02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930810022
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
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Ztg", zu der doch wohl keiner der Herren Minister besondere Beziehungen unter hält, weiß allerhand Interessante» und Wichtige- über die Ergebnisse der Confcrenz zu berichten. So theilt das Blatt in Bezug auf die in der ersten Sitzung am 8. d. hervor getretene Einmüthigkeit der Anschauungen über die allgemeinen GesichtSpuncte, unter denen die Stcucrreformfrage" erörtert wurde, aus Grund der „ihm gewordenen Informalionen" Folgendes mit: Es besteht die übereinstimmende Ansicht, daß es notb- wendig sei, mit der durch die HeereSverstärkung erforderlich gewordenen Bermehrung der Reichseinnahme eine Steuer reform zu verbinden, die im Interesse des Reiches wie der Einzelstaaten liege. Wenn man die Finanz- gebahrung des Reiches als unsicher bezeichnet, so ist die jenige der Einzelstaaten es noch in weit höherem Maße, denn ebenso wie ihre Ausgaben wegen der stets sich verändernden Anforderungen des Deiches schwankend sind, entbehren ihre Einnahmen, die durch die gleich falls in ihrer Höhe wechselnden Zuweisungen aus Reichs mitteln beeinflußt werden, der Stabilität. — Tie er reichte Uebereinstimmung ist eine solche binsichtlich der Ziele, während die eigentliche Discussion über die zu Wählenden Mittel erst nacbfolgt. Was die Höhe der er hofften Mehrerträge betpifft, so darf diese aus rund IVO Millionen beziffert werden; darüber hinauSgcbende Angaben, wie sie in der Presse aufgetaucht sind, entbehren der Begründung. Dementsprechend sind auch die Zaklen- angaben über die Höhe der Ueberweisungen zu be richtigen. Diese sollen nicht 70, sondern 20 Millionen betragen; rund 60 Millionen entfallen auf die Bedürfnisse des Heeres und der Rest — also ebenfalls 20 Millionen — ist für die Reichsschuldentilgung bestimmt. In Betreff der Tabaksabrikatstcuer läßt sich mittheilen, daß zwei Entwürfe, ein preußischer und rin baye rischer, vorlieaen. Die Steuer wird — nach dem Preu ßischen Entwurf — je nach dem Productwerthe ab- grstuft werden; sie soll den Tabakhandel angeblich ganz unberührt lassen, und man hofft, daß der Eonsum keine bedeutende Einschränkung erfahren werde. Daß die An sprüche des Reiches aus die Weinsteuer, falls sie geltend gemacht werden, auf einen energischen Widerstand der süddeutschen Stagtcn stoßen werden, haben wir schon erwähnt; dieser Widerstand erhält aber noch einen besonderen Rückhalt dadurch, daß in einem geheimen Protokoll zu dem ZollvercinSvertrag von 1867 im Princip der Gedanke ausgesprochen wurde, die Weiasteuer solle den Einzelstaaten verbleiben. Dagegen dürste, nachdem doch einmal das Weinsteuerprojecl aufgctauchl ist, bei dieser Gelegenheit vielleicht die Frage zur Erörte rung gelangen, ob nicht eine Abänderung derjenigen Bestimmung des Zollvereinsvertrages, wonach die Höchst- renze von 11 ^ Steuer aus das Hektoliter bei Be- euerung nach dem Werth, von 6 ^ auf das Hektoliter bei Besteuerung ohne Rücksicht aus den Werth (nebst 20 Proc. Zuschlag für Communalzwccke) festgesetzt ist, im finanziellen und wirthschaftlichen Interesse der Weinbau treibenden Staaten gerade jetzt anzustreben sei. Und über die zweite, gestern abgehaltenc Sitzung be richtet das Blatt: Die Sitzung, die von l2 Uhr bis gegen >/,b Uhr ' dauerte, war hauptsächlich der Frage der Tabakfabrikat- steuer gewidmet. Die Debatte war sehr eingehend »nd, wie man veminiint, wurden gegen den Steuervorscklag von mehr als einer Seite Einwendungen erhoben. Man ist aber zu einem — wenn auch nicht einstimmigen — Einverständniß gekommen, so daß also die T a b a k- sabrikatsteuer seitens der Vertreter der Regierungen im Princip als angenommen gelten darf. Hingegen läßt sich über die Höhe der Steuer und die Abmessung der Abstufungen nichts sagen; sie muß schon au» dem Grunde späterer Beratbung Vorbehalten bleiben, weil erst, wenn das reichsfinanzielle TeckungSprvgramm vollständig vorliegt, auch der aus dem Tabak zu ziehende Slcuer- erlrag genau abgeschätzt werden kann. ES wird die Be messung dieses MehrertrageS ganz davon abbängen, wie die übrigen Steuerprojecte ausgenommen werden; mit anderen Worten: je weniger die anderen Steuer vorschläge Aussicht auf Annahme haben, desto mehr muß der Tabak bluten und umgekehrt. Wie schon gesagt, wird die ProductionSsteuer fallen und dementsprechend der Tabakzoll genau um 45 Mark herabgesetzt werden. WaS die Art der Besteuerung betrifft, so ist eine Stempelung beim Fabrikanten in Aussicht genommen. Es werden drei Hauptclassen angenommen, Cigarren, Rauchtabak, Schnupf tabak, innerhalb deren Abstufungen nach dem Werthe Platz greisen. Die Einführung von Bande rollen, wie sie anderwärts in Gebrauch sind, ist nicht beabsichtigt, vielmehr beschränkt sich die Aussicht auf eine B u ch c o n t r o l e, die unter tbunlichster Scho nung der kleineren Producenten turchgesührt werden soll. Ueberhaupt gedenkt man die Controle so weit zu erleichtern, als nur irgend möglich ist, um jede Schädigung der Be triebe sernzukalten. Man bosft, daß das Tabakfabrikats- stcnergesetz bereits am 1. April in Kraft treten kann. — Auch Uber da» Stemprlsteuergesetz wurde bcrathen» und auch hierüber ist man, wie verlautet, zu einer ge wissen Einigung gekommen, die indessen ganz allge meiner Natur ist. Die Frage gilt in ihren Einzelheiten noch nicht als spruchreif, weil gerade in der letzte» Zeit beachtenswerthe Mittheilnngcn über die Bedürfnisse de« GeschäftSlebens gemacht worden sind, die eine Berück sichtigung erheischen. Weitere sorgfältige Berathungcn sind in Aussicht genommen, da die Absicht besteht, daö solide Geschäft thunlichst wenig zu belästigen. Endlich ist auch dir Ouittungssteuer in den Kreis der heutigen Be- rathungen gezogen worden. Aus den Fingern gesogen oder lediglich auf frühere Ver lautbarungen gegründet sind diese Mittbeilungen sicherlich nicht. Sie sind besonders deshalb von Werth, weil sie er kennen lassen, daß über wesentliche Puncte unler den Con- fercnzmitgliedern und also auch unter den verbündeten Regierungen, als deren Vertreter die Herren Minister in Frankfurt anwesend sind, wenigstens principielleS Ein verständniß herrscht, das auf eine Einigung auch über die Detailfragrn boffen läßt. Bindende Beschlüsse können ja in Frankfurt nicht gefaßt werden; über die dort getroffenen Abmachungen baden zunächst dir einzelnen Regierungen und alsdann der BundeSralh zu entscheiden; aber die>e Ent scheidungen sind mehr formaler Natur, da in allen Einzel- staaten eie Finanzminister ein sehr gewichtiges Wort zu sprechen haben und der Bundesrath lediglich dir Einzelstaalen repräsentirt. Wir haben bereits telegraphisch kurz gemeldet, daß einst weilen der erste Sectionöches im österreichische» Kriegs ministerium, Freiherr v. Mer kl, zum stellvertretenden Leiter de» verwaisten österreichischen ReichSkricgs Ministeriums ernannt worden ist, eines Postens, deren endgiltigcr Besetzung bedeutende Schwierigkeiten entgegenzustehcn scheinen. Die Candidatur des Freiherrn v. Fejsrvöry, des ungarischen LandeSvertheidignngSministerS. konnte daher nicht durckdringe», und auch der vielvermözenke Cbef des GeneralstabS, Freiherr v. Beck, vermochte die ihm rntgegenstehenden Einflüsse nicht zu überwinden. Bei solchen Reibungen lag c« nahe, ein AuSkunstSmillel zu suchen, und dieses wurde gesunden, indem man einen General, der mil dem Truppendienst nur mehr i» einem losen Zusammenhang steht und seit langer Zeit nur in hohen bureaukratijchcn Stellungen wirkle, zum provisorische» Leiter des Kriegsministeriums ernannte. Frdr. v. Merkt ist ein hochverdienter Beamter, ein gründlicher Kenner der Verwaltung, er war die rechte Hand der früheren Minister, die ihn als ihr alter ego in der Administration betrachteten. Aber eS seblt ihm der lebendige Zusammenhang mit dem militairischeil Dienst, aus dem er vor vielen Jahren ausgetrelen ist. Es ist auch nicht aiizunehme», daß das Provisorium lange währe» werde. Das ist bei der Natur der Reformen, an denen man im österreichischen Kriegs wesen jetzt ebenso arbeitet, wie in allen europäischen Staaten, weder wahrscheinlich noch rathsam. Nach dem Programme, welches das Kricgsministcrium vor zwei Jahren in einer viel besprochene» Brochure veröffentlichen lietz.will man die günstige Lage der Finanzen dazu benutzen, um allmälig die Lücke» zu ergänzen, die — nach Ansichk der mililairischen Kreise — i» den Jahren der Sparsamkeit entstanden sind. Mil Mühe überwand der Kriegsminisler die Schwierigkeiten, die ihm hierbei die beiden Finauzminister bereiteten. Um diese Pläne im Minislerrathe wie in den Delegationen durchzusetzc», bedarf cs einer starken Hand, einer dauernden Autorität. So wird denn Frhr. v. Merkt entweder trotz seines Wider- sirebenS gegen das Hervortretcn seiner Person enliveber entgiltig mil dem Amte des ttricgsministerS betraut werden, oder man wird sonst ein Definitivum finde» müssen. Während dasDeutschlhum in den »leisten slawischen und romanischen Ländern neuerdings immer mehr Rück schritte macht, hat cs in der letzten Zeit wenigstens in der gleichfalls stark romanische» Bevölkerung Belgiens erfreulicher Weise einen gewaltigen Aufschwung genommen. Den», wie wir schon wicderbolt hcrvorzubeben Gelegenheit gehabt haben, bat dort die gegen das Ueberwuchern »nd die Vorherrschaft de» Franzosenthnms ihre Spitze kehrende vlä mische Be wegung an Stärke und Umfang ersichtlich ziigciiommcii, der gestalt, daß sie das ganze vlämische Volk ersaßt hat und die Zeit nicht mehr fern scheint, in welcher dieser niederdeutsche Ltamm die vollständige Gleichberechtigung seiner Sprache und Art mit dem WaUoncnlhum erkämpft haben wird. In diese» Kämpfen hat sich ein scharfer Gegensatz zwischen beiden Hälften Belgiens herausgeoildet, der noch lange nachwirken wird. Zeugniß dafür legt wieder ein erst jetzt in weiteren Kreisen bekannt gewordener Aufruf ab, den der Verein ehemaliger Studenten Westflanderns jüngst an die Maine» gerichtet hat. In demselben heißt es unter Anden»: „Blamen, feiert den II. Juli, feiert ihn! Feiert Breidel »nd Deconinck und die 20000 vlamischen Helden, welche am II. Juli 1302 auf dem Schlachtfeld« von Kortrvck ein französische« Heer von 60000 Mann vernichtet habenl VlamenI Blamen! Gedenkt des glücklichen Tages der Befreiung unseres Landes von französischer Imannei! Lagt au diesem Tage die Fahne unsere« Bolle« auf allen Thnrmen und Beifrieden flattern! Hurrah für Flandern! Hurrah fiir das unabhängige Belgien!" Unter den Mauern von Kortrpck war am l l. Juli 1302 die berühmte „Sporrnschlacht" geschlagen worden, in der das Heer der Flandrcr, hauptsächlich Weber au» Gent und Brügge, unter dem Grafen Johann von Namur und dem Herzog Wilhelm von Jülich die Franzosen unter dem Grafen Arlois besiegte. Die Sieger sammelten aus dem Schlachtfeld 700 goldene Ritterspore», die als Siegeszeichen in einem Kloster aufgckängl wurde». — Die französischen Zeitungen sind über Ken obigen Ausruf begreiflicherweise sehr ungehalten. Die jüngste Pariser Leandalangelegenheit Ar ton - DupaS hat auch im französischen Ministerrath Anlaß zu den lebhaftesten Auseinandersetzungen gegeben. Der Minister- präsidenl Dupuy hatte mit dem Minister des Auswärtigen Develle eine lange Unterredung und empfing dann den Direktor des Personals Sainsöre, sowie den Direktor der allgemeinen Sicherheit, Fournier. Es wurde dir Frage er wogen, ob der frühere Polizeibeamte DupaS, der durch die Veröffentlichung der Broschüre Uber Arton die ganze Ange- legenhcil bcraujbeschworen hat, wegen der Enthüllung von Geheimnissen, die sein frühere» Amt betreffen, gerichtlich verfolgt werden könnte. Trotz der entgegengesetzten Ansicht des Herrn Dupuy wurde jedoch zunächst von einer solchen Maßregel Abstand genommen. Auch die Be schlagnahme der Broschüre soll nicht erfolgen; vielmehr will daS Cabinct sich in keiner Weise mil dem Verhalten der früheren Ministerien ivenlifikircii. Jedenfalls werden aber die be- lrvsieiien ehemaligen Minister nicht umhin können, die in der Broschüre enthaltenen Angaben zu widerlegen, wie dies Ribot bereit» angekündigt bat. Dieser bat an den „Figaro" lele- grapbirt: „Ich ersuche Sic, mitzulheilen, daß ich, was mich betrisst, dem Berichte des Herrn DupaS ein förmliches Dementi entgegensetze, indem ich mir Vorbehalte, alle nothwen- digen Erklärungen zu geben". Der Minister des Innern ließ de» Blättern eine Notiz zugehcn, nach welcher DupaS lediglick», weil er einen Posten, zu den, er sich gemeldet, nicht erhielt, seine Broschüre geschrieben habe. Es wird also hier regierungsseitig versucht, dir ganze Veröffentlichung als lediglich aus Rachsucht bervorgegangen hinzustellen, was aber an sich höchst gleichgiltig ist, ebenso wie es wenig verschlägt, zu wissen, wer die Hintermänner von DupaS sind. In Vieser Beziehung erklärt, wie un» heute au» Paris telegraphisch gemeldet wird, das „Journal de Pari«", Laß die Broschüre DupaS' und alle seine angeblichen Enthüllungen von de» Royalisten stammten, denen die Panamagcschichte zu früh erledigt worden sei und die jetzt versuchten, sie wieder aufzuwärme». Die Hauptsache ist und bleibt immer der in der Broschüre erhobene Vorwurf, die Regierung habe Arton geflissentlich nicht verkästen lassen, und dieses Argument dürfte bei den Wahlen den Gegnern der Regierung gute Dienste thun, selbst wenn es erfunden sei» sollte; denn etwas bleibt doch von dieser Be schuldigung hängen. Der Vollständigkeit halber erwähnen wir nur noch, daß behauptet wird, DupaS sei erst vor vier Tagen von London abgereist; er habe wichtige Acten für sich behalten, welche die Regierung zwängen, mit ihm zu unterhandeln. Weiler wird behauptet, Arton halte sich in Palermo auf, wohin ihm die Regierung vor zwei Tagen erst eine Depesche gesandt habe. Der französsichen Regierung sind diese und ähnliche Blätterineldunzen an gesichts der bevorstehenden Kammer-Neuwahlen natürlich höchst »nbrguem. Kaum halte die spanische Regierung mit Waffen gewalt den Ausstand der Brüder Sartorius aus (iuba unterdrückt, da gab sie, um weiteren Unruben auf dieser Insel Einbalt zu tbun, den ernsten Willen zu erkennen, der für Spanien unentbehrlichen Insel ein größeres Maß von Selbstverwaltung einzuräumen. Bisher besitzen die sechs Feirilletsii. In des Reiches Ostmark. 111 Roman von B- W. Zell. Nachdruck »nbolc». (Fortsetzung.) Als Michael Crones endlich schied, tbat er es mit auf richtigem Bedauern, sich so angenehme Stunden verkürzen zu müssen, und nur des Grafen herzliche Einladung, sich bald wieder auf Podbiels sebcn zu lassen, half ibm über den heutigen Verzicht hinweg. Wladimir scblug dann den Dame» vor, an dem herrlichen Sommcrabend noch ein wenig in den Park hinaus zuschwärmen, welcher Vorschlag einstimmig angenommen wurde. Nur Graf Xaver schloß sich aus, Erledigung einer wirthschaftlichen Angelegenheit vorschützend. In Wahrheit aber überlegte er, ob es nicht anginge, daß er noch jetzt nach Zilkowo hinüberreite, eine Absicht, die er bereits am Nachmittage gehabt und die durch CroncS' Ankunft vereitelt worden war. Die Besuche in der Familie deS Freundes waren ihm allmälig zum Bedürfnis geworden. Was er nach der jähen Trennung seiner kurzen Ehe all die langen Jahre hindurch so schmerzlich ent behrt —, einen holden Familienkreis, den echt weibliches Walten beseelte und in dem fröhliche Kinder keranwuchsen — das fand er jetzt bei den LeczynskiS. Freilich war hier manches anders als sonst in häuslichen Kreisen; nicht die Ellern bildeten den Mittelpunkt desselben, denn die Mutter war nach wie vor an da» Tiegbett gefesselt, und der Vater batte vas übrigens ernstkaft gemeinte Emvorrassen "us ver derblichem Schlendrian nicht so weil auSzudehnen vermocht, um sich auch uni die inneren Angelegenheiten seiner Familie zu kümmern. Ihm fehlte nun einmal jede Spur bäuSliche» Sinnes, und sobald er sein Tagewerk in der Wirtschaft vollbracht, eilte er zu den ihn allezeit erwartenden Freunden in ein Weinbaus der naben Stadt. So war cs Iuza allein, die alle häuslichen Angelegenheiten u teilen, die jüngeren Geschwister zu erzicben halte. Die leinen Mädchen machte» ihr das nicht weiter schwer, eS waren herzige Wesen, die ihre ältere Schwester vergötterten. Ander» war es mit den Heranwachsenden Knaben; wenn auch im ganzen gut geartet, hatten sie doch manch« rcrverbliche Neigung vom Vater geerbt und machten Iuza viel« Sorge. Den Grasen erfüllte «S mit Genugthuung, dem tapferen Mädchen bei dem schweren ErziehungSwerk zur Seite stehen zu können, und er hatte als einen Beweis vertrauender Freundschaft gefordert, daß Iuza ihm all ihre Sorge» in dieser Beziehung mittheilte. DaS that sie denn auch, aber nicht in zagender Ehrfurcht, wie ein junges Mädchen sie dem Freunde des Vaters, dem Wohlthäter der Familie gegenüber wobl empfindet, sondern frei und offen, als suche eine jüngere Schwester Rarb und Stütze bei dem erfahrenen älteren Bruder. Das waren des Grafen liebste Stunden, wenn die kleinen Mädchen ihn jubelnd umspielten oder sich schmeichelnd an ilm schmiegten und er mit Iuza dazwischen über ernste häusliche Angelegenheiten sprach. Wie klar und scharf deurtdeilte sie Welt und Dinge, welch einen seelenvollen Blick batte ihr schöne- Auge für ihn und welch ein weiche« Lächeln ballen die Lippen, wenn sie ihm dankte für seinen Ratb, seine Dheilnabmc an ihrem inneren und äußeren Leben. Nur über eins sprach sie nie mit ibm, über George Malkicwicz. Und doch wußte Podbielski, daß die beiden so gut wie verlobt seien, und daß George nur einen Wunsch, eine Hoffnung kannte, Iuza dereinst zu besitzen. Glücklicher, brneiden-werther George! Das kam auch heute halb wie ein Seufzer von de» Grasen Lippen, al» er noch überlegte, ob e« schon zu spät für einen Besuch in Zilkowo sei oder nickt. In dem großen Gemach herrschte bereits Dämmerung, und eben wollte der Schloßherr Besebl geben, doch noch sei» Pferd zu satteln, al» ibm Vicar BreSki gemeldet wurde und dieser auch schon, fast mit der Meldung zugleich, eintrat. „Ei, das ist hübsch", rief der Graf, aufrichtig erfreut. „Ich körte, Sie seien krank, und hätte morgen in aller Frühe nach Ihnen gesehen — Ihr Kommen bürgt mir für Ihr Wohlsein." Konstantin nahm nach ehrerbietiger Begrüßung etwa» hastig in dem Stuhle Platz, den ihm der Graf mit einladender Hantbewegung gewiesen. Al« aber letzterer Licht bestellte, hob er abwcbrenv die Hand. „Wenn es Sie nicht stört. Herr Graf — bleiben wir vielleicht noch ein wenig im Dunkeln. Ich bin noch recht angegriffen, und da» Lickt Ibut meinen Augen weh." „Wie Sie wünschen", sagt« Podbielski freundlich. „Haben Sir fick aber auch nickt zu srüb herau»gewagt, und wo bat » denn gefehlt? Ick hoffe, Sie haben einen tüchtigen Arzt au» I. kommen lassen?" Der andere schüttelt« matt da« Haupt. ..Mir Hilst kein Arzt — oder doch nur ein solcher, der versteht, Seele» zu heilen. Vielleicht haben Sie die Macht dazu, Herr Gras — »nd deshalb kam ich zu so später, un schicklicher Stunde zu Ihnen." Ueberrascht hatte ihn Podbielski angehört. „Zu mir — ick sollte Ihnen Kelsen tonnen, mein junger Freund? Gern soll cs geschehen, wenn ich dazu in« Stande! Was ist Ihnen widersabrcn? Aus dem gebrochene» Ton Ihrer Stimme klingt tiefes Seelenlcid." Konstantin seufzte auf. „Ja, Scclenlciv — das ist'S! Herr Graf, Sie haben viel erfahren in einem mannigfach bewegten Leben — willen Sie auch, wie einem Menschen zu Muibe, dem man mit jäbem Schlag seine Ideale, seinen Glauben zertrümmert und dessen Geist »un ratklos umherirrt in Nacht und ChaoS, um ein Fünkchen Wahrheit zu entdecken?" Der Gras war bei den ersten Worten zusammengczuckt und vom Sessel emporgefahren, jetzt ließ er sich langsam wieder zurücksinkeil. „Sie lasten »nd zweifeln noch", sagte er nun mit schwerer Stimme, „sind also noch nickt ganz hoffnungslos. Ich aber, mein junger Freund, ich weiß, wie eS Ibut, wenn bofsnunqslos alles versinkt — und daß ma» auch davon »ickt stirbt, seben Sie eben an mir. Nu» aber — wie kann ich Ihnen, dem Priester, Scelenarzt sein?" „Dadurch, daß Eie mir einige Fragen der Wahrheit ge mäß beantworten. Wollen Sie mir da- auf Ihre Ebre verspreche», Herr Gras?" „Ich verspreche es." „Nun denn — Bischof StcsanSki war Ihr langjäbriger Freund. WaS wissen Sie von seinem früheren Leben?" Podbielski fuhr jäh auf — diese Frage hatte er allerdings nicht erwartet „Es betrifft also die Gebeimnisse anderer", sagte er tief ernst. „Sie wissen, daß ich daran nicht rühren darf" „Aber der Bischof ist todr, und über daS Grab bina»« sind Sie nicht zum Schweigen verpflichtet", rief Konstantin erregt. „Auch betrachte ich als Beichtgcheimniß, waS Sie mir darüber vertrauen." „Wir sind aber nicht in der Beichte", bebarrle der Gras auf seiner Weigerung. „Darf ich übrigen- wissen, WaS gerade diese Frage veranlaßt«:,?" Der Vicar batte sich erhoben und trat dicht zu Podbielski. „Daß ich sie that, Herr Graf, muß Ihnen doch bewiesen haben, wie schwerwiegende Gründe mich dazu bestimmten. Wenn das Geheimniß — nun keines mehr für mich wäre?" Podbielski schwieg betroffen während einiger Augenblicke; dann sagte er leise »nd hastig: „Und was wünschen Sic alSdann noch von mir?" „Die Bestätigung dessen, was ich vorerst noch für das Wabngcbilde eines Fieberkranken zu kalte» geneigt bin", rief Konstantin, niit vor Erregung heißerer Stimme, während sein ganzer Körper wantle und bebte. „Die Bestätigung, ob der Mann, den ich wie einen Heiligen verehrte, ein Heuchler, ein Frevler war, dessen ganzes Leben eine einzige große, un faßbare Lüge " „Halt!" Gebieterisch fiel das Wort von des Grafen Lippen, und schwer legte sich seine Hand aus des andere» Schulter. .Nicht weiter!" fügte er dann leiser hinzu. „Sie selber freveln, indem Sie das Andenken eines Tvdlen beschimpfen." Stöhnend sank der junge Geistliche i» seinen Stuhl. „Wenn es nicht wahr wäre!" flüsterte er inbrünstig. „Mein ganzes ferneres Lebe» sollte ein Dankgebel — eine einzige ^ühne dafür sein, daß ich das Ungeheuerliche nur einen Moment geglaubl babe —" „WaS haben Sic geglaubt?" fragte Podbielski streng. Uud stockend, schwcrathmend murmelle Breöli: „Daß — daß der Bischof verbeirathel war!" Eine lange, schwüle Pause. Ta»» löiile ernst und lies des Grasen Stimme: „Der Bischof war es nie — daraus mein Ehrenwort!" Wie ein Hauch der Erlösung klang der Seufzer, den der Vicar auüstieß. Und dann fragte er doch wieder bangend, zweifelnd: „Man hat mir gesagt, daß StesanSki als Priester eine Ehe eiilgcganHen —" Ter Graf batte sich erhoben und schritt, wie mit einem Entschluß lämpsend, langsam aus und nieder. Dann blieb er vor Konstantin siebe». „Da Eie so viel wissen", fuhr der Graf nach einer längeren Pause der Ueberlegung zu BreSki fort, „ist es dock Wohl Pflicht, Ihnen alles zu sagen, damit Sie durch unvollkommene Kennt nis; der Tbatsachcn nicht zu sglschen Schlüffe» verleitet werden, was, wie Ihre beleidigende Aeußerung von vorhin bewies, bereits geschehen ist. Hören Sie niich an, ich will Ihnen die Geschichte mciuc- hochverehrte» Freundes erzählen, die ich zum Thcil mit durchlebte." Er zog seinen Stuhl neben den de« albemloS Lauschende» und begann mit gedämpfler Stimme:
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