aber, falls sic eben von jener Persönlichkeit ansgearbcitct worden wären, vom Geiste weisester Mäßigung und echtester Friedensliebe durchdrungen sein würden, darüber kann auch nickst der leiseste Zweifel obwalten. WaS man iibrigenssagcund welchcTaktik man in der schwebenden Frage zur Wahrung des kirchlichen Stand pnnclcs anch anzuwciidcn gedenke,an eine» En > turla »ipf mit Ungarn glaubt und denkt im Vatican Niemand, auch nicht Eardiiial R a in polla. Man will allerdings in Nom Alles anf- bieten, um die Einführung der Eivil-Ehe in Ungarn z» ver hindern; man wird sich aber, wenn sic einmal zur Thal werten sollte, mit ihr abziisindcn wissen. Eartinal Vaszarn, der dem ungarischen Blatte zufolge nochmals mit den Weisungen des Frühjahrs 1892 aus Rom znciickgckchrt ist, könnte, wenn er aus Rücksicht ans die erwähnte Taktik der vatikanischen Diplomatie sich nicht eine übrigens natür liche und lobenswert:); Zurückhaltung anserlegt hätte, dieses und »och manches Andere bestätigen. Führt Ungarn die Eivil-Ehe ein. so wird der Vatican einen Eullurkamps eben so wenig erregen, wie dies in Frankreich oder in Belgien geschah, wo Papst Leo eben ,ur „Zeit, da die hcißumstrillcue Reform eiiigcsübrt wurde, den Valican als Nuntius vertrat. Das letzte Wvrk des Papstes wird nicht der Bannfluch, sondern das t'ulvirrri pcissv sein. Je kräftiger aber und entschlossener die Thäligkcit des ungarische» Eabinets sick entfalten wird, desto rascher und lcickster werden im Vatican die Ratbschläge Derjenigen obsiegen, welche eine gewisse ab nnd zu noch immer aiisslackernke Neigung der römischen StaatSkanzlci, die Frage ins nationale Gebiet binüberspiclen zu lassen, als einen Act blinker Gehässig keit in, Interesse der Kirche mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfen. Die Tage der frmiziffft'chc» Depntirtenkammcr, die seit 1889 ans ihre Weise — und diese war nicht eben sonder lich rübmenswcrlb — gewirtbschaftet hat, sind gezählt, und das ist eigentlich das einzige Gute, was man dieser Kammer »achsagen kann, man müßte denn ihr noch das als Verdienst anrcchnen, daß sic tcr Negierung würdig war. Ob auf ein solches Lob die französische Regierung stolz sein kann, mag sie selber entscheide»; jedenfalls hat das jetzige Ministerin»! Tupuv mehr Glück als Verstand und ftaatsmännischen Scharf blick gehabt. Die Kammer aber hat noch zuletzt bewiesen, mit welch rassinirter Geschicklichkeit sie cS verstanden bat, das parlaineniarische Regiment dem Fluche tcr Lächerlichkeit preis- zugcbcn. In Ick Sitzungen erledigte sie ein Budget von st! 2 Milliarde», bewilligte ein ans dem Papier nur kümmer lich verdecktes Deficit von 290 Millionen und verlengnetc alle Rcsormvcrhcißuiigen, mit denen sie ihre Wähler seit vier Iabren hingebalten bat. Durch Verschiebung der Schatzbons- Zalilung verzehrte sic zum Voraus den eigentlich zur Steuer erleichterung bestimmten Ertrag der im künftigen Iabre vorzunchmcnten Renlenecuverlirung. Sic thak bis zuletzt fast immer das Verkehrte. Dabei war ffe stets von guten Vorsätzen beseelt: nur ihre Schwäche brachte sic auf üble Wege. Kein „Zweifel, daß sie die versprochenen Reformen der Getränke- steucr nnd der Thür- und Fenstcrstcucr gern verwirklicht hätte. WaS ihr fehlte, war nur ei» wenig Folgerichtigkeit oder auch ein Ministerium, das sic kräftig zum Rechten anhiett. Am 30. Mär; 1893 bewilligte sie die Ein verleibung der Gctränkestenerresorm ins Budget 1893. Dem Ministerium Ribol schien dies zn späk; cs wider- sctzte sich dem Botum und stürzte. Am 28. April 1893 beschloß die Kammer das Gcgentheil: die Reform wurde abgetrennt und aufs Budget 1894 verschoben. Am kl. Juli d. I.: Einverleibung tcr Reform ins Budget 1891; am >2. Juli abermalige Abtrennung und Verschiebung auf künftige „Zeiten, in denen andere Deputirte vielleicht einmal zu einem Beschluß kommen können. Aebnlich ging cS mit der Umgestaltung der Thür- und Fcnsterstcuer. Die Kammer webte ihre Rcsormgcsctze, wie Penelope das Tobtenbemd des Laärkes: jetzt hat sie es wenigstens so weil gebracht, daß ihr eigenes Leichengcivand bereit liegt. Am 22. Juli hofft das Ministerium ibr de» Todlenschein ausstcllen zn können. Alles, was sich erhoffen läßt, ist, daß sie in den letzten „Zuckungen nicht noch irgend ein Unheil aurichtcl. Sie hat sich (ns auf beute (Dienstag) vertagt, was sehr vernünftig war; beim Wiederbeginn ihrer Sitzungen aber wird es Interpellationen förmlich regnen, wäre cs auch nur, um die Zeit bis zum Abschluß der seiiatvralen Biidgeiberalhung auszusülle». Der Ministerpräsident selber ist mit bedauerlicher Nachgiebigkeit ans die Absicht der Radikalen cingezangcn, zum Schlüsse der Session »och eine Debatte über die von uns bereits gekennzeichnete Stellung der Regierung zu den Kloster orden vorzunehmen. Daö Thema eignel sich zn den heftigsten Tiraden tcr Nadicaleii und zum klcinmülbigstcn Rückzug des Ministeriums, das in seiner Beflissenheit, den fortschrittlichen Schreiern gefällig zn sein, ganz und gar zn übersehen scheint, daß die grvße Mehrzahl der französischer. Wähler die Beilegung, nicht die Wiederaufnahme, des Eullur- kampfcs wünscht. Wie dem auch sei: das Ministerium läuft kaum noch Gesabr, in letzter Stunde der Session zu stürzen. Benehmen sich die Deputirten allzu ungeberdig, so kann die Negierung sic zn jeder Stunde heiinschicken. Das Teeret, das den Schluß der Session bestimmt, ist unterzeichnet und braucht nur talirt zu werden. Käme der Ministerpräsident in die Lage, das Datum vor dem 22. Juli und vor Fertig stellung dcS Budgets zu wählen, so wäre der Schaden auch nicht groß. Das Finaiizgesetz sür 1894 würde dann der nächsten Kammer Zufällen, welche cS dock nicht schlimmer machen könnte als die jetzige, die von sich sogar sagen kann, daß sic 4 Iabre hindurch Frankreichs Schicksal in Händen gehabt, ohne etwas Erhebliches zu leisten. Da» hat iiiin freilich das Ministerium Dupny auch nicht gethan, und das ist sür die derzeitige Kammer immer noch ein Trost und eine Entschuldigung. Einer der kriegslustigsten und leider zugleich auch der geltbedürfligsten Herrscher ist Fürst Nicola von Montenegro, der, obwohl ein Freund der Musen und selber, wie man behauptet, ein Poet — hoffentlich ebenso von GotteS Gnaden, wie er es als Herrscher ist! —, dock auch gar sehr sich aus die materiellen Vortbeile des Lebens versiebt und Jahrzehnte hindurch immer wieder nach den Ufern der Newa gereist ist, um, i»il russische» Rubeln reich beladen, nach seinen Schwarzen Bergen znrückzukcbrc». Die Gelter, die er ans Petersburg hcimbrachle, waren natürlich stets »»r geliehen. Davon indeß, daß sic je zurückgezahlt worden seien, schweigt die Fama, die dock sonst so gern zu plaudern pflegt. So lange nun in Rußland noch Kaiser Alexander II. herrschte, lohnten sich Nicola'S Reisen nack dem fernen Norden stets. Der jetzige Kaiser Alexander III. aber ist ein sparsamer Herrscher, und das wird ibm Niemand verargen, außer dem Fürsten der Schwarzen Berge. Zar Alexander III. ward danach seines einzigen Freundes, wie er »och vor wenigen Jahren den Fürsten Nicola benannt, endlich gründlich überdrüssig, da die Freundschaft Nicola's mit der Zeit für den Zaren doch allzu kostspielig ward. Und schon seit geraumer Zeit ist der „einzige Freund" beim Väterchen Zaren ei» wenig in Ungnade gefallen und bat daher, da in Petersburg für ihn nichts mehr zu holen ist, auch seine Besuche an der Newa eingestellt. Geld braucht er aber nach wie vor und sucht es, wie begreiflich, da er es bei seinen Ezernargorzcn nickt findet, wieter im AuSlande — nnd nökkigenfallS gegen Zinsen — zn leihen. Angeblich soll daö Gels zu öffentlichen Bauten dienen, da Montenegro aber keine eontrolirciide VolkS- vcrlrclung besitzt, so ist Hundert gegen E:ns zn weiten, daß nur der genngstc Tdeil der bcnölhigten Summen den angegebenen Zwecken dienen würde. Es soll — so läßt Forst Nicola verbreiten — eine schmalspurige Eisenbahn durch die Zeta-Ebene gebaut werben, die sür die volkswirlb- schastliche Entwickelung Montenegros angeblich notinvendig wäre. Es wären hierzu ck Millionen Francs erforderlich, nnd schon vor einigen Jahren wurde versucht, daö Geld ansznlreik'en. Es fehlte aher an Deckung sür Verzinsung nnd Abzahlung des AiilebenS, und daher wurde ans dem Plane nichts. Jetzt werden die Staatswäldcr als Garantie «»geboten, und eine Pariser Bankgrnppe, die kaS Anlehcn abschließen will, wird eine Eommissien zur Untersuchung über den Werth dieser Wälder entsenden. Daß dann auö dem Anlehen nichts wird, kann als sicher angenommen werten. Die Wälder in Montenegro liegen in den nnzugänglichsteii und wildesten Gebirgsgegenden deS Landes und es ist nickt möglich, bei den mangelnden Verkehrsmitteln auch nur einen Baumstamm ans After zu schaffen. Dann hat Fürst Nicola in Wien Schritte wegen eines An- lcbenS von I Million Gulden gemacht, das angeblich zur Trockenlegung des großen Uzinjasumpses und zu Feuilleton. lieber Klippen. 18j Roman von Caroline Deutsch. Nachdruck verboten. lForlsetzimg.) Am Saume des Parkes, wo daö freie Wiesenland begann, stand auf einer Anhöhe eine kleine Bor!hiittc, an deren Ein gang der Pfad Licht vornberführte; als sich Lory dieser näherte, tönten Stimmen ans derselben an ibr Ohr. Es waren anscheinend zwei Personen, die leise mit ein ander sprachen, sie flüsterten nur, und dennoch erkannte Lory sie, und ihr Fuß blieb wie angewurzelt stehen, während sich Alles um sie zu drehen begann, es ibr in den Obren sauste, nnd sie. uni nickt nmzusinkcn, sich einen Augenblick an einen bervorstehendcn Balten der Hütte lehnte. „Warum beharrst Tn darauf, unsere Liebe zu verheimlichen, Franz?" sprach die eine Stimme; „Mich guäll dies Heimlich- lhun, dies Bcrstcckspicl." „Denke an das Aussehen, das Gerede, Wilma!" „WaS kümmert mich die Well, was die Leute! Allen möchl ich es zuruscn, daß wir uns lieben, daß Tu mein bist und wir uns angchören wollen! Aber .... Franz — ich glaube nicht, daß Du mich liebst, so wie ich Dick, so schranken los, so über alle Maße». Du bist oft unruhig, aufgeregt.... O, wiederhole cs mir, wiederhole cs mir immer wieder, daß Tn mich liebst, daß ich Tein Alles bin, ich kann cs nicht genug hören!" Und die Stimme deS Mannes sprach leise, leidenschaftliche Worte: Wie ihn eine wahnsinnige Sehnsucht nach ibr verzehre, wenn er sie einen Tag nickt gesehen, wie er in ihrer Nähe nur Seligkeit und trunkenes Vergessen kenne; dann wieder, wenn er allein sei, überlomme ilm manchmal ein banges, elendes Gefühl, ein Gefühl, wie es der habe, tcr auf einem schwanken Brett über einem schwindelnden Abgrund stehe.... Wie konnte denn die Sacke für sic Beite enden? „Wie jede Liebe, wie jede Verlobung, mit einer Heirakb. Du lieber, geliebter Selbstgnälcr!" Unk Lory war's, als wichen die Balken vor ihren Augen, als säbe sie eS, wie sich bei diesen Worte» zwei weickc Arme um seinen Hals legten, wie sich ihre Wange an die seine lehnte .... „Und Dein Vater, Wilma?" „Tcr kennt nur eineS: mein Glück." „Die Entscheidung kann jeden Tag in meinen Händen sein. Ich habe die Angelegenheit zn zehr mit allen nicinen Kräften gefördert und unterstützt, als daß es gar zu lange dauern sollte . . . Und wenn Ihr den Proceß verliert?" was bann?" „Nun gut, sehen wir auch diesem Feind ins Auge!" ver setzte sie mit ihrem bestrickenden Lachen. „Gesetzt, wir ver lieren bei den Gerichten, so muß cs in Wirklichkeit doch kein Verlust sein .... Man vergleicht sich mit der Stadt, die paar gegnerischen Elemente sind leicht gewonnen, wenn Du nur nicht dagegen bist." „Es ist nicht die städtische Angelegenheit allein, cs ist noch Jemand anders dabei betbeiligt .... Seine Stimme klang zögernd und unsicher. „Ja, ich weiß: die Gräfin Satwar. Auch da ist eine friedliche Lösung möglich. Ich habe schon Alles zurecktgelegt, um jedesHinderniß aus unserem Wege zu beseitigen, Geliebter! Mein Vater ist noch ein stattlicher Mann, in den besten Jahren; er hat immer viel auf Lory Satwar gehalten, er soll sie zur Frau nehmen, dann sind wobl alle Parteien versöhnt." Hatte sic sein Ausruf nicht unterbrochen? Halte er kein Wort der Abwehr sür diese» schmählichen Handel? . . . . Vielleicht hatte ihn Lory überhört in dem wilden Schmerz, tcr plötzlich in ihr aufslieg, in all dem Sausen und Brause» in ihrem Kopfe? „Ich war jünger als Lory", tönte die Stimme Wilma'S wieder, „jünger und schöner nnd in glänzenden Verhältnissen, als ick den alten Baron heiratbetc." „Und bist Du glücklich gewesen?" fragte jetzt Pcrfall. „Glücklich! Ich war es nickt init ihm und wär' cs mit Keinem geworden; denn jetzt weiß ich erst, wie der Mann sein muß, dem sich mein Herz zn eigen gegeben hat; jetzt weiß ilk» erst — WaS Liebe ist! . . ." WaS hielt Lory noch länger an dieser unseligen Stelle? Sollte sic noch weiter mit anhören, wie sie — über sic verfügten, um sich freie Balm zu macken? . . . AIS wäre sic ein willenloses Object, daS kein Work in der Sacke zn rede» hätte! — Und sie hatte geglaubt, batte glauben können, daß sic sein Denken jemals berührte!? . . . Sie setzte den Fuß zum Geben an, da ertönte hinter ihr ei» Geräusch in der Hütte, und die beiden Gestalten traten zu dein AuSgang. Lorn drückte sich tiefer in de» Schalten: sie glaubte ih. Herz siebe still. Hatte sie denn lauschen wollen? Sie halte nicht weiter können, fassnngSloS, wie sie war, nnd wie gelähmt an allen Gliedern . . . Daß sie an dem offenen Ausgang hätte vorbei müssen, es also gar nicht gekonnt, daö siel ihr nicht ein. „Ich muß nach Haus", sagte Pcrfall, „um sechs Uhr ist Amlssitzung." „Wann kommst Du wieder?" „Morgen, um dieselbe Zeit." „Ich erwarte Dich hier. Da sind wir unbelauscht; durch den Park kommt jetzt selten Jemand." Es tönle wie ein Kuß durch die Stille, dann schritten sie. ohne Lorn zn bemerken, eng an einander geschmiegt, den Weg in den Park hinunter, der nach Schmerlizsck znrückftihrtc. Er begleitete gewiß die Baronin bis rum Schlöffe. Als sie fort waren, verließ das Mädchen mit schweren, schwankenden Schritten ihren Platz, es lag ih? wie Blei in den Gliedern; kann aber rüttelte der Gedanke, daß er zurückkebren und den- ftlbcn Weg wie sic cinschlagen könnte, ihre Kräfte wach und ließ sic bald vorwärts eilen. ES war schon ganz dunkel, als sie die Meierei erreichte, und wie ein erlösendes, befreiendes Licht erschien ihr der Helle Schein, der ihr aus den niederen Fenstern entgegenwinkte Als sie in die Stube trat, sah das liebe Gesicht so blaß und verstört aus, daß die Gräfin besorgt anSrief: „Lory. ist Dir was? Oker waS ist geschehen?" DaS Mädchen schützte die schlechten Wege und große Er müdung vor nnd sank dann wie erschöpft auf einen Stuhl, aus einige Augenblicke die Angen schließend. Mil Gewalt suchte sie sich innerlich zu fassen und Herr über sich zu werden. Nach einiger Zeit erhob sie sich, übergab den stuckten Mantel dem Dienstmädchen, um ihn in der Küche trocknen zu lassen, und fragte, wo Tereska sei? „DaS weißt Du nicht?" sagte die Mutter erstaunt. „Bei ApolkekcrS zum Geburtstag. Gegen vier llhr war die Aelleste hier nnd sagte, Du hättest es versprochen, daß Tereöka de» Abend bei ihnen znbringen solle, und kam, sie zu holen. Es paßte mir zwar nicht, aber daS Mädchen ließ nicht mit Drängen nach." „Ick hatte cS versprochen", versetzte Lory. „TercSka soll unter Menschen kommen, sich zerstreuen. Tn mußt ja auch merken, wie elend sie aussicbt. Bei Apothekers wird sie nichts Schlechtes lernen; es sind gute Mensche», und die Mädchen wohlerzogen. Dock, tu Mutter, was hast Du gethan? Hast Du Dein Nachmittagslchläfl en gehalten?" Tie Grä'in verneinte. Ter Roman, den sie gelesen, war zn interessant und spannend gewesen, sie wollte ihn erst zu Ende lese». Jetzt fühle sie aber Kopfschmerze» und eine große Abspannung. „Lege Dich eine Stunde auf Dein Bett!" meinte die Tochter. „Zum Abendbrod wecke ich Dich. Bis dabin bin ich mit dem Eorrigircn der Hefte fertig, dann mach' ich mit Dir ein Spielchen. Heute ist Mittwoch, da kommt ohnehin der Herr Pastor nickt; cs ist ja Gcmeindcsitzung." Mit großer Zärtlichkeit halte Lory gesprochen; sie batte noch nie ein so herzinniges Mitleid mit der armen Frau empfunden wie heute. Mil welcher Ungeduld sie daS Ende dcS Processes erwartete! und wer konnte wisst», wie cö no n enden würde! Sie traute zwar Perfall keine unehrenhafte Handlung zn, aber — er war roch i» den Händen jener Frau.... Tie Gräfin ging in das Schlafzimmer, und Lory blieb allein Sie gab dem Dienstmädchen einige Anweisungen in Betreff des Abendbrotes, dann setzte sic sick an die Arbeit. Sie mußte sich ja beeilen, wen» sie das Versprechen gegen die Mutier einlösen wollte. Und dann — arbeiten, nur arbeiten!... Die Gedanken zu etwas Anderem zwingen! .... Sie schlug ein Heft auf, aber die Buchstaben tanzten vor ihr, nnd wie rothc Schleier beitclc cs sich vor ihren 'Augen aus. War eS denn nickt möglich, sich zu meistern, sich zn fassen? Tief ermüdet und wie erschöpft drückte sie einige Augenblicke die Hände aus die Stirne. Und immer wieder und wieder körte sie die leidenschaftliche Stimme Perfall'S: „Ich vergehe in Sehnsucht, wenn ick nickt bei Dir bin; bei Dir ist seliges Vergessen! .... Dann die andere, süße, schmeichlerische.... „Mein Vater ist noch ein stattlicher Mann ... ich war jünger, schöner und in glänzenden Verhältnissen ..." Ein erstickter Lanl höchster Oual riß sich aus reS Mädchens Seele, ei» tiefes, heißes Weinen erschütterte ihre Gestalt, und, im Schmerze säst vergebend, barg sic ibr Gefickt in den Händen. Wieviel Zeit darüber hiiiwcggcgangc», ob cS Stunden, Minuten waren, sie wußte eS nicht. Sie Hörle nickt die Hansiküre gehen, nicht die Schritte auf dem Vorslur, nur als ei» AuSruf an ihr Obr scklng, ein AnSrus tiefster Betroffenheit, schmerz lichsten Schreckens, subr sie ans; Stefan KiS stand vor ihr. „Lorv, Tie weinen? Um GolteSwillcn Sie... Sie weinen?! ... ." rief er außer sich, fassungslos. Sie sab ibn an mit starren, von Tbräncn verdunkelten Augen, nnd in ihnen schien die Frage zu liegen: WaS willst Du hier? Warum überfällst Tu mich in meinem Schmerze? Wer hat Dich gerufen?
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