02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930819029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893081902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893081902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-19
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Doch pflegt cs ja für die Demagogen des WahlseldeS weiter kein Hinder- niß zu sein, wenn vou neuen Forderungen nichts verlautet. Im Gegcntheil heißt cS dann: weil darüber alle Welt schweigt, be steht die Absicht, solche Mehrforberungen zu stellen. Nun hat unser Berliner th- Correspondent vor einigen Tagen (Morgen ausgabe des „Leipz. Tagcbl." vom l7. August) baS Berdienst sich erworben, im Einzelnen darzulegcn, daß die Durchführung deS Flottenergänzungsplanes von 1888/80 neck eine bestimmte Anzahl von Millionen erfordert und daß selbstverständlich auch im nächsten Neichshaushalt für die Fortführung der begonnenen Schiffsbauten eine übliche Rate werde verlangt werden, daß aber der Reichstag bisher in jedem Jahre schon an dieser Rate für Schiffe, deren Bedarf bereits im Früh jahr 1889 planmäßig festgestellt wurde, ganz wesentliche Ab striche vorgenommen hat. Zwischen den Zeilen dieser, ganz zweifellos auf Mittheilungcn von maßgebender Seile sich gründenden Correspondenz war deutlich genug herauS- zulesen, wie wenig man in Reaierungskreiscn daraus rechnet, den Reichstag auch nur zur Bewilligung der Mittel für daS planmäßige Tempo jener ErncuerungSbauten zu be wegen, geschweige denn zu Bewillüfimgen für neue Schiffe über den Rahmen des PlaneS von 1888/89 hinaus. Die Regierung ist darin jedenfalls weise berathcn. Die Neigung zu Ausgaben für Floktenzwccke, die außerhalb deS Planes von 1888, 89 liegen, insbesondere also für Herstellung einer zum Angriffskrieg entwickelten Seemacht, ist schon im vorigen Reichstag nicht vorhanden gewesen. Wir erinnern nur an die Erklärungen des Abg. Or. Buhl vom December v. I. Durch die Neuwahlen ist diese Disposition deS Reichstags in keiner Weise geändert, eher noch verstärkt worden, und cS darf auch ohne Weiteres für sicher angenommen werden, daß die Rate für die Weitersübrung des einmal be schlossenen Planes höchstens wieder m der vorjährigen Höhe bewilligt wird. Die Regierung wird sich selbst einen angenehmeren Standpunct gegenüber dem Parla mente verschaffen, wenn sie diesem Umstande bereits bei Aufstellung des Etats Rechnung trägt, und sie wird auch politisch klug daran thun, an dieser Stelle zu vermeiden, daß der Zündstoff zu bedenklichem Streite in die parla mentarischen Arbeiten des nächsten Winters hineingetragen wird. DaS Alles liegt aber auch derart auf platter Hand, Laß cs für die Regierung kaum einer Belehrung darüber bedarf; sie muß selbst am allerbesten wissen, welchen Schwierig keiten die Erledigung der Finanzreform im Reiche gegcnüber- fteht, und sie kann auch aus dem preußischen Beispiel des vorigen Winters entnehmen, daß solche Steuerreform zwecke sich nur erfüllen lassen, wenn die Finanzverwaltung eine intensive Sparsamkeit aus allen Gebieten all ocnlos dcmonstrirt. Wir glauben deSbalb, daß nie ein sinnloseres Schlagwort in die Massen geworfen wurde, als das neueste von de» heranrückenden ungewöhnlichen Mchrfordcrungen für die Marine. Wenn sich übrigens die radicalc Presse einschließlich der „Germania" jetzt aus eine beiläufige Bemerkung der eingangs er wähnten Correspondenz zurückziebt, als seien die Mehr- fordcrunzcn durch erhöhte Baukosten an den halbseitigen de willigten Schiffen zu gewärtigen, so können wir auch diesen Rückzug nicht für einen begründeten und ehrlichen erachten. Allerdings erfordert der Bau der im FlottenerneuerungSplanc von 1888 vorgesehenen Schiffe mehr, als dort veranschlagt war. Aber das sind nicht Mehrkosten, die in der Zukunft erst zu gewärtigen sind, sondern in der Vergangenheit liegen; sic haben sich durch die hohe Steigerung der Löhne und der Materialicnpreise in den Jahren 1889, 90 und 9 t ergeben. Die rückläufige Bewegung seither bat aber sogar die Wahr scheinlichkeit mit sich gebracht, daß nun wieder die Nach schätzung der Kosten vom Jahre 1890 über daS schließliä' zu deckende wirkliche Bcdürfniß binausgegangen ist. Darüber müßte wenigstens die „Germania" genauen Bescheid wissen. Die ganze italienische Presse beschäftigt sich mit den Vorgängen in Aigurs-MortrS. Die „Riforma" sagt, daß die Vorgänge so schmerzvoll seien, daß jeder Coinmentar sie nur noch trauriger gestalte. Der „Diritto" zweifelt nicht, daß zahlreiche einflußreiche Männer in Frankreich die exemplarische Bestrafung der Schuldigen fordern würden, um eine Erschütterung der freundschaftlichen Be ziehungen Italiens zu Frankreich zu umgehen. Der Maire von Aigues-Mortes gab bekannt, daß die italienischen Arbeiter, die den Streit angeblich „veranlaßt" batten, aus der Arbeit entlassen worden seien, und „den französischen Arbeitern jede Genugtkuung gewährt" werden würde. Die Naivität, mit welcher die Italiener beschuldigt werden, den Conflict ver anlaßt zu haben, übertrissl noch dasjenige Maß, an das man bei derartigen französischen Behauptungen gewöhnt ist. Es unter liegt vielmehr kaum einem Zweifel, aus welcher Seite die Schuld liegt, wie denn auch alle Getödteten, vielleicht mit einer einzigen Ausnahme, Italiener sind. Das System, auf Grund dessen seiner Zeit die all koo erfundenen Krumirs in Tunesien die Angreifer gewesen, sowie unlängst die Siamesen zuerst offensiv gegen Frankreich vorgegangen sein sollten, muß jetzt auch gegen die harmlosen italienischen Arbeiter zur Anwendung gelange». Ueber den Schwächeren muthig herfallen, ist bereits allzu lange französischer Grundsatz, als daß irgend jemand über die EntstebungSursache der jüngsten französischen „Heldenthaten" getäuscht werden könnte. Der wahre Grund des Zusammenstoßes aber war zweifellos kein anderer als Brodneid der französischen Arbeiter gegen ihre billiger arbeitenden italienischen Genossen. Der blutige Zusammenstoß zwischen französischen und italienischen Arbeitern in Aigues-MorteS, im französischen Departenient Gard, Arrondissement NimeS, bat sich daher auch in den Salzwerken von PcrraiS wiederholt. Die Truppen mußten die Ruhe wieder Herstellen. Nachdem der italienische Gesandte in der traurigen Angelegenheit mit dem französischen Minister des Aeußeren, Devclle, conserirt, reiste dieser am 18. August Nachmittags nach Fontaincblau bebusS Berathung mit dem Präsidenten Earnot über die blutigen Vorgänge in AigueS-MorteS. Die Präfecten des Gard- und Hrrault-Departements erhielten, wie weiter tele graphisch gemeldet wird, Befehl, eine strenge Untersuchung über den Zusammenstoß einzuleiten und das Ergcbniß schnellstens nach Paris zu melden. Nach seiner Rückkehr aus Fontaine bleau sollte gestern Abend der Minister deS Aeußeren den italienischen Botschafter Rcßmann nochmals empfangen. Den gestrigen Pariser Abendblättern zufolge wird die italienische Regierung mit Rücksicht aus die Tbatsache, daß fast alle Getödteten Italiener sind, eine Entschädigung für die Familien der Getödteten fordern, und daS von Rechts wegen. In ihrem Verhalten Bulgarien gegenüber zeigt die französische Presse seit Jahr und Tag ein seltsames Gemisch von objecliver Wahrhaftigkeit und tendenziöser Ent stellung, wobei allerdings der Procentsatz der letzteren weit aus überwiegend ist; denn bedauerlicher Weise läßt sich die Mehrzahl der französischen Journale vou großer Vorein genommenheit gegen das Fürstcnthum beherrschen, die in der Liebedienerei jener Presse für Rußland ihre Quelle haben dürste, das Bulgarien seit Jahren grollend gczenübcr- steht. Die russischen Blätter behandeln bulgarische Dinge gewiß nicht mit Schonung und tadelloser Objeclivität, immer hin kann ihr Verhalten ein loyaleres genannt werden, als das der bezeichnet«!! französischen Journale. Zur Illustri- rung dieser Berichterstattung, die jüngst in Sofia viel be- sprocke» wurde, mag folgendes Beispiel angeführt werden: In Stara-Zagora siel kurz vor den Wahlen eine Ruhestörung vor, über die ohne Hehl auch nach dem Auslande berichtet wurde. Verursacht wurde die Ausschreitung durch den dortigen Bürgermeister, der an der Spitze der Gemeindcdiener und Feuerwehrleute eine Gruppe friedlicher Bürger attackirte, weil einige derselben gegen die Mißwirtschaft der Gemeinde verwaltung protestirt hatten. Eö war das ein örtlicher Krawall, eine Schlägerei, wie sie in jungen Staaten und auch in älteren während der Wahlzeit nicht selten Vorkommen. Man höre nun, wie dieser Zwischenfall sich in der Darstellung der „Liberte" und anderer französischer Blätter präsentirt. Die Bevölkerung von Stara-Zagora, heißt es in den betreffenden Berickten, bade sich geweigert, eine neue Steuer zu tragen, worauf die Municipalität sich an die Regierung gewendet halte. Da aber inzwischen daS Volk die Gemeindevertretung thätlich angriff, habe Stambulow eine Infanterie-Abtheilung mit zwei Schwadronen Eavallerie nach Stara-Zagora aus Exccution geschickt, welche zwei Tage dauerte. Während der selben seien 60 Personen beiderlei Geschlechtes getödtct und nach Herstellung der Ruhe weitere 14 erschossen worden! Man darf füglich darüber staunen, daß so lächerliche Tartarennachrichtcn von Blättern, die ernst genommen werden wollen, geboten werden dürfen, und es ist sicherlich eine be- klagenswcrthe Erscheinung, daß die Tendenz, Bulgarien in das ungünstigste Licht zu rücken, solche Ungeheuerlichkeiten zeitigt. Der Kaulbars von Bosnien, der seitherige russische Consul in Serajewo, Herr Bakiini», ei» Vollblutrusse und eingefleischter Panslawist, der seit Jahren Bosnien un sicher gemacht hat, hat endlich seine MaulwurfStbätigkeit in diesem Lande zu seinem lebhaften Bedauern einstellen und sein Amt, das er so unwürdig und schließlich auch so un geschickt wie möglich verwaltet, seinem Nachfolger, dem bis herigen Legationssecrctair in Bukarest, Grafen Ingelström, überlassen müssen, um, nachdem er sich aus der Balkanhalbinsel unmöglich gemacht, selber eine Vergnügungsreise wider Willen nach Petersburg anzutreten. Bakunin hat seit undenklichen Zeiten die russisch-französische Presse mit den schönsten Räuber geschichten versorgt, und nun scheidet er gerade in den Hunds- tagcn! Er machte in Bosnien Rundreisen, fast wie weiland General KaulbarS in Bulgarien. Er verhörte die Ein geborenen, und weil er in dem Rufe stand, für wohl gefällige Meldungen dankbar zu sein, so hörte er bis weilen wobl wirklich die seltsamsten Dinge, welche die öster reichische „Unterdrückung" und die Möglichkeit eines Aufstande« ins hellste Liebt stellten. Dur letzten Grund seiner Abberufung bildet eine komische Geschichte: Als eine« Tage- der Consul mit frischen Spürkräften vom Urlaub nach Serajewo zurück kehrte, erschien bei ihm ein bosnischer Gendarm oder Polizei- Agent und meldete, während seiner Abwesenheit habe sich ein fremder Mann ins Consulat eingeschlichcn und dort politische Gcheimpapiere gestohlen. Flugs schickte Bakunin eine ge harnischte Beschwerde nach Petersburg und Fürst Lobanow mußte in Wien Schritte tbun. Allgemeine Entrüstung und genaueste Untersuchung deS Falles! Diese ergab nun Folgendes: Der Mann, der sich eingcschlichen, war ein harmloser Ge liebter der ConsulatSköchin. Er hatte sich allerdings recht oft eingeschlichen, aber nichts gestohlen, am wenigsten Geheim papiere. die gar nicht fehlten. Seltsamer Weise war der An geber seitdem verschwunden. Es ergab sich, daß Herr Bakunin ihn im Consulat eingesperrt dielt. Was er sich dabei auf Allrussisch dachte, ist nicht ganz klar, aber es war ein Gewalt act, den sich der Consul gegenüber einem Oesterreichcr nicht wobl erlauben durste, und so wandte sich der Spieß gegen Bakunin. Unklar ist auck, warum der bosnische Polizeimann seine Beobachtungen nicht seinen Vorgesetzten, sondern dem russischen Consul mittheilte. Man sagt, er habe selber die ConsulatSköchin geliebt und aus Rache gehandelt. Andere vcrmutben, er sei, wie die- schon im Orient Vorkommen soll, ein Toppelagent, dessen sich auch Herr Bakunin für seine schönen Berichte bediente. Wie dem nun sei, die Peters burger Einsprache in Wien wurde für Bakunin zur „Doppel- blamage". Tie Geschichte war geeignet, den Herren in Petersburg die Augen darüber zu öffnen, wie ihr Consul „arbeite", und eS mag ibiien wohl — nach ihren Erfahrungen in Bulgarien — zu viel geworden sein, ihrem streitbaren Eonsul in Bosnien immerfort in ähnlicher Weise „aufzusitzc»", während die österreichische Herrschaft sich thatsächlich immer mehr befestigte. Bei den Neuwahlen zum schwedischen Reichstag, die gegenwärtig vor sich gehen, zum Theil schon vor sich gegangen sind, zeigt die liberale und Freihandels-Partei ein gewisses Ucbergewicht gegen früher, indcß ist bemcrkenSwerth, daß u. A. auf der Insel Oeland der Hofbesitzer Daniels- son, der Führer der regierungsfreundlichen „neuen Landmannspartei", nabczn einstimmig, wie bereits tele graphisch gemeldet, gewählt worden ist. Der Gegensatz gegen die kecken Herausforderungen seitens der norwegischen Demokratie kommt in Schweden der Regierung ebenso zu Gute, wie er ihr am 22. Nov. v. I. zu der Durch führung deS lange bestrittenen MilitairgesetzeS geholfen bat; daneben bat sich die Opposition mehrfach durch Stimmenzersplittcrung auf locale Nebencaiidida uren um den Sieg gebracht. Wie die dänischen werden nämlich auch die schwedischen RcichStagSwahlen durch relative Mehrheiten entschieden, wahrend bei den norwegischen ein dem belgischen ähnliches verwickeltes Berechnungswesen mit „Verbältnißzifsern" rc. Platz greift. Eine vollständige Über sicht über die schwedischen Wahlen wird übrigens erst etwa »ach Monatsfrist möglich sein; der letzte Wabltag nämlich ist diesmal der 23. September, wobei nach den ländlichen Wahlen diejenigen der Städte den Beschluß machen. Die militairische Ausbildung der englische« Frei willigencorps läßt, trotz aller diesen Formationen von kundiger und unkundiger Seite gespendeten Lobeserhebungen, doch noch sehr viel zu wünschen übrig. Während der jetzigen Herbstübuligen. wo die Freiwilligencorps im taktischen Verbände mit regulären Truppen operiren, treten die großen Mängel, die In des Reiches Ostmark. 4SI Nachdruck verboten. Roman von B. W. Zell. (Fortsetzung.) „Sein letztes Lebewohl!" hauchte sie dann wobl, wenn sie allein, ganz allein war. Stundenlang verschloß sie sich in ihrem Zimmer zu inbrünstigem Gebet oder lag un alten, herrlichen )>om der Stadt in einer »icoschenleeren Seitencapelle auf den Knien. Die Außenwelt hatte nur noch insofern Bedeutung für sie, als sie von Tag zu Tag hoffte, man werde endlich Eonstantin's Leiche ausfindcn und derselben ein christliches Be- gräbniß angedeihcn lassen. Der Gedanke, d^ß diese ungesegnet und ungeweibt ini Iudentempel lag, folterte^sie unsäglich. Und endlich, nach drei Tagen, war nach unermüdlichem Löschen die Gluth so weit gekühlt und erstickt, daß man daran gehen konnte, die Trümmer fortzuräumen. Selbstverständlich begann man mit der Synagoge, und George v. Malkiewicz, der diese ganzen Tage und Nächte nickt von der Brandstätte gewichen war, leitete auch die Räumung-arbeiten. Es war ein mühsames, noch jetzt nicht ungefährliches Werk. Steine und Gebälk waren so heiß, daß die Arbeiter weder aus den selben stehen, noch sie berühren konnten. Da galt es denn vorsichtig sein und mit den vorhandenen Werkzeugen langsam, aber sicker vorzudringen. Anfänglich suckte man vergeblich unter den rauchenden Trümmern nack den beiden Leichen. Man hatte dieselben in der Nähe de- Eingangs zu finden erwartet und von dort her mit dem Wegränmcn begonnen. Aber keine Spur von den entseelten Körpern war hier zu entdecken, ebenso wenig mehr nach der Mitte deS Tempels zu, wohin man noch selben Tags vordrang. Erst am nächsten Morgen ward der traurige Fund gemacht; eng aneinander geschmiegt lagen die beiden Tobten, und da« hohe eiserne Gitter, welckeS das Allerheiligste um schlossen, hatte sich wie schützend über sie gethürmt, daß sie bewahrt geblieben waren vor völliger Vernichtung. Kleider und Haare waren verbrannt, die Äesichter durch Rauch und Qualm unkenntlich gemacht, aber die Körper unversehrt Fort und fort, vom Morgengrauen bis zur Mitternacht«» stunde tönten die Glocken der alten Domkirche zu I. ergreifenden Klagegesang. Drinnen im hochgewölbtrn Kirchenschiff stand vor dem Hochaltar feierlich aufgebahrt und in die heiligen AmtSgewändcr gekleidet die Leiche deS jungen Priesters. Düstere, florverhüllte Trauerkcrzcn, Weihrauchwolken und Blumenfüllc umgaben den kostbaren Sarg, vor dem alle zwei Stunden, bei Tage und bei Nacht, Todtcnmesse gelesen wurde. Schaaren frommer Gläubigen, die tief erschüttert ihre Knie vor der Leiche beugten, als gälte eS, einen neuen Heiligen zu verehren, strömten meilenweit aus der Umgegend herbei und füllten die Kirche vom frühen Morgen bis zum späten Abend. In der Frühe de« nächsten Tageö aber sollte noch ein feierliches Hochamt abgehalten und danach die irdischen Reste deS in Iugendblütbe von einem tragischen Geschick ereilten Priesters in der Gruft des Domes beigesetzt werden. Lange vor der Feier aber, als kaum der Frühlingssonne erste Strahlen die Erde in rosigcS Licht tauchten und einen matten Schein durch die hohen Kirchenfenster warfen, der sich wunderbar mit dem Kerzenschimmcr misckte, öffnete der alte Kirchendiener geräuschlos die Tbür einer kleinen Scitencapelle, die von dort unvermittelt inS Freie führte. Und dann hallte ein leiser, schwankender Schritt fast unheimlich auf den Stein fließen des mächtigen Räume-) Wider — eine schlanke Frau in Tranergewändern, das schöne Haupt mit den blonden Haar- mafsen demüthig gesenkt, näherte sich dem Sarge. Es war Aniela. Erst kniete sie lange in stummem Gebet am Fußende desselben, bevor sie den Mutb fand, ihre Blicke auf das stille Antlitz, das auf blumenbedecktem Kiffen lag, zu richten. Als sie e- versuchte, war eS ein Glück für sic, daß sie die von dem Feuer zerstörten edlen Züge im Morgengrauen nicht zu er kennen vermochte. Sie neigt» sich und legte ihren Strauß weißer Rosen auf des Tobten Brust — ihre Hand einen Augenblick aus seine hohe, edle Stirn. „Der heiligen Jungfrau gelobe ich mich in dieser Stunde für immer — zu ihr will ich zeitlebens beten — für Dich und für mich." Dann verließ Aniela den geweihten Raum hoch erhobenen Hauptes und mit festem Schritt. Wenige Stunden später verkündete weithallendrS feierliche« Glockcngeläute den Bewohnern der Stadt und Umgegend, daß nun auch daS zweite Opfer de- Brandes zur ewigen Ruhe bestattet werde. XIV. Bier Wochen waren seit dem Brande von „Sibirien" ver flossen, und die erschütterten Gemüther begannen sich allmälig wieder zu beruhigen, als eine« Tage- — eS war kurz vor Beginn der Ernte — Graf Podbielski Einladungen ergehen ließ an alle GutSnachbarn sowohl als an seine zahlreiche» Freunde in der ganzen Gegend, sich am nächsten Sonnabend aus PodbielS zu einer wichtigen Besprechung zusammcnzufindeii. Die meisten empfingen diese Einladung mit einer gewissen Be- frcmdung. War doch die Begeisterung, mit der man vor Jahresfrist den Grafen in der Heimath empfangen, längst verrauscht, um einem verschwiegenen Groll Platz zu macken — der Heimgekehrte hatte so wenig die kühnen Hoffnungen verwirklicht, die man an sein Kommen gcknüpst! Für die sogenannte „nationale" Sache hatte er während dieses ganzen Jahres seines Hierseins absolut gar nichts gethan, derselben nicht einmal erwähnt und — was man ihm nie vergab — sogar lächelnd die Achseln gezuckt, wenn dies beliebte Schlag wort der Polen ihm dann und wann entgegengerufen wurde. Aber auch die alten freundschaftlichen Beziehungen batte er nicht wieder angeknüpst, ebenso wenig eine Geselligkeit aus PodbielS entfaltet, wie sie seinem Rang und Reichthum ent sprochen hätte. Nur seinen Leuten und Arbeitern, sowie den zahlreichen Angestellten seiner Güter war biSber seine An wesenheit zugute gekommen, denn für die Verbesserung ihrer Lage hatte er unablässig gesorgt, ebenso wie er der Verrohung des niederen Volke- mit allen Mitteln entgegentrat und namentlich der immer mehr und mehr um sich greifenden Trunksucht zu steuern suchte. „Er ist ein Abtrünniger geworden", sagten seine Lands^ leute achselzuckcnd, um wohl lächelnd hinzuzusetzen: „Ein Idealist, ein Weltverbesserer. Für die nationale Sache ist er verloren — aber sein Sohn scheint den alten Traditionen treu geblieben, aus ihn hoffen wir dereinst." Als die Einladung kam, stutzte man. Wie, war Graf kaver plötzlich anderen SinneS geworden, oder hatte er etwa gar im Stillen die „gute Sache" gefördert und berief nun die Parteigenoffen, sie mit einem großartigen Plan zu über raschen, zu dem alle» fix und fertig vorbereitet war? Diese rege Hoffnung aber zerstob sofort, als man sich im EmpfangS- saale des Podbielser Schlosses begrüßte. Man war ja gar nicht unter sich — außer dem allerdings überwiegenden pol nischen Element war auch da« deutsche vertreten, und neben Mickael CroncS sah man sogar einige jüdische Großindustrielle de« Kreises. ES war klar — eine patriotische oder gar ge- beime Sache sollte hier jedenfalls nicht ihre Erledigung finden. Und so war es auch. Um eine rein geschäftliche, materielle Angelegenheit in Erwägung zu ziehen, hatte Podbielski die Freunde und Nachbarn — freilick nur in ihrem eigenen Interesse — zusammcnzuberusen. Als alle versammelt waren und der reichlicke Willkommentrunk den Gästen bewiesen batte, daß man auf PodbielS nicht verlernt, Gastfreundschaft zu üben, schickte sich der Schloßherr an, den Zweck dieser Zu sammenkunft tarzulegen. Es handelte sich um die nutz bringende Ausbeutung der Schätze, die jetzt nock als todteS Capital in der Erde lagerten und die man allmälig zugäng lich zu machen begann Der Graf cröffnete der Versammlung vor allem, daß die Bvhrversuche schon jetzt vom besten Er- solge gekrönt seien. Man bade nach Durchbohrung deS Gips- sclsens, der sich unter der Stadt und ihrer Umgebnng hin- ziehe, bereits ausgedehnte Lager von Schwefelkies, Braun kohle und Eisenerz gesunden, deren Ausschachtung ein Segen für die ganze Gegend werken müsse, selbst wenn man nicht aus die erwarteten Salzlager stoße. Daß solche vorhanden, sei rweiselloS; ob sie erreichbar und durch Menschenkraft zu erschließen seien, müsse man der Tüchtigkeit der leitenden Montanisten und dem guten Glück anheimgcbcn. Podbielski forderte nun die Anwesenden auf, sich zusammen zu tbun, um alles Gebiet, daS nicht städtisch oder staatlich sei, anzukausen, und auf gemeinschastlickc Kosten einen groß artigen Betrieb zu eröffnen. ES sei dies die beste und auch wobl einzige Gelegenheit, der immer mehr um sich greifenden Verarmung der einzelnen Besitzer zu steuern und dem ganzen Kreis wieder zu dem früheren Reichtbum zu verhelfen. Er und CroneS seien bereit, ibre Läncerstrecken bei der Stadt mit dem Ganzen zu verschmelzen, obgleich sie wohl in der Lage sein, dieiclben auf eigene Kosten auSzunlitzen und nur, um so größeren Gewinn zu erzielen. Man schlage also eine Gründung vor — wohl die erste Gründung, die in uneigen nützigster Weise nur zum Gemeinwohl geplant sei. Tie Anwesenden hörten, staunten und begriffen anfangs nicht reckt, wo der Graf hinaus wollte. Wie, eS waren that- sächlich Lager von Braunkohlen, Erz und Schwefelkies ge sunden worden, und man bot diesen kostbaren Fund anderen zur Ausnutzung an? Unglaublich! Aber allmälig fanden sie sich doch in die wunderbare Sachlage. Ja, und wenn man cö genau bedachte, offenbarte sich denn in dieser Handlungs weise nicht ganz und gar ibr alter L'aver Podbielski, an dem sie in letzter Zeit so gemäkclt und gezweisclt? Hatte er denn nicht immer die Sacke Aller zu seiner eigenen gemackt, gerade wie er jetzt die eigene in den Dienst Aller stellte? O, er hatte doch noch ein Herz für seine Heimath, für die Brüder. Und wenn er nichts mehr dazu thun wollte, die alte Polen-
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