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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930927025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893092702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893092702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-27
- Monat1893-09
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Tabellartscher und Zissrrujotz nach höherem Tarif. Ertea,Beilagen (gefalzt), nur mit de« Ptorgen-Ausgabe, ob ne Postbrfördernug ^l Ä—. mit Postbesörderuug ?U—^ Annalfmelchlnb fiir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/»8 Uhr. V«i den Filialen und Annahmestelle» je »ins halbe Stund« früh«. Anzeige« sind stets an di, Erpeditts» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz i» Leipzig, Mittwoch den 27. September 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 27. September. Der im Morgenblatte veröffentlichte Wortlaut der Lr- pesche», die zwischen dem Kaiser und dem Fürsten BiSmarck an jenem denkwürdigen 19. September gewechselt wurden, deckt sich inhaltlich, wie nicht ander- zu erwarten war, voll ständig mit dem bekannten Wolff'sLen Telegramm: Kaiser Wilhelm spricht in der herzlichsten Weise seine Theilnabme an der Erkrankung deS Fürsten au-, Bismarck dankt „in tiefster Ehrfurcht" und betont, daß seine Dankbarkeit durch die Ablehnung deS kaiserlichen Vorschlags, zu der ihn die Rücksicht auf sein Leiden nötbigr, nicht abzeschwächt werde. Die Form, in welche Bismarck seine Antwort kleidet, ist dir eine« Mannes, der vier Herrschern au« dem Hanse Hohenzollern sein Leben lang gedient hat. Selbstverständlich ist, daß der Fürst sein Leiden ganz allgemein bezeichnet, eingehende Mit- lheilungen seinem Arzte vorbehaltend. — Bietet der Wort laut der Depeschen somit sachlich nichts Neues, so ist die Veröffentlichung dennoch mit Freude zu begrüßen. Denn sie allein konnte völlig ausklären über den Ton, in dem die Depesche» gehalten sind, und damit dir Befürchtung rnd- giltig beseitigen, ob der Kaiser sich am Ende doch nicht lediglich in den Grenzen conventioncller Höflichkeit gehalten habe. Jetzt wissen wir urkundlich, daß der Ton aus beide» Seiten warm und entgegenkommend war. Und das bestärkt u»S in der Hoffnung, der Telegrammwechsel werde der erste Schrill zur vollständigen Aussöhnung sein. Bei der bevorstehenden Verhandlung de« Reichstags über die ReichSsteuervorlagen wird sich leider die starke parlamen tarische Machtstellung des Zentrums wieder in sehr uner freulicher Weise zeigen. Auf die winzige Mehrheit, mit der die Militairresorm zu Stande gekommen, ist bei den Steuer- Vorlagen, wenigstens in ihrem vollen Umsang, kein Verlaß. Die Haltung der Freisinnigen Vereinigung, der Antisemiten, der Polen zu der Kostendeckung, wie sic vorgeschlagen werden wird, ist höchst zweifelhaft, ja c« ist auf eine Unter stützung von dieser Seite kaum zu hoffen. Da ist denn freilich ein positiver Erfolg ohne dieMitwirkung deS Zentrums oder doch eine« TbeileS desselben nicht zu erwarte». Und ob diese Partei politische- Pflichtgefühl genug besitzt, die Mittel zur Durch führung eine-, wenn auch gegen ihren Widerspruch zu Stande gekommenen, so doch nun einmal in Kraft stehende» Gesetzes zu gewähren, da« wird sich zeigen müssen. Die Presse der Partei beginnt bereit« wieder, für die Erfüllung politischer Pflichten Bedingungen aufzustcllen; das Schacheraeschäft wird wieder eingeleilet: keine Unterstützung ohne Loh». Die „Germania" eröffnet eine Erörterung über die DeckungS- srage mit einem längeren ExcurS Uber die Jesuiten. DaS Blatt bestätigt, daß die Jesuitensraae alsbald nach der Eröffnung de« Reichstags zur Entscheidung gestellt werden soll, und fügt hinzu: „Die Behand lung, die diese Frage seitens der Regierungen und der Parteien erfährt, wird unvergleichlich mehr bedeuten, als bloS da« Schicksal dieser Ordensleute. Sie entscheidet ja über die Stellung der Katholiken im Reiche, ob sie noch ferner Deutsche zweiter Elaste sein sollen. Und wagt man, sic »och weiter in dieser erniedrigenden Stellung zu erhalten, so ent scheidet das auch über ibre Stellung zu de» betreffenden Re- gicrungen und Parteien." Dann folgen noch weitere heraus fordernde Drobungen über die Eonsequenzen dieser Entscheidung für das öffentliche Leben Deutschlands. DaS ist deutlich. Wsr sehen dieser Entscheidung gleichwohl gefaßt entgegen. Ich' Reichstag ist eS, obschon der Jesuilenanlrag des CentrumS wiederholt eingebracht und auch verhandelt worden ist. noch nie zu einer Abstimmung darüber gekommen. Wir wünschen ehr, daß sic jetzt endlich einmal berbeigcführt wird. Wir sind fest überzeugt, daß eine Mehrheit für die Aufhebung de- Jesnitengesetzes auch in diesem Reichstag nicht zu er zielen ist, und waS eie Regierungen betrifft, so baden sie sich wiederholt und noch in neuester Zeit aus- Entschiedenste gegen diese Forderung de- Cenlrums ausgesprochen. Mit dem Angebot: Jesuiten gegen Tabak wird eS also wohl nichts werden. Auch die „Kölnische BolkSztg.", die neulick anstatt der alten verschlissenen Fabne, welche nach Erlöschen de« „EulturkampfeS" keine Begeisterung mehr erweckt, nach einer neuen Wahlparole suchte, bat für Preußen einige Forderungen ausgestellt, wie volle Durchführung der Parität im Schulwesen, über deren Verletzung keinerlei berechtigte Beschwerden vvraebracht werden können, und größere Bc- tbeiligung von Katholiken an höheren Verwaltungsposten. Auck letztere Forderung ist gänzlich haltlos. In den höchsten StaalSämtern bis zu den Ministcrposten hinaus haben fick stet- zahlreiche Katholiken befunden, aber freilich, wenn ein hoher Beamter dieser Eonfession nicht im einsei tigsten ultramontanen Pa rteidicnst steht, sondern seine Pflicht als Staatsbeamter treu und patriotisch erfüllt, dann wird er sofort von der klerikalen Agitation in seiner religiösen Gesinnung verdächtigt und als „Auchkatholik" verhöhnt Man kann doch schließlich nicht HerrnLieberzuinReickSkanzler machen. WcnndaS Eentrum wirklich, wie man aus de» Drohungen seiner Blätter annehmen muß, seine parlamentarische Machtstellung zu Gewalttbaten im Parteiinteresse auSzunutzen gedenkt, so wird dem jede thatkrästige und pflichtbewußte Regierung unter der Zustimmung der besten Volkskreise aufs Entschiedenste entgegentretrn müssen. Was wäre überhaupt, nachdem alle berechtigten und auch ein Theil unberechtigter Wünscht der Katholiken erfüllt sind, noch zu bieten? Soll etwa der Zedlitz sche VolkSschulentwurf wieoer aufleben oder sollen wir den« Papst den Kirchenstaat erobern? Und auch dann wäre der UltramoiitaniSmuS noch lange nickt gesättigt. Wenn die Blätter de- Eentrums mit einer Polirik der Erpressung und Vergewaltigung droben und als „Eonsequcnz" systematische Obstruction in Aussicht stellen, so zeigt sich hier mit erschreckender Klarheit, wie weit wir bereu- gekommen sind- Die Haltung der Ultramontanen gegenüber der neuen Dynastie in Luxemburg ist bis jetzt recht zweideutig gewesen, und man weiß in der Tbat nicht, ob man sie zu den Freunden oder zu den Gegnern deS Hauses Nassau zu rechnen hat. Wenn man nach den Worten urtheilen soll, so bat Groß- Herzog Adolf seine eifrigsten Anhänger in ultramontanen Kreisen zu suchen. Der Ausdruck der Zuneigung zu dem neuen Herrscher und seinem Hause atbinet stets die reinste Begeisterung, und besonders seit der Verbindung mir dem Hause Braganza-Löwensiein ist de« Jubels darüber kein Ende, daß der Himmel Alle- so schön gefügt hat. Leider gelingt eS dieser Begeisterung nicht, sich in Thalen umzu- scyen. Bei de» Wahlen hätten die Klerikalen die schönste Gelegenheit, zu zeigen, weh Geistes Kind sie eigentlich sind; aber hier sicht man sie merkwürdigerweise regelmäßig mit de» ausge sprochenen Gegnern des großherzoglichen Hause« verbündet. Der Abgeordnctrv.Blochausen, der alsStaatSminislerLaSMenschen mögliche getban hatte, die ältere Linie Nassau um ihr gute- Recht zu bringen, batte bei den jüngsten Kammerwablen keine eifrigeren Parteigänger als Bischof KoppeS und seine Hetzoaplänc. Zugleich wühlten diese in der Hauptstadt mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln für die Eandidaten deS sranSquillonistisch-republikanischen „Echo", das in Nörgeleien und Hetzereien gegen den großherzog lichen Hof seit Jahr und Tag geradezu schwelgte. E- ist begreiflich, daß dieses doppelzüngige Spiel schließ lich beim Großherzog Entrüstung und Ekel Hervorrufen mußte. Man spricht iu Luxemburger politischen Kreisen feit Wochen von nicht« Anderem als von einer Audienz, die Bischof KoppeS bei Hof hatte und in der der sandeSsürst dem Landesbischof heilige Vorwürfe über eneS Gcbabren gemacht haben soll. Der Großberzog soll in sebr nachdrücklicher Weise Herrn Koppe« sein Bedauern darüber ausgedrückt haben, daß er bei den Wahlen anti- dynastische Eandidaturen unterstützt habe, worauf dann der Bischof in ziemlich ungnädiger Weise entlasten worden sei. Bischof KoppeS erfreut sich so wie so keine- großen AnsebenS, und er lhäte besser, die öffentliche Meinung nicht dadurch noch mehr zu reizen, daß er sich in die Politik mischt. ES bat lebbasie Befriedigung hervorgerusen, daß idm von hoher Stelle einmal gründlich die Wahrheit gesagt worden ist. Gegen da« neue französische Frcmde»gksrt» sind vom Schweizer BundeSrath Einwendungen erhoben worden. Derselbe hat durch seine» Vertreter in Paris die französische Regierung auf die Folgen aufmerksam machen iassen, welche die Anwentuna der außerordentlich weit gehende» Bestimmungen dcS Gesetzes für viele Schweizer, selbst in der Schwei; wohnende, haben lönne. Ver anlassung zu dem Schritte ist folgendes Beispiel, da« am Deutlichsten zeigt, wie weit LaS Zwangscinbürge- rungSgesetz greift. Ein Bernischcr Staatsbeamter, -il Jabre alt, ist in Frankreich geboren: sein Vater war Schweizer und in der Schweiz geboren, die Mutter Französin. Als er !2 Jahre alt war, kehrte er mit seiner Familie »ach der Schweiz zurück, machte seine Studien i» Bern, verheirathcle sich, trat in den Staatsdienst und erfüllte seine schweize rische» Militairpstichlen. Dieser Bürger wird uu» vom französischen Parlament als Angehöriger der französische» Nation erklärt, wenn er nicht innerhalb eine- Jahre« nach der Veröffentlichung de- Gesetze- ausdrücklich die sranzö fische Nationalität ablehnt. Setzt man den Fall, daß der Betreffende von dem Gesetz keine Kenntniß erhält und daher die Frist versäumt, dann wirb er ohne sein Wissen frau- zösiicher Bürger, und sein Sohn, der eben seinen Recruten- dienst in der Schweiz durchmacht, kann in Frankreich als Ausreißer eingesteckt und bestraft werden. DaS ist doch wahrlich stark und man darf sich nicht wundern, wenn ein weitgehende« Fremdenzesetz in Frankreich die Ausmerlsamkcit der andere» Länder erregt. Au« Bern wird gemeldet, daß auch schon Belgien und Italien auS dem gleichen Grunde vorstellig geworden seien. Frankreich wird vermulhlich a»l Worten, die Sache sei eine innere Angelegenheit. Ein Theil der russischen Blätter sucht wieder die fr rundlicheren Bezieh un gen zu Oe st erreich-Ungarn hcrvorzukehren. So wird eS dem Kaiser Franz Joses als Verdienst angercchnet, daß bei den Manövern in Ungarn jede Kundgebung gegen Rußland unterblieben ist und Alles verhütet wurde, wodurch den Manövern ein demonstrativer Ebarakter aufgcvrückt worden wäre. Auch Graf Kaluvky wird belobt, weil sich da« Wiener „Frcmdenblatl" im Gegensätze zu anderen Organen über den Touloner Flottrnbesuch sehr ruhig ausgesprochen und es unter lassen hat, in den Eborus Derjenigen einzustimmen, die in dem Befuge mehr als eine» Gegenbesuch für Kronstadt erblicken und ihm den Zweck einer Demon stration zuschreibe» wollten. Die Friedensliebe Oesterreich- Ungarn- wird als solche bezeichnet, die Anspruch aus Dank barkeit habe. Die russische „Börsen-Zeilung" hebt hervor, daß Oesterreich-Ungarn Alles sorgfältig vermeide, WaS Rußland unangcncbm berühren könnte, und bemerkt sogar, daß Bul garien nicht mebr der schwarze Punct am politischen Horizonte Rußlands und Oesterreich-Ungarns sei. Wenn die russischen Stimmen mit derlei Acußerungen nicht etwa, wie die- schon öfler der Fall war, den unerreichbaren Zweck, anderwärts Mißtrauen zu erzeuge», verfolgen, so kann man mit ihnen wobl zufrieden sei» Nur schreiben sie, waS die angebliche Vermeidung von Demonstralionen anlangt, den Lsterrcichisch- ungarischen Kreisen die Unterlassung von Absichten zu, an die ohnehin Niemand gedacht hat. Denn eS ist ge wiß Niemand eingefallen, daß die Manöver in Ungarn dem Zwecke einer Demonstration hätten dienen sollen. UebrigenS mögen diese russischen Stimmen wohl mit der immer nach drücklicher hervorlrctendcn Absicht Rußlands Zusammenhängen, eS zu verhüten, daß der Touloner Flottcnbesuch französischer- scilö zu Demvustralioiie» benutzt werde. Die Finanzlage Indiens verursacht den Politikern de- englischen Mutterlandes ernstliche Verlegenheiten. Vor zwei Jahren ergab daü indische Budget noch eine» ansehnlichen Ueber- sckuß; voriges Jahr trat an dessen Stelle ein Fehlbetrag in doppelter Höhe jenes UebcrschuffeS, und das diesjährige Budget weist eine» weilere» Ausfall voneinerhalbcnMilliouPfund Sterling auf. Tie Bemühungen der indischen Regierungum Herstellung dcS finanziellen Gleichgewichts sind nicht von den erhofften Erfolgen gekrönt gewesen; selbst wen» die Einstellung der Silberpräguiig dahin führte, den Rupieneurs vor weiterem Rückgänge zu bewahren — waö noch keineswegs sicher ist —, so wäre immer noch ein erheblicher Fehlbetrag vorhanden Der natürlichste Ausweg, Erhöhung der bestehenden oder Einführung neuer Steuer», erscheint nach Lage der Umstände einstweilen nicht gangbar. Die große VoltSmasse lebt iu äußerst knappen Verhältnissen, wozu, so paradox e« klingen mag, die Segnungen der englischen Herrschaft bei getragen haben. Vordem sorgten fortwährende Kriege, Krankheiten und HungcrSnöthe dafür, daß die Volks zahl eine gewisse Grenze nicht überstieg. Heule haben iniicrc Kriege ganz und gar ausgchört, die heutigen Ver wüstungen Lurch HungerSuoth und Seuchen sind mit der Vergangenheit auch nicht einmal annäherungsweise zu ver» gleichen — so schreitet denn die BevölkerungSzunahme in aus gedehntestem Maße vorwärts, und da mit derselben die Ver mehrung der Exisleiizmittcl auch nicht entfernt gleichen Schrill hält, so nimmt die Verarmung dcS Individuum- stetig zu. Eine Anziehung der Steuerschraube verbietet sich bei dieser Sachlage von selbst, und der Einführung von Zöllen auf den Import stehe» die leitenden Grundsätze der Wirtbschaftö Politik des Mutterlandes entgegen. Also Bedenken und Schwicrigkeilc» überall, und dabei niminl die Verlegenheit des indischen SchatzamlcS alle Tage zu. Beunruhigende Nachrichten dringen noch immer auch all« den crutrat-auicrtkantschr» Republiken »ach Europa Noch immer gährl e« in Nicaragua, Honduras und Guate mala, die Finanzen liegen darnieder, der Handel stockt, und kaum erscheint Aussicht auf bessere Zeiten, woran zweifelsohne die unsäbige Verwaltung dieser Lander die meiste Schuld trägt. I» Guatemala hat der Präsident die Ge hälter sämmtlicher Beamten aus nabezu die Hälfte reducirt, um dadurch die Finanzen zu heben (!); die Maßregel bat eine Unzufriedenheit hervorgerusen, die leicht zu einer neuen Revolulion führen kann. Von Nicaragua au« ergebt ein Wnik »ach dem andern an den großmütbigen Nachbar Onkel Sam, den so oft besprochenen und versprochenen Eanal von Nicaragua zu bauen. Derselbe soll bekanntlich durch Be nutzung de« Sers von Nicaragua LaS Antillen Meer mit 7s FrwiHrtsn. Ln Fesseln. Roman von C. Bollbrecht. Ille Rechte »oebei-lle«. (Fortsetzung.) Sie fühlte sich so froh^so beglückt. Mit dem hochgebildeten Jettchcn besuchte sie die Museen Dresdens. ES ward dabei nicht, wie Durchreisende eS zu thun gezwungen sind, niit dem Katalog in der Hand ein Saal nach dem anderen im eiligste» Tempo und mit nur minutenlangem Verweilen bei den her vorragendsten Kunstschätzen durchlaufen, um dann mit abge spannten Nerven und der verworrenen Erinnerung an das oberflächlich Erschaute hinan« in die nüchterne Welt zu treten. Vielmehr »ahm man sich schon zu Hause vor, welche« Wunder werk der Kunst man heute betrachten wollte, und so ward mit Ruhe genossen und Meinung gegen Meinung auSgelauscht. Hierbei trat manch originelle- Unheil Hildegard « zu Tagt. Sie war mit einem feinen Blick für daS wahrhaft Schone begabt und erfüllt von leicht zum Ausdruck kommendem Ent- busiaSmuS für die Kunst. Jettchcn, welcher die ungewöhnlich ernste Stimmung ihre« Bruder- »ich» entging, versuchte ihn zu zerstreuen, indem sie ibm die naiven Acußerungen ibrrr zungen Begleiterin hinterbrachte; so lernte er Hildegard ge nauer kennen, als sie ahnte. Nur selten schloß er sich ihnen bei ihren Ausflügen an, da Geschäfte ihn zurückhieltcn, wie er auf Jetlchen S Drängen kinwcntete. Geschah eS aber einmal, dann zählte Hildegard diese Stunden zu den schönsten ihrer Erinnerung. (Ihre Befangenheit schwand, da ihr Be wußtsein de- eigenen JchS aufging in dem Genuß de« Ver nehme»- Er verstand so schön und fließend zu sprechen. Sic trug jetcSmal eine verstärkte Verehrung seiucS Wissen- mit sich nach Hause. — Verhört wurde an den Vormittagen durch den Dienst fcstgehalten, auck batte er für Künste, ab- geseben vom Theater, welche- er lieble und zu besten Besuch er die Verwand««, oft anrrgte, wenig Interesse. Er war ihnen aber an den Nachmittagen ein amüsanter Begleiter Dresden ist da« Dorado alleinstehender Damen. In keinem Ort der Welt kann die Einsamgedlietene sich so un- abhängig bewegen und an der öffentlichen Geselligkeit tbeil- nehmen wie hier. In allen EafS«. Eonditorcien und Garten- etablissementS sind Damen vorwiegend. Selbst ganz junge Mädchen können ungenin in »in Restaurant treten und dort speisen, ohne daß ihr Erscheinen das geringste Bedenken her- vorruft oder auffällt. Der enorme Fremdenverkebr, die vielen in Sachsen« Hauptstadt ansässige» Engländerinnen und Amerikanerinnen haben diese Borthcile eiugesührt. Jettchcn, als echte DreSdnerin, lieble cS, an schönen Tagen den Kaffee auswärt- zu nehmen. Heule in einer der zahlreichen Eondiloreien. an Eoncerttagen auf der Brühl swen Terrasse, dann wieder in der Picardie, beim Hosgärtner oder bei Polländer im Großen Garten. Dahin pflegte Gerkart auf seiner „Juno" den Wagen der Damen zu begleite», unk sie waren den Besucher» deS herrlichen Park- bald bekannte und gern gesehene Erscheinungen. Als die Schlittschuhbah» Hegau», fuhren sie täglich hierher. Während Jetlchen mit Bekannte» am Ufer de« Teiche- promenirte oder in der Eon- dilorei eine Taffe Kaffee nahm, durchschnitt Hildegard an der Hand d»S glänzende» Ofsiciers die spiegelnde Fläche. Sie war eine gewandte Schlittschuhläuferin und ihrem Partner vollkommen gewachsen. DaS junge, elegante, von Heiterkeit strahlende Paar erregte bald Aufmerksamkeit. Gerbart'S Kameraden warben um den Vorzug, der Eomtesse vorgesiellt zu werbe», auch gewann sie unter den jungen Damen der Gesellschaft bald viele Freundinnen. Toclor Reinbold bemerkte r« mit verheimlichter Miß stimmung, daß Tage hindurch von nicht- Anderem die Rete war al« von der Eisbahn, Schlittschuhen, dem Zwingerieich oder dem Großen Garten. Selbst Jetlchen war hingerissen von diesem Sport, obgleich ihr dabei die nicht immer angenehme und jederzeit frostige Rolle der Zuschauerin zugesalle» war Er ließ sich nicht bewegen, an einer der AuSsabrten theilzuiieknien, um Hildegard und den Lieutenant al» Schlittschuhläufer zu bewundern. Er blieb zurück und vergrub sich i» seine Acte» .... Einst Wohl hatte er als vortrefflicher E'Släuser sich ausgezeichnet, doch hielt er die- Spiel schon lange al« eine« gereisten Manne« unwürdig Undzuseben? —Nimmer- »ikhr. Hildegard verschwendet« auch niemals ein Wort der Bille; sie wußte von Anbeginn, daß er „nein" sagen würde DaS Verneinen entsprach ja seine,» Naturell. Daß sie aber bei den Bitten Jettchen« und Gerbarl« nickt unbetheiligt blieb, erkannte Jeder, der eS beobachten wollte, an dem wechselnden Ausdruck ihrer Mienen. Nock von ihren Eiternder pflegten die Geschwister eine auSgebreitetr Geselligkeit. Zweimal wöchentlich waren der große Salon unt dir beiden Empiangczimmer der Sammel- punct einer auserlesenen Gesellschaft. Adel, Beamt«. Künstler und Gelehrt« gaben sich hier rin Rendezvous. Durch Gerdart ringesührt, fanden auch junge Ossiciere Zutritt. Es wurde musicirt, geplaudert, die Aeltercn gruppirlen sich an einigen Whisttischen. Hildegard verlieh diesen Abenden einen neue» Neii. DaS „Eomteßchen" ward der Liebling aller. Ibre ungekünstelle Anniulb, ihre Heiterkeit in der Unterhaltung, ihr naive« Urtheil — ausgesprochen mit einem Anktaug de- österreichische» Dialektes — bezauberten Jeden und Jede, nicht minder der Liebreiz ihrer Erscheinung. Sie selbst gewann bei diesen Soireen die Ueberzenguna, daß Doctor Reinbold »och ein junger Mann sei. Er sah so bedeulend und elegant au« neben den anderen Herren, und wie sebr man ihn wertbschätztc und seine Gesellschaft suwte, blieb ihr nicht minder verborge». Die Einladungen zu Soiree», Bällen, Diner- und Souper« für ihn nabmcn kein Ende — er lehnte beinahe regelmäßig ab. Sie gewabrte auck, wie die jungen und älteren Mädchen und deren Mütter um seine Beachtung warben. „Vergeben-" — wie sie sich zu ihrer Genuglhuung sagte. Er blieb gegen Alle gleichmäßig artig. E« lag eine zarte Zuvorkommenheit gegen Dame» i» seinem Wesen, doch konnte Keine sich einer Bevorzugung rühmen — nicht einmal sie selbst! Hingegen machte Gerhart an- seiner Verliebtheit kein Geveimniß. Alle Welt »abm an, daß man in ibm nnd Hildegard bald ein verlobte» Paar sehe» werde. Doctor Rcinbolk ertappte sich selbst bei mancher Unfreund lichkeit gegen den Neffen, die von dem Lieutenant weniger empfunden ward al« von ihm selbst. Er suckle sie auch un verzüglich wieder gut zu machen und erfüllte Gerhart manchen unabsichtlich geäußerten, kostbaren Wunsch. Er kämpfte einen barten Kampf mit sich selbst — doch wußte er, daß er als Sieger daraus bervorgehe» werde. Gegen Jettchcn recht fertigte er fein öftere« Zliriickziehen vom Familienkreis durch Uebersülle seiner AmtSthäligkeit. Sie rirth ibm dringend, »cch einige Hilfsarbeiter anzunebmen, aber sie hatte im Stillen ihre eigenen Gedanken. I» seinem Bureau, im Eentrum der Stadt, schien Paul sich allmälig ganz einzuspinnen. Mit ungelheiltem Eifer „ahm er sich der Angelegenheit feine« Freunde« Fohl an. Es gelang ibm. dir Ätäubiger zur Ge duld zu vermögen. Ein Administrator zog «in auf Bären stein. Di« Anfechtung de« Testament« batte Elemen« ebenso entschieden aögelehnl wie da« Darlehen, welche« Doctor Reinhotr bei einem erneuten Besuch dem Freund« antrug. Siebentes Eapitel. Und nun war e« Frübling geworden. Die Kastanien und Linden Hallen ihr« LlattknoSpen geöffnet und prangten in der Fülle ihre- zartgrünen Schmucke«. Syringen und Gold regen trugen ibre duftende» Blüthendolde»: die Erdbeerein- saffungcn der Rabatten blickten mit ihren weißen Sleriienauge» zu dein tiefblauen Himmel hinaus. E« war ein Duften, ein Schwirre», ein Uebermaß LeS Glücks in der Luft. Heiße Sehnsucht erfüllte die Menschcnbrust. Hinaus, hinaus! Uno eS duldete Keine» zu Hause als die Schwerkranken und Die, so eine barte Pflicht znrückhiclt. Aber auch sie überkam cs wie die Verheißung aus einer anderen Welt. eS werde nu» bald besser werten. Und ibre Brust hob sich dem würzigen Odem entgegen, der ins geöffnete Fenster quoll. Ein kleiner Tempel, ein rechter LuginSIand, steht an dem am weitesten vorspringente» Terraffenendc auf eine», künstlich aufgeworfenen Hügel Von ihm übersieht man die nimmer endende bunte Kette der Spaziergänger, welche sich auf der Schillerstraße vorwärts bewegt. Weiter recht«, am Fuße der au- grünem Blattgcwirr stolz eniporragcnden Albrrchtschlösser, glitzern die lebhaft bewegten, tändelnden Welle» der Elbe. Ei» tiefblauer Himmel sucht in ihrem Grunde sein Spiegelbild. ES ist am späten Nachmittag. Durch die rothen Glas scheiben de« Tempels fallen die Strahlen der Sonne. DaS rosige Licht ruht weich aus der zarten Mädchengestalt, welche auf einem Sessel a» eincm der Fenster kniet. Sic hat die Ellenbogen aus« Gesims, das fein gerundete Kinn in die Hände gcstüi-t und scheint, aiismerksam hinauSzuspähen. E« ist rin liebreizendes Geschöpf, und cs bedarf durchaus nicht der schi»e>chcl»deii Beleuchtung, um da« Auge jede« Lauscher- zu entzücken Hildegard aber denkt au nicht- weniger al- an de» Eindruck, welche» ihr AeußereS jetzt gewähre» könne. Ihr linker, von dem Sessel hcrabgegliitener Fuß klopft ungeduldig da« Steinincsaik des Bode»«, uub als sic nunmehr auf der Straße drüben etwas BemerkcnSwerthc- erspäht zu haben scheint, lack>t sic leise aus und huscht hinter die angclehnte Thür de« Tempel« Zwischen den fahrenden nnd zu Roß sich vorwärts be wegende» AuSslüglcrii ist plötzlich die Gestalt eine« GartercitcrS aiisgetaucht und binier der Ecke de« Hause« verschwunden. Man börte da« Ausschlagen der Hus« 'seines Rappen, dann eine» Augenblick Stille, liegt wird die Verandatbür geöffnet, rasselnde Schritte treten heraus. Lieutenant von Wardenfel« scheint ;» r»cogiiosc>ren — dann klirrt er die Trmpelstufen hinaus und erscheint unter dem Ihürbogen. Der Tempel ist leer. Enttäuscht blickt er um sich und tritt dann zwei Schritte näher, um hinter di, Epheuwand zu spähe«, welch« Heid«
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