Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930916022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893091602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893091602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-16
- Monat1893-09
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezrrgD-PretD G, d« -«-«rpedttto» »d« de» «» «tu»». h«trt u»d d» Vorort» «richtete» Aus- gabeslellru »bgeholt: vierteljLdrilch^1^0, tzet »wetmaltaer täglicher Zustellung tu« van« >l bchL Durch di» Post bezogen für Deutschlaud oad Oesterreich: vierteljädrlich >l 6.— Direkte täglich» Kreuzbandlenduug tut Ausland: monatlich ^ll 7ckO. DieMorgeu-Aurgab« erscheint täglich '/,7UH^ di« Abeud-Au-gabe Wochentag» b Ubr. Ledartto« »»- Lrxeditioa: Jodanuetgasse 8. Die Expedition ist Wochentag» unnntrrbrochr» geäffuet »o» früh 8 bi» «beud» 7 Uhr. /Uiale«: vtt« Mr««'» Porti». (Alfred vahult Universitüttstrab» 1, «uni» LSsche. Patharinalstr. 1«. pari, und AöuiqSpl,» 7. Abend,Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. A«zeige»^preiA die -gespaltene Petitzeile 70 PfA. Nerlowe» »utrr dem Rrdarttoatstrich l«G» spalte») SO--, vor den Famtlienuachrtchte» lKgespaUe») 40-P. Orvtzere Schrillen laut unserem Breit- oazeichnib. Tabellarischer und ZWeusatz nach höherem Tarif. Grtra»veilagrn (gesalzt), nur mit de, Diorgr».«u»gadk. ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderuug 7L—» Iianaliarschluß sar Anzeige«: «beud-«n»gabe: vormittag» 10 Uhr. Viorgen-Autgabe: Nachmittag» »Uchr. Sou«, und Festtag« früh V,9 Uhr. vei den Filialen und Annabmestellen i« et» halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an die Expeditt»» zu richten. Druck and Verlag von L. Pol» tu Leipzig. ^ 47L Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den IV. September, Vormittags nnr bis Vsv Uhr geöffnet. Expedition tlv8 I eiprixer l'ttLkekitttles. Politische Tages schau. * Leipzig, 16. September. Es ist natürlich, daß der FcstcSglanz, der Ereignisse wir die Kaiserrrisc »ach Südwestdeutschland zu umgeben pflegt, so wie cr das Auge besticht, auch das erste Urtberl zu beein flussen geeignet ist. Häufig zeigen die Dinge, auS solchem Lickte in die AlltagSbelcuchtung gerückt, ein wesentlich anderes Aussehen. Es darf mit Genuglhuung verzeichnet werten, daß der Aufenthalt des Kaisers in Elsaß-Lothringen eine nachträgliche Berichtigung der ersten Auffassung nicht erfordert. Wir haben neben den bittere Enttäuschung ver- ralbendcn französischen Berichten-Zeugnisse sehr nüchterner deutscher Beobachter, wonach die erfreuliche Haltung der clsässischen und lothringischen Bevölkerung weder ans Mache noch auf bloße Schaulust zurückgeführt werden darf. An dem Erfolge in Elsaß-Lothringen wagt den» auch nicht ein mal die dem Reiche grundsätzlich abgeneigte Presse zu mäkeln. Sehr viel kühler werden die Berichte auS Baden und Schwaben ausgenommen, und zwar sind eS gut nationale süddeutsche Zeitungen, welche vor einer allzu opti mistischen Deutung sympathischer Kundgebungen warnen »nd welche die vom Kaiser in Karlsruhe der ReichStagS- mehrheit für die Militairvorlage wiederholt bciqelegte symptomatische Bedeutung nicht anerkennen. Diese Stimmen haben die Geschichte und Ziffern der letzten ReichS- lagSwablen für sich, die in Bayern und Württemberg ein vom nationalen Standpunkt überaus bedauerliches und in Baden ein nur sehr bescheidene Ansprüche befriedigendes Er gebnis gehabt baden. Auch im übrigen Deutschland, wiederum von Elsaß Lothringen abgesehen, waren Wahlbewegung und Wahlresullale nicht von der Art, daß von ihnen der Schluß auf einen Aufschwung des nationalen Gedanken-, auf ein „Sich- wiederfindcn" der Nation gerechtfertigt erscheinen könnte. Schließ lich bat sich die Annahme des neuen Wehrgesctzc» im Reichstage unter Umständen vollzogen, an denen sich ein patriotisches PatboS dock nur schwer zu entzünden vermag. Es war sozusagen kein festlich geschmückter, von fröhlichen Schnittern umgebener Erntewagen, aus dem die Militairvorlage eingebeimst wurde — sic ist mit Mübc und Nolh baslig nnlcr Dach gebracht worben. Wenn die Nationalgesinnlen rm Süden mit dieser, von der kaiser lichen abweichenden Auffassung nicht zurückkalte», so erfüllen sie eine Pflicht. Der neue EurS ist geneigt, sich Illusionen hinzugcben und nach dein Scheine zu uriheilen. Eö liegt darum die Gefahr nahe, daß die — für unS selbst verständlichen — Kundgebungen in Karlsruhe und Stuttgart seine unrichtigen Vorstellungen von der Stimmung gerade der reichstreuen Bevölkerung verstärken könnten. Der Jubel galt dem Kaisertbum, der bock über der Negierung flehenden, beglückenden nationalen Institution; ein Aus druck der Zufriedenheit mil der politischen Gegen wart konnte cr nicht sein, denn solche Zufriedenheit ^euilletoir. Sein einiges Gut. 19s Roman von B. Corony. Nachdruck vertaten (Fortsetzung.) Die junge Frau nickte und eilte flüchtigen Schritte« voran über den langen Corridor »ach dem ankern Flügel des Schlosses. Tort blieb sie plötzlich sieben, blickte sich fast scheu um und flüsterte: „Hier ist es so still und unheimlich wie in einer Gruft." „Deine Mutter liebt die Ruhe", erwiderte Alexandra frostig. PriSca schlick demüthia grüßend heran und öffnete, dem Winke der DoinbrowSly folgend, eine Thür. Die Damen traten ein. Es war sehr dunkel in dcni Gemach. Die tief bcrabgeschraubte Lampe verbreitete nur wenig Lickt. Ten mit schwarzer Sammetdecke bebangencn Betschemcl »abm man kaum wahr, hingegen leuchtete daS Elfenbein-Erucifix und der darunter befindliche Todcnkopf in fast geisterbafter Weiße aus dem tiefen Schatten. Die einsame Frau schritt ans und ab, die Hände ineinander verschlungen »nd eifrig halblaute, un verständliche Worte sprechend. Ihrer Tochter ansichtig werdend, unterbrach sic dieses eintönige Gemurmel und ries unwillig: „Warum störst Du mich zur Stunde, wo ich meine AndachtS- übunge» verrichte?" „ES bleibt Dir ja noch Zeit genug zu beten, liebe Olga", sagte Alerandra trocken und fügte aus ibrc Nickte deutend hinzu: „Sic bält eS nicht für möglich, daß Du wirklich fort willst, und hofft Dick noch zu einer Acntcrung dieses Ent schlusses bewege» zu können." „Ich bandle wie ich muß »nd eS für recht erkenne", lautete die in schleppendem Tone gegebene Antwort. „Aber waS treibt Dich von hier fort? Hast Du Dich über etwas zu beklagen?" „Ich scbne mich danach, den Rest meiner Tage in ruhiger Beschaulichkeit und fern dem Geräusch der Außenwelt binzu- bringen. Mehr und mehr soll sich meine Seele von allem Irdischen loSlösen unv nur nach dem ewigen Heil streben. Darum dringe nicht in mich. Der Herr zeigt mir den Weg, den ich wandeln soll." .Aber Kurt? — Ich dachte, Du hättest ihn lieb ge wonnen." Sonnabend den 16. September 1893. 87. Jahrgang. herrscht nirgends, wo man daS Kaisertbum hochbält. ES ist ein beklemmender Gedanke, auch der verantwortliche Leiter der RcichSrczierung könnte sich im Glanze der Karls ruher und Stuttgarter Tage gesonnt und von de» freudig erregten Mienen der süddeutsche» Nationalen die Billigung dessen al'gclesen baden, was er getban und unterlassen bat. Eine eintägige Incognitorcise in Schwabe» oder Baden würde ibn das Gcgentbcil lebre». WaS er im Süden bekundet sah, war Gesinnung, nicht Stimmung. Die neuesten Borgänge in Vötinirii werden allem An scheine nack zum Ausgangspunkt ciitscheikeiitcr Wendungen in der inneren Politik der österreichische» Re gierung werde». In einem der wichtigsten Kronländcr batte nachgerade der volle Allsruhr um fick gegriffen, rohe Straßenausschreitttiigeii, Zerstörungen und Bedrohungen deü Leben» und dcS EigeiitbniilS, gehässige Demonstrationen gegen alles Deutsche und selbst gegen die Tnnastic, Berhöhnüng aller obrigkeitlichen Autorität, Verhetzung durch eine zügellose Presse batten in einem Maße um sich ge griffen , daß die Regierung schließlich zu scharfen Waffen der Notbwekr, der Berbäiigung eines Ausnahme- und Belagerungszustandes, zu schreite» sich gezwungen sah. Alles WaS zur Beruhigung dcS EzccbcntbumS geschehe», hat das gerade Gegentheit erzeugt, eine immer maßlosere Steigerung der Ansprüche, die geradezu aus eine Zerreißung der Monarchie und deü gemeinsamen EtaatSverbandeS hiiiauSslrel't, eine» immer roheren und gewalttbätigercii Terrorismus, einen immer fanatischeren Haß gegen alles Deutsche, einen vor dem offenbarste» Hoch- und LandeSverralh nickt mcbr zurück- schreckenden Haß gegen das Kaiserlkum, und in Verbindung mil dem Allen eine immer rücksichtslosere Hingabe an Ruß land und die panslawistischen Bestrebungen. Und da« in einem Lande, dessen Bewohner beinahe zur Hälfte der deutschen Nationalität angcliörcn! DaS Ezecken- tbum hat seit den Zeiten der Hnssilenkriege nichts von seiner roden Barbarei und seinem wilden Fanatismus ver loren. ES kann niemals durch Güte und Nachgiebigkeit versöhnt, sondern nur durch Ernst und Strenge einer starken Staatsgewalt in Schranken gebasten werden. Hoffentlich wird sich die österreichische Regierung jetzt ernst lich ibrcr Ausgabe bewußt. Ein Oesterreich, bas sich aus die „Nationalitäten" stützen will, statt aus die allein mögliche und widcrstandSsäbige Grundlage des an Zahl und Eultur überlegene» DcutschlbumS, würde unansbaltsamem Zerfall entgegengeben. Seitdem nun der Belagerungszustand über Prag verhängt worden, ist in Prag und den Nach barorte», von vereinzelten Demonstrationen abgesehen, endlich R»bc eingetreten. An einzelne» Straßenecke» wurden zwar die Placate mit der Kundgebling dcS AuSiiabmczustandcS von den Mauern berabgcrisscn, aber die bisherigen Ausläufe, Schlägereien »nd sonstigen «ethische» Nationalvergnügungen haben vor der Hand ausgebört. Am Abend des 15. September fanden auck. wie unö auf dem Trahtwege heute auSPrag gemeldet wird, zwischen czechischcn Arbeitern auS der Smich ower Fabrik und der Polizei eine Anzahl heftiger Zusammenstöße stall. Nach dem die Arbeiter sick äußerst renitent gezeigt, ging die Polizei mit gefälltem Bajonnet vor und zersprengte schließlich die Menge. Auch wurde» in THeresie» stakt unk Pilsen neuerdings wieder die kaiserlichen Wappenschilder besudelt. Im Ganzen aber bat die Berbängung des kleine» Belagerungs zustandes den störrigen Inngezecken doch einen heilsamen Schrecken eingejagt. Auch die Drohung der jungezeckischc» Abgeordneten, den ReickSratbSsitzungen fern zu bleibe», wen» die Iungczechcn von der Regierung so weiter geknechtet würde», ist nickt tragisch zu nehmen. Graf Taaffe, der sich schon an so Vieles gewöhnt bat, wird sich wobl auch daran gewöhnen, endlich rie Liede der Iungczcchen entbehren zu müssen. trete, erörtert. Den Gedankengang deS Artikel», den man wobl auf eine Eingebung des LorbS Salisbury zurücksühren darf, zeichnet ein Londoner Telegramm der „Bossischen Zeitung" in folgenden Umriffen: Wenn man jetzt, da die Kaisermanöver im süd westliche» Deutschland zu Ende geben, sich sragt, wie de»» die össeutliche Meinung in Italic» und spcciell die italienische Presse zu der in Paris und Petersburg so scharf getadelten persönlichen Thcilnahme deS Prinzen von Neapel au dein glänzenden iiiililairischen Schau spiele sich gestellt habe, kann die Antwort eigentlich nur Schweife» sein, denn tbalsächlich hal auch die italienische Publicisiik, wie der „Allg. Ztg." ein römischer Gewährsmann schreibt, diesem vielbesprochenen Besuch gegen über sich so gut wie schweigend verkästen und sich säst vbnc AuSnabme daraus beschränkt, die Telegramme der „Agenria Stesam" oder ikrer Specialcorrespondente» abzudrucken. Die dis vor Mouaissrist so oft wiederholten Warnungen, nur ja Frankreich »ickl zu verletze», verstummten zwar »ach dem Ge metzel von AigueS MorteS; zu einer rückhaltlosen freudigen Anerkennung des durch den Besuch in Metz offen be kundete» Willen» dcS Königs, unter allen Umständen fest au Deutschlands Seite zu sieben, ist eS aber nicht gekommen. Es macht de» Eindruck, als habe das Bewußk- >c»i des Ernstes der Lage jene Aeußcrungc» lebhafter Be friedigung, in denen die tculschen Blätter zum große» Tbest sich ergingen, säst vollständig gehemmt. Man batte sich in Italien so gern dasBündniß »iitDeuischland als letzte Hoffnung gesichert; man Halle so lebhasl gehofft, daneben auch mit Frank reich und Rußland da» beste Einvernehmen gewinnen zu können und de» Tag einer ernstliche» Probe niemals zu erleben; nun ist man sich plötzlich darüber klar geworben, daß man Kat wähl en müssen, daß die Brücke» zu Frankreich hinüber einstwcilcu abgebrochen sind und Lag — trotz aller FrictciiS- worte des deiitschcii Kaisers — dem Krieg im Friede» doch einmal der Krieg mit seinem ganzen, surchibarcn Ernst folgen könnte. Da ist die nachtcnliiche Stimmung »ach dein Berfliegen maiichcr Illusionen scbr begreiflich. Einen unleugbaren Vortbeil aber baden die lothringischen Manöver »isoscr» gehabt, als sie auch de» Italienern die rechtliche Zugcbörigleit der Reichslande zu Deutschland klar zum Bewußtsein brachlcn. Für den Italiener berubt bas Siaalercchl am letzten Ende aus dem Plcbiseit; in der unleugbar vorzüglichen Äusiiabme, welche der Kaiser in Lothringen gesunden, siebt er nu» einen gleickwertbigen Ausdruck der Bolksstimmung, und wen» cr bisher »iciiite, daß Deutschland das ReichSlanv »n Grunde doch nur vergewaltige, so beginnt ikm jetzt der Gedanke aufzugcheu, Laß Elsaß-Lothringen nicht eine unerlöste („irreüontu") fran zösische Provinz sei, sondern cs thatsächstch von Deutschland erlöst wurde. In dieser Hinsicht wirv der Metzer Besuch deS Kronprinzen nicht ohne günstige Folgen bleiben. Eine vom Londoner „Daily Telegraph" auSgeganaenc, von der Münchener „AllgcmeineiiZcilung" gebührend beleuchtete Anregung, (snglnnS möge sich, um selbst keine neuen Kriegs schiffe baue» zu müssen, a» den Dreibund angtietern und diesem die Bürgschaft für den britischen Machtbesitz aufbalscn, hal selbstverständlich in ernsten tculschen Kreisen keinen Anklang gesunden, und eS dürste kein ZnsaU sei», wenn jetzt ein anderes conscrvativcS Londoner Blatt, und zwar kein geringeres als der „Standard", Lord SaliSburn ö Sprachrohr, dem „Daily Telegraph" abwinki. Ter „Standard" lhut die», indem cr eine» etwas abgebrauchte» Kniff anwendet und die angeblich „neuerdings in Deutschland vielfach aufgeworfene" Frage, warum England nickt dem Dreibunde bei- „Jene Frage", schreibt der „Standard", „verdrießt unS nicht im Mindesten, sie ist ebenso natürlich wie zutreffend. ES ist jedoch wiederholt nvtbwcndig, Jene, deren Politik die mistige ist und deren rein friedliche Ziele auch die mistigen sind, daran zu erinnern, datz kraft unlerer Verfassung jedwedes Ministerium daran verhindert ist, förmlich und ausdrücklich da« zu thu», was wir nach ihrer Ansicht thu» sollten. Bom englische» Volke darf jedoch erwartet werden, datz, wenn ihm die von einem auslandiiche» Gegner drohende Gefahr klar wird, cs seine Staatslenker nüthigen werde, daS einzige Ber ühre» einzuichlagcn, das uns vereinbar mit unserer nationalen Sicherheit vsseiisleht. Inzwischen unterhält England mit nicht geringem Rostenaufwande die mächtigste aller Marinen» deren Mitwirkung mit den Streit kräften unserer Freunde im Nothialle diese nicht unterschätzen dürfen. Die Völker Teiitschtands oder Italiens brauchen nicht zu befürchten, daß England die Bedeutung des einigen Borgehen« Frank reichs und Rusilaiids in inehr al« einem Weltthe ile ver kenne. Diese« ist natürlich völlig ebenso sehr gegen Grotzbrttannten» als gegen Deutschland oder Italien gerichtet. Es ist jedoch nicht unser« Gewohnheit, zu schreie», ehe miS zu nahe getreten wird. Wir schmei cheln uns mit Recht oder Unrecht, datz wir vollauf Zeit haben werden, Vorbereitungen zu treffen, um «was Ernsterem als vagen Trokungen entgegenziilrcten. UeberdieS würde eS unseren Ueber- lieiermigen widerstreiten, wenn wir offen annähmen, datz Jene, mit denen wir eine formelle und unsererseits vollkommen aufrichtig» Freundschaft aufrechthalteii, unS zu Grunde zu richten babsichitgen. Schutz gegen nicht offen bekannte feindliche Pläne wird am besten schweigend betrieben. Wir glauben, die erleuchtet« öffentliche Meinung in Dentichlandweitz gutgciiua, datzwirnichtbeabsich tigen. unsere Reichsinieressen in Mittelasien oder selbst in den siamesischen Gewässern zu vernachlässigen, ilnsere sortdamrnde Anwesenheit in Egupten bietet sicherlich genügende Bürgschaft für die praktisch« Natur unserer Anschauungen »nd für die völlige Loyalität unserer Absichten. Europa mag sich daraus verlasse», daß, wenn Frank reich und Rußland sich in etwa» mehr, al» «inen vor übergehende» Nustansch von Eomplimenten imMittel- meer ergehe», dessen Gewässer bald eine wesentlich« Vergrößerung unserer eigenen Flotteumacht sehen werden." Bon einem „mit den maßgebenden Kreisen in Fühlung siebenden Berliner Cvrrespvndenten" wirv der „Schief. Ztg." mit Bezug aus diese Erörterungen geschrieben: „So wichtig und wcitbvoll da« gute Einvernehmen zwischen Eng land und den Drcibundstaaien auch erscheint» so wäre doch die Ansickt verkehrt, daß England nur zu wollen brauche, um in das festländische Bündniß ausgenommen zu werden. Dazu ist die Stellung dcS Dreibundes »ach innen wie nack außen v«el zu fest uiiischricbcn, »nd wenn selbst die englischen Berfassung»- cliirichlilngen der Anregung de» „Daily Telegraph" nickt entgegen- stäiiten, so bliebe doch noch ^u erörtern, welche Bedingungen für de» sörmlichcn Eintritt Englands in da» Schutzbündniß zu erfüllen wären. Dagegen erscheint der Artikel de« „Standard" in anderer Beziehung recht demcrkenSwertb, zumal wenn man anncbmcii darf, daß er die Ansichten de» Führers der englischen Eonservativcn widerspicgcst. ES wird in demselben klipp und klar ausgesprochen, daß daS ver einte Borgcben Frankreichs und Rußlands mindeste»» in demselben Grade, als eS sich gegen Deutschland oder Italien richte, die englische Machtstellung be rühre, und daß die Erkcnntniß: „jetzt bandelt eS sich um Deine eigne Angelegenheit" z» einer wesentlichen Verstärkung der englischen Flotte im Mittelmccre führen müsse. In diesem Puncte also — und er ist derjenige, der im Vergleich zu der unpraktischen Bündnißfrage auch in Deutschland ein natürliches Interesse erweckt — trifft der Artikel des führenden „Das Hab' ich". „Und willst ihn doch verlassen?" „Je mehr ich entbehre, desto mehr wird mir der Himmel einst geben." „DaS Lockern aller Familienbande kann doch keine so gottt gefällige Thal sein." Frau von Arnheim trat an den Bctschemel. Ihre durch sichtig weißen Finger zerrten krampfhaft an der silbergestickten Sammetdecke. „WaS soll dieser ganz zwecklose Wortkamps? Wie peinlich mir da» ist — wie unbeschreiblich pInlick! Ter stechende Schmerz beginnt stet», wen» man mich z» einer langen Erörterung über einen und denselben Gegenstand zwingt. Du. deren Gedanken nnr weltlichen Freuden zugckebrt sind, verstehst mich ja doch nicht, also höre aus, mich zu quälen." „Du sichst, daß ick Dir die Wahrheit sagte. Mache i»i» dieser Unterredung ein Ende", flüsterte die DombrowSky ihrer Nickte zu. welche gerade durch diese Worte zum Widerspruch gereizt wurde. WaS sie seit ihren frühesten Zabrcn schon mit Bitterkeit cmpsand, drängte sich jetzt auf Konstanze'S Lippe». „Eine Frömmigkeit, die in dem Herzen der Mutter die Liebe zu dem einzige» Kinde tödlct, kann dem Himmel »»möglich wohlgefällig sein!" rief sie. „Wie habe ich »ach Deiner Zärt lichkeit verlangt! Welch' kostbare Saat hättest Du in meine junge Seele streuen können! Aber Du thatrst eS nicht. Dein Auge rnbtc licter ans den tobten Buchstaben als auf mir. lieber Andacht»- »nd Bußiibnngen vergaßest Du, daß eine Tochter Deines Schutzes »nd Deiner Sorgfalt bedurfte, und ließest sic vergeben» „ach Dir rufen. War daS recht? Kannst Tu c« vor Dir selbst verantworten? Ten Vater hörte ich immer sagen: „Erst die Pflicht und dann das Gebet."" „Still, Unselige!" gebot Fräulein von DombrowSky. Sie schien mehr erschrocken als erzürnt. Doch die Warnung kam zu spät. Frau von Arnheim war offenbar aus- Aeußerstc gereizt. Fieberhafte Rktbe bedeckte ihr sonst so bleiches Gefickt. Tie stets auffallend Schweigsame begann jetzt ihre Ansichten mit von höchster Erregung zeigendem Eifer zu vertkeikigen »nd entwickelte dabei einen Fanatismus, der an die Zeiten der finsteren Klosterbcrrschast erinnerte. Die Rede überstürzte sich sörmlich, der Athri» war beschleunigt und keuchend, hastig sprechend und gesticulirend blickte sie Konstante doch mit eigen- Ibümlich kalten, glanzlosen Augen an. und wahrend die Hände sörmlich flogen, sah daS Antlitz wie versteinert auS. Plötzlich krack die Stimme in einen schrillen Schrei, Frau von Arnheim sank auf den Teppich nieder. Grauenvolle Eouvulsioucn er schütterten ihren ganzen Körper und unarticulirte Töne ent rangen sich de» bläulich gefärbte» Lippen. „Großer Gott, was ist das?" rief die junge Frau, entsetzt an die Wand taumelnd und mit weil geöffnten Augen auf daS gräßliche Bild starrend. „Ein Nervcnansall, den Tu verschuldet bast", erwiderte Alerandra. „Dein leidenschastlichcr Trotz stiftet nnr Unheil. Laß uns jetzt allein. Möchtest Du doch endlich glauben, daß mich bei Allem, waS ick th»e »nd sage, nur die Sorge um Dich und Deine Mutter leitet. „Ich bade zum letzten Male versucht, mich ihr zu nähern", erwiderte Konslaiizc, deren Zäbne auseinander schlugen. „Jetzt scbe ich eS wobl ein, daß ich Dir das Feld räumen muß und niemals zurück erlangen kann, waS ich als Kind schon verlor: ihre Liebe." Wie im Ficbcrfrost erschauernd schlich sie hinaus, während die DombrowSky und Prisca, welche auf ein Klingelzeichen schnell berbcigccilt war. sick »m die Erkrankte beschäftigten. Eine halbe Stunde später meldete die Dienerin der jungen Baronin, Frau von Arnheim bade sich wieder crboll und be dürfe nur »och niigcstörier Ruhe. Sie leide von Zeit zu Zeit an solchen Zusälle», eS gehe aber immer rasch wieder vorüber. Der Freiherr vernahm die Nachricht von der bevorstehenden Abreise der beiden Dame» nickt ohne innere Befriedigung. Der Gedanke an die bigotte, melancholische Einsiedlerin, welche säst nie mehr ihre Gemächer verließ, batte vft etwas Peinliche- für ihn gehabt. Es war ja auch unmöglich, ibr Leben freund licher zu gestalten, da sie jede wohlgemeinte Annäherung mit unbeugsamem Starrsinn zuriickwicS »nd weder die Schönheiten der Natur nvck die Erzeugnisse der Kunst zu schätzen wußte; zudem steigerte sich die zwischen Konstanze und Alerandra herrschende Spannung von Tag zu Tag. Die Lage war wirklich unbaltdar geworden. Fräulein von DombrowSkn, die seit der Verheiratbung ihrer Nichte de- Amte- als Repräsen tantin entboben war, nahm jetzt keinen Tbeil mehr an den geselligen Vergnügungen und überließ eS der jungen Frau, ikre Gäste allein zu empfangen. Wie die Tinge standen, mußte endlich eine Trennung erfolgen. Gisbert beschloß, die Zukunft der Scheidenden zu sichern, als er zedoch diese Absicht gegen daS alte Fräulein äußerte, wurde sein Anerbieten ent ichiedcn abgelebnt mit den Worten: „Ich und Olga baden so geringe Bedürfnisse, daß wir durchaus keine Unterstützung be- nölbigen. Ich besitze in Moskau ein kleine- HauS. DaS be scheidene Vermögen, welches mir die Mutter hinterließ, betrachte ich auch als Eigcitthuni meiner Stiefschwester. ES reicht vollkommen für »nS a»S." Ein bestimmter Zeitpunkt war indeß für die Uebersiedlung noch nicht festgesetzt. Es gab mancherlei zu ordnen, und Alexandra fuhr oft nach der Stadt, um dieses oder jenes zu besorgen. Wie in allen Dingen, so handelte sie auch, WaS Anschaffungen betraf, ganz selbstständig. Ter Hochsommer prangte bereits in herrlichster Schöne, als die DombrowSky eines Morgens in da- Frühstückzinimer, wo Konstanze und Gisbert an dem zierlich gedeckten Tische saßen, eintrat »nd i» ihrer gewöhnlichen, entschlossenen Weise erklärte: „Olgas GesnndbeitSzustand ist gegenwärtig so gut, daß wie unser Vorhaben nickt länger verschieben wollen; aber da ick weiß, wie viel gerade bei ibr darauf ankomint, baß der erste Eindruck, den sie cinpsängt, ein freundlicher ist, so werde ich nach Moskau reisen, ibrc Zimmer dort so einrichtens, wie eS ihren Wünschen entspricht, und wieder zurückkehrcn und sie abholcn. DaS wird nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen. PriSca bleibt natürlich hier." Der Freiherr stimmte ihr bei. Frau von Hohenfels be merkte jedoch: „Der Zeitpnnct ist schlecht gewählt. Wir haben Einladungen zu einem großen Gartenfest ergehen kaffen, »nd gerade diesmal wäre eS mir lieb gewesen, wenn Du die ganze Anordnung etwa» überwacht hättest." „Du wußtest ja meine Hilfe schon seit Monaten zu ent behren nnd wirst wobl auch bei dieser Gelegenheit ohne mich fertig werden. Fcblt eS Dir doch nicht an einem trefflich geschulten Dienstpersonal", erwiderte Alexandra gleichmüthig. „klebrigen», wann soll denn daS Fest stattsinden?" „Am sechsten August." „Vis dabin bi» ich wieder zurück. ES liegt keineswegs in meiner Absicht, lange fortzublcibcn. Am achten treten wir dann unsere Reise nach Moskau an." Damit war die Lache erledigt. Ehe die DombrowSky in de» Wagen stieg, um zur Bahn zu fahren, ermahnte sie PriSca, >a reckt sorgsam Uber Frau von Arnheim zu wachen. „Hüte Dick vor jeder Nachlässigkeit", wiederholte sie mit dem Ausdruck eiserner Strenge. „Ich mache Dich verantwortlich für Alle«, was uiiterdessc» vorgcht. Du weißt wohl, daß ich Dir niemals verzeche» würde, wenn Du Dich dcS Vertrauen», welches ich Dir jept beweise, nicht würdig zeigen solltest." „Das werde ich", betkcucrte die Dienerin. „Da« werde ich, so wahr mir Gott belse!" „Ich verlasse mich fest auf Dich. Gegenwärtig ist ja Alle« vortrefflich, aber e» tritt ost eine so plötzliche Aenderuog ein."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite