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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930823027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893082302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893082302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-23
- Monat1893-08
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War auch sein Land, als dessen erster Diener er sich fühlte, nur klein, so batte er doch als Förderer von Kunst und Wissenschaft, als treuer Pfleger deutscher Gesinnung und als unermüdlicher Mitarbeiter am Bau des Deutschen Reiches sich überall die wärmsten Sympathien erworben. Fürst Bis marck bezeichnte ihn noch jüngst in einer Unterredung mit einem Leipziger Besucher als einen um daS Reich kochver- dicnten Fürsten, und dieser Ruhm wird ihm bleiben für alle Zeiten und jene Schwächen zudecken. die zu überwinden er nicht die Kraft besaß. Ernst II. (August Karl Johanne- Leopold Alexander Eduard). Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha, als Herzog von Sachsen-Gotha Ernst IV. genannt, Sohn des Herzogs Ernst I. (III.) und der Herzogin Lnise, einer Tochter des Herzogs August von Sachsen-Gotha-Altenburg, geb. 2l. Juni 1818 zu Coburg, erhielt eine wissenschaftliche Bildung realistischer Richtung, bereiste 1836 England, Frankreich und Belgien, studirte dann in Bonn besonders StaalSwissen- schasten und trat als Rittmeister in königl. sächsische Militair- dienste. Nach verschiedenen Reisen in Spanien, Italien, Portugal und Nordafrika vermählte er sich 3. Mai 1812 mit Alexandrine Luise Amalie Friederike Elisabeth Sophie (geb. 6. Dec. 1820), Tochter des GroßhcrzogS Leopold von Baden. Am 29. Januar 1844 folgte er seinem Vater als Herzog von Coburg-Gotha und Chef de« GesammthauseS Coburg. Er suchte den langen Zwistigkeiten mit der Coburger Stänkcvcrsammlung ein Ende zu machen und vereinbarte mit ihr 1846 ein neues Wahlgesetz. 1848 und 1849 wußte er durch rechtzeitige Zugeständnisse und feste Haltung sein Land vor Unruhen zu bewahren. Die Delegirten von Gotha wurden zur Berathung eines LandtagSwaklgesctzes einberufen und der Abgeordnclenversammlung der Entwurf zu einer neuen Bersassung vorgelegt, die 1849 ins Leben trat. Tie engere Bereinigung der beiden Herzogthümer Coburg und Gotba erfolgte durch das Staatsgruiidgesey vom 8. Mai 1852. In den deutschen Angelegenheiten erkannte der Herzog die Frankfurter Reichsversassuiig an und suchte Friedrich Wilhelm IV. zur Annahme der Kaiserkrone zu be wegen; dann Udcrnahm er im März 1849 ei» selbstständiges Coinmando (über eine thüringische Reservcbrigade) im Kriege gegen Dänemark. Unter seinen Augen wurde am 5. April 1849 der Siez bei Eckernförde errungen. Als die NcichSvcrsassuiig gescheitert war, schloß sich Ernst dem sogenannten Drcikönigs- viindniß an und veranlaßt«- den Fürstcncongreß zu Berlin (Mai 1850), wo er mit Wärme für die Bedürfnisse und Wünsche doS BolkeS cintrat. In der folgenden Rcaclionszeit war er eifrig bemüht, die nationalen und liberalen Ideen lebendig zu erhalten und die deutschen Interessen zu wabren. Deshalb suchte er während des Krimtriege« Oesterreich und Preußen zu entschiedenem Auftreten gegen Rußland zu veranlassen und knüpfte als der erste europäische Fürst durch eine» Besuch in Paris im März 18 persönliche Beziehungen zu Napoleon III. an. Angesichts der Gefahren, mit denen die nach dem Ende des Krieges sich vollziehende Annäherung zwischen Rußland und Frankreich Deutschland bedrohte, verfolgte der Herzog den Plan, einen literarisch-politischen Verein zur Aufklärung des deutschen PublicumS zu begründe», aber erst die Uebrrnabme der Regentschaft in Preußen durch den PrinzenWilhelm 1858 gab ibm die Hoffnung ans eine günstige Wendung in den deutsche» Dingen. Im italienischen Kriege von 1859 bemühte er sich, freilich vergebens, um ein österreichisch-preußisches Bündriiß. Dann aber entstand unter scincin Schule der National- vcrein, und inten, er den deutschen Schützenfesten, deren erstes 1861 in Coburg abzekaltcn wurde, eine nationale Richtung zu geben versuchte, machte er seinen Namen in ganz Deutschland populär. Andererseits balf er durch den Abschlutz einer Militairconvention mit Preußen 1862 die Einheit deS deutschen Heerwesens vordcreile». Dem Gedanken einer nothwendigcn Regeneration DenIschlandS huldigend, war er ein eifriger Theiliiehiner am Frankfurter Fürstentag 1863. Beim Ausdruck deS schleSwig-holsteinischeii ConflictS wirkte er beim Bundestage für die Trennung der Herzogthümer von Dänemark und für die Einsetzung des Prinzen Friedrich von Auaustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein, war auch bei Napoleon III. persönlich für diesen Plan lbälig Bor dem Ausbruch LeS deutschen Krieges, im Ma! l866, reiste er nach Berlin, um den König zur Erhaltung deS Friedens zu be stimmen, stellte sich jedoch, als der Krieg ausbrach, sofort auf die Seite PrenßenS) seine Truppen nahmen am 27. Juni 1866 an der Schlacht bei Langensalza Theil. Nachdem er bei den CapitulationSunterhandlungeii mit den Hannoveranern mit gewirkt hatte, folgte er einer Einladung in das Hauptquartier deS Kronprinzen von Preußen, in besten Gefolge er der zweiten Hälfte des böhmischen Feldzugs beiwohnte. Als Entschädigung für die Opfer des Krieges überließ ihm Preußen »» Oclober >800 die Waldungen bei Schmalkalden. Am Feldzuge gegen Frankreich 1870—71 nahm Ernst im großen Hauptquartier Theil. Der Herzog war königlich sächsischer und königlich preußischer General der Cavallerie, ° . . ! -- deS Zifsenschaftcn, der Naturkunde und der Musik. Bekannt sind seine Opern „Casilda" (1855), .Santa Chiara" (1854), .Diana von Solange" (1858). Ins Bolk gerungen ist unter Anderm seine vielgcsungcue .Hnniiie". Als Frucht einer Reise, die Ernst mit seiner Gemahlin und zahlreicher Begleitung (darunter Friedrich Gerstäcker) vom Februar bis Juni 1862 nach Egypten und den nördlichen Grenzländern Abessiniens unternahm, erschien das Prachlwerk .Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotka nach Egypten und den Ländern der Habab, Mensa und Bogos" (Leipzig 1861). Auch ver öffentlichte er unter dem Titel .Aus meinem Leben und auS meiner Zeit" (3 Bde., Berlin 1887—89; Bearbeitung in 1 Br., cbend. 1892) hochinteressante Denkwürdigkeiten. Der Einfluß, den Herzog Ernst auf die politische Gestal tung Deutschlands und in Deutschland gewann und den er selbst in dem zuletzt genannten Werke schildert, würde noch größer gewesen sein, wenn jene schon erwähnten Schwächen nicht dann und wann zwischen ihm und anderen deutschen Fürsten eine Spannung bcrvorgerufon hätten, die den letzteren ebenso znm Verdienste gereicht, wie sic dem Dahin- gcschiedencn in seinen edelsten Bestrebungen hinderlich war. Jetzt bat der Tod mit seinem Leben auch sene» unrei»« Feuer verlöscht, das neben dem reinsten in ihm brannte, »nd die dankbare Nachwelt wird nur de» Guten eingedenk bleiben, daS er trotz jener Hindernisse geschaffen. Im StaatSgrundgesctze sür die Herzogthümer Coburg und Gotba vom 3. Juni 1852 sind für den jetzt einzelrctcnc» Fall, daß Herzog Ernst ohne successionssäbigc Nachkommen sterben sollte, besondere Bestimmungen getroffen worden. Beim Erlasse deS Staatsgrundgesetzes war der jüngere Bruder des Herzogs, der Prinr-Gemahl Albert, als Thronfolger anzn- sehc». Tie niit Rücksicht auf ihn in das Grundgesetz auf- geiiommciicn Bestimmungen sind durch seinen Tod gegen standslos geworden. Nach ihm würde der Prinz von Wales der »äcbsrbcrcchtigte Prinz sein, daS StaatSgrundgesetz bestimmt aber, daß der regierende König von Ensl-n^und^d« voraussichtliche englische Tbronfog-rr e ^ folge in den Herzoglhuiiicrn auSge^ a/aä,komme lange überhaupt noch eui succesico S . ' r Wortlaute des Prinzen Albert vorhanden ist. nach d -n ^ deS Grundgesetzes vielleicht po» ork, der S°b" des Prinzen von Wales, r ^ ^ erbberechtigt wäre, da er vorläufig »och mcbl ° sichtlicher englischer Thronfolger" ' alprst ^ 1563 dadurch, daß der Pr.nz von DaieS an. 9. AP > G kür sich und seine Nachkommen aus N . den Herzogtbümern Coburg und Gotba sornil^ ch richtet bat. Ter nächste regierungsfähige Agat ', hiernach der Herzog von Ed.uburg, d-r aber berestS.n Ja « 1885 zu Gunst-., seines am '5. Oe ober 18.4 g t° -ne Sohnes, des Prinzen Alfred. v-tz,ch--l bat. Da d.es-r a> 15. Oc-ober 1892 in Coburg m feierlicher Wei c für g v iäbria erklärt worben ist, so steht der Uebernahmc der Rc M.g durch ibn ni t.S im Wege. Prinz Al,r-d.^-r geg n- wärlig Lieutenant im Ersten Garde-Rcgimenl v 0^ / ein deutsches Gymnasium und eme deutsche Un'v rs. ul^ sucht und gilt in den Hcrzoglhumern für P> ,cn von gut deutscher Gesinnung. Auö diesen, Grunde und v c leicht auch auö anderen politische» Erwägungen bat „ an an maßgebender Sielte davon abgesehen, dem schon ff'l Jahren vielfach geäußerten Wunsche nach reickSgcwtzl.cher Ausschließung ausländischer Fürsten von deulschcn thronen eiitgcgcnzukoiiinicn. Möge der Pr,n; daS in >h>> 9^0" trauen rechtfertigen und seines verewigten Vorgängers windig werken in lincrinüdlickicr Hingabe an die Pflichten seine erhabenen Berufe» als deutscher RcichSfürst. politische LagesschlUl. ' Leipzig. 23. August. Die Hetze argen de» Militnrisiuns wird von der Socialdcmokratic jetzt eifriger denn je betrieben und als wirksamstes Agitalivnömitlel bietet sick ihnen das beklagenSwerthe Borkomme» der Soldaten»! iß Hand lungen dar. Mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln spüre» die Aubä .ger der Pactee der»»,, um der ständige» Rubrik der socialdemokratische» Presse neue Falle jener bedauernöwerthen Ausschreitungen zuführen zu können. Ter „Vorwärts" und andere Organe sind häufig genug in der Lage gewesen, vertrauliche Aetenslückc. die sich ans solche Angelegcnheiien bezogen, an die Oefsentlichkeit zu bringen; ans welchem Wege gerade diese Presse in den Besitz der Schriftstücke gelangt, soll hier nicht weiter erörtert werde». Auch jetzt wieder veröffentlicht der „Vorwärts" nach dem Organ deS Herrn v. Bolliiiar, der „Münch. Pest", ein amtliches Acten stück/dessen Abdruck „deS Zufalls tückisches Spiel" crinöglichl hat. DaS Aetciistück stammt aus dem bayerischen KcicgS- miitistcrium und ist von dein erst kürzlich zum Kriegöniiiiister ernannten Freiherr» von Asch unterzeichnet. Den Inhalt bildet die ZusaininensteUnng der Anzeigen über vorschrifts widrige Behandlung und Mißhandlung Untergebener im Jahre >892 und die Millhcilnng deS Ergebnisses tcö Ver fahrens gegen die Schuldigen. Er ergiedt sich, daß innerhalb der Militairverivallniig Bayerns im Jahre 1892 über vor schriftswidrige Behandlung und Mißhandlung Untergebener 81 Anzeigen erstattet worden sind, und zwar 7 gegen Lssiciere und 77 gegen Uiilerojsiciere. Nach dem Ergebniß der Untersuchung wurden bestraft 7 Ossiciere und 63 Unter- vfsicierc, freigesprochen wurden 9 Unterossiciere, daS Ver fahren wurde eingestellt gegen 5 Unterossiciere. DaS I Bestreben jeder Kticgsvcrwallung muß dahin gehen, die Ausschreitungen der militairischen Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen auS der Welt zu schaffe»; es ist des halb nur anzuerkeniien, wenn der bayerische Krieg-minister olquno nack, Mittbeilung der Zahlen wieder aus die Befolgung der gegen die Mißhandlungen gerichteten Rescripte hinweist, und cs ist verständlich, wen» er hinzusügt, daß LaS Ergebniß, obgleich die Zahl der Anzeigen gegen daS Iabr 189l sich um 10 vermindert habe, den so vielfach betbätizten Absichten des Prinzregenten um so weniger entspreche, als die bei einzelnen Truppcntbeilen erscheinende Zahl der Anzeigen das Obwalte» von Mißstände» nicht verkennen lasse, denen cntgcgenzutrete» Ausgabe der DiensleSstellen sei. AuS diesem offenen Geständniß dcö Kriegsministers, daß trotz der besten Ab sichten die Mißstände nicht haben beseitigt werden können, teilet die socialdemkratische Presse begreiflicherweise einen glänzenden Beweis für ihre Behauptung bcr, daß Soldatcn- iiiißhandlungeii mit dem Wesen des „Militarismus" eng verwachsen feie» und nur beseitigt werden könnten mit dem Militarismus selbst. Siebt man die Dinge näher »nd un befangen an. so wird man selbstverständlich das Vorhandensein der Mißstände lies beklagen, aber doch auch auS der Abnahme der Zahl der Anzeige» den Schluß ziehen können, daß auf eine "alliiiälige Abstellung der Uebelstände gerechnet werden darf. Den» bei der wüsten Agitation, welche dir Social- demolratie gerade aus diesem Gebiete treibt, bei der Ver hetzung der jungen Leute, bevor sie in die Armee rinlrelen, kann i»a» nur annebmeii, daß die begründeten Beschwerden auch größleiilbeils zur Anzeige gelangen. Immerhin mag bei einer Anzahl von Soldaten noch eine gewisse Feigheit vorhanden sein, so daß sie ihr Beschwerderecht nickt gellend machen; die Zabl von 81 zur Anzeige gebrachten Fällen bei Tausenden von Osficicren und Unlc,visitieren deutet dock darauf hin, daß die Zustände in der Armee nickt so grauenhaft sind, wie dir Socialtemokratie sic gern macke» möchte. Die Social- demokraten habe» keineswegs allein ein Interesse daran, daß die Mißhandlungen ans der Armee verschwinden, alle übrigen Parteien sind ebenso scbr bestrebt, zur AusrotNing deS Hebels beizutrage». Eine der seit langen Iabren i» erster Linie zu diesem Zwecke erhobene» Forderungen ist die einerAendernnz de« kcnligen Strafverfahrens in der Armee. Tie prenßischcMilitair- vcrwaltung hat fick aber noch immer nicht bereit gezeigt, auf die ,m Reickstage so viclsack geäußerten Wiinsckc cinzugcben, obwohl der Reichskanzler Graf Cavrivi einmal ein Ziigcständ- uiß nack dieser Richtung hin machte. Bei den Bemühungen, kaS veraltete Strafverfahren zn beseitigen, ist die national liberale Partei stelS a» vorderster Stell» betheiligt gewesen. Ein Verdienst des verstorbenen Herrn vvn Bernutb war eS, daß die Regierung bciiändig zur zciigeinäßcn Aenvernng der Militairgericktoversassnng und der Mililairstrajproeesiortnung ansgesordert wurde. Auch darf daran erinnert werden, daß der frühere Abgeordnete I'r. Bnht im Jahre 1892 noch weiter zur größere» Sicherstellung einer angemessknen Behandlung der Soldaten durch ihre Vorgesetzten die Verwandlung des Beschwerderecht« der Militair- personen i» eine Beschwerdepslickt verlangte und daß dieser Antrag nur mit einer Mehrbeit von zwei Stimmen abgclehnt wurde Nachtci» der jetzige Reichstag auf die weitgehenden Wünsche der Militairvcrwallnng ciiigegangen ist. darf erwartet werden» daß die Regierung sich der alten liberalen Forderung nach Aendernng des inilitairischen Slrasversahrens jetzt geneigter erweist. Ist erst die Oesfcnt- lichkeil des Verfahrens in der ganzen deutschen Armee ein- gesuhrt, so werten auch die Fälle der Mißhandlungen ver mindert Worten. Die Ergebnisse der Wahlen zur französischen Depu- tirtenkammcr sind »u», wie bereits telegraphisch gemeldet, Feuilleton. Lil des Ntiches Mmark. 28j Roman von B. W. Zell. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) Graf kaver batte gleich am nächsten Morgen nvck ein Zimmer im Seitenflügel deS Hotels sür sich belegt, von dem auö er die Villa der Marquise Beauconrt genau beobachten konnte. Es war dicö ein stattlicher, sänlcngetragener Bau, an den sich rückscilS ein ziemlich großer Garten auschloß. Vorn am Portal lehnte in der Säulenhalle ein riesengroßer und auch wohl riesenkräftiger Tbürbnier in reicher Livrve, der jeden Ankommenden erst sehr sckars zu mustern schien, ehe er die mächtige Eichenlhür des Hauses öffnete. Und eS schienen reckt viele Besucher zur Billa Beaucourt zu kommen. In den ersten Bormitlagesiunden wurden ein paar prachtvolle Blumensträuße abgegeben — ob sie nicht von Wladimir kamen und sür die Marquise und Polza be stimmt waren? Vergeben- aber suchte der Graf unter den verschiedenen älteren und jüngeren Herren, die zur Billa steuerten, auch seinen Sohn zn entdecken. Später fuhren dann einige Wagen vor, denen mehrere Damen in einer Toilette entstiegen, die fast zu reich für einen gewöhnlichen Besuch war. Zuletzt, i» der Mittagsstunde, hielt ein ge schlossene- CoupS vor der Billa. Es brachte einen ältlichen Herrn mit glattrasirtem Gesicht, der den langen schwarzen Rock und runden Hut der katvolisckei, Geistlichen trug Ein alter, einfach gekleideter Mann mit einem großen, wobleingc- hüllten Paket jolglc ihm — den Grasen durchzuckte eS. „Ein Geistlicher mit dem Küster — sollte man wirklich da drüben in aller Hast Wladimir« Trauung vorbereitend" murmelte er schmerzlich. Und er, der Vater, stand hier wie ein Späher auf dem Lauscherposten, wäbrend sein einziger Solm unter Fremden, in fremdem Hause den Bund für« Leben schloß ? Aber er bezwang sich und blieb ruhig. Zwischen ihm und Wladmir war nun einmal immer Alles ander« ge wesen, als sonst zwischen Vater und Sohn — mochte er auch diesmal seinen eigene» Weg geben. Nach etwa zwei Stunden kehrten der Geistliche und auch die Damen wieder auS der Billa iurück» di« Herren schienen noch dort zu bleiben. Der Thürhüter verschwand jetzt von seinem Posten — wahrscheinlich wurden in den nächsten Stunden kein« Besticke angenommen. Auch Gras L'avcr ging, um mit Aniela da« Mittagessen einzuncbmcn und rin wenig zn ruhen. Der General war inzwischen nicht dagewesen — c« mochte also »och nichts von Bedeutung zu berichten sein. Aniela zeigte sich so bedrückt und trüben Sinnes, daß PodbielSki daraus bestand, sie möchte mit ihm ein paar Stunden auSsahren, um frische Lust zu schöpfen und dabei zugleich Warschau ein wenig kennen zu lernen. Iin Stillen hofft« er aus der Fahrt vielleicht Wladimir zu begrgnen, dock er wies sich diese Hoffnung al« trügerüch, und mekr abgespannt als erfrischt, kehrten beide nach zweistündiger Ausfahrt wieder in ibr Hotel zurück. Der Gras begab sich alsbald wieder aus seinen Spaher- posteii. In der Villa drüben rührte sich nicht«. nur schien eS PodbielSki. als werte dieselbe jetzt auch von anderer Seile beobachtet. Wenigstens gingen verschiedene Männer vorüber, die in regelmäßigen Zwischenräume» wieder von der andere» Seite aujiauchten, um langsam vorübrr zu schlendern, dabei aber das Gebäude jedesinal sckars in« Auge faßten. Der Graf erkannte in diese» Gestalten unschwer verkleidete Polizisten, »nd eine dumpsc Angst bemächtigte sich skiner. Wie nun Wladimir warnen, von dessen Anwesenheit in der Villa er überzeugt war! Entsetzlich sür de» Vater, seinen Sobn in höchster Gesahr zu wissen und kein Mittel zu kennen, ihm von dieser Kenntniß zn geben! Einen Augenblick tauchte der Gedanke in ihm aus, sich einfach drüben melken zu lassen und nach Wladimir zu fragen, »der einen Brief an ihn in die Villa gelangen zu lasten, aber nach kurzer Ueberlrgung er schien ihm beides nicht rätblich. Wladimir würde sich doch gerade von soinem Vater nicht finden lasten wollen, er mußte also irgendwie überrumpelt werden. Die späte Dämmerung des IuliabenbS sank allmälig her nieder. PodbielSki beobachtete jetzt, immer ausnierksamer werdend, die ausfällige Thatsacke, daß in kurzen Zwischen räumen sich Bettler, meist verlumple, verkrüppelte Gestalten, der Villa näherten, den Thürhütir augenscheinlich um »ine Gabe anspracke» und von ibm zur Seitenpsorte gewiesen wurden, in der sie verschwanden, ohne wiederzukebren. Ueble mau in der Villa so ausgedebntc Barmherzigkeit, daß dirse Bettler dort gespeist und zur Nackt beberbergt murren? DaS war doch kaum anzunebmen. Der Graf grübrltr eben Uber die Lösung diese« Rätbsct« nach, als ibm der General gemeldet wurde, der auch sofort in« Zimmer trat. bielSki ihn bat, sich zu de» vorderen Räumen zu bemüh« „WaS ick mitziithcilcn habe, geschickt am beste» so gebe als möglich. Denken Cie, noch beule Nacht soll da» N drüben ausgchobeii werde», gerade beute tagt dort eine Vi schwörerversanimliing, die der Polizei verralben wurde. T Gouverneur bat die iimsassciitste» Vorkehrungen getrofff denn diese Marquise soll eben so schlau als schön sein." „Ilnd mein Sobn?" fragte der Graf angstvoll. „Von il haben Sie nickt« gekört?" „Nichts. Es soll heute Mittag in der Villa eine Tranu stattgesiinrcn haben, rock weiß man »ock nichts Näber Vielleicht ist eS die Marquise selber, die rer Willwenschi überdrüssig geworden. Ta die Crrcmonie in aller Eile n Heimlichkeit geschah, muß irgend etwas bei der Lacke ni richtig sein. Meinen Sie etwa, daß Ihr Solm unbesonii genug —" „Nein, nein, Sie sind auf falscher Fährte", rief Podbielt und erzählte da»» dem General Alles „Ab. so liegen die Sacken", meinte dieser überrascht. „D junge Täubchen in demnach auch im Neste, wird eine sckö HochreilSnacht werden, daS!" „Und ick soll ruhig zuseken und die beiden Unbesonnen nicht der Gefahr entziehen?" rief der Graf bochcrregt „Versuchen Sie eS. Senden Sie hinüber »nd last Wladimir „i dringender Angelegenheit hie, bcr bitten, ob z» vrrratben^, daß Sie eS sind, der ihn zn spreche» wünsc aber thun Sie eS sogleich. Biel Zeit ist nicht mehr zu p lirren." ^ Der Graf beauftragte sofort einen -stwteldiener — nc wenige,. Minnten kehrte der mit dem Bescheid zurück, daß , Gras PodbielSki ,n der Billa nicht anwesend sei a- "Eo."'"de ,ch versuchen, die Marquise zn sprechen", r „Leider isi di. B./..ch«st..nd- l'än vorüber, vielleicht aber gelingt e« dock." ^ll Ihren Namen", ri.tb » General, „sondern gebe» S.e sich für e.nen Fremde» an-, l '",..^"'.^""/."si'l'!s°"be't V.e Dame des HaustS spreck - E-e dann für einen Verbünde, Ihr. «der, Graf. ,ch werde h Ihr« Rucklebr erwarten." der spä'" ^Psinp PodbielSki vom Tbürbi» n ^'aucour, den böslichen, aber sebr besi.mml IN kr u'tve.ckc 7 für Niemand mebr ,u sprechen sei. Selbst ein schwerwiegender Händel» vermochte de» Mann nicht einmal zu einer Anfrage zu be stimmen, »»d lässig sagte er, das eiiipsaiigene Goldstück in die Tasche gleiten lassend: „Morgen, mein .sterr, morgen!" Halb verzweifelt kehrte der Graf zurück. „Was nun, Serge« Diinilriw?" „Jetzt weiß ich nur noch einen Rath, ick eile;»m Gouverneur »nd erwirk^ Ihne» und mir die Erlaubnis), unS unter die Geheimpolizisten zu mischen. Wir dringen dann mit in die Villa ei», kaS klebrige wirk sich van» von selber ergeben." „Sv eile» Sie und vergesse» Sic nickt, daß mir kein Opfer zn groß ist, »leinen Sobn z» rcllcn. Sie müssen die Erlaubniß erwirken, und wen» ick Tausende dafür bingebe» >n»ß." Scrgci Diinilriw nickte ibm beruhigend zu und eilte davon. Es war um die MilleriiachtSsliinde. I» tiefstem Schweigen alle Jalousien fcstgcschlossen, lag die Villa Bcancoiirt da. Dunste Gcwiltcrwolken stanken am Himmel und verdüsterten »ock die Schallen der Nackt. Im nächsten Umkreis der Villa Ware» zudem die Gasflamme» i» de» Straßenlaterne» ver löscht, auS Ziise.ll oder Absicht? Wobt ans Absicht, denn man bemerkle so die Kette dunkler Männergestalten weniger, die in angemessener Entfernung »m Ha»S und Garten einen festen KreiS schlossen. Am Garten eingang aber stand eine Schaar bewaffneter Männer, des Winkes gewärtig, ans de» den sie geräuschlos den Weg durch Garten „nd Hos anznlrcle» hatten. Unter ihnen befand sich Scrgei Diinilriw, der russische General, und A'aver PodbielSki, der polnische Edelmann. Ein leiser Pfiff ertönte, da« Gartenthor flog, durch einen Dietrich geöffnet, aus, und mit gespenstischer Lautlosigkeit be wegte sich die Schaar durch die Gänge de« Gartens. Bald war der geräumige Hos erreicht, aber auch hier dumpfes Schweigen, tiefste Tunkelbeil ringsum. Anck nicht der leiseste Lichtschimmer war an den zahlreichen Fenster» zu entdecken. Betreten blieb der Anführer einen Augenblick stelle» und schaute späbend um sich, dann enlsnbr ein leiser Laut der Befriedigung feinen Lippen und mit auSgestrecklcm Arm deutete er auf einen schwachen Lichtschimmer, der dicht bei dem Seitenflügel der Villa fast ans dem Erdboden zu dringen schien. „Folgt mir", sagte er leise auf Russisch. „Ich weiß im Hause genau Bescheid." Und auf den Zehen, die Waffen fest nmspLnnt, uni ihr Klirren z» verhindern, schlichen die Soldaten über de» Hos, der Befehlshaber öffnete geräuschlos eine Thür >m Seitengebäude und dann flammte ein Lickt auf und noch eiuS — die Blendlaternen wurden angezündet. Nun ging'ö durch einen langen Äang, eine Treppe hi«-
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