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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930826021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893082602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893082602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-26
- Monat1893-08
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Wie zu erwarten war, haben die anläßlich de- Thron wechsels in de» Herzogthümct» Coburg uud Gotha von dem hochconservativcn „Reichsboten" «»gestimmtenKlagen darüber, „daß ein englischer Prinz »nd Akniiral fick plötzlich in einen deutschen Fürsten verwandle", dem socialdemokra tischen „Vorwärts" Anlaß gegeben, dem „roqalistischen Organe" vvrzurücken, wie übel es mit dem „Rechte der Gesalbten" umspringe. Tas genannte Blatt schreibt nämlich: „Dcr fromme monarchische, auf das GottcSgnadcntdum und die Legitimität eingcschworene „Rcichsbole" erbebt Einspruch dagegen, daß der Herzog von Edinburg, ein Engländer, ein britischer Admiral, de» golbaischen HerzogS- mantel um seine nicht teutschen Schultern schlage, (so wird daSNecht der „Gesalbten" von einemroya- li frischen O rgan angetaslet. Aus chauvinistisch-borussischen Rücksichten, die allerdings nicht geltend gemacht wurden, als deutsche Prinzen in Bulgarien, Rumänien rc. zur Herrschaft kamen. Ob ein Engländer oder ein Deutscher Herzog von Gotha ist, bleibt für die socialen und politischen Zustände des Landes gleickgiltig. Die liberalen Schwätzer aber, die etwa von der „constitutionellen Erziehung" des englischen Prinzen viel Rühmens machen, scheinen nickt zu misten, daß die Reaction auch unter englischer Herrschaft in Hannover geblüht hat und daß England seine Volks rechte und seine Freiheit hat nicht durch die Könige, sondern trotz der Könige und gegen die Könige, die heute nichts mehr sind, als die gutbezahlten „WistandSdamen" der Bourgeoisie, die politisch „nix lo fragen haben". Der „Reichsbote" wird bieranö crscke», wie wenig glücklich gerade von conservativer Seite die Anstininiung einer Klage darüber war, daß die deutsche Verfassung keinen Strich durch das Erbrecht »ichtdeutscher Prinzen auf deutsche Throne gemacht bat. Diese Klage hätte gerade der „RcichSbotc" Anderen überlassen sollen. Ucbrigcns ist der „Vorwärts" im vollen Rechte, wenn er daraus binweist, daß ähnliche Klagen in Deutschland nicht erhoben worden lind, als deutsche Prinzen in Bulgarien, Rumänien u. s. w. zur -Herr schaft gelangten. Und gerade um solchen von anderer (seile erhobenen Klagen die Berechtigung zu cntzieben, dürfte der Vater der deutschen Reichsverfassung, Fürst Bismarck, darauf verzichtet haben, die Frage der Ausländer aus deutschen Thronen in der Verfassung nicht zu lösen. Es hatte allerdings einmal den Anschein, als ob er eine solche Lösung beabsichtige; aber da er diesen Plan — wenn ein solcher wirklich bestanden hat — wieder fallen gelassen, so wird sich Wohl auch das gegen fremden Einfluß auf die deutsche Politik mißtrauischste Gemuth der Sorge entschlagen können, daß die „Verwandlung eines englischen Prinzen und Admirals in einen deutschen Fürsten" Unzuträglichkeiten im Gefolge haben müsse. Tie schon wiederholt von uns erwähnte Angelegenheit de» rumänischen Bischofs Pavel in Großwardein hat insofern eine entscheidende Wendung angenommen, als, wie bereit« telegraphisch gemeldet, der des LandcSverrathS verdächtigte Bischof de» ungarischen Minister des Innern, Hieronymi, aus dem Drahtwegc gebeten hat, die Untersuchung gegen ihn cinzulciten. Mittlerweile ist auch das Großwardeiner Domcapitel in einem Schreiben an den dortigen Bürger meister für seinen Bischof eingctreten und stellt in Abrede, daß die betreffende Eurrende desselben Len ihr von einigen Blättern imputirlen Inhalt gehabt babc. In dem Schreiben wird auch die incriiniilirte Stelle wörtlich angeführt, um darzuthun, daß dieselbe sich nickt gegen den Gebrauch der ungarischen Sprache in religiösen Dingen richtete, sondern die Aneignung der Kenntniß des Lesen- und Schreibens im Rumänischen oder Russischen als der „Kirchensprache" nur insofern als wünschenswcrth erklärte, als dieselbe zu diesem Zwecke un erläßlich erscheine. Dem Wortlaute der Eurrende gemäß soll auch der Religionsunterricht in ungarischer Sprache ertheilt werden können, während die übrigen Gegenstände in Leu Schulen ausschließlich in ungarischer Sprache vorgetragen werden. Mittlerweile hat der Vilaqoscr griechisch-katholische Pfarrer Paschkutz im „Arad öS Pidskc" einen Schmäbarlikcl gegen Pituk, den Verfasser der gegen Bischof Pavel gerichteten Broschüre, veröffentlicht, worin er denselben der Heuchelei anklagt, ihn als einen wüthcnden Ungarnfeind binstellt, der jetzt jeine wahren Gesinnungen nur verberge, weil er dadurch Geld und eine Verbesserung seiner Stellung erwartet. Pituk bat sich gegen diese Insinuationen verwahrt und erklärt, daß er seinen lügnerischen und verleumderischen College» öffentlich peitschen werde. Wie man sieht, hat dcr Scandal bereit« einen bedenklichen Umfang angenommen. Die eclatante Wahlniederlage der französischen Socialdemokraten wird seitens der republikanischen Blätter als clwaS ganz selbstverständliches behandelt, als ein Ergebniß, das nur da überraschen konnle, wo man von den wahren politischen Neigungen des FranzoscnvolkcS keine Ahnung habe. So sehr begreiflich die Genugthuung der maßgebenden Kreise jenseits der Vogesen über das FiaSco der Pctrolcumapostel erscheint, so fragwürdig bleibt dock dcr Versuch, aus besagtem Fiasco einen Beweis für die fortgeschrittene politische Reise der französischen Kammerwählcr abzuleiten. Tie Franzosen stehen mehr als andere Menschen unter deni vorübergehenden Einfluß plötzlich anhcbcnder und plötzlich aufhörendcr Gemüthsailfwallungen. Das Gemetzel von AigueS-Morles kam den Wahlmachern so gelegen, als wäre es eigen- von ibncn behufs Slimmungsmache angezettelt worden. Tenn schon der bloße Schimmer der Möglichkeit internationaler Verwickelungen aus Anlaß dcr Grvßthatcn des französischen ArbeilerpöbelS in Aigues-Mortes reichte hin, alle Franzosen enger aneinander zu schließen und viele Streitigkeiten der Republikaner mit einem Schlag vcrslumnien zu machen, die in derHitze des Wahlkampfes vorgctragen, sehrleicht dem Prestige des herrschenden RcgicrungSsystems hätten vcrhängnißvoll wer den können. So stolz im Allgemeinen der moderne Franzose auf dieErrungenschaflen dcr großen Revolution ist, sowenig will man von einer Wiederauserweckung vergangener Zeiten und einer Wiederauffrischung ihrer Greuel in Frankreich selber etwas börcn. Daß trotz des PanamascandalS und seiner tendenziös agitatorischen Ausbeutung die socialtemokratischen Mandats bewerbcr säst überall mit Protest zurückgeschickt wurden, zeigt, wie koch oder wie tief in der allgemeinen Schätzung der Franzosen die socialdemokratischen Hetzlehren bewerlhcl sind. Die letzte Lesung der irischen Homerule-Btll im englischen Untcrhause ist, wie au« einem von uns unter London mitge- theilten Telegramm ersichtlich, auf Mittwoch festgesetzt, nach dem die Regierungsmehrheit des Unterhauses in der qcstrigen Abstimmung glücklich bis auf 38 gesunken ist. Im Obcrhause beginnt die Debatte über die zweite Lesung der Vorlage am 4. September, nach anderen Nachrichten gar erst am l l. September. Was das Schicksal der Homerule-Vorlagc im Oberbausc betrifft, so ist eine Ansprache bemerkcnSwerth, die am 24. August in Otley (Dorkshire) der Herzog von Devon- shire an eine Unionistenversammlung gerichtet. Im Verlauf dieser Ansprache sagte der -Herzog: Es werde ihm demnächst die Ausgabe zufallen, im Obcrhause die Verwerfung der Homerule-Vorlaqe zu beantragen. Diesen An trag werde er mit drei Gründen rechtfertigen: Daß die Vor lage unverbesserlich schlecht in ihrem Grundgedanken wie auch in ihren Einzelbcstimmungen sei, daß sie im Unterhause nicht die erschöpfende Erörterung, die ihre Wichtigkeit erheischte, gesunden habe, ferner daß Niemand wisse und wissen könne, ob Grundgedanke und Einzelbcstimmungen dcr Vorlage die Zustimmung einer Mehrheit deS britischen Volkes hätten. Das Oberhaus werde verlangen, daß die Homerule- Frage nochmals dem besonnenen unparteiischen Urtbcile des britischen Volkes in klarer ver ständlicher Weise unterbreitet werde. Das Ober haus sei freilich nicht befugt, die Auslösung deS Parlaments zu erzwingen, aber es werde die Annahme der Homerule- Borlage verweigern, bis daS Land sich darüber endgiltig geäußert haben werde. Nach einem Hinweis auf die Bei behaltung der irischen Abgeordneten im Reichsparlament schloß der Redner. Sollte Homerule für Irland jemals Gesetz werden, dann würden die Unionisten Homerule für Eng land beanspruchen und daraus bestehen, die Gestaltung ihrer eigenen Gesetze, die Ernennung ihrer eigenen Verwaltung und die Ausrichtung und Vertheidigung ihrer Freiheiten in eigenen Händen zu behalten. Der dänische KriegSministcr Bahnson hatte, wie jetzt die „NyborgS Avis" mittheilt, in diesem Sommer eine Com mission höherer Osficiere zur Erwägung der Frage nieter gesetzt, wie weit die Ersparungen im militairischen Budget, die von Seiten dcr Linken als Bedingung eines Vergleichs gestellt zu sein „scheinen" und bei Nechtenmännern Fürsprache gesunde» haben, ohne Gefahr für die dänische Vcrthei- digungskraft sich auSsübrcn lassen. Die Commission hat sich „ganz auf des KriegSministerS Standpunct gestellt". Da nun dieser selbst die Erklärung abgegeben hatte, daß vielleicht auf einigen Posten des Budgets Ersparungen gemacht werden könnten, um die etwa 600 000 Kronen, die er seit Iabrcn zur Erweiterung der Cadrcs der Artillerie und zur Verstärkung des IngenicurcorpS gefordert hat, ohne neue Belastung des Budgets zu gewinnen, so läßt sich jene etwas dunkle Aeußerung über daS Ergebniß der Commissicn dahin verstehen, daß diese dem Minister beigepflichtet und einige Puncte für mögliche Herabsetzungen bezeichnet habe. Die ganze Mittheilung ist aber so vorsichtig gehalten, daß wahrscheinlich die Zugeständnisse sehr knapp und unter ver schiedenen Voraussetzungen gemacht sind. Das Bevorstehen eines Ausgleichs daraus zu folgern, wäre voreilig, schon weil mehr Puncte des Streits als jener eine vorliegen. Auch Prof. Matzen äußerte in der neulich in AarhunS gehaltenen Versammlung, daß der Ausgleich vielleicht noch längere Zeit auf sich warten ließe. Für die Kopenhagener LandbefestigungS- anlagen an der nördlichen Front ist übrigens am Ende der vorigen Woche eine Menge Kanonenmatcrials aus Krupp'S Gußwcrkcn an Ort und Stelle angekommen. Die chinesische Regierung scheint keineswegs gesonnen, dl« Beschränkungen, welche ihren Landeskindern in den Ber einigten Staaten von Nordamerika aufcrlegt worden sind, so ruhig mit anzusehen. Eine von uns bereits wieder- gcgcbene Meldung aus Washington besagt nämlich, der Vicekönig Li-Hung-Tschang habe dem Präsidenten Cleveland mittheilen lassen, die in China lebenden Amerikaner würden bis zu der nächsten Con- greßsession Schutz finden, in der Erwartung, daß die Geary-Acte, welche die Chinesen so sehr bedrücke, abgeändert werden würde. Mit Recht hält man in Amerika diese Mittbeilung für eine Drohung. Li-Hung-Tschang hatte schon gleich nach Erlaß des Chinesengcsetzcs und nach dem Verbot fernerer Ein wanderung erklärt, China könne eine solche Verletzung seiner Rechte nicht dulden. Acnderten die Bereinigten Staaten ihre Gesetzgebung nicht, so würden die Amerikaner aus China auSgewiescn werden müssen. Auch wurde schon im Früh jahr eine SchifffahrtSacre erlassen, welche die amerikanischen Schiffe von der chinesischen Küstenschifffahrt auSzuschlicßen geeignet war. DaS Tsung - li - Damen in Peking hatte auf eine Beschwerde einfach entgegnet, die Regierung in Washington habe durch den Erlaß deS Chinesengcsttzr« den Handelsvertrag von 1880, der den Nordamerikanern die Begünstigung cinräumte, für ihre Schiffe im chinesischen Zwischenbanvel keine anderen und keine höheren Zölle zu zahlen, als die einheimischen Fahrzeuge, einseitig gebrochen. Bei den wichtigen Handelsbeziehungen zwischen den Ver einigten Staaten und China wird sich der Washingtoner Congreß wohl zu einer Aenderung dcr Anti-Chinesenbill hcrbeilassen muffen. Deutsches Reich. 6. U. Berlin, 25. August. Am S. September werden sicherlich in einigen hundert Städten und Orten Jubel» feierlichkeiten veranstaltet werden, die einem Ereigniß gelten, das von manchen Seiten nicht genug gewürdigt worden ist. Am 9. September sind 25 Jahre verflossen, seit die deutschen Gewcrkvereine in« Leben gerufen wurden. Die Hoffnungen, welche.man an diese Gründung knüpfte, sind zwar nicht alle in Erfüllung gegangen; aber 50 000 Arbeiter und mehr sind gegen das ViebeSwerben der Socialdcmokratie gefeit worden, haben stellenweise ganz vortreffliche Unterstützungscasscu ins Leben gerufen und manche Thräne ist durch daS Wirken der Gewerkvereine getrocknet worden. Vor mehreren Jahren schien eine Katastrophe den Verband treffen zu sollen, al» der Gewerkverein der Porzcllanardeiter seinen Austritt auS demselben erklärte; aber durch unermüdliche Agitation ist dieser Verlust an Mitgliedern wieder ausgeglichen worden, und beute geht eS mit Riesenschritten vorwärts. Die letzten AgitationS- touren, welche Mitglieder des Centralraths unternahmen, waren von großem Erfolge begleitet, überall entstanden neue Ortsverbände, und cS sind nicht die schlechtesten dcr Arbeiter, die sich in denselben zusammengefunden haben. Mit den Iubelfeierlichkeiten am 9. September dürften auch AgitationS- tourcn verbunden werden. Zur Feier selbst ist vom Anwalt Dr. Max Hirsch eine Festschrift versaßt worhen, die demnächst zur Ausgabe gelangen wird. DaS BercinSblatt, „Dcr Gewerkverein", wird in festlichem Gewand erscheinen. In Berlin wird die Feier in dcr Philharmonie begangca werden. Die Socialdcmokratie ergießt natürlich ihren Hohn und Spott über diese „Harmonie-Apostel"; sie kann e- nicht verschmerzen, daß immer breitere Schaaren von Arbeitern sich finden, die, auf dem Boden dcr heutigen Staatsordnung Fättilletsn. Sein einziges Gut. 2j Roman von B. Corony. Nachdruck »erboten (Fortsetzung.) Lange noch hielt Gisbert sie umfaßt. Erst als der zarte Körper allmälig immer schwerer wurde in seinen Armen, lezte er sie so sanft in die Kissen wie ein schlummerndes Kind, kniete neben dem Lager nieder, küßte den erkaltenden Mund und drückte die brennende Stirn auf die weißen Hände dcr Entschlafenen. Ein Schrei, der auS keiner Menschenbrust zu kommen schien, löntc vom Fenster her und ließ ihn emporfayren. Kaum eine Secunde sah er in das todtbleiche, furchtbar entstellte Antlitz Rainer'-, der mit beiden Händen die Zweige zurückgcrisscn batte und auf die regungslose Gestalt starrte. Im nächsten Augenblick war die Erscheinung verschwunden, wie eine gräß liche Vision. HanS stürmte einem Tobsüchtigen gleich in daS Dickicht hinein. So lange Hildegard noch unter diesem Dache schlief, wollte er seinem Feinde nicht entgegcntreten. Hinter einer Gruppe mächtiger Linden warf er sich stöhnend auf daS feuchte GraS nieder. Tobt! — Gestorben, weil die Sehnsucht ihr da« Herz brach! Die Sehnsucht nach dem Manne, der sie — ach! — nicht halb so anbetete wie er — wie er, vor dem sie immer zitterte, weil seine Liebe eben so wild und unbändig war wie sein Haß. O Hildegard! Hildegard! Es batte ihn oft in maßlose Wutb versetzt, wenn sie sich so scheu und ängstlick aus seinen Armen wand, Thräncn in den großen blauen Kinderaugen, wenn sie auf alle seine heißen Liebesworte nichts zu erwidern wußte — aber sie war doch wenigsten- daHewescn. Er konnte ibrcn leichten Tritt, ibre weiche, schüchterne -Ltimme vernebmen, sic athmetc dieselbe Lust mit ibm, sein Blick suchte sie niemals vergebens — und jetzt — jetzt — Ganz in seinen unncnnbaren Jammer versunken, überhörte der Verzweifelte den Schall näberkommender Schritte, sprang aber plötzlich wie von einer unsichtbaren Faust cmporgerissen aus, als sein Name gerufen wurde und er Hohenfels vor sich stehen sah. „WaS wollen Sir? WaS führt Sie jetzt gerade hierher? Wir beide dursten uns in dieser Nacht nicht mehr begegnen!" ries er mit drohender Stimme. „Wir müssen es, denn ich habe eine Pflicht zu erfüllen", er widerte dcr Freiherr. „Lassen wir den alten Groll fahren. Dieses bittere, gemeinschaftliche Weh soll uns zu Freunden machen." „Freunde — wir beide? DaS ballen Sie doch wohl selbst nicht für möglich" preßte HanS hervor, ohne die dargcbotene Hand zu berühren. „Zwischen unS kann niemals von Ver söhnung die Rede sein!" „Es war der Wunsch der Heimgegangenen" . .. Rainer schüttelte wild den Kops. „Ich brachte ihr das größte Opfer, dessen ich fähig bm. UebermenschlicheS vermag ick nicht. Wie können Sie von gemeinschaftlichem Weh sprechen und Ihr Leid dem meinen vergleichen? Wenn Sie einst die Geliebte verloren, war es Ihre eigene Schuld. Warum wußten Sie nicht mit aller Kraft um sic zu kämpfen, warum galten Ihnen nichtige Standesvorurlbcile mehr als ihr Besitz? Gemeinschaftliches Weh! Vermögen Sie auch nur annäbernd zu ermessen, was sich in diesen sechs Iabrcn an Haß und Bitterkeit in mir angesammelt hal und mit welchen Empfin dungen ich Sie beute durch den Wald geleitete? Raubten Sie mir nicht die letzte Lebensstunde, daS letzte Wort, den letzten Blick meines WeibeS, sie gleichsam noch über das Grab hinaus als Ihr Eigcnlhum betrachtend? — Und jetzt soll bcigelegt, Alles vergeben und vergehen sein, weil es Ihnen cinsälll, mir die Hand zu reichen? Lassen Sie da«, Herr von Hohenfels! Hätten Sie die nun Entschlafene mit solcher Gluty geliebt wie ich, so müßten Sie selbst wissen, daß ich nie etwas Andere- für Sie empfinden kann als den tiefsten Haß. Soll ick Ihnen einen Rath geben, so ist eS der: kreuzen Sie meinen Weg so wenig als möglich!" Eine unverkennbare Drohung klang auS diesen Worten. Stolz wandte der Freiherr sich ab. Um der Tobten willen hatte er den ersten schweren Schritt deS Entgegenkommen- gethan. ES war nicht seine Schuld, wenn die alte Feindschaft dennoch bestehen blieb. Noch einmal nach dem Fenster blickenv. binter welchem Hildegard ausruhte von dem schweren, bangen Erdenleben, verließ er den Edelbof Wenige Minuten später verhallten die Husschläge seines Pferde- im Walde. 2. Capitel. Ein herrlicher Morgen bracb an. Vom Walde her quoll erquickende Frische. Mil melodischem Geläut zogen die Herden hinaus ins Freie, und am Brunnen standen die Mägde, füllten ihre Krüge und erzählten sich flüsternd, daß der Tod nun ein gezogen sei im Edelhos und daß auf daS hübsche Gut auch eigentlich eine ganz andere Frau gehöre, die die Hände tüchtig n rühren Wille und dcr Wirthschast ordentlich vorsteben önnc. Im Lause des Tage« wurden viele Blumen gesandt und auch dcr Gärtner vom Schlosse brachte einen prachtvollen Kranz. Rainer's Mutter nabm alles entgegen. Er war für niemand sichtbar. In finsteres Dahinbrütcn versunken, starrte er aus sein todtcS Weib, daS so wundersam zart und kindlich auSsah und so selig lächelnd gestorben war. Er wich nicht von ihrer Seite, legte sie selbst in den Sarg und gab ibr weiße Rosen in die Hände. Er wachte auch die beiden folgenden Nächte bei ihr; aber als die Stunde kam, wo sie den Edelhos ver lassen sollte, um aus dem kleinen Friedhof zur Ruhe gebettet zu werden, schloß er sie nicht, wie man wohl erwartet hätte, in seine Arme, und als die Mutter fragte: „Willst Du sic nicht küssen zum Abschiede?" schüttelte er stumm den Kopf und wandte sich ab. Nein, ihre Lippen wollte er nimmermehr berühren. Ibm war sie doppelt verloren, und wenn der srommc Glaube an ein Fortlcdcn nach dem Tode nicht täuschte, so konnte ihm auch daraus kein Trost erwachsen, denn ihre Seele batte niemals ihm gehört. Brennendheiß stieg cS bei diesem Gedanken in seine Augen, aber sie wurden dennoch nicht stuckt, und sein Blick irrte düster und drohend nach der Richtung hinüber, in welcher sich die schlanken Thürme des Gutes Hohenfels erhoben. Er folgte dem unter duftenden Gewinden fast verschwin denden Sarge und blieb, bis de» Hügel sich über denselben wölbte. Aber sein Antlitz sah gleichsam versteinert aus, und auch die Worte de« Priesters, dcr von „Wiedersehen" sprach, vermochten daS unnatürlich Starre seines Schmerzes nicht in Weichheit hinzuschmclzen. Stumm und finster, wie er gekommen, kehrte er auf de» Edelhos zurück. — Wie still und einsam cS jetzt hier war! Seltsam: Hildegard batte nie gelacht oder gesungen, sie war immer wie ein Schatten durch daS Haus geglitten und bestrebt gewesen, sich so wenig al- möglich be merkbar zu machen, aber nun schien eS doch, als wäre mit ihr alle- Leben a»S den Räumen gewicken. Nur die Mutter schaltete und waltete wie sonst. Wenn sie in seine Nähe kam, reichte sie ihm die Hand und sab aus, als hätte sic gern einige gute, tröstende Worte gesagt, allein dann wandte er sich ab, und sie ging seufzend ihrer Wege weiter und sorgte dafür, daß da- Getriebe de» Haushaltes nicht etwa irgendwo ins Stockei. gerathc. Hans aber irrte wie ein ruheloser Geist von Zimmer zu Zimmer. Er wollte nicht vergessen, sondern versenkte sich vielmehr mit wahrer Wollust in seinen Schmer» und in die aus demselben entspringende Empfindung eine» von Minute zu Minute wachsenden Haffes gegen Gisbert von Hobensels. Vielleicht würde sie <S doch eines TageS cingcsehcn haben, wie unaussprechlich er sic liebte, und ihm auch ein wenig gut geworden sein, wenn der Mann dort drüben nicht gewesen wäre. O, daß er ihn nur einmal eben so tief inS Herz treffen, eben so unbeilbar verwunden und um Glück und Frieden bringen könnte! Daß er ihn eben so elend, so um alle Hoffnungen betröge» wüßte, wie er selbst cs ist! Seine geballte Hand siel schwer aus die Lehne des Armstuhles nieder, und der Ausdruck seiner Züge batte etwas Furchtbare-. Doch was war das? Klang eS nickt wie leises, ängst liches Weinen? Nicht doch. Sie, die seine Heftigkeit oft er schreckte, lag ja wohlgcborgen unter dcr tuslendcn Blumen- decke, und koch über ibr wiegten sich die Lerckcn jubelnd in den lauen, sonnig durchglänztc» Lüsten und schwebten immer höbcr und höher empor, als wollten sie den Weg aus Grabes dunkel zum ewigen Lichte zeigen. Er war allein. Und dennoch nickt! Tort — im Winkclchcn kauerte eine winzige, schwarz gekleidete Gestalt. Eine schimmernde Fülle goldbrauner Locken umwallte ihre Schulter», und sie sab zu ihm aus mit den großen, blauen, scheuen Augen der Verstorbenen. Da riß er sie empor an seine Brust und küßte sie heiß und leiden schaftlich. Das Kind, die kleine Hildegard, so genannt nach dcr Frübentschlasenen, war sein. Das holde, unschuldige Gc- schöpschen gehörte nur ihm, und er wollte es auch behüten, wie seinen letzten Schatz, wie daS einzige Wesen, daS jetzt noch eine sanft klingende Saite in seinem Innern zu rühren vermochte. ES fürchtete sich auch nicht mehr vor ihm, sondern schmiegte sich in seine Arme und legte die sammetirciche Wange schmeichelnd an sein bleiches, bärtige- Gesicht. „So reckt, HanS!" sagte Frau Rainer, die eben eingctreten war, um die Kleine in holen. „Sie wird Dich schon wieder auSsöhnrn mit dem Leben. Gönne dcr Armen, die unS ver lassen bat, ibrcn stillen Frieden. ES wäre ihr doch nie Wohl geworden. Aus dieser Welt giebt eS nun einmal gar viele scharst Ecken und Kanten, und wer sich nicht wund daran stoßen will, darf kein gar zu weickeS, zartes Gcmüth baben. Ich will dazu helfen, daß unser Liebling zu Deiner Freude beranwächst und ein kräftiges, heitere» Menschenkind wird» dem eS wohl gefällt aus der schönen Erde." Von diesem Augenblicke an übertrug Han» seine ganz«
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