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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930807021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893080702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893080702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-07
- Monat1893-08
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Diese Auffassung kann richtig sein, aber ebensogut ist cS möglich, daß man in Petersburg der Auslassung zuneigt, Deutschland werde am t. Oclober mürbe und zu den Zugeständnissen bereit sein, die Rußland bisher gefordert hat. Ja, die letztere Annahme ist, wenn man die in Rußland maß gebenden Persönlichkeiten und die ganze Politik Rußlands in Be tracht zieht, die wahrscheinlichere. Herr Witte ist ein nationaler und kirchlicher Renegat. Bon deutscher und protestantischer Abkunft, hat er sich zunächst für einen Holländer auSgegeden und ist dann orthodoxer Russe geworden, und Renegaten pflegen sich immer in dem Ausweise dessen, was sie eigentlich nicht sind, zu übcrbietc». So hat er sich denn auch bei dieser Gelegenheit deutsch-feindlicher gezeigt als ein nationaler Russe und hat andererseits auch der russischen Unwissenbeit seinen Tridut,dar- gebracht, indem er die Verhältnisse eines Landes, mit dem er sich in einen zollpolitischen Krieg einzulassen wagte, ganz falsch beurtheilt hat. Man könnte sich freilich wunkcrn, daß Herr von GierS keinen Protest gegen das Verfahren des Herrn Witte eingelegt bat, aber man muß annehmen, daß seine Stimme machtlos gewesen ist, weil eS ihm wahrschein lich an wirthschaftlichen Kenntnissen fehlt, wenn man nicht glauben will, daß auch er schon seit längerer Zeit für die neueste Phase der auswärtigen Politik Rußlands gewonnen ist. Diese Phase aber kennzeichnet sich durch eine an sich nicht ungeschickte Bekämpfung des Dreibundes auf Grund des bekannten ckiviäe et impera. Schon als Herr von GierS, auS Italien zurückkcbrend, seinen Weg über Wien nahm, tauchte bei uns der Verdacht auf, daß die große Liebenswürdigkeit, womit man ansing, sich Oesterreich zu nähern, obwohl mau in Wien den Bulgaren ein ganz anderes Wohlwollen bewiesen hatte, als m Berlin, von einer ganz bestimmten Absicht begleitet sei. WaS damals eingefäeelt wurde, hat in dem überaus verschiedenen Maße, womit Rußland seiner Handelspolitik gegen Deutschland und Oesterreich-Ungarn Ausdruck Hiebt, sxjne unverkennbare Fort setzung erfahren. Ebenso rücksichtslos, wie man sich gegen Deutschland gebärdet, ebenso liebenswürdig begegnet man den Oesterreichern. Dafür aber giebt es gar keine andere Erklärung, als daß man einen Keil in den Dreibund zu treiben und so Deutschland doppelt, politisch und wirthschaftlicki, lahm zu legen sucht. Hatte die russische Presse bis dahin diese Absicht nicht verrathen, so machte sic in dem ersten Triumphgefühl nach Verhängung deS Maximaltarifes über die deutsche Einfuhr kein Hehl mehr daraus. Es ist daher nicht gerade wahrscheinlich, dcch die Ernennung russischer Commissare einen Beweis für die Selbsterkenntnis; und die Nachgiebigkeit der russischen Regierung bedeute, der wir eher zutrauen, daß sie mit dieser Ernennung Zeinen ganz anderen Zweck verfolgt. Auf dem internationalen Tocialiften-Konaresz in Zürich werden die deutschen Anarchisten doch etwas stärker erscheinen, als man Anfangs glaubte; so wird mit Werner und G- Landauer auch „Genosse" G- Strahl kommen, den Rheinland-Westfalen entsendet. Die Anarchisten sollen übrigens der Hoffnung sein, daß man sie in Zürich zu den Bc- rathungen zulassen werde; denn, wie sich jetzt herausstellt, haben sogar Mitglieder der Trade-Unions, darunter solche, die als Dclegirte den Congreß besuchen werden, sich sllr dieZulassungdcr Anarchisten ausgesprochen. In einem Ausruf, der von Mit gliedern der Trade-Unions unterzeichnet ist, heißt cS: „Gegen wärtig giebt cS viele Anarchisten, die daniit beschäftigt sind, Unionen zu gründen und zu befestigen. Und darum fordern wir, als Mitglieder von Unionen, Euch aus, Euch nicht von den besagten Führern imponircii zu lassen, sondern zu fordern, daß kein Delcgirtcr auf dem Congreß von Zürich zu einer Erklärung seiner Principien als Bedingung sür seine Zulassung gezwungen wird. Wir bitten Euch im Namen der Interessengemeinschaft dcr Arbeiterclasse, Euren Delegirten präcise Instructionen dahin zu geben, sie möchten es nicht zu- lasscn, daß in Zürich ein Ausschluß aus Grund der Ansichten eines Delegirten erfolge, sondern dafür einzulreten, daß alle Delegirten von Arbeiterassocialionen, die sich regulärer Weise constituirt haben, zugclassen werden und das Recht erhalten, unparteiisch angckörl zu werden." — Ucbrigcns scheint der Anarchismus in Deutschland kräftig zu gedeihen; Anarchisten- versammlungen sind nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen preußischen und nichtpreußischen Städten nichts Neues mehr, und die Gründung von anarchistischcn Clubs wird jetzt sehr emsig betrieben; so soll ein solcher für Hamburg-Altona am 13. d. M. in Markgras'S „ClubhauS" ins Leben gerufen werden. Die Anarchisten haben auch ersichtlich nicht ganz unbemittelte Freunde, denn in der Sammlung sür die Familien der Inhaftirten finden wir zwei Posten zu je 100 .L, bei denen nicht vermerkt ist, Laß sie auf Listen gesammelt seien. Wie in anderen Landestheilen der österreichisch-ungarischen Monarchie, so wird auch in der Grafschaft Görz und GradiSka das Deutschthum immer mehr bedrängt, was unter einem Ministerium Taaffe freilich nicht ver wunderlich, vielmehr ganz selbstverständlich, für uns aber nichtsdestoweniger sehr betrübend ist. In der erwähnten Grafschaft nimmt aus Unkosten des DeutschthumS das Italienerthum von Jahr zu Jahr mehr zu. Wer die dortigen Verhältnisse kennt, der wird allerdings nicht im Traume daran denken, von einer — behördlichen — „Italia- nisirung" deS Landes zu reden, denn keine österreichische Ver waltung kann trotz der Abneigung des Ministeriums Taaffe gegen vas Deutschthum einen Fortschritt des Italienerthums wünschen. Das liegt ans der Hand, weil jeder derartige Fort schritt die Aspirationen der Irredenlistcn stärkt. Die Deutschen veritalienern sich in dieser Grafschaft viel mehr selbst. Sobald die Italiener vor Jahren im Görzcr Gemcinderatbc die Mehrheit erlangt hatten, ließen sie ihren Wünschen freien Lauf. Die bis dahin deutschen Straßenschilder wurden damals durch italienische ersetzt. Jetzt strecken die Italiener auch ihre Hand nach dem Schul wesen auS. Görz besitzt ein k. k. StaatS-Odergymnasium, ein erzbischöfliches Priestcrscminar und eine höhere Töchter schule mit einer Lehrerinnen-BildungSanstalt, sämmtlich noch beute mit deutscher Unterrichtssprache, die auch die (staatliche) Volksschule hat. Da nun die Italiener allein zu schwach sind, um den Görzcrn italienische Schulen aufzudrängen, wollen sie die Beute mit den Slowenen theilen und deshalb aus dem deutschen Gymnasium 2 Anstalten machen, eine italienische und eine slowenische. Görz, das durch Jahr hunderte zu Deutschland und bis 1866 mit Deutsch-Oester- reich zum deutschen Bunde gehörte, auch im Frankfurter Parlamente einen eigenen Abgeordneten hatte, ist jetzt eine Stadl von 22 000 Einwohnern, auch als klimatischer Curort weit bekannt. Im Norden ist e« durch die Alpen geschützt, von Süden dringt die balsamische erquickende Seeluft zu uns. Jetzt soll diese Perle auch daS Diadem Welschlands krönen, und zwar wesentlich durch die bedauerliche Passivität ihrer eigenen Bewohner, was jeder Deutsche außerhalb der Graf schaft um so schmerzlicher beklagen wird.^alS die Deutschen der Grafschaft eben lediglich durch eigene Schuld immer mehr der Verwelschung anheimsallcn. Schon lange war eS bekannt, daß in Luxemburg eine kleine Gruppe unzufriedener Franzoscnfreunde eifrig bemüht ist, durcb unauSge,etzte Wühlereien der herrschenden Dynastie das Leben schwer zu machen, und fast jede Nummer des die Interessen dieser Gruppe vertretenden PreßorganS enchielt verletzende Ausfälle gegen den Großherzog und sein Haus. Namentlich wurde dem LandeSsürsten das ange borene Deutschthum als eine untilgbare Erbsünde vorge- halten und eS wurde ihm dabei nicht einmal als mildernder Umstand aiigercchnet, daß man am Hose das Menschen mögliche tbat, um das verlästerte Deutschthum unter den Scheffel zu stellen. Dem Führer der kleinen, politisch einflußlosen Partei, einem Sohne deS verstorbenen StaatsministerS ServaiS, war eS bei den letzten Abgcordneten- wahlen gelungen, ein Mandat zu erhaschen, wobei nicht seine Partcistellung, sondern allein der Umstand den Ausschlag gab, daß er eben der Sohn seines Vaters war. Seit dieser Wahl ist in dem Verhalten der Gruppe ein vollständiger Umschwung ein- gelreten. Sie fühlt plötzlich den Drang m sich, die Waden strümpfe anzulegen und hoffähig zu werden. Herr ServaiS kündigt in der letzten Nummer seines LeiborganS an, daß er um eine Audienz beim Großherzog einaekommen sei und dem LandeSsürsten seine Huldigung zu Füßen legen wolle. Die immerhin etwas unbequeme Vergangenheit versucht er mit der Erklärung auSzulöscheo, daß, wenn er und seine Freunde bisher den Kundgebungen zu Ehren de- Hause« Nassau ferngeblicben seien, dies nur als Protest gegen den hauptstädtischen Bürger meister aufzufaffen sei. Um die Metamorphose vorzubereiten, war übrigens schon vor einiger Zeit der hauptsächlich die Grundsätze der Pariser Commune vertheidigende Hauptredac- teur von dem Partei-Organ entlassen worden. Der ganze TecorationSwcchsel soll auf Schloß Walfcrdingen eine gelinde Heiterkeit hervorgerusen haben, zeigt aber aufs Neue, daß die Franzosen, ganz so wie die katholische Kirche, deren älteste Tochter ;a Frankreich ist, zuweilen auch unterzuducken ver stehen, wenn cs ihnen zweckdienlich erscheint. DaS Naffauisch- Oranische Herrscherhaus, daS in absehbarer Zeit sich in den Schooß der römisch-katholischen Kirche zurückbcgiebt, wird hoffentlich die naheliegende Nutzanwendung daran« ziehen und die welschen Bäume, seien diese nun aus Rom oder aus Paris bezogen, nicht zu hoch in den Luxemburgischen Himmel hineinwachsen lassen! Wie schon telegraphisch gemeldet worden, hat da« Pariser Schwurgericht Norton zu 3 Jahren Gefängniß und 300 Frcs. Geldbuße, Ducret als den minder Schuldigen zu 1 Jahr Gefängniß und 100 FrcS. Geldstrafe verurtheilt und außerdem beide gemäß dem Antrag Clsmenceau'S als CivilklägerS gemeinsam zu einem Franc Schadenersatz ver urtheilt. Ducret ward der Urkundenfälschung und Benutzung gefälschter Urkunden für schuldig befunden. Bei Ducret wird von den Geschworenen die Frage, ob Urkundenfälschung vorliege, verneint, die Frage wegen Benutzung gefälschter Urkunden aber bejaht. Der FälschungS-Proceß hatte am 6. August Vormittags begonnen und dauerte bis spät in die Nacht hinein; erst am 7. Januar früh kurz vor 3 Uhr war die Sitzung zu Ende. Die meisten vernommenen Zeugen versuchten Clemenceau als englischen Agenten und als Vertreter von Cornelius Herz verächtlich zu machen. Die Verhandlungen wendeten sich oft ganz gegen Clsmenceau, so daß der Präsident alle Mühe hatte, Abschweifungen vom Thema ru vereiteln. Clsmenceau erhielt zu später Stund« al« Privatklägcr das Wort und hielt eine große politische Rede gegen die Hintermänner von Millevoye und MoröS, welche ihn verderben wollten. Die Wahr scheinlichkeit, daß Norton die Fälschung allein begangen habe, ist sehr gering. Daher ist die Frage, wer hinter der ganzen Sache steckt, nicht entschieden worden. Magnard erklärt im „Figaro", Dupuy und Develle hätten am meisten durch den Proceß gelitten, da sie nicht energisch genug gegen die Fälschung protestirt, sondern ge stattet hätten, daß Aktenstücke, welche eine befreundete Macht beleidigen konnten, auf der Kammertribüne verlese« wurden. Develle habe sich durch Siam rehabilitirt, aber Dupüy würde, falls die Kammer jetzt tagte, kaum einer Interpellation Widerstand leisten. Ter dieser Tage veröffentlichte amendirte Text der vielbesprochenen irischen Hamernledill enthält 3? Artikel an statt der 40, auS denen ursprünglich die Bill sich bi« zu« letzten 21. April zusammenseyte, d. h. bis zum Tage, da da« Unterhaus die Bill iu 2. Lesung annahm, also den Grundsatz des durch Gladstone auSgearbeitcten Gesetze« anerkannte. WaS nun nach der beendeten Einzelberathung im Conlit» folgt, kann mit ziemlicher Bestimmtheit vorauSgesagt werden. In den nächsten Tagen wird der Vorsitzende de« ComiteS des Hause« amtlich dem Parlamente den Text der amendirtcn Bill bekannt geben. Man heißt die« „dem Hause über die Bill Bericht erstatten". Auch bei dieser Gelegenheit läßt die Geschäftsordnung de» englischen Parlament« eine neue Debatte zu, in deren Lause die Bill neue Zusatzartikel er halten oder alte verlieren kann, ja sogar die ganze Bill ver worfen und abgewiesen werden darf. Nach Beendigung dieser Debatte beschließt die Kammer eine 3. Lesung der Bill, bei der in der Regel keine starke Opposition mehr erhoben wird. Erst nach Erfüllung aller dieser Förmlichkeiten geht die Bill an da« Oberhaus, wo die gleiche Reihenfolge von drei Lesungen abgewickelt werden muß. Die Bill wird vor dem l5. August auf keinen Fall im Hause der Gemeinen erledigt sein und erst gegen Mitte September wird sich da« Haus der Lords endgültig über den Entwurf au«- sprechen, mit dem Gladstone die Ire« beschenken will und den da» Oberhau« ohne Zweifel durchsallen lassen wird. In diesem über alle Zweifel erhabenen Falle muß die ganze Arbeit in der Tagung von 18Ü4 wieder von vorn augefangeu werden. Nachdem da« Hau« der Lords rum zweiten Male die Bill abgewiesen haben wird, wird die Regierung zum letzten ihr übrig bleibenden Mittel greifen und nach Auflösung deS Parlament« Neuwahlen au«- schreideu In welcher Weise da« Land in einem derartigen directcn Appell an dasselbe zu (der Frage der Homerulebill Stellung nehmen wird, kann jetzt kaum auch nur annähernd vorausgesagt werden. Eine« der interessantesten Völker der Dalkanhalbinsel und dasjenige, daS trotz Rußland« voraussichtlich die größte Zu kunft hat, ist da» der vulgaren, wie wir an dieser Stell« schon des Oestcren auSgcführt haben. In der Entwicklung des BulgarenlandcS nun bilden die letzten Wahlen zur Sobranje unstreitig ein wichtige« Moment, und da« Resultat dieser Wahlen muß jeden Freund diese« Lande« mit Genugthuung erfüllen. ES gewährt eine sehr werthvolle Beruhigung, daß durch diese« Ergebniß. fall« nicht gewisse, gut bezahlte Russensreunde „rettend einareifrn", die Fortdauer de« gegenwärtigen Regiment« auf volle fünf Jahre hinaus als gesichert erscheint. Hundertfüufzig gegen neun oder zehn stellt ein solche« Uebergewicht Feiiilletsn. In des Reiches Ostmark. 8s Roman von B. W. Zell. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Und der Zauber, der all diese Wunderdinge bewirken soll?" fragte PodbielSki ungläubig. „Sind Bohrungen, verehrter Gönner, Bobrungen in diesen GipSfelsen, auf dem die Stadt erbaut. Alle Anzeichen sprechen dafür, und für die gewiegtesten Montanisten ist cs zweifellos, bah sich unter diesem GipSfelsen riesige Calzlagcr befinden muffen, deren Ausbeute ein ungebeuerer Segen für unsere ganze Gegend sein würde. Nicht allein die Stadt, auch viele Ackerbürger, die jetzt kärglich vom Ertrage ihres kleinen Land strichs leben, würden urplötzlich reich — Tausenden von Arbeitern würde ein ständiger, lohnender Erwerb gesichert." „Sie sprechen da nichts Neues aus, Berehrtester", entgegncte der Graf ruhig. „Es ist bekannt, daß schon vor fünfzig Jahren von Seiten der Staatsregierung Bohrversucbe gemacht wurden, die man zwanzig Jahre später aus- neue in Angriff nahm. Immer wieder ließ man sie fallen, ohne Resultate erzielt zu haben." „Weil man auf halbem Wege stehen blieb, weil vielleicht ausreichende Mittel fehlten, die sehr schwierigen und kostspieligen Bohrungen durckzuführen", siel CroneS ein. „DaS ist'S ja eben — man verließ sich auf die StaatSregie-ung allein und that von Seiten der Stadt nicht das Geringste, diese in ihren anerkennen-wcrtben Bemühungen zu unterstützen. Wie oft und auch heut wieder habe ich aus die Nothwendigkeit hin- acwiesen, daß auch die Stadt Opfer bringen müsse zur Erreichung eines so großen Zieles — man zuckte die Achseln und berief sich auf die leeren Cafsen. Nun habe ich eine andere Idee. Wie wär'S, wenn einige vermögende Leute sich vereinigten, um eine Aktiengesellschaft zu bilden, welche daS nöthige Capital zur Erschließung der zweifellos vorhandenen Salzlagcr zu beschaffen bätte? Und dcSbalb wollte ich morgen zu Ihnen, Herr Gras. Auch Sic sind bei der Sache betheiligt, denn Ihr Vorwerk Zilkowo liegt nahe bei der Stadt und auf jenem Gebiet, unter dem sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Saftlager erstrecken." PodbielSki batte aufmerksam zugehört und mehrmals zu stimmend da« Haupt geneigt. „Sie sind ein PraktikuS, CroneS, trotzdem Sie den Ruf eines Philosophen genießen. Gern will ich Ihre Pläne nach Kräften unterstützen und will Ihnen nur gestehen, daß ich AchnlicheS im Sinne hatte und gerade in den letzten Tagen mich viel mit dieser Angelegenheit beschäftigte. Ein junger Freund von mir, George v. Malkiewicz, glüht für diese Idee und hat sich seit Jahren mit einschlägigen Studien beschäftigt. Jetzt vervollständigt er dieselben auf der Bergakademie, und ich gestehe, daß ich keinem lieber als ihm die Bohrversuche übertragen sehen möchte." „DaS greift ja prächtig ineinander, Herr Graf! Wir werden dabei tüchtig geschulte, energische junge Kräfte gebrauchen können, und wer konnte besser sür uns wirken als jemand, der mit ganzer Seele an der Heimatbscholle bängt? Ader wir sprechen darüber noch ausführlich, jetzt" — er sah nach der Uhr — „wahrhaftig, da habe ich mich verplaudert und werde mich zum Zug verspäten. Ein Freund in der Nähe von I. erwartet mich nämlich beut^zum MittagScssen, und es giebt in dieser gesegneten Stadt nicht einmal eine Droschke, die mich schnell zum Babnhos befördern könnte. Unsere Hotelwagen aber werden schon dort sein." „Mein Wagen erwartet mich am Markt, und wir sind in seiner Nähe", beeilte sich der Graf zu sagen. „Es soll mich freuen, wenn Sjff ihn benutzen, ich komme sogar mit zum Bahnhof. Bei meiner Ankunft schenkte ich ihm nur einen flüchtigen Blick, und es interressirt mich, die Baulichkeiten und Anlagen näher in Augenschein zu nehmen. Da kommt mein Wagen schon, steigen wir ein." CroneS nahm das Anerbieten dankend an, die feurigen Rappen sausten dahin, und in wenigen Minuten war man am Bahnhof. Der Philosoph von I. hatte hier gerade noch Zeit, in daS Coups zu springen und dem Schaffner zuzuruscn, daß er sein Billet nachlösen werde. Dann nickte er aus dem enteilenden Zuge dem Grafen Dank und Abschied zu. PodbielSki schaute sich aus dem geräumigen Perron um. Derselbe war augenblicklich stark belebt, da der Warschauer Zug viele Fremde gebracht hatte. Vor dem Wartesalon stand ein junger Mann in Hellem Reisemantel, dem sein Diener Mittheilungen, wohl das Gepäck betreffend, machte. Letzrerer eilte davon, und die schlanke, elegante Gestalt deS Reisenden wandte sick mit nachlässiger Grazie dem Wartesalon zu. Roth- blondeS Lockcnbaar quoll unter dem leichten Reisebut vor, Gras Zkaver ward plötzlich ausmerksam aus dieses Haar, trat schnell einige Schritte vor, um daS Gesicht de' Fremden zu sehen, und .Mladimir!" tönte eS dann freudig von seinen Lippen. Der Jüngling fuhr herum, einen Augenblick öffneten sich die müden, halbverschleierlen Augen weit, dann flog ein Zug deS Staunens über sein schöne-, etwa« bleiches Gesicht. „Ah, mon oder xnpa, Sie wußten, daß ich heute komme?" „Nein, nur ein glücklicher Zufall —" DaS Gesicht Wladimir'S nahm den alten müden Ausdruck wieder an. „Sehr liebenswürdig von diesem Zufall", sagte er mit convcntioneller Höflichkeit. Darauf umarmten sich Vater und Sohn. Sie hatten sich länger als drei Jahre nicht gesehen. Abends nach der Heimkehr ins Schloß gab es dann eine sehr ernste Unterredung zwischen den Beiden. Man hatte da« Abendessen allein, nicht in Gemeinscbaft der Gäste aus dem Pavillon, eingenommen, und eS war ziemlich schweigsam dabei hergcgangen. Bevor nicht offene Aussprache zwischen Vater und Sohn stattgesunden, konnten sie nicht frei miteinander verkehren. Nun saßen sie im Arbeitszimmer des Grafen. Noch waren die Lichter nicht angezündet, obgleich bereits halbe Dämmerung im Gemach herrschte. Die Fenster standen weit offen und ließen die würzige Lust des vorhin schwülen, jetzt durch ein wohlthuendeS Gewitter gekühlten Sommerabends bereinströmcn. Draußen lag aus den bunten Teppichbeeten. dem frischduftigen Rasen und den dunklen Baumpartieu des ParkS der letzte Schein der Abendsonne. „Sie haben mein Kommen gewünscht, Papa, und ich bin da", begann Wladimir mit seiner wohllautenden etwa- bedeckten Stimme. „Halb ward ich zu diesem Gehorsam gezwungen, denn Sie fanden sür gut, mir für Juni bereit« meine Wechsel vorzu enthalten. Die Geldfrage vor Allem muß also zwischen unS erörtert werden. Ich bin großjährig und habe wohl ein Recht, irgend eine Sicherung meiner Existenz zu verlangen, da e« im Ernst nicht Ihre Absicht sein kann, mich fernerhin wie einen Schulknaben zu behandeln, der von der Gnade seines VaterS abhängt." Um des Grasen Lippen zuckte eS schmerzlich bei dieser kühlen, fast feindselig klingenden Rede de« Sohne«, doch zwang er sich, eben so gleichgiltig zu scheinen al» dieser. „Ich habe Dir bisher fast unbeschränkte Mittel zu einem standesgemäßen Leben bewilligt", rntgegnete er ruhig. „Seit ich aber weiß, daß Du auf gefährlichen Bahnen wandelst und mit Deinen reichen Mitteln Bestrebungen unterstützest, die ich unbedingt verwerfe, bleibt mir kein anderer Weg, Deinen Starrsinn zu brechen, als Dir die Gelder zu entziehen." Ein fast verächtliche« Lächeln spielte um Wladimir'S Lippen. „Ein PodbielSki könnte jahrelang auf Credit leben, ohne daß er je in Verlegenheit käme", sagte er kalt. „Also nicht Noth treibt mich her, sondern mein gute« Recht. Wenn Sie mir fortan Ihre Lasse verschließen wollen, so kann ich dagegen nichts thun. Aber ich habe die Zinsen meine- mütterlichen Vermögen« oder doch wenigsten« eine Feststellung desselben zu verlangen." „DeS Grasen Antlitz verfinsterte sich plötzlich. „Deine Mutter besaß kein Vermögen — gar kein«. Genügt Dir mein Wort darauf oder verlangst Du Beweise?" ES war nicht ersichtlich, welchen Eindruck diese Eröffnung auf Wladimir machte. Er spielte lässig mit seiner Cigarette und erhob die Augen nicht, als er erwiderte: „Ich habe keinen Grund, an Ihren Worten zu zweifeln, und kann also nur die Thatsachc bedauern." Einige Minuten lang war eS still zwischen beiden. Dana nahm Graf Taver wieder daS Wort. „Gehen wir doch ohne Umschweife zum Kern der Sache über, mein Sohn. Der Geldpunct ist hier nur eine Neben frage, die leicht zur Befriedigung erledigt werden dürste, sobald wir über die Hauptsache ,m Klaren sind. Du hast Dich in nihilistische Umtriebe verwickeln lassen — darf ich wissen, in welchem Umfange?" „Aber Papa — darüber darf ich doch nicht sprechen!" „Auch nicht zu Deinem Vater?" „Sobald ich weiß, daß dieser alle derartigen Bestrebungen verurtheilt — nein!" „Und wenn ich Dir mein Ehrenwort gebe, von diese« Mittheilungea keinerlei Gebrauch zu machen?" Wladimir zuckte die Achseln. „Mich bindet eia Schwur/ „Ich konnte e« mir denken", sagte der Graf bitter. „Do muß ich also auf anderem Wege zu demselben Ziele zu ge langen suchen. Willst Du mir versprechen, meiner Bitte Gehör zu geben, Dich von jetzt ab von diesen gefährlichen und zugleich völlig zwecklosen Bestrebungen sernzuhalten?" „DaS kann ich nicht, Papa." (Fortsetzung folgt.)
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