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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930821025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893082102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893082102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-21
- Monat1893-08
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Alle Centrnmssührer vom vorigen Jahre sind von dem gegen wärtigen Leiter und seinem Anhang aufs Schwerste gekränkt worden. I)r. Lieber hat in dem Aufruf zu den ReichStagSwahlcn durch sein, beschönigend „Eigen mächtigkeit" genannte- Vorgehen die hervorragendsten Parteigenossen etwas Anderes erklären lassen, als sie erklären wollten, Vorgänge und gegenseitige Beziehungen schreien förmlich nach einer Auseinandersetzung, die nach Lage der Dinge nicht mit einer Versöhnung abschlicßcn könnte — da erscheint al« Abgesandter dcS PapstcS ein hoher, dem Reiche nicht angehöriger kirchlicher Würdenträger, und mit einem Schlage scheint der Parteitag der CcnlrumSparlei dieses seines deutschpolitischen Charakters entkleidet, er kann sich als Da« geben, was sein Name besagt, was er aber niemals gewesen ist: eine Versammlung von Katholiken, zusammengetreten zur Berathnng katholisch-kirchlicher Angelegenheiten. Die von Fractionsbeschlüsscn, RcichSlagsabstimmuugen, Zeitungs- angriffcn und politischen Versammlungen hergeleiteten Be schwerden der Minderheit können nicht nur, sie müssen sich Schweigen auferlegen im Angesichte dcS Legaten des „heiligen VatcrS", der nach den Versicherungen der „Demokratie" wie der Edelleute mit dem Ecntrum, soweit cö eine politische Partei ist, nichts zu schaffen hat. Freilich beglichen werden die bestehenden Differenzen durch ihre Nichterwähnung in Würzburg nicht, aber für die Partei bleibt es ein großer Vortyeil, wenn eine öffentliche Bloßlegung ihrer Wunden um gangen werden kann. Dies namentlich im Hinblick auf dir bevorstehenden Landtagswahlen in Preußen und Baden, also in den Ländern, wo, ohne daß eine förmliche Secession wie in Unterfranken und Niedcrbayern erfolgt wäre, der Zwiespalt innerhalb der Partei bei den Reichtagswahlen am schärfsten bervorgetreten ist. Für die LandtagSwadlen scheint, bei läufig bemerkt, kein Opfer zu groß sein. Schwingt sich doch Herr FuSangel dazu auf, einem friedlichen Verhältniß zwischen Arbeitern und Arbeitgebern in Westfalen daö Wort zu reden, er, der in der Verhetzung dieser beiden Stände von keinem Socialdemokraten erreicht worden ist! Ob die Entsendung Agliardi'S den katholischen Wählern so imponiren wird, wie sie den Theilnehmern der Würzburger Versammlung imponiren muß, steht dahin. Jedenfalls bestätigt sie aufs Neue die Er fahrung, daß die deutschklerikale Politik — mag ihr sichtbarer Leiter LedochowSki, Windthorst, Ballestrem oder Lieber heißen, am letzten Ende in Rom gemacht wird. In Brünn treibt die jüngste czechische Lprachrnfrage gar sonderbare Blüthen. Dort hat sich auch befremdlicher Weise sogar der Landeshauptmann der Markgrafschaft von Mähren, Graf Vetter v. d. Lilie, an dem Kampfe gegen die Straßenschilder betheiligt, und triumphircnd bringen "die „Moravske Orlice" folgendes Bulletin vom Brünner Kriegs schauplatz: „In Folge Einschreitens de« AuSschnsseS de« biarocini Kind ließ am 18. August Landeshauptmann Graf Letter bei der Gemeindevertretung vie Herkunft der aus schließlich deutschen Straßentafel mit der Bezeichnung „Jodok gasse" auf dem Landhause frstslellen. Bürgermeister Winter- holler erklärte, kiese Tafel sei von der Gemeinde nicht befestigt worden, sei auch nicht ihr Eigenthuni, worauf der Lanbeshaup-t mann die Tafel ab nehmen ließ. Aus dem Landhause ist nun keine deutsche Tafel mehr." Graf Letter v. d. Lilie, als das Haupt der Bcrtretung des Landes, hätte wohl auf alle Fälle bester gethan, erst die Entscheidung der competenten Be hörden in dieser zum Mindesten strittigen Frage abzuwarleu, ehe er sich zu einem Vorgehen Hinreißen ließ, das der Würde seiner Stellung, die ihm eine besondere Pflicht der Zurück haltung in nationalen Streitigkeiten anferlegt, nicht entspricht. In der Thal räth bereits das „Vaterland" den czechischen Haus besitzern in Brünn, diesem Beispiele des Landeshauptmannes zu folgen, und fügt bei: „In dem Auftreten des Grafen Beller, welches der Zweisprachigkeit des Landes gerecht wird, liegt zugleich eine, wenn auch möglicher Weise nicht beabsichtigte Demüthigung der überklugen Herren vom Brünner Ralh- hause." ES wäre sehr bedauerlich, wenn es in Oesterreich schon so weit gekommen wäre, daß die Spitzen der autonomen Behörden ihren Willen und ihre persönliche Meinung an die Stelle ordnungsmäßiger Entscheidung setzen und strittige Fragen durch einen Ukas gelöst würden. Bezeichnet doch allst em der Regierung nahestehendes Blatt da« Vorgehen des Grasen Vetter als ein höchst auffälliges und fügt bei, es gebe viele weil dringendere Angelegenheiten, die sich keines der artigen raschen Eingreifens seitens des Landeshauptmanns rühmen können. Das Schicksal der Tak'schen Wahlgesctzvorlage darf als besiegelt bezeichnet werden, nachdem die «icverlandischc Zweite Kammer beschlossen hat, die verschiedenen, schon eingelaufenen und weiterhin noch zu erwartenden Zusatz- anträgc den Abtheiluilgcil zu näherer Berichterstattung zu überweisen, was nichts Anderes besagen will, als daß diese Vorlage aus die lange Bank geschoben worden ist und nach menschlicher Berechnung das Schicksal des Bergansins'schen Kriegsdienst-Gesetzentwurfs »heilen wird. Zwar wurde weiter, wie bereilS kurz gemeldet, beschlossen, daß die Untersuchung in den Abtheilungcu am 20. Sep tember aiizufangen habe, allein die Kammer ist dann mit anderweiten Arbeiten derart überhäuft, daß die Erledigung der Borlagc im Jahre 1891 kaum zu erwarten sein dürste. Je mehr aber die Kammer die Wahlgesctzvorlage ersichtlich verschleppt, um so mehr wächst auch die Erbitterung unter den Anhängern dieser Borlage. So haben in Amsterdam am Abend des 17. August Radicale und Socialdemo kraten wieder einmal in gewohnter Weise getagt. Drei- unkdrcißig dortige Fachvereine hatten im „Maison Ärouckcn" eine Versammlung veranstaltet, um gegen die Haltung einzelner Abgeordneten bei der Generaldebatte über da« Wahlrecht zu protestircn. Es war dabei hauptsächlich auf den Abge ordneten Nutzers van Rozenburg abgesehen, der bei seiner Bestreitung des allgemeinen Wahlrechts sick de« Aus drucks „Stimmvieh" bedient und die Befürchtung ausge sprachen hatte, daß viele zu Wählern promovirle Proletarier ihre Stimme um ein Gläschen Schnaps verkaufen würden. Die hauptsächlichsten Redner waren Noltina, Mitglied des Gemeinderaths, und die Socialaldemokraten Fortuyn, van der Goes und der Friese VituS Bruins ma, während einige Elementvertreten war-DieAeusteru g nicht der Einsührung dcS allgemeinen / Schook-Haver für L'mL^angLmmme Pro.estanttcag ^llle wj- -m Socialdemokrat vorschlug, dem "vgeorciicic,, droklm">'-»ä1st^ linder Nähe des JndustricpalastcS eingestellt nn? verhinderte die Menge am VorwärtSdringen, wöbe, cs ^n'demL» telegraphisch gemeldeten Zusammenstoß Machen Pöbel und Polizei kam. Daran aber .,t lediglich d e ^ schlepounqSpolitik der Zweiten Kammer schuld, die sich !nöglick-r?o-ise noch bitttr an dieser letzteren selber, b°;w. ihren Vertretern rächt. Gladstone hat bisher in der Behandlung der ver- sckicdcne» Gruppen der zu ihm im englischen Unterbau» schwörenden Mehrheit außerordentliches Glück gehabt und da« muß man ihm lassen — 5"ch ulcht gain unverd.e kenn er hat es sehr geschickt verstanden, seine Anhänger m t Versprechungen hinzuhalten und sick geneigt er einst einzulösen gar nicht in der Lage, auch Wohl nickt einmal Willen« ist. Es ist in der That e,,i Me,sterstuck parla mentarischer Taktik, wie Gladstone ,eme Gefolg,cha,t in der Verfolgung eines hoffnungslosen Zieles. daS nur 'bm und den Iren am Herzen liegt, unermüdlich festhalt, wie er ,,e durch immer neue Versprechungen immer wieder von Neuem anspornl und wie er sich ihrem Drange» um endliche Er füllung immer wieder mit aalglatter Gewandtheit ZU ent ziehen weiß. Sein stürmischster und heikel,ter Gläubiger >,t d,e walisische Gruppe; sie verfügt über 30 Stimmen, kann ihn daher jeden Augenblick in eine Minorität versetzen, er fordert also sehr delicate Behandlung. Die biederen Waliser haben nur einen Herzenswunsch, und daS ist die Entstaat- lichung ihrer Kirche; sie sind mit dem Gang der Gc,cha,te durchaus nicht zufrieden, fürchten offenbar, um den Lohn ihrer eifrigen Hilfe zu kommen, und haben daher dieser Tage einen neuen Versuch gemacht, von Gladstone eirze endgiltige »Zusage zu erhalten. Die Quintessenz ihrer Klage ist, die Reformen dcS Newcastle-Programms seien in einer ge- wissen Reihenfolge versprochen worden und wieder und wieder sei von den Führern der liberalen Partei er klärt worden, daß auf die irische Homerule walisische Entstaatlichung folgen werde, während nun als Gegenstände der Herbst,'ession „I'-rri-ck (.'ouiwik" und die „Ausgleichung der Londoner Lvcalsteuern" genannt würden. Gladstone's Antwort ist zwar ein Meisterstück der Kunst, mit vielen Worten nichts zu sagen, aber es wiw die Waliser kaum befriedigen; denn der langen Rede kurzer Sinn ist, daß er die Tbeorie der Reihenfolge nickt anerkennen könne, daßWalcSihmdieseEinzelfrage überlassen müsscund daßcsdann sicher eines Tages auf die Erfüllung seiner Wunsche rechnen könne. Dieses „Nein" wird die Waliser kaum zum osfencnAbfall treiben, ihre Unzufriedenheit wird aber immer ein Factor sein, mit dem die Regierung zu rechnen hat. Ein anrerer Gläubiger ist die Arbeiterpartei; ihre Rechnung präsentst. Worbs, der wissen möchte, wie und wann die Negierung sich mit der AchlstundenlagSbill beschäftigen wolle. Sie verfügen über keine 30 Stimmen und können daher mit leichterem Geschütz abgethan werden. Gladstone antwortete auf die neugierige Frage ironisch mit der Gegenfrage, wie und wann die Arbeiterführer im Stande sein werden, die „Dissidenten in der Achtstundcnfrage zu bekehren oder wenigstens zu ver söhnen". Das ist vielleicht ganz ebenso richtig, als irgend eine Antwort der Negierung in diesem Augenblick. In Tahomey scheint cü in der allernächsten Zeit wieder zum Kampf kommen ,u wollen, wie wir denn auch bereit« gemeldet haben, daß General Dodds sich wieder auf dem Wege nach Dahomey befindet. Köniz Lehanzin, der voll ständig besiegt und dessen Widerstandskraft durch die jüngsten Erfolge seiner Gegner auf dem Kriegsschauplätze am Meerbusen von Benin gänzlich gebrochen sein sollte, ist keineswegs n i e d c rg e w o rfe n. Er ist zu einer Zusammenkunst mit dem zeitweiligen Ober befehlshaber der dortigen französischen Strcilkräfte, bei ) welcher die Bedingungen seiner endgiltigcn Unterwerfung festgestellt werden sollten, nicht erschienen, und „La France Mililaire" thcilt bereits den Plan mit, welchen der wiederum »ist der Leilnng des Unternehmens zu betrauende General DoddS dem letzteren zu Grunde legen würde. Der Plan läuft darauf hinaus, die Truppen zunächst aus dem Wasser wege in diejenigen Gegenden zu befördern, in denen sie in z kriegerische Thäligkcit zu treten haben würden. Entweder auf dem Uemcne oder ans dem Zu sollen sie auf Flußkanoncn- booten und Kähnen dahin geschafft werden und sich dann gegen das Land der MahiS wenden, um den Aufenthaltsort des Königs zu erreichen und ihn von den eingeborenen Völkerschaften zu trennen, die zur Zeit seine Macht stellung noch achten. Man nimmt an, daß Bebanzin de» angreisenden Truppen wie im letzten Feldzüge entgegentreten werde. Es könnte sich aber auch ereignen, daß er sich in die nördlicher gelegenen Berglandschaflen begeben würde, in denen der Uemene und der Zu entspringen. In diesem Falle würde man in gleicher Wei,e Entsendungen gegen ihn vor nehmen, wie cs von den Obersten Archinard und EombeS im Sudan-Gebiete mit Erfolg geschehe» ist. General Dodds H würde sein Untcriiebmen beginnen, sobald das Wachsen der Flüsse die Ausführung des Planes gestatte. Als das ^u er reichende Ziel bezeichnet „La France Mililaire" die Sicher stellung des französischen Besitzstandes in Dahomey, sei es durch vorübergehende Besetzung von geeigneten Puncten am oberen Uemene, sei es dadurch, daß die MahiS und die ihnen benachbarten Völkerschaften dem Machtbereiche Behanzin's > entzogen würben. Wie die Ncw-Borker Blätter melken, bat die brasilianische Negierung drei Bevollmächtigte nach China gesandt, welche beauftragt sind, die Uebcrführuiig zahlreicher chinesischer Kulis nach Brasilien cinzulcilen. Bisher sind die Arbeiter aus Italien, Spanien, dem südlichen Frankreich und zum kleinen Thcil auch aus Deutschland bezogen worden. Die Italiener, die seither die Masse der Einwanderer bildeten, haben zusammen mit den Negern dem Arbcilermangel einiger maßen abgeholfen; aber seit der Emancipation hat die schwarze Bevölkerung slelig abgcnommcn und die europäischen Ein wanderer haben sich mehr und mehr dem Tagelöhnerwcrk ans den Plantage» gegenüber ablehnend verhalten. I Daher ist man auf die Idee verfallen, die letzteren Ln des Reiches Ostmark. 20> Roman von B. W. Zell. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Polza!" rief er schmerzlich, „ist das Deine Liebe? O geh. Du willst mich nur quälen! So sebr daS aber gelegentlich bei Naturen wie der meinen angebracht sein mag, in dieser Stunde nicht! Komm, sei vernünftig — wir werden noch Zeit genug haben, über alles das zu sprechen." Er zog sie an sich, und sie widerstrebte nicht. Kuß um Kuß besiegelte die Versöhnung. „Und Du wirst in zwei Stunden reisefertig sein, mein Lieb?" „Ja, Du böser, lieber Mann." „Ich werde den Wagen am Parkthor halten lassen, der Kutscher holt Deinen Koffer, Niemand wird unsere Abfahrt bemerken. Wir benutzen dann in I. den Nachtzug und sind morgen früh um K Uhr in Warschau. Frau v. Beaucourt selbst will unS, trotz der ungünstigen Stunde, am Bahnhof erwarten. Und nun husche nur wieder unbemerkt hinüber in den Pavillon, mein süßer, leichtfüßiger Kobold; eS würde doch vielleicht Aufsehen erregen, wenn ich Dich geleitete." Polza blieb, die seinen Hände um die Kaste geschlungen, ruhig auf ihrem niederen Stuhle sitzen. „Noch haben wir ein wenig Zeit. Ich nebme nämlick an, daß Du so fertig vorbereitet bist zur Reise, wie ich. Was ich also sagen wollte — cS reizt mick, noch etwas über diese schöne, stolze Frau v. Beaucourt, die sich in so hochver- rätheriscke Plane einläßt, zu vernehmen. Lebt sic denn ganz allein, besitzt sie weder Gatten noch Kinder? Da ich in ihrem Hause bleiben soll, ist diese Frage berechtigt." „Ich selber weiß sehr wenig darüber, Liebste. Wer wird und kann denn die Dame nach ihren Familienangelegenheiten fragen? Der Marquis v. Bcaucourt soll vor Jahren in einem Duell gefallen sein —" „Das er seiner schönen Frau wegen batte?" „Nein. Er war in böse politische Händel verwickelt, sagt man. Der einzige Sohn, der dieser Ehe entsprossen, starb schon als Kind." Ah! Die Marquise hat demnach also thatsächlich nichts Weiter zu thun, alö Umsturzidee» auSzuspinncn. Ist sie reich?" „Dem Anscheine nach fa. Wenigstens lebt sie auf sehr großem Fuße." „Und we«balb gerade in Warschau?" ,S)eil die alte polnische Königsstadt gegenwärtig der ge eignetste Ort zur Erreichung der Bestrebungen ist, denen die kühne Frau ihr Leben gewidmet. Dort laufen so viele der Fäden zusammen, die über den ganzen Erdball ein Netz ziehen, und Du findest in Warschau eine internationale Gcscllschast von Aristokraten vereinigt, wie selten in einer Stadt der Welt." „Und Alle gehören zu Eurem Bund?" „Ja. WaS sollten sie sonst in der alten polnischen Residenz?" Sie lachte leise auf. „DaS Letztere ist bezeichnend für Warschau! Und nun werde ich gehen. Hoffentlich sind die Tante und Anstla inzwischen fort — eS ist gut, daß ich sie nickt mehr sehe. In einer Stunde, also Geliebter?" Polza erhob sich, Wladimir überhäufte sie mit den zärtlichsten Liebkosungen. „Hält ick doch nie geglaubt, daß es möglich, ein Weib so wahnsinnig lieb zu haben", flüsterte er an ihrem Ohr. Ta umschlang sie ihn plötzlich leidenschaftlich. „Das mußt Du auch!" sagte sic fast trotzig. „Denke, was Du mir Alles sein und ersetzen sollst — Vater und Mutier, die ich nie gekannt, die einzige Schwester und ein ruhig ge sichertes Heim, das ich Deinetwegen ausgebe." „Dafür wirst Tu in wenig Tagen auch einen der stolzesten polnischen Namen tragen. Dieser Vorzug im Verein mit meiner grenzenlosen Liebe zu Dir " „Ja, ja — ich glaube daran und ich danke Dir", murmelte sie, sich aus seinen Armen lösend und niit der Hand über die Stirn fahrend. „Wir wollen uns nickt weich macken — Sentimentalität paßt nicht mehr in unsere Zeit hinein." Da mit schritt sie hastig der Thüre zu. Schon im Bereich der selben stockte plötzlich ihr Fuß — ihr scharfes Auge hatte ein großes Bild entdeckt, das der Wand zugekehrt ans dem Fuß boden stand. Der kostbare Rahmen desselben mochte ihre Auf merksamkeit erregen, schnell trat sie daraus zu. „Was haben wir denn da?" fragte sie, das Bild wendend, fuhr aber mit einem leisen Ruf der tlebcrraschung zurück, als ihr ein wunderschöner Franenkopf, von Meisterhand lebensvoll auf die Leinwand gezaubert, enlgegenstrahltc. „Sieb es an, vielleicht erkennst Du, wen eS darstellt", ent gegnete Wladimir leise. Sie schaute mit entzücktem, prüfendem Blick darauf hin. „Diese- röthlich blonde Gelock — cS ist dein Haar, Wlady! Und die halbverschleiertcii Äugen, deren Farbe nicht recht er kennbar,.die feine Nase und selbst die Blässe des überzarten Gesicht« — eine Schwester hattest Du nie, Geliebter, eS kann also nur deine Mutter sein!" Er nickte wehmüthig. „Es ist meine Mutter, Polza. Ich bin ihr getreues Abbild, Wie man mir sagt, denn gekannt habe ich sie nicht." „Wie lieb ich diese Frau", rief das junge Mädchen begeistert, mit flüchtigen Lippen daS Bild berührend. „Wie lieb ich sie, obgleich — nun, Wlady, ich weiß mehr von deiner Mutter, als Du glaubst. Aber darüber sprechen wir erst, wenn wir Mann und Frau sind. Wenn wir deiner Mutter noch einmal im Leben begegneten —" „Nein, nein", rief er heftig, „ich wünsche eS nicht — jetzt nicht mehr. Es war der glühende Wunsch meines Knaben herzens — ich wähnte sie damals todt — seit mein Vater mir aber von ihr gesprochen, mir von ihrem Leben erzählte will ich sic als todt betrachten. Es ist bas Beste." Polza flog auf ihn zu, umarmte ihn schweigend und ließ einen Augenblick ihren Kopf an seiner Brust ruhen. Dann winkle sie ihm zärtlich zu und verließ daö Gemach, ohne noch einen Blick auf das Bild geworfen zu haben. Zwei Slunten später hielt ein geschlossener Wagen am Parkthor. Janek lenkle ihn. Dann stieg er ab, reichte seinem jungen Grafen die Zügel und ging mit schwerfälligem Schrill zum Pavillon, den er von der Hofseile betrat. Bald kehrte er mit einigen Koffern beladen auf demselben Wege zurück, und wenige Minuten später flog Polza's leichte Gestalt den Gang herab. Wladimir eilte ihr entgegen, nmsing sie mit seinen Armen und hob sie in den Wagen. Dieser fuhr ab, ohne daß eine Menschensecle auf PodbieiS eine Ahnung davon hatte, welch ein inhaltsschwerer Vorgang sich soeben am Park thor abspielte. Auch auf dem Bahnhcf'in I. hing Alles nach Wunsch. Der Nachtzug war nur schwach besetzt, und ohne Aussehen zu erregen oder unwillkommenen Bekannten zu be gegnen, erreichte das Paar sein Eoupö. Mit einem tiefen Athcmzug der Erleichterung ließ sich der junge Gras bier in die Polster sinken. „Gott sei Dank, daS wäre vollbracht!" sagte er. „Oder begonnen'." verbesserte ihn Polza ernst. Fräulein v. Wolcawek kebrle erst ziemlich spät mit Anicla miS Zilkowo zurück. Aus den geöffneten Fenstern des große» Epc.se,aalS ,n, Schlosse drang noch Heller Kerzenschein „nk Glaserklang. „L.e tafeln wirklich noch", sagte Tanle Jadwiqa bald bedauernd und fand eS im Stillen unverantwortlich daß der Graf sie nicht gebeten, die Honneurs bei der Tafel ,n machen. ' Tie Schwestern schliefen nicht in demselben Zimmer. Polza's Abwesenheit ward daher nicht bemerkt; man glaubte sie bereits gegangen. Da auch der Frühkaffee nie gemein schaftlich von den Damen eingenommen wurde und gewöhnlich Polza als letzte ,m Speisezimmer erschien, ward sic auch während de« na»,tei, Vormittag« mcht von den Ihrigen vermißt, und erst zum Mittagscfseii siel ihr Nichterscheinen auf. „Sollte sie krank geworden sein?" fragte Aniela besorgt. ^Schwester ja seit gestern Nack- mittag nicht gesehen. Sofort erhob sie sich, um auf Polza's Zimmer zu gehen — als aber eine Viertel- und dann eine halbe Slunde verging, ohne daß sie von dort wiederkchrte, schickte sich auch Tante Jadwiga seufzend an, nach den beiden Verschwundenen zu sehen. „WaS man dock mit den Kindern für Last hat", sagte sie, langsam mit den knarrenden Hackenschuhen die Treppe hinan- steigenv. Alö sic aber in Polza's Zimmer trat und hier daS Bett unberührt, Aniela dagegen mit gebeugtem todtblasscn Haupt, die Hände über einen Brief gefallet im Sopha sitzend fand, fühlte sie doch plötzlich mit voller Gewalt, wie sehr ihr diese „Kinder" ans Herz gewachsen seien. „Um aller Heiligen willen, >raS ist geschehen?" Anicla hob den thräncnschwcren Blick zu ihr empor und deutete auf den Brief. „Sie sind fort", sagte sie mit dumpfer Stimme. „Sie? Ja, von wem sprichst Du?" „Polza und Wladimir. Sie sind gestern entflohen, um sich irgendwo — der Ort ist natürlich vcrschmicgen — trauen zu lassen." „Heilige Mutter, schütze unS! Sie sind beide toll geworden!" ächzte die Tante, schwer aus einen Stuhl sinkend. Aniela er hob sich und trat vor sie hin. „Da, lies selber. Und doch, wenn ich ganz offen sein soll — so ganz unerwartet trifft es mich nicht. Daß die Beiden sich liehte», war »ns dock allen kein Geheimnis, selbst dem Grafen nickst, so sehr sie auch strebten, diese Liebe zu verbergen." „Ja, aber warum den» fliehe»?" stöhnte Tante Jadwiga. „Das ist wieder so eine romantische Grille, die Polza auS- gchcckt, denn daß Graf Taver gegen diese Heiralh Einwendungen macken und eine vernünftige, standesgemäße Trauung hier auf Podbiels gebindert habe» würde, glaube ich nun und nimmer. Wann aber hätte dies Unglückskind Polza je etwas mit der Vernunft zu schasse» gehabt!" „DaS unnütze Jammern führt zu nichts, Tante", warf Aniela ergcbungsrotl dazwischen. „Laß unS lieber überlegen, was zu thun — sollte der Graf noch nichts wissen?" „Wahrscheinlich nicht, er wäre sonst schon hier. Wir wollen sogleich zu ibm senden", sagte Fräulein r Wolcawek froh, daß jemand da sei, der für sie in dieser höchst fatalen An gelegenheit denken und handeln werde. Als habe aber das Echicksal beschlossen, eS ihr diesmal ganz besonders bequem zu machen, klopfte eS in diesem Augenblick, und baS hcrcin- Iretendc Mädchen meldete, daß der Herr Graf unten sei und die Damen zu sprechen wünsche. Und Gras kaver mußte von dem Geschehenen noch nicht! wissen, denn schon von Weitem tönte ihnen seine heitere Stimme entgegen. (Fortsetzung folgt.)
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