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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930828024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893082802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893082802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-08
- Tag1893-08-28
- Monat1893-08
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Nogge aus Potsdam bei der Grunvst einlegung dcrProtcstationS- kirche unter stürmischem Beifall eine Rede gehalten, die sich zwar nicht direct gegen die Bestrebungen der Kreuz- zeitungsparlci richtet, aber indirect eine scharfe Berurtheilung dieser Bestrebungen enthält nnd deshalb den Gegenstand lebhafter Erörterungen auch in der politischen Presse bilden wird. Ter Schluß dieser Rede lautet: „Wir sprechen es heute nochmals aus, was vor drei Jahren an dieser Slätte gesagt worden ist beim ersten Spatenstich für diesen Grundstein, und laut möge es hinaus- schallcn in alle deutschen Lande: Wir wollen Frieden halten mit unseren katholischen Mitbürgern allerwäris, aber wir protestiren dagegen — und um mit den Worten des alten Reichskanzlers zu reden: eingeschworen aus das weltliche Kaiserthum —, daß die Leitung in Staat und Reich abhängig und auch nur beeinflußt werde von einem politischen Katholicismus, dem die Inte» ressen der katholischen, der römischen Kirchehöher stehen, als die deS deutschen Vaterlandes (leb hafter Beifall). Wir protestiren gegen einen vaterlands losen Katholicismus, der zwar deutsck redet, aber nicht deutsch denkt, der sein Vaterland jenseits der Berge hat und sich kein Gewissen daraus macht, die Forderung der Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes wieder auözusprcchcn, selbst auf die Gefahr hin, einen Weltbrand dadurch zu entfesseln und den Frieden in Frage zu stellen. Wir protestiren gegen die Rück kehr der Jesuiten und sonstiger Orden, weil wir wissen, daß mit ihrer Thätigkeit der confcssionellc Friede in unserem Vaterlaude unvereinbar ist. Wir protestiren gegen den unduldsamen Katholicismus, der unS die Berechtigung absprechen will und der sich einschlcicht in das Hciligthum der Ehe und der Familie, insonderheit in der Frage der Misch ehe. Wir protestiren gegen jeden Versuch, die Freiheit der deutschen Wissensckast in ihrer Forschung einzuengen, weil wir in dieser Freiheit der Bewegung auch ein theures Kleinod sehen. (Bravo.) Wohlan denn, so möge dieser Grundstein, Len wir gelegt haben, und daS GotlcShaus, das über ihm sich erheben soll, für unsere Nachkommen ein Denkmal werden der göttlichen Treue, das verheißungsvolle Sinnbild einer geheiligten deutschen evangelischen Kirche und das Wahrzeichen emeS fortgesetzten erneuten Protestes gegen jede Verleugnung der rcformalorischen Grundsätze, von deren treuer Bewahrung die Zukunft unseres Volkes und wohl auch der Bestand des Deutschen Reiches abhängt." Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Berurtheilung auch den Beifall solcher katholischer Männer von ausgezeichnetem Charakter findet, die nach dem Zeugnisse des Herrn vr. Lieber auch in den glänzendsten Zeiten des CentrumS sich von diesem fern gehalten haben. Um so betrübender und niederschlagcnder ist es, daß eine protestantische Gruppe von der Gesammthcit ihrer Glaubensgenossen sich loslöst und Anschluß an das von so vielen ausgezeichneten Katholiken gemiedene Centrum sucht, um von diesem gegen Concessioncn Unterstützung bei politisch- reactionären Bestrebungen und besonders bei dem Versuche zu erlangen, die Freiheit der deutschen Wissenschaft in ihrer Forschung einzuengen. Hoffentlich erweist der von Speyer auSgegangene Ruf sich mächtiger und wirkungsvoller, als die Werbungen der „Kreuzzcitung" und ihrer Hintermänner. Hoffent lich erkennen auch die Lenker des neuen CurseS an der stürmischen Zustimmung, die dem Redner in Speyer zu Theil wurde, daß von einem großen und wahrlich nicht dem schlech testen Theile der deutschen Protestanten niemals eine Politik unterstützt werden wird, die, abhängig oder auch nur beeinflußt ist von einem politischen Katholicismus, dem die Interessen der katholischen, der römischen Kirche höher stehen, als die des deutschen Vaterlandes." Die Führer der jungkjrchischrn Partei in Böhmen haben in der letzten Zeit manche herbe Enttäuschung erlebt. Zu Denjenigen, welche ihnen das Leben so schwer wie möglich machen und sie der Bekämpfung des Deutschthums nichl recht mehr froh werden lassen, gesellen sich neuerdings auch die Landleute und die Socialdemokraten. Was die Letzteren betrifft, so versuchten die jungczechischcn Partei häupter die Arbeiterschaft durch ihr Eintreten für das allge meine Stimmrecht zu ködern Tie Arbeiterschaft will indeß auf diesen Köder nicht anbeißen, die große Mehrheit der czeckisckcn Arbeiter gehört der Internationale an und der Rest blickt mißtrauisch aus die Politiker, welche daS Problem einer Vereinigung des Staatsrcchts mit dem allgemeinen Stimm recht lösen wolle». In Pilsen, in Prag und in anderen Orten erklären die czeckischen Arbeiterführer, daß sie von den Jung- czechen nichts wissen wollen, weil diese den Mund stets voll nehmen, über die Phrase aber nicht hinaus kommen. Der czechische Arbeiter Böhmens bat sich von den politischen Parteien emancipirt; die Vorgänge der letzten Zeit, sowie die enger geknüpfte» Beziehungen zur großen Internationale haben ihn zum Bewußtsein seiner Kraft gebracht, er will nicht mehr politische Helsersdienste leisten, sondern Politik auf eigene Faust machen, und diese Politik ist identisch mit jener der „Unabhängigen", die in Zürich von den Opportunisten an die Luft gesetzt wurden. In dieiem Sinn lautet auch die Resolution, welche gleich nach den Züricher Vorkommnissen von den Arbeitern in Prag gefaßt wurde und den Jungczechen jede Hcerfolge verweigerte, bei welcher Gelegenheit der eigentliche Führer der Jung- czecken, vr. Julius Gregr, schlecht genug wegkam. Selbst verständlich sucht man jungczechischerscitS den Abfall zu Verbindern oder wenigstens zu maSkiren, und so unbequem die eigene Erfindung vom allgemeinen Stimm recht auch geworden ist, so muß dieselbe schanden halber aufrecht erhalten und bei jeder Gelegenheit als politisches Heftpflaster angewendet werden. Damit ist aber wieder die Bauernschaft nicht zufrieden, und diese ist heute, wo das allgemeine Stimmrecht noch nicht eingeführt ist, viel gefährlicher, da sie drei Dutzend Landtagsmandate und halb so viel Reickstagsmandale zu vergeben hat. Das Organ des czechischen Baucrnführers und nunmehrigen Reichöralhs- candidaten Alfons Stiastny, der übrigens auf Gregr sehr schlecht zu sprechen ist, richtet denn auch an die jungczechische Parteileitung ein Ultimatum, in welchem er ihr androht, daß die Wähler zur rechten Zeit sich aufraffen und der ganzen Komödie, die mit ihnen ge trieben werde, ein Ende bereiten würden. Einerseits sind also die Jungczechen in ein socialistisches Fahrwasser geratbe», ohne die Socialisten zu gewinnen, die sie nur als höchst unfruchtbare Kathedersocialisten anseben, andererseits haben sie aber ihre wichtigste Stütze, die Landbevölkerung, von sich abgestoßen; es bleibt ihnen demnach nur die kleinbürger liche Bevölkerung, und diese wird endlich auch zur Be sinnung kommen. Die Meinungen, die über den Ausfall der allgemeinen Wahlen in Frankreich ausgesprochen werden, weichen stark von einander ab. Jede einzelne Partei schreibt sich so viel Stimmen als nur möglich zu und versucht sich stärker darzu stellen, als sie in der Tkat ist. Man muß das Ergebuiß der zahlreichen engeren Waylen abwarten, bevor man zu einem endgiltigcn Urtheil über dieZusammensetzung der ncuenKammer gelangen kann. Aber schon fetzt sind gewisse Schlüffe gestattet. So ist z. B. die boulangistische Partei gänzlich vom Schauplatze geschwunden. Andererseits haben dicPanama- Scandale die Wähler offenbar nicht stark beeinflußt, denn die meisten der in dieser Angelegenheit verwickelten Politiker wurden wieder gewählt, wie z. B. Nouvier. Auffallend ist, daß auch Herr Wilson, bekannt wegen seines Schachers mit den Orden der Ehrenlegion, gewählt wurde. Hingegen wurden hervorragende Redner, wie Herr Piou und der Graf de Mun (beide zur Partei der Ralliirten gehörig) nicht gewählt, vielleicht deshalb nicht,weil ihre politischen Ansichten zuwenig radical erschienen. Die Socialisten haben nicht viel neue Stemmen gewonnen. Allerdings wurde einer ihrer bedeutendsten Führer, Jules GueSdeS, gewählt. Die Regierung wird vielleicht in der neuen Kammer leichter als in der alten eine Mehrheit finden und zwar in der Gruppe der republikanischen Concentration. Schließlich darf man sagen, daß die Wabien in keiner Weise durch irgend eine markante politische Richtung gekennzeichnet waren. Sie ver liefen mebr ober weniger in den alten Gleisen, ohne neue politische Ideen zu Tage gefördert zu haben. Schon wiederholt haben wir darauf binzewicsen, daß die Bevölkerung der West indischen Besitzungen der Krone LpanicnS mit der Regierung dcS Mutterlandes äußerst un zufrieden ist und schon seit langer Zeit nichts mehr herbei- sehnt, als die LoSreißung von Spanien. Besonder- gilt dies von den Cubancrn. Spanien hat, wie bekannt, es nie verstanden, die eroberten außereuropäischen Länder coloni- satorisch zu verwalten, und hat daher auch die meisten dieser Besitzungen bereits verloren. Eine der wertb- vollsten der ihm noch verbliebenen ist aber Cuba, und dort ist die Abneigung der Bevölkerung gegen das spanische Joch jetzt stärker als je. Die betreffenden Meinungs verschiedenheiten zwischen Cuba und dem Mutterlandc ergeben sich hauptsächlich aus den Handelsinteresscn, die ein ander derart gegenüberstehcn, daß die Möglichkeit einer Ver söhnung in weiter Ferne liegt, umsomehr als beide Länder mit ihren Produkten nicht im Tauschvcrkehr stehen, sondern auf dem Handelsmarkt vielfach mit einander wetteifern. So hat Spanien z. B. seit längerer Zeit angesangen, Zucker auö Rüben berzustcllen, und dieEiiffuhr von Zuckerrohr aus Cuba verboten. Letzteres ist somit gezwungen, andere Märkte auszusuchen, und bat solche in den Vereinigten Staaten gesunden. Den Nordamerikanern ist cS wiederum ge lungen, Einfluß in Cuba zu gewinnen und einen großen Theil ihrer Eisenwaaren und Maschinen nach dort hin auszuführen. Um nun die „Perle der Antillen" nickt ganz zu verlieren, hat Spanien eine nackgiebigere Politik eingeschlagen, indem es den Wünschen der Cubaner, die eine Art Selbstregieruiig erstreben, nachzukommcn gewillt ist. Es wird die Insel unter die Verwaltung eines „GcneralrathS" stellen, dessen Mitglieder lheilS von der spaniscken Krone, thcils von den Eingeborenen gewählt werden. In Spanien selber ist diese Absicht der stiegierung mit Begeisterung begrüßt worden, da man auf diese Weise die Colonie wieder dauernd an das Mutterland zu fesseln gedenkt: wie weit die Cubaner sich selber von der neuen Verwaltung Erfolg versprechen, wird die Zeit lehren. Im englischen Oberhause gelangt die Home Rule- Bill am 4. Sept., wie bereits telegraphisch gemeldet, zur ersten Lesung. Diese erste Lesung ist indeß im Hause der LordS nichts weiter als eine bloße Formsache und eine Debatte wird erst bei der zweiten Lesung erfolgen, die, nachdem Lord Salisbury, der Führer der Opposition, von seinem Land- sitze bei Dieppe nach London zurückgekehrt, auf den 5. Sept. angcsetzt ist. Welches Schicksal der Vorlage im Hause der PairS bcvorsteht, weiß man bereits. DaS Oberhaus wird drei Tage lang die Bcrathuiig forlspinnen und am 8. Sept. zur Abstimmung schreiten. Dann wird man endlich Ruhe vorder Home Rule-Bill haben und es wird Allen, die irgendwie mit dem Parlament im Zusammenhang stehen, leichter ums Herz werden. Für diese Sesston^ist die Sache aus der Welt geschafft, und waS die nächste Session in ihrem Schooße birgt, darüber braucht man sick beute den Kops noch nicht /zu zerbrechen. Die arme», sehr müden Mitglieder des Unterhauses bedauern nur, daß die Regierung bei ihrem Plane verharren will, die Sitzungen nickt für diese Session zum Abschluß zu bringen, sondern nach Erledigung des Ausgabebudgets daS HauS einfach bis zum Beginne des Novembers zu vertagen, um dann noch andere ihrer Vorlagen zur Berathung zu bringen. Man wird daher kaum fünf Wochen der Erholung widmen können und dann bis Weihnachten wieder im St. StepkanS-Palast zu Westminster seine Zeit ver bringen müssen. WicktigeS wird das Unterbaus dann auch nickt erledigen, denn die bedeutenden Gesetzentwürfe sieht die Negierung sich gezwungen, fallen zu lassen. Aber cS muß etwas für die englische Gesetzgebung geschehen, um die Radikalen zu befriedigen. Den Wählern muß etwas Andere» als Home Rule geboten werden, sagen sie und die Agenten der Regierungspartei in den Provinzen. Wie man unS aus Konstantinopel meldet, entstanden die letzten Unrubcn auf der Insel Tauioö, »ach den neuesten in der türkischen Hauptstadt eingelaufencn Nachrichten, durch die Kundmachung der Einführung einer neuen Abgabe für die Weinproduction. Die Weinausfuhr der Insel beträgt jährlich ungefähr eine Million Gulden, daS ist mehr alS 50 Proc. der ganzen übrigen Ausfuhr. Gegen die neue Abgabe, deren Einführung in Abwesenheit deS Fürsten Karalheodori Pascha verlautbart wurde, demonstrirle der größte Theil der weinprokucircnden Bevölkerung. Der englische Censular-Agent, der, da beinahe die ganze Wein« auSsuhr nach England geht, an der Sache mit interessirt war, scheint in bisher nicht genau festgestcllter Weise Partei für die Demonstranten ergriffen zu haben. Die Pforte bat Ver anlassung genommen, wegen dieser Haltung deS Consular- Ageuten der englischen Botjchaft freundschaftliche Vorstellungen zu mache». Der Vorfall, der einen rein localen Charakter trägt, dürfte in Güte geschlichtet werden und ohne weitere Folgen bleiben. Deutsches Reich. U Berlin, 27. August. Als in einem kürzlich heraus» gegebenen Berichte einer Handelskammer aus einem vorwiegend industriellen Bezirk der Wunsch nach Einführung des aus dem Entwurf zur letzten Gewerbeordnungsnovelle vom Reichstage gestrichenen tz. 153 ausgesprochen und darauf hingcwiesen wurde, daß, hätte der neue tz. 153 Gesetzeskraft gehabt, die letzten Streiks im Saar- und Rubrgcbiet seitens der Be hörden viel wirksamer hätten bekämpft werden können, wurde von demokratischer Seite daraus aufmerksam gemacht, daß Alle, welche bei diesen Streiks rum Contractbruch auf- gcsordert hätten, mit hohen Strafen belegt worden seien. Es wurde also mittelbar behauptet, daß man auch ohne die neue Fassung des tz. 153 der Feuillrts«. Sein einziges Gut. Sj Roman von B. Corony. Nachdruck »erdote» (Fortsetzung.) DaS Portal bildete einen Vorbau von beträchtlicher Erhebung, eine große, spitzbogige Nische, in deren Grund sich die mit ornamentalischem Schmuck fast überladene Tbür befand. Trat man durch diese ein, so gelangte man in den Hauptraum, dessen Fußboden mit kostbaren Teppichen belegt und dessen Wände und Säulen mit farbigen Marmorplatten bekleidet waren. .Kronleuchter dingen von der Decke berab. Schwellende DivanS und goldgestickte Kiffen luden zur Ruhe ein. Zu beiden Seiten diese- Saales kam man in Ncbcnräume, deren Eingänge durch Draperien von Sammet und golddurchwirkten Stoffen fast vollständig verdeckt wurden. Diese kleineren, aber ebenfalls äußerst reich und üppig auSgestattelcn Gemächer dienten dazu, die ungemein wcrthvollcn Saiiimluugen deS Freiherrn auf- zunehme». Neben dem Pavillon zog sich eine ausgedehnte Orangerie hin, in welcher sich CitruSgewächse, Lorbeeren, Myrten und Palmen befanden. Die Wege, welche zwischen Camelien und Orangenbäumen, Magnolien und Blattpflanzen dahinsührten, waren mit bunter Mosaik verziert. Ampeln von Rubin- und Milchglas hingen zwischen grünen Gewinden und fremdartigen, in den feurigsten Farben glühenden, be rauschend duftenden Blumenkelchen. AuS der ganzen Umgegend strömten Neugierige herbei, daS Kunstwerk zu bewundern, und als nun auck daS Schloß selbst zum Empfang des so lange Ferngebliebencn gerüstet wurde, als sich die Reihen der hohen Bogenfenster wieder unverhüllt zeigten, eine buntbewimprlte Gondel ans dem Teicke schwamm und Vorhalle und Freitreppe im festlichen Schmucke prangten, da sah man den. Platz vor dem Park überhaupt nicht mebr leer. Mußte Rainer den Edelhof verlassen, so ging er, die buschigen Brauen finster zusami»enge;ogen, zwischen den Gruppen der Versammelten bindurch, ohne auck nur einen Blick auf den kunstvollen Bau zu werfen. Tann wurde Wohl hier und da spöttisch geflüstert, und der Schloßgärtner sagte lachend zu den Umherstehenden: „Wenn Der sich in einen Orkan verwandeln und den Pavillon von der Erde wegfegen könnte, gäbe er sicher sein Seelenheil darum." Der Heimkehr deS Freiherrn wurde mit einer Ungeduld entgegengesehen, die sich von Stunde zu Stunde steigerte. Der Verwalter hatte schon mehrfach davon gesprochen, daß dann der ganze Park feenhaft üluminirt und ein Feuerwerk ab gebrannt werden sollte, und man freute sich auf die willkommene Unterbrechung der ländlichen Stille. Allein Denjenigen, die glänzende Festlichkeiten erwarteten, war eine Enttäuschung vorbebalten; ohne irgend Jemand früher zu benachrichtigen, traf Gisbert während der Nacht ein, legte die Strecke von der Bahnstation bis zu seiner Besitzung in einer gewöhnlichen Micthkutsche zurück und besand sick bereits seit Stunden in Hohenfels, ehe seine Anwesenheit bekannt wurde. 3. Capitel. Der Freiherr hatte in diesen elf Jahren ein sehr bewegtes Leben geführt, weder Mühe und Anstrengungen, noch Gefahren gescheut, um nicht nur die Wunder dcS Orients und der Tropenwelt, sondern auch die ganze Lebensweise der verschiedenen Völkerschaften kennen zu lernen. Er hob den Becher der Lust an die Lippen und ließ sich widerstandlos von seinem heiße» Kerzen und ungestümen Sinn forlrcißen, huldigte den gluth- augigen Frauen Spaniens und Italiens nickt minder als den wilden Schönheiten der Tropen und hatte zahlreiche Abenteuer, fand aber kein Weib, daS im Stande gewesen wäre, ihn ernstlich zu fesseln, keines, daS er für immer hätte an sich binden mögen. Leicht ausflammend und schnell erkaltend, konnte er echten, dauernden GlückeS nicht genießen. An keinem Orte litt eS ihn lange, und als er endlich dieses ruhelosen Nomadenlebens überdrüssig wurde, kam er sich alt und übersättigt vor und empfand eine kaum mehr zu bezwingende Sehnsucht nach der bergumschlossenen, waldeSdustigen Heimath. Allerdings durste er die letzten elf Jahre fast doppelt rechnen in Hinsicht auf ihren Reichthum an Erinnerungen. Es gab nichts Neues mehr für ihn, nicht», da- im Stande gewesen wäre, ihm nock beaebrenSwerth zu erscheinen, und so war es wohl natürlick, daß er sich, obschon im kräftigsten ManncSalter stehend, selbst wie ein Greis vorkam. Aber der Freiheitsdrang blieb dennoch mächtig in ihm. Herr von Hohenfels dachte allerdings mit einer gewissen Wehmulh daran, daß er einsam war und kein Wesen um sich hatte, welches mit wahrer Liebe und Zärtlichkeit an ibm hing; er malte sich zuweilen aus, wie beglückend eS sein würde, eine anmuthige Frau durch die Gemächer und den Park wandeln zu sehen und die Abende im trauten Familienkreise zu verbringen. Doch wenn er gerade anfing, sick so reckt in diese Gedanken zu vertiefen, schüttelte er oft plötzlich den Kopf. Wer konnte wissen, ob nickt doch nieder eine Stunde kam, wo ihn das ungestüme Verlangen ergriff, hinaus zu pilgern in die weite Welt, wo ibm der Friede seines Hauses einförmig und erscklaffend dünken würde? Es war zu spät für ihn, sich nock zu binden. Hätte er eine Schwester oder daS Kind eines geliebten Freundes an seine Seite rufen können, so würde er cs obne zu zögern getban haben; sich Fesseln anzulegen, die er vielleicht bald als drückend erkennen mußte, widerstrebte ihm. Aber unheimlich leer und öde blieb cs doch auf der schönen Besitzung. Vieles hatte sich während seiner langen Abwesenheit verändert. Die alten Beziehungen waren ab gebrochen." Sie hätten sich zwar sofort wieder anknllpfcn lassen und es wäre ein Leichtes gewesen, Hohenfels von Gästen überfüllt zu sehen, allein welchen Reiz konnten diese geselligen Zusammenkünfte mit Personen, die ibm fremd geworden und jahrelang in anderen Kreisen und Verhältnissen gelebt, für ihn haben? Nachdem er in Indien an Tiger- und Löwen- jagden theilgcnouimcn, schien es ibm von zweifelhaften Interesse, Hirsche und Hasen zu Hetzen. WaS sollten die werthvoljße» Sammlungen in dem nicht minder kostbaren Pavillon, wenn sich Niemand darüber begeisterte? Gisbert, der, diese Betrachtungen anstellend, durch den Park wanderte, hielt plötzlich inne. Er erinnerte sich seines bereits vor längerer Zeit verstorbenen Vetter- Gregor von Arnheim, der eine Gattin und Tochter in nicht eben glänzende» Ver hältnissen binlerlicß. Auf einer Reise in Rußland begriffen, hatte Gregor, um allen Einwendungen der Familie zuvor;»- kommen, sich damit begnügt, seine Vermählung mitFräulcinLlga von Dombrowsky anzuzeigen. Es hieß, der Vater der jungen Dame habe, politisch compromittirt, seinem Leben selbst ein Ende gemacht. Der briefliche Verkehr zwischen den Verwandten wurde hierauf gänzlich abgebrochen und erst viel später wieder ausgenommen. Gregor äußerte sich nie sehr eingehend über seine Verhältnisse, die wenigen Zeilen, die er von Zeit zu Zeit schrieb, ließen jedoch ahnen, daß ein sckwercr Kummer auf ihm lastete, und vor sechs Jahren traf ein schwarz ge siegelte- Schreiben ein, welche« seinen Tod meldete und von dem Verwalter nack Spanien gesandt wurde, wo Herr von Hohenfels damals eben weilte. Di« Wittwe de- Verstorbenen batte sich mit dem Töchterchen nach Moskau zu ihrer unvrr- heiratheten Stiefschwester Alexandra von Dombrowsky begeben. Der Freiherr dachte jetzt daran, Cousine und Nichte, dir ibm beide unbekannt waren, nach Hohenfels zu berufen. Tie Geräumigkeit deS Gute- schloß jeden peinlichen Zwang aus. Man konnte sick isoliren, sobald man ungestört zu sein wünschte, und entsprach das Zusammenleben den Erwartungen nickt, so standen einem friedlichen Scheiten keine Hindernisse entgegen. Rasch in seinen Entschlüssen, sandte er noch an dem selben Abend einen Brief ab, in welchem er die Wittwe aufforderte, mit ihrer Tochter auf längere Zeit zu ibm zu kommen und den südlichen Flügel seiner Besitzung zu beziehen. Zugleich stellte er in Aussicht, daß er für die Zukunft des jungen Mädchen- sorgen würde. Nack ungefähr vierzehn Tagen traf ein Schreiben von Frau Olga von Arnheim ein, das einen seltsamen Eindruck ans Gisbert machte. Die Schristzügc waren zierlich, aber unsicher, ausfallend flüchtig und vcrrielhen gleichsam eine ner vöse Natur. In möglichst gedrängter Weise theilte sie ihm mit, sie werde gern daS Anerbieten annebmcn, vorausgesetzt, daß er ihr gestatten wolle, die Stiefschwester, die ihr seit Jahren treu zur Seite stehe, mitzubringen. Auch ihre Dienerin PriSca, an deren Pflege sie gewöhnt sei, würde sie nur schwer zu entbehren vermögen. Mehrmals laS der Freiherr die wenigen Zeilen durch. Das war Alle- so knapp gefaßt, als wäre es eine unerträgliche Anstrengung, schreiben zu müssen; dabei laben einzelne Buch staben fast peinlich abgezirkelt aus, während andere wieder bis zur Unleserlichleit rasch hingcworfen waren. Diese Schristzüge müßten da- Interesse eines Graphologen erregen. Von geistiger Ruhe und Sammlung zeugen sie nicht, dachte Gisbert, beeilte sich jedoch, seiner Cousine zu antworten, er beabsichtige keineswegs, sie von den ihr ergebenen Personen zu trennen, und sie möge frei über die ihr zur Verfügung gestellten Gemächer verfügen. Der Tag der Ankunft wurde bestimmt, und der Freiherr holte die Damen selbst von der Bahnstation ab. Frau Olga von Arnbeini entsprach keineswegs dem Bilde, daS er sich von ihr gemacht batte. Sie war eine zarte, kränklich auSschende Frau von durchscheinender Blässe, mit unstät blickenden Augen und scheuem, zurückhaltendem Wesen. Ihr Gesicht zeigte nock die Spuren großer Sckönheit, aber ein undefinirbareS „Etwa»" in dem Ausdruck desselben berührte nicht angenehm. Sie trug ein schwarzes Kleid von einfachem Schnitt und keinerlei Schmuck außer einer feinen Kette, an welcher ein schlichte», goldene« Kreuz hing, und schien äußerst schweigsam. (Fortsetzung folgt.)
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