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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.07.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-07-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930728017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893072801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893072801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-07
- Tag1893-07-28
- Monat1893-07
- Jahr1893
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Bezugs-Preis t» der Hallptexpeditioa oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Au«, oabestellea abgehoIr: vierteljährlich ^l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han« >l 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 8.—. Direkte tägliche Kreuzbandienduug dl» Ausland: monatlich 7.50. Die Morgeu-Aukgabe erscheint täglich '/,7Uht^ di« Abeud-AuSgabe Wochentags 5 Ühr. Lr-action vn- Erpeditioa: AahannrS«affr 8. Die lkrpedition ist Wochentags onunterbroche» »««sfuet »oa früh 8 bi« Abead» 7 Uh«. Filialen: vtt» Me««'» Eorttm. <Alfre» Hahdjh lluiversitätSstraß« t, L-»t» Lösche, K«tharinnlstr. 14. Port. und SönlgSplad 7. Morgen-Ansaabe. Anzeiger. Drgan für Politik, LocalgesWte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Neclamen unter demRedactionSstrich (4ae> spalten) 50^, vor den Familieuaachrichk» (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Port»- verzeichniß. Tabellarischer und ZifferyfaD »ach höherem Tarif. ^ Axtra-Veila-rn (gesalzt), «ar cktt B Morgea-AuSgabe. ohne Postbefördeku»» W.—, mit Poslbesärderuag ^ 70.^» Ilnnahmkschluß für Jiazeizenr Abend-AuSgabe: Bormittag« 10 UH«J Marge u-AuSgab«: Nachmittag« «Uhr, Sonn- und Festtags früh '/,v Uhr. ^ Lei den Filialen und Annahmestelle» t« <t>» halb« Stund« früher. tlnzetie» siod stet« an dt« ExhetttilW »o richte». . Druck und Verlag von L. Polz dt Lei-Vs. ^-381. Freitag den 28. Juli 1893. 87. Jahrgang.' Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Es wird hiermit den betheiligten Kreisen zur Kcnntniß gebracht, daß wir die Gebühren, welche nach 8. 12 der Aussührungsbeslim» mungen vom 3. Juli 1886 zum Ortsstatut vom 0. Juni 1888, die Errichtung einer Freibank betreffend, für den Transport des minder» werthigen Fleisches vom Schlachthof nach der Freibank zu entrichten sind, niit Rücksicht darauf, daß zeitweilig eine höhere Bergütung hierfür von uns gezahlt werden muß, bis auf Weiteres wie folgt zu erhöhen beschlossen haben: 1. nach Freibank I für ein Rind von 1,50 auf 2 » . Schwein . 0,50 . 0,60 .Al, - - Stück Kleinvieh von 0,30 auf 0,40 2. »ach Freibank H für ein Rind von 2 ./k auf 2,50 - » Schwein . 0,60 auf 0,75 >l, - » Stück Kleinvieh vou 0,40 aus 0,50 Leipzig, am 25. Juli 1893. I». 3125. Ter Rath der Stadt Leipzig. 1086. I)r. Tröndl in. Lindner. Bekanntmachung. Nachdem zufolge unserer Bekanntmachung Io. 6607 vom 16. Te- cember 1891 der Plan D. V. 5239 K. X. 5722, betreffend Wegfall- stellung des Straßenzuges IV des Conncwitzer Bebauungsplanes auf dessen Ausdehnung von der Kochslraße bis zur Straße 0 vo» schristsmäßig ausgelegen hat und die gegen dielen Plan erhobenen Widersprüche theils zurückgezogen, thcilS rechtskräftig zurückgewicsen worden sind, so bat der Plan gemäß 8. 22 des Regulativs, die neuen städtischen Anbaue und die Regulirung der Straßen bo treffend, vom 15. November 1867 nunmehr als sestgcsteUt zu gelten. Leipzig, am 27. Juli 1893. Ter Rath der Ttadt Leipzig. Ie. 3474. Vr. TrvndIin. Aff. Or. Redlich. Gesucht wird anderweit der am 20. Februar 1856 in Staritz bei Bclgern geborene, zuletzt als Lvhnkellner beschäftigt gewesene vormalige Gast- Hofsbesitzer Kranz Hermann Schurig, welcher zur Fürsorge sür seine Familie anzuhalten ist. Leipzig, den 24. Juli 1893. Ter Rath der Ttadt Leipzig. Armen-Amt, Abth. ll. A. k. II, I 4171. Hentschel. Bauch. Bekanntmachung. Ein neues vervollständigtes Verzeichnitz der Herren Aerzie und Apotheke» der Lrtskrankencasse für Leipzig und Umgegend ist erschienen und liegen Exemplare desselben bei der Eassell- Verwaltung und den Meldestellen zur Empfangnahme bereit. Leipzig, den 27. Juli 1893. Tie Lrtokrankcncassc sür Leipzig und Umgcgrnd. vr. Willmar Schwabe, Vorsitzender. G. Verdingung. Die zur Herstellung einer circa 150 in langen Gangschlcuße aus Stampfbeton nebst zugehöriger Uscrmauer nöthigen Arbeiten sollen im Angebotswege und unter Vorbehalt der Auswahl unter den Bewerbern verdungen werden. Die Berdinaungsvordrucke sind auf dem Stadtbauamtc gegen Zahlung von 2 ->t abzuholen und ebenda gehörig ausgesüllt und unterschrieben in mit entsprechender Aufschrift versehenem Umschläge bis Mittwoch, den 9. August d. I., Abends 6 Uhr wieder ein- zureichen. Wurzen, den 26. Juli 1893. Ter Ltadtrath. vr. Krippendorsf. Achtung vor der Arbeit! i. 0. In Zeiten, wie die jetzigen, in denen die Sucht nach Wohlleben und Genuß in allen Ständen bedenklich um sich gegriffen bat, werden naturgemäß auch die Mittel, die den Genuß zu verschaffen vermögen, weit höher ge schätzt, als in Zeilen mit idealer Richtung und einfacher, schlichter SinneSart. Dadurch wieder wiro nicht nur ein lebhaftes Streben, sich diese Mittel zu erwerben, hervor- gerusen — ein Streben, das in seiner Stärke vielfach alle Rück sichten bei Seite setzt und zur Erreichung des Zieles auch un saubere Wege nicht verschmäht — es wird auch die Stellung Derjenigen, die solche Mittel schon besitzen, angesehener und hervorragender. Der einfache Besitz des Geldes erzielt schon diese Wirkung, und eS tritt der Tbatsache des Besitze» gegen über nicht nur die Frage, wie derselbe erworben ist und wie er angewendct wird, sondern auch die Rücksicht auf die per sönlichen Eigenschaften des Besitzers in den Hintergrund. Es wird kein großer Unterschied mebr gemacht zwischen Solchen, die den Besitz durch ihre Tbätigkeit erworben, unv Solchen, die ihn ererbt oder in ähnlicher Weise gewonnen haben; cs wird kein großer Unterschied mehr gemacht zwischen Denen, die ihre Einkünfte in menschensrcundlichcm und menschen würdigem Sinne verwenden, und Denen, die lediglich ihre Selbstsucht damit befriedigen. Alle diese erfreuen sich im Allgemeinen gleichmäßig großen Ansehens und besonderer Rücksichtnahme, weil ne eben Geld besitzen, und dies nickt nur bei der großen Menge, sondern leivcr recht häufig auch bei hochstehenden und gebildeten Leuten. Diese übertriebene Hochschätzung des Besitzes, die Verkehrtheit, lediglich in der Höbe des Vermögens unv nicht in der Leistung der Persönlichkeit und vcr guten An wendung der gegebenen Mittel den Maßstab der Werth schätzung eines Menschen zu suchen, bat die sehr bedenkliche Folge, daß die nicht oder wenig Begüterten gcrmger geschätzt werden, und zwar nicht bloS von dcu Reicheren, sondern auch von Ihresgleichen. Je übertriebener die Wertbschätzung des Be sitzes ist, je mehr verringert sich die Schätzung der Person mit dem Kleinerwerden des Vermögens und des Einkommens. Und das geht durch alle Stände. Einer sieht auf den Anderen bcrab und Jeder findet immer »och Einen, den er unter sich stehend erachtet und auf den er berabblickcn zu können glaubt. ES entsteht hierdurch eine Stufenleiter von Ueberhebung unv Mißachtung der Nebenmcnschcn, die wieder eine Stufenfolge von Haß und Neid erzeugt und damit die schlimmsten Feind: eines gedeihlichen Zusammenlebens der Menschen schafft. Daß einerseits Ueberhebung und andererseits Neid zu allen Zeiten unter den Menschen geherrscht haben, ist unzweifelhaft: ebenso unzweifelhaft ist es aber auch, daß sie gerade in unserer Zeit besonders stark und gefährlich sind, denn heutzutage ist im Allgemeinen der Gegensatz zwischen Reich und Arm größer, weil eö nichr Reiche giebt. Daun ist aber auch der Bildungsgrad in den unteren Schickten ein höherer geworden und damit die Empfindlichkeit gegen solche Zustände erheblich gewachsen. Es besteht auf diesem Gebiete ein seltsamer Widerstreit zwischen unseren Theorien und ihrer Bethätigung. Die Lehre von der Gleichheit der Menschen vor Gott und dem Gesetze liegt vor. Die christliche Religion gebietet, alle Menschen als Brüder zu betrachten und sie mit gleicher Liebe zu umfassen Religion und Philosophie sehen mit Geringschätzung auf das Sammeln von Schätzen, die die Motten und der Rost fressen, sehen darin sogar eine Gefahr für die Seele. Alle diese Anschauungen sind uns eingeprägt, wir sind Alle im Stande, darüber recht wohlklingende Reden zu halten — und die Wirklichkeit'? Wir reißen den Hut ab vor Dem, der im Eapitalbesitze sich befindet, erweisen ihm alle denkbaren Höf lichkeiten, räumen ihm, und zwar immer proportional mit der Größe des Vermögens, alle möglichen Ehrenstellen ein und fragen nicht danach, ob der Betreffende auch nur unsere dürftigste Hochschätzung verdient. Ja sogar, wenn wir wissen, daß dies nicht der Fall ist, sehen wir gleichmüthig darüber hinweg. Die Minderachtung der weniger Begüterten ist nicht bloS ein innerer Vorgang, sondern tritt sehr fühlbar im Ber kehrsleben hervor. In den Strcitzeiten ist mehrfach be tont worden, eS sei nicht blos die Lohnfrage, welche die Kämpfe verursache, die Arbeiter wollten auch eine bessere Behandlung erreichen. Diese Bemerkung hat damals nicht die Beachtung gefunden, die sie verdient. Wir halten das Verlangen der Arbeiter für nicht ungerechtfertigt und sehen darin die Neaction auf die geringe Schätzung, die dem Arbeiterstande, wie allen weniger begüterten Ständen, vielfach von den besser Situirten zu Theil wird. ES ist bei sehr vielen Menschen, sogar in ganzen Classi», Sitte geworden, die Standesunterschiede im täglichen Leben, wo eS irgend möglich ist, hervorzuheben. In dieser Beziehung sei nur auf die Art und Weise bingcwicscn, wie vielfach dem Verkäufer, dem Kellner, Dienstmann, dem Hand werker oder Tagelöhner, dem Untergebenen, Dienstboten re. begegnet wird. Das barsche, schroffe Benehmen gegen diese Personen kann nur den Zweck haben, die Kluft zwischen den einzelnen Ständen möglichst weit offen zu ballen; denn dar über kann doch wohl kein Zweifel sein, daß Daö, waS man von dem Kellner re. erreichen will, mindestens ebensogut durch ein freundlich ausgesprochenes Wort erlangt werden kann, ohne daß man seine Person dabei irgendwie berabsctzt. Der sogenannte UnterofsicierSton, der übrigens selbst in der Armee nicht einmal überall herrscht — denn dort weiß der Vorgesetzte auch, daß er mit Schroffheit und Grobheit nicht weiter kommt als mit ruhigen, gemessenen Befehlen —, dieser Unter- osficierslon ist jetzt weiter als je verbreitet und hat sogar eine besondere, ihn durchaus nicht mißbilligende Bezeichnung in dem Worte „Schneidigkcit" gefunden. Er hat nicht zum kleinsten Theil dazu beigetragcn, unS zu einer unlicbcns- würdigcn Nation zu stempeln, und wir könnten in dieser Be ziehung gar viel von den Franzosen und überhaupt von den romanischen Nationen lernen, die einen Jeden, einerlei, welchem Stande er angehört, mit gleicher Höflichkeit behandeln. Nationale Eigcnthümlickkeitcn soll man, wenn sie gut sind, sorgfältig erhalten, wenn sie aber schlecht sind, sobald wie möglich über Bord werfen. Die überflüssige Hervorhebung der Standesunterschiede tritt uns beständig auf den Straßen entgegen. Wie oft sehen wir Herren und Damen, hoch erhobenen Hauptes, umgeben von einer Eiseszone von Unnahbarkeit, rücksichtslos, als ob sie allein wären, vorwärtöschreiten und Andere, selbst mit Lasten Beladene, zum Ausweichen zwingen. Sie nehmen lieber Stöße und Grobheiten gelegentlich entgegen, als daß sie einfach das gleiche Recht des Anderen anerkennen. Wie oft sehe» wir, obwohl eS durchaus nicht sür fein gilt, auf der Straße auf zufallen, Damen der vermögenderen Stände in einem Aufputz erscheinen, der keinen anderen Zweck haben kann, als den Neid zu erregen, öffentlich zu zeigen, daß man reicher ist als Andere. Gerade diese Hetzjagd der StandcScitelkeit, wie sie sich in dem Toilcttcnwcsen der Damen auSspricht, ist bezeichnend sür die hier getadelte Anschauung. Daö Kleid, der Hut ist noch voll ständig gut, könnte noch lange getragen werden, trotzdem muß Ersatz geschafft werden in dem Moment, in dem die weniger bemittelten Frauen dieselbe Mode annehmen. „Das kann man nicht mebr tragen, das trägt ja jetzr Jedermann, das sieht man jetzt überall, haben Sie nicht etwas Apartes'?" So hört man die Frauen reden, während die Männer, mit wenigen, der Lächerlichkeit anheimfallcnden Ausnahmen, noch jetzt dieselben schmucklosen Anzüge mit sehr geringen Ver änderungen tragen, wie sie schon vor einem Menfchenalter getragen wurden. Tragen doch die Männer das gleiche Fest gewand wie die bei Gesellschaften aufwartendcn Diener. Weshalb sich immer auf daS Piedestal setzen, sich erhöben wollen, indem man die Umgebung erniedrigt'? DaS ist eine traurige Maxime und ein schroffer Widerspruch zu unseren theoretischen Anschauungen. Deutsches Reich. HZ Berlin, 27. Juli. Seitdem cö dem preußischen Finanz- miinster zweckmäßig erschienen, den Sckleicr von seinen Plänen zur ReickSstcuer-Reform einigermaßen zu lüften, be schäftigt fick sowohl die einheimische als die auswärtige Presse recht angelegentlich mit diesen Projeeten. Die Ausführungen der ausländischen Publicistik berühren uns Deutsche nur an genehm in doppelter Hinsicht. Erstlich beweist daS Interesse, das nian im Auölande der finanziellen und wirtbschastlicken Gestaltung TentschlandS entgezenbringt, daß daö deutsche Reich unter dem „neuen Enrse" sein Prestige im euro päischen Staatenconcerte doch noch nicht verloren hat, dann aber bewegen sich die Erörterungen der auswärtigen Presse »im Großen und Ganzen auf völlig sachlicher Grundlage; sie tragen der anerkannt fachmännischen Befähigung Migucl'S vertrauensvoll Rechnung und warten im klebrigen mit ihrer Kritik seines Reformwerke», bis dasselbe in seiner Gänze daS Licht der Oesfentlichkeit erblickt haben wird. Ganz anders geartet ist die Taelik unserer einheimischen Prcffe, soweit die- elbc der Opposition von rechts oder links zugezählt wird. „Freisinnige Zeitung" und „Germania" befinden sich wieder einmal in rührender Ucbereinstiinmnng mit der grundsätzlichen Negation dcö Miquel'schcn Neformwerkes, obwohl dasselbe noch nicht einmal in seinen Grundzügcn vollständig bekannt ist. WaS daö Organ des geschlagenen Feldherrn der freisinnigen Volköpartci anbclangt, so wittert Herr Richter hinter den Stcuercntwürsen deö Finanzministcrs den geheimen Plan fiScalischer PluSmacherei und beschuldigt ihn, bei seinem Reform werk keine organische Umgestaltung unserer Finanzwirthschaft im Auge zu haben, sondern lediglich die Absicht, durch eine be deutende Vermehrung der Reichseinnahmen über die DeckungS- kosten der Heeresverstärkung hinaus die Reichsregierung von der finanziellen Beeinflussung durch die Einzelstaaten und dadurch mittelbar von dem Budgetrechte deö Reichstages loLzulösen. Von diesem GcsichtSpuncte auS bezeichnet der allezeit kampflustige Eugen die Beseitigung der Franckcn- slein'schcn Klausel als unannehmbar, ohne noch Näheres darüber in Erfahrung gebracht zu haben, und daö Organ deö Herrn Lieber stößt mit ihm in dasselbe Horn. Wir sehen also dasselbe Schauspiel sich wiederholen, das in dem Kampfe um die Militairvorlage sich abgespielt hat. Tie Heeres- verstärtüng wurde bekämpft, nicht etwa weil man von ihrer Nothwendigkcit sich nicht überzeugen konnte, sondern weil man sich stark genug fühlte, diese eminent nationale Frage zum Gegenstände eines parlamentarischen Fiuger- ziehcnS machen zu können. Anstatt sich nun, nachdem hier die Regierung sich als der stärkste Gegner erwiesen, mit der vollzogenen Tbatsache abzufinden, sür die Deckung des erforderlicken Mehraufwandes das Beste Vorkehren zu helfen und mit sachlichen Gegcn-Vorschlägcn hervorzutretcn, sobald die Anträge der Regierung eine Eorrectur bezüglich ihrer Zweckmäßigkeit erfordern sollten, spielt man sich schon heute aus den parlamentarischen Tugendwächter hinaus und versichert im Brustton: unerschütterlicher Ucbcrzeugungstreue, die Franckeustein'sche Klausel dürfe unter keinen kimständen beseitigt werden, weil sie nach Herrn Nichter'S Ansicht einzig und allein die Erhaltung des Budgetrechtes für den Reichstag gewährleistet und einer weiteren Steigerung d»r Militair- unv Marineauögaben entgegenwirken kann, und die „Germania" klatscht ihm Beifall, weil die Klausel für daS Ecntrum die Bedingung gewesen, unter der es 1879 nicht nur den Schutz-, sondern auch den Finanzzöllcn zu gestimmt hat. Daß die Handelspolitik der Regierung inzwischen andere Wege eingeschlagen, daß das Ecntrum den von der Negierung beantragten Handelsverträgen gleichfalls zugestimmt, daö scheint die „Germania" vergessen zu haben, und wenn daö Organ des Herrn Lieber sich den Beruf an maßt, den Einfluß der Einzelstaaten auf die Finanzverwaltung dcS Reiches schützen zu müssen, so mag sic diese Ausgabe ge trost den Finanzministern der betreffenden Staaten über lassen, welche diesen gegenüber in verantwortlicher Stellung sich befinden und sich die Vorschläge dcü preußischen Finanz ministers in der Frankfurter Eonferenz genau besehen werden. Tie „Germania" sollte sich doch auch daran giftigst erinnern, daß, als eS sich im Abgeordnctcnhause um die preußische Steuerreform handelte, unter den geänderten Verhältnissen Herr von Huene der Erste war, der sein eigenes Geisteskind auf dem Altäre einer zweckmäßigeren Steuerreform opferte. Ecntrum und Volköpartci würden sich nicht blos dcni Ver dachte politischer Rechthaberei, sondern einem noch schlimmeren Argwöhne aussetzcn, wenn sie auf ihrem heute bekundeten Standpunclc absoluter Negation auch in den bevorstehenden parlamentarischen Erörterungen auS keinen anderen cfts den bisher geltend gemachten Gründen verharren wollten. Un befangene könnten hinter dieser Taktik leicht die wenig lobcnöwerthe Absicht wittern, der glücklich erkämpften Militair- reform noch bei der Deckungsfrage hinterher ein Bein zu stellen. V. Berlin, 27. Juli. (Telegramm.) An der Börse war beute das Gerücht verbreitet, daß der Kaiser die geplante Fahrt nach Cowes aufgegeben habe. Man bringt daö mit den russischen Zollverhältnissen in Zusammen hang. — Wie in der hiesigen russischen Botschaft verlautet, gedenkt der Zar, bevor er sich »ach Dänemark begiebt, in Polen noch den Manövern beizuwohnen.— Dcr Marine- attachö der hiesigen italienischen Botschaft Bolpe wird den Prinzen Heinrich aus Befehl König Humbcrt'S nach Spezzia begleiten und während der Manöver zu seiner Verfügung bleiben. Berlin, 27. Juli. (Telegramm.) Die BundeS- rathösitzung, die für heute in Aussicht genommen war, findet erst morgen statt. «> Berlin, 27. Juli. (Telegramm.) Der „Neichs- anzeiger" veröffentlicht daS Gesetz vom 23. Juli 1593, be treffend Feststellung des Zweiten Nachtrags zum RcichShauShaltSetat für 1893,94, sowie betreffend die Aufnahme einer Anleihe zum Zwecke der Verwaltung des NcichshcercS. ckl- Berlin, 27. Juli. (Telegramm.) Trotz deS ver schämten Dementis der „Nordd. Allg. Zeitung" — so schreibt heute die „Voss. Ztg." — wird von anderen als osficiöS gellenden Blättern eingcräumt, daß die Wiederabschaffung dcS jogcnannten polnischen Privatunterrichts und die Wieder einführung deS polnischen Sprachunterrichts in den Volksschulen der polnisch-sprechenden Landcstbcile geplant sei. Was vor einem halben Jahre unmöglich erschien, wird heute möglich gemacht. — Tie Berichterstatter, die der Versammlung vom 2l. April in Berlin beiwohnten, in welcher Ahlwardt zum ersten Mal über seine „Acten" sprach, sind, der „F. Z." zufolge, in Moabit vor dem Untersuchungsrichter zeugen- eidlich vernommen worden. Es handelte sich um folgende Acußerungen: In der einen wirst Ablwardt I)r. Miguel vor, er habe s. Z. im Proecß Geblscn einen Meineid geleistet, indem er beschwor, daß er auf eigene Rechnung keine Geschäfte gemacht habe, während die „Acten" das Gegentheil erwiesen. Sodann hatte Ahlwardt auögesührt, diejenigen Leute, gegen welche sich seine Angriffe richteten, hätten daS deutsche Volk mehr betrogen als sämmtliche Zuchthäusler, die in den deutschen Gefängnissen sitzen. Heute aber seien diese Leute Generalconsuln, Eommerzienrathe, ja sogar Minister geworden. Endlich soll Ahlwardt diese Leute Ausbeuter und Vampyre genannt haben. Wegen dieser Aenßcrungcn bat Finanzministcr Miguel Strafantrag gegen Ahlwardt gestellt. * Kiel, 27. Juli. Der Kaiser begab sich Vormittag 9 Ubr an Bord der „Hohenzollern". Um ItN/, Uhr ging dieselbe unter den Salutschüssen von S. M. Tran-Port- dampscr „Pelikan" und S. M. S. „Blücher" nach der Nordsee ab. (Wiederholt.) e' * Hamburg, 27. Juli. Den „Hamb. Nachr." wird au» München geschrieben: Die k. Hoswagcn mit Pferden und Bedienung, welche der Prinzregent von Bayern für den jeweiligen Aufenthalt des Fürsten BiSmarck in Kässtngen demselben zur Verfügung stellt, gehen in den nächsten Tagen dorthin ab. * Krone an der Brahc, 26. Juli. Mit Rücksicht auf die Gerüchte über ein Entgegenkommen gegen die Polen in Sachen der polnischen Sprache verdient folgender Vorfall Beachtung. In unserer Stadt besteht die katholische Kirchcn- gemeinde zum großen Theile auS Polen, ein durchaus nicht unbedeutender Theil der Gemeinde ist aber deutsch-katholisch. Einen Lieblingswunsch dieser Deutsch-Katholiken bildete nun schon lange die Einführung von deutschen Predigten, wenn auch nur in weiten Zwischenräumen. Da bei dem letzten Missionsseste in unserer Stadt nun auch Predigten in deutscher Sprache gehalten wurden und somit daS Be- dürfniß sür solche anerkannt war, wandten sich die deutsch- sprechenden Katholiken an den Bischof von Kulm-Pelplin mit der Bitte, er möchte doch veranlassen, daß wenigstens drei Mal im Jahre (!) deutsch gepredigt und die kirchlichen Be kanntmachungen neben der polnischen auch in deutscher Sprache verkündigt werden. Auf diese Petition ist ein Be scheid überhaupt nicht eingegangen. Dagegen wurde un längst von der Kanzel herab verkündigt, daß Alles beim Allen bleiben würde. Die Petition ist demnach un beantwortet sck acta gelegt worden. Als Neuerung ist jetzt nur angeordnet, daß die wichtigsten Bekanntmachungen durch Anschlag an die Kirchcnthüren m deutscher Sprache bekannt gegeben werden. (Voss. Ztg.) * Köln, 26. Juli. Ultramontane Blätter reiben sich an dem Rechenschaftsbericht der Berliner patriotischen Ver einigung, Weiche Geld zur Agitation für die Militairvorlage sammelte, bemängeln den bewiesenen Opfermnth und werfen dabei mit aufreizenden demagogischen Redensarten um sich, wie: „Mindestens könnten die Herren für sich und ihre Söhne doch aus das Privilegium dcö einjährigen Dienstes verzichten und so wenigstens einen kleinen Tbeil der dem deutschen Volke, und zwar nickt den Herren von „Bildung und Besitz", sondern lediglich dem sogen, kleinen Manne auserlcgten Blutstcuer tragen Helsen. Aber dazu wird der moderne Hurrah-PatriotiSmus Wohl nicht langen." Da trifft eS sich nun seltsam, schreibt die „Köln. Ztg.", daß der „RheinischenZeitung" ein Rundschreiben an die Kölnischen Psarrvorsteber in die Hände gefalle» ist, welches die noch nicht gedeckten Wahlunkosten des CentrumS schlankweg auf die einzelnen Pfarreien vertheilt. Das Eentrum ging in die neue Wahl mit einem Fehlbetrag von 3300 von der letzten Wahl, eingegangen sind etwa 4000 verausgabt 6500 zu decken ist also noch der Fehlbetrag von 5800 ./! Man bat nun unter Berücksichtigung der Zahl und der Vermögenslage der Pfarreingesessenen eine Vertbeilung der Wahlunkosten auf die einzelnen Pfarreien vor genommen. Die Pfarrvorsteher sollen nun jeden Einzelnen auf den Betrag, den er voraussichtlich leisten wird oder leisten könnte, cinschätzcu und damit den Sammlern einen Anhaltspunkt geben. Den höchsten Erfolg verspreche erfahrungsgemäß da persönliche Vorlegcn der Sammelliste durch den PertrauenS- uiaun, weil angesehene Persönlichkeiten nicht so leicht abge- wicsen würden wie bezahlte Botenz im Nothfalle müsse die Auswahl der bezahlten Boten mit Geschick und Pcrsooal- kcnntniß getroffen werden. ES sei unter den heutigen un günstiger gewordenen Verhältnissen nicht mehr möglich, nur die wohlhabenderen Katholiken zu den Wahlunkosten heran- zuzichcn; zur Aufbringung der Mittel müsse Jeder bei tragen, der in der Lage sei, ciniac Mark für die gute Sache zu opfern. Die Echtheit des Rundschreibens vorausgesetzt, scheuen sich also dieselben Herren, welche die Kosten der nationalen, fricdenverbürgenden Wehrkraft für unerschwing lich erklären, nickt, auf die minder gulgestellten Leute einen starken Druck auszuüben, um die Wahlgelder des Centrum » auszubringen. * Mannheim, 26. Juli. Wegen des StraßenausrubrS, der am Tage der Reichstagsstichwahl hier in der Schwetzinger Vor- stadt sich zutrug, sind 24 Personen angeklagt. Tie Strafkammer wird sich am nächsten Donnerstag mit der Sache zu befassen haben. * Stuttgart, 26. Juli. Gegen den demokratischen „Beobachter" ist eine Anklage wegen Majestäts- bcleidigung erhoben worden. Wie das Blatt selbst mit- theilt, soll eine Beleidigung des württcmbergischen Königs enthalten sein in einem am 13. Juli vom „Beobachter" ab» gedruckten „Stimmungsbild von der Alb", worin u. A. be richtet war, daß die Albbauern die Ablehnung des Empfangs der Albbauerndeputation durch den König im Hinblick auf den am gleichen Tage stattHehabten Besuch deS Rennens in Weil bedauern und den König in dieser Sache für nicht richtig berathen halten. * Ulm, 26. Juli. Die Cavalleriemanöver, die in der von der Futternoth bartbctroffcnen Alb abgehalten werden sollten, wurden in Folge des Proteste- der hier ab- gebaltcncn Versammlung vom Ministerium abbestellt. Da uerte Ucbungsterrain ist noch unbestimmt, der gänzliche Ausfall der Manöver nach der „F. Z." wahrscheinlich. OesterreichUugar». * Wien, 27. Juli. (Telegramm.) Der Kaiser ver lieh dem AttachS der französischen Botschaft I. Decrais den Orden der Eisernen Krone III. Claffe. — In dem in der Nähe von Graz gelegenen Kohlenwerken ist ein Streik unter den älteren Bergarbeitern auS- gebrochen; da dem Verlangen um Lohnerhöhung und Ver-
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