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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930923029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893092302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893092302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-23
- Monat1893-09
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VezuaS-Prei- W t« tzmptiMebitio» »der de» i» Stsb«. bezirk »d de» Vorort»» errichtete» A»t- »«drftrll«» ab>»h»lt: Sterlet,Lhrtich ?ei jweiamliaer täglich« Z,ft«lla»g t»s Ha»« ^ Ü-ÜL Durch die Post bezogen für Deutfchla»d uud Oesterreich: virrl«l>idrlich 8.—. Direct» tägliche KreuchattdienLuag t»t Ausland: monatiich ^ 7^0. Di'Mv'qeu-Alltgab» erichetnt täglich '/,7UH^ dt» Lbe,d-Au»gav« Wucheuloz« b Udr. Lrd«rtilm and LrveLittoa: A«tz«mne»,afie S. Liekrvediüo» i geäffuet Filiale«: vtt< «e»»'« Eorti». (Alfred Uaiveriitätrsnatz» I« L.aiS L-sch». Retdarineustr. 1< gart, »d Lö»ia«vl«d?. Abend.Ausaabe. lNWM-TWtlllM Anzeiger. Lrgan för Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Slnzergeu.PreiS die K gespaltene Petitzeile SO PsL Neclameu uater dem Redactionsstrich (<«» spalten) äv/H, vor den Yamüiranachrich«! <6gespulte») 40^. VrSßkre Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zifserusatz »ach höherem Tarif. Ertra-Veilagen (gefalzt), nur mit de» Dtorgeu-Ausgabe, ohne Poslbesärderuag 80.—. mit Posibesärderuag ^ 70.—». ^nnahmtschluk für Anzeige«: Nbend-Ansgabe: Bormittag« IO UHL Diorgr».Ausgabe: Nachmittags «Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bel den Filialen »nd --lnnahmestellen je ela« halbe Stunde früher. —. Antttgr« sind stet« an dia Erdedttt«» zu richte». Druck und Verlag von (k. Pol» l» Leipzig. ^- 487. Sonnabend den 23. September 1893. 87. Jahrgang. »E- Wegen -er Messe -d« ist unsere Expedition morgen Sonntag Vormittags bis 12 Uhr geöffnet. LxpeMlon Äes L-elprlxer l'aZedlullt'«. politische Lagesschau. * Leipzig, 23. September. Welche praktische Folge der Ttie»ram«t»rchsrl zwischen dem «aiscr „nd drm Fürsten vlsmarck in Bezug auf das Verhältnis beider Männer zu einander in der nächsten Zukunft baden wird, daS zu beurtheilen, sehlt eS vorläufig an einem positiven Anhalt. Man muß sich vor der Hand, wie wir von Anfang an betonten, an der Hoffnung genügen lassen, dciix kaiserliche Telegramm werde der Ausaangspunct für die Anbahnung der vollständigen Aussöhnung sein. Es ist sehr wohl möglich, daß der Depeschcnwrcksel einstweilen eine Episode bleibt, die sich gelegentlich in ähnlicher Form wiederholt. In dieser Aussassung bestärkt uns die Art und Weise, wie jetzt die „Hamb. Nachr." das Wort ergreifen. DaS genannte Blatt schreibt nämlich: „In der Presse haben die Erörterungen über den Depcschcnwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem Fürsten Bismarck einen Umfang erreicht, der ebenso wie ihre Tonart zeigt, wie tief der Borgang die Gemüther erregt hat. Diese Erregung erklärt cs, wenn die Bcur- »Heilungen von Ursache und Wirkung nicht immer richtiges Augenmaß bekunden. Wir müssen es uns wegen der Massenhaftigkeit der vorliegenden Artikel versagen, sie alle zu registrircn und daraus zu citircn; wir beschränken uns auf Wiedergabe der mehr kritisch gehaltenen, aber ohne damit deren Ansichten und Eonjeciuren irgendwie approbiren zu wollen." Mit anderen Worten, die „Hamb. Nachr." meinen, daß die Bedeutung deS kaiserlichen Telegramms nicht überschätzt werden dürfe. Eine praktische Folge in anderer Richtung aber hat der Depeschenwechsel, wie die „Ällgein. Zeitg." mit Recht hervordebt, unter allen Umständen bereits gehabt. Die Frage nämlich, welche drei Jahre lang^ den Hofleuten Kopfzerbrechen gemacht hat, von welcher »Leite „der erste Schritt" zu einer Annäherung zu geschehen habe, ist nun mehr vom Kaiser selbst in einer Weise gelöst worden, von welcher Niemand behaupten kann und wird, „daß die Würde der Krone darunter gelitten habe". I», Gegentheil, die Würde und das Ansehen der Krone haben damit >n der öffentlichen Meinung entschieden gewonnen. Die geplante ReichSfteuerreform erfährt, noch bevor über die concreten Borschläge irgend etwas Greifbares bekannt ist, seit Monaten in der freisinnigen und der ultramontanen Presse die schärfste Bekämpfung. Bezöge sich dieselbe lediglich oder auch nur vorwiegend aus den Plan einer umfassenden Neuordnung des finanziellen Verhältnisse- zwischen dem Reiche und den Einzelstaaten, so wäre diese absolut seinbselige Polemik immerhin noch verständlich. Aber soweit eS sich um die Beschaffung der Deckung-mittel für Ausgaben handelt, zu denen eine gesetzliche Verpflichtung voriicgt, haben doch alle Parteien mitzuwirken, welche nicht, wie die Socialdemokratie, daS Budget einfach verweigern wollen. Die Deckung-mittel für den durch die Bewilligung der Militairvorlage entstandenen Mehrbedarf des Reiches m ül srn gesunden werden, daS können auch die Oppositionsparteien nicht leugnen, trotzdem wird von ihnen jeder Vorschlag, der nach den umlausenden Gerüchten von den Regierungen dem Reichstage demnächst vielleicht gemacht werden könnte, von vornherein mit der schroffsten Ablehnung begrüßt. I» der ultramontanc» Presse hat bis jetzt allein die stärkere Inanspruchnahme der Bvrsensteuer Zustimmung gesunden; vor de» Augen des Richter'sche» Organs jedoch findet natürlich selbst diese keine Gnade. Mit ganz besondere», Eifer aber sind »lliaiiiriilaiie wie freisinnige Blätter bestrebt, den Kampf der Tabaksabrikanlen gegen daS Tabakfabrikaisteuerprvject zu unterstützen Man kan» den Tabaksabrikanlen nicht verdenken, daß sie sich ihrer Haut zu wehren suchen, so gut sic könne», wiewohl eS ihnen unseres Erachten« keinen Gewinn bringen kann, wenn sie ihr Pulver viel zu früh verschießen, u»V noch dazu in einem Kam: sc gegen Windmüdlen. Aber Prcßorgane, welche große Polin,che Parteien vertreten, können sich in der gegen wärtige» Finanzlage nicht einfach mit der Zurückweisung jedes Regieruiigevorschlags absindcn, sie haben dann die Pflicht, ihrerseits eine» bessern Weg zu zeige». Wir wissen, sie ver weisen einfach auf den dem Reiche immer zur Ver fügung siedenden Ausweg der Mairicularbeiträge, und sie glauben denselben noch besonterS mit dem sach lichen Argumente cmpsehlen zu können, daß die Matri- cularbeiträge au« de» direclen Steuern flössen und deshalb nicht, wie die indirekten Steuern im Reich, vorzugs weise die uubemitlelterc breite Masse träfen. Wer aber aarantirk denn, daß, wenn man fortan den Mehrbedarf des Reichs Lurch Matricularbeiträgc befriedigen wollte, die- in Zukunft so bleiben würde? Nach der Ansicht der einzel- staallichcn Finanzverwaltungcn ist eine weilere Steigerung der direclen Steuern aus absehbare Zeit nicht kuöglich. Werden nun die Einzelstaaten gezwungen, sehr viel höhere Summen als bisher an das Reick zu zablen, wer will sie dann bindern, sich dieselben auf dem Wege der indirrclen Besteuerung zu verschaffen? Etwaige derartige Steuer- prvjecle würden in den Einzellanttagcn voraussichtlich weit leichteres Spiel haben alS beim Reichstage. Es würbe aber eine derartige Parliculargcsetzgebung für daS gaine Wirth- schaftSlebcii im Reiche von vcrhängnißvolle» Folgen werten können. Dieser Gedanke verdient wohl, von Le» beißspvrni- geu Opponenten einmal in Erwägung gezogen zu werden. Eine oft ausae'auchte und wiederbegrabene Frage be schäftigt augenblicklich VuglanV. Eine königliche Eonimission ist mit der Unlersuchiiilg darüber beauftragt, ob eS nicht mög lich wäre, die etwa 13 Millionen Pfund, die bas Opium dem indisch - cnglische» Kaiscrrcich cinbringt, zu opscr» und so der allgemeinen, durch das Opiuinrauchen im Orient berbeigesührtcn Zerrüttung ein Ende zu machen. Missionare, Äerzie, Kaufleute, Eolonialbcamle werte» vor die Eoninmsion berufen, uni über ihre persönlichen Erfahrungen zu berichte», die sie an Ort und Stelle über die Wirkungen de« Opnim- genussc- gemacht haben. Die Beamten versichern fast einstimmig, baß die Ravschputcn und die Sikh, die leidenschaftlichsten Ohiuniraucker, die gesündeste und stärkste Race im ganzen Hindostan seien, und daß China daS Opium, dieses „Mittel gegen alle Ucbel", und noch mehr Diejenigen, welche e« i»i- portirten, segne. Die Missionare dagegen, welche selbstver ständlich einen ganz anderen Standpunkt cinnehmen als die Kaufleute und englischen Eolonialbeamte», erkläre» rundweg heraus, daß die Chinesen, welche sich dem Opiiimgemiß hingebcn, physisch und moralisch auf die elendeste Weise zu Grunde gehen. Ein Missionar erklärte vor der Com mission, daß das durch Indien in Ebina imporlirle Opium den chinesischen Verwaltungsbehörden eine derartige Be sorgnis für die Zukunst de- Reiche- der Mitte cinflößc, daß in manchen Gemeinden die Behörden den Opiumrauckern die Lippen spalten lassen, damit die Unglücklichen die Opium- pfeife nicht mehr im Munde halten könne». Der Missionar fügte sebr sreimüthig hinzu, er erröthe darüber, einer Nation anzugebörc». die m>« ihrem Opiumhandel de» ganzen Orient vergifte. Allerdings darf man nicht ohne Weiteres den» Einen oder Ander» Glauben schenke». Wäkrend die Engländer sich über ihren Opiumbandcl selbst entrüste» »nd den Orient von dem Laster heilen wollen, macht eS natürlich einen peinlichen Eindruck, Laß, wie die Blätter melden, einer der von der Eominissio» gehörten Zeugen, der sich ganz besonders ent rüstet über die schlimmen Folgen bcS Opiumgenusses in Indien auSsprack, vor einigen Tage» einem Anfall von ckoliiium ti-k'im'»8 erlag, weil er in einer Nacht drei (?) Liter WbiSly getrunken Halle. DerZus a m menl ril t der neuen französischen K a i» m cr kann vor dem i l Octobcr aus kein Grünte noch nicht er folgen, weil bis zu tiesem Tage die alte noch i» Amt uud Würde» ist. Aber »ach dem l l. Oclober hat die Regierung das Recht, die Ncligewähllen früher oder später in das Par lament zu rusen Mai, beschäftigt sich jetzt schon mit der Frage, ob sich diese Einberufung bis zum November oder vielleicht gar bis zum Beginn des Jabr.-s 18!» t biiiausschiebcu wird. Es kommt allerdings aus einige Tage oder auch auf einige Wochen nicht an. DaS Budget für 1894 ist be stimmt, und eS würbe kaum als nolbwenbig erscheinen, eine außcrortenlliche Sitzung für Ende Herbst einzubcrufen, wen» man stck, nicht mit der Beglaubigung der Voll machten der Neugewählle» beschäftigen und darüber schlüssig machen müßte. Da man hoffen bars, daß sich tic-inal die absurte Campagne der Ungiltigkeitscrklärungen, die den Beginn früherer Legislaturperiode» lcnnzcichnele, nickt wieder hole» wirk, so kann man jederzeit z» jener Beglaubigung schreiten. Es würbe zu Ungelegcnbeilen führen, wenn man deren Datum nach dem Aushörcn und tcni Aueeinantcrgehcn der alten Kammer allzulange hinaiiSschicbcn wollte. Auch für den Fall, daß wichtige und dringende Geschäfte die Ein berufung deS Parlamentes bedingen sollten, ist cü »othwendig, daß dir beiden Kammern möglichst bald regelrecht coiislliuirt werden. Man würde zwar, meinen die „DSbaiS", mit der Einberufung der neuen Kammer getrost b»S zum Januar warten könne», aber man würde sie ebenso gut schon am l5>. Oktober zusamnientrelen lassen können. Wahrscheinlich wird man nach beiten Richtungen hin etwas zugcbe» und ihren Zusammentritt im November erwarten Linsen. Die Schritte, welche der junge König von Lcrbien gc- tban hat, das HauS Karaaeorgicwitscb mit dem gegen wärtig herrschenden Hause Obrenowitsch auSzusöpne», sind auf Einblasungen von Dokitsch zurückziisührc», welcher c« immcr als etwas LcichicS binstcllle, nutcr radikaler Ver mittelung aus diese Weise eine» große» Erfolg z» erziele». König Alexander wandte sich daraus zunächst au den Fürste» NilolauS von Montenegro, dessen Vermittelung nachsuckend, »nd Prinz Peter Kara.zeorgiewitlch bat darauf bin auch einem Interviewer gegenüber sich bezüglich des König- Alexander sehr shmpatbisch geäußert, a»ch erklärt, von ihm bade der selbe keine Unannehmlichkeiten zu besorgen. Daraufhin vollzog König Alexander jene demonstrativen Handlungen auf seiner Rundreise, indem er, wie bereits erwähnt, i» Waljewo einen Obcim deS Prinzen, den Dichter Ljubomir Ncnadowitsch, feierte und durch einen Orden auszcichnele, woraus »och die Huldigung auf dem Grabe des alten Kara in Togola, dem Lttammsitzc der Karagcorgicwitsch, erfolgte. Al« aber dann der durch die Verbciralhuna mit der Prinzessin Demidow-San Tcnalo reich gcirordene Bruder Peter'S, der Prinz Arsen, erklärte, wenn jener auf seine Rechte verzichte, so werde er die Ansprüche des Hause« Karageorgiewitsch wieder auf- ncbmen, leugnete Prinz Peter die trübere» Erklärungen wieder rund ab. Da« Vorgeben deS jungen König« war also vor eilig; die Veraiitwortulig dafür fallt aber seinen radikalen Rathgebern zu. Heber den brasilische» Admiral Eustodio de Mello wird der „Köln.-Ztg." von sachkundiger Seite au- Brasilien ge schrieben: Sollte der Atmiral Mello in dem von ihm ber- vorgcrnscnc» Aufstande Sieger bleiben, so müßte nach dem Gesetz der Präsident tes Senats l)n. Prüde»te de MoraeS den Präsidenieilstlibl b>S zur Nenwabl besteigen, und dann wäre der Verfassung nach die Möglichkeit, ib» zum Präsidenten zu wählen, ausgeschlossen. Da» würde man aber in Brasilien mit Recht bedauern, den» diese» tüchtigen und ehrlichen Mann — er flammt au« der Provinz Sao Paolo — balle man sich allgemein als den nächste» Präsidenten vom November 18!>l ab gewünscht, umsomehr, da er nicht Militairperson ist »nd ibm selbst die cinsichlsvollen höheren Ossiciere vor einem Soldaten tcn Vorzug geben würben. Eustodio de Mello ist ein gebildeter Mann in den fünfziger Jabren, a»S guter Fa milie, klein, von aligenebnicm Aeußern und gutem Pcnehmen. Energie bat er bcwicse», fraglich aber bleibt, ob er die Ein sicht und die Sieiiutnissc besitzt, die ei» Präsident baden muß, wenn er Brasilien wieder in rubize, geregelte Bahnen führen will. Großer Beliebtheit tei der Marine und bei seinen Kameraden halte er sich nicht zu erfreuen, weil.er imiuer etwas zurückhaltend auf'trat. Mello war ein treuer An hänger der Monarchie. Er befand sich beim Sturz des Kaiserreichs mit dem Prinzen Tom August», dem zweiten Eobn der verstorbenen Prinzessin Leopoldina, auf einer Reise um die Welt und »msiie den Prinzen in Indien a»S Land setze» Auch seither ist er stclü eiiiigcrmaße» monarchischer Gesinnungen verdächtig gewesen, und eS wäre gar nickt linmöglich, baß Mello, wenn er erst die Macht in der Hand hat, die Monarchie durchzusetzeu üichen würde. Es würden ohne Zweifel Viele, die fick aus Furcht still gehalten, »ameullich aus der bessern Gesellschaft, ihm zujauchze». Als Mello von seiner Reise mit dem Kreuzer „Aimiraitte Barrozv", der inzwischen im Rothe» Meere uiitcrgcgaiigen ist. beimiehrte, fand er die Republik vor und man ließ ibm eine sebr rasche Beförderung zu Tbcil werden. Die Be schießung der friedlich.-» offene» Stadt Rio de Janeiro wird dem Atmiral Mello freilich keine Freude machen, uud in Florians Peiroto bat er eine» bösen Gegner, der eS zum Acußcrstell lommcii läßt, statt »achzugebe». So traurig die jetzigen Verhältnisse auch sind, so haben sic doch da« Gute, daß einmal Ernst gemacht wird, den» ohne Blutvergießen konnte e» nicht besser werden. Jeder bildete sich ein, Politik auf eigene Faust treibe» zu dürfen Daß Eustodio de Mello diclatorische Gelüste hat, ist unglaiibhaft, vielmehr scheint eS, daß er nur das ungesetzliche Handeln des Vicepräsikentcu verhindern und ihn deshalb stürzen will. Eustodio de Mello kennt Europa und ist der sranzösischen Sprache vollständig, so ziemlich auch des Englische» mächlig. Nach neuesten Nachrichten auS Brasilien blockircn übrigens die Ins ur gente» Santo«, gerückttweise verlautet, daß sieDesterro besetzt haben. Die brasilianische Gesandtschaft i» Pari« will dagegen unterm 22. September die Mittheilung erhalten baden, baß die be.-.bsichligtc La»düng der Aufständischen in Niet he roh nicht geglückt sei. Ter Bclager»»gSzustaiid in Rio de Janeiro, welcher am 21. September ablicf, sei nicht Fsttilletsn. Zn Fesseln. Ss Roman von C. Lollbrccht. All« Rc-tc Vorbehalt«». (Fortsetzung.) Ein Geräusch, die Schritte Eintretender in dem anstoßenden Gemach, lebhafte« Sprechen dann entriß sie ihren Gedanken. Elemen» erwartete heute Besuch, Doctor Neinbold, wie er ihr gestern bei flüchtiger Begegnung mit ungewöhnlich heiterer Miene mitgetheilt hatte. Sie beschloß zu warien, bis tie Herren sich entfernt haben würben. Zwar stand die Fenstcr- thür offen, aber der in schwerem Faltenwurf herabwallende Vorhang entzog sie den Blicken der Einaelretenen vollkommen. Sie batte Storni'- „Immenser" mitgevracht und begann zu lesenz bald aber wurden die Stimmen innen lauter, und plötzlich sprang Hildegard auf von dem kleinen Fcldsessel, in welchem sic bisher geruht. Clemens batte seinen Jugendfreund am Bahnhof Drei bronnen erwartet. Reinhold war der einzige Reisende, der auf der kleinen Station den Zug verließ, deshalb konnte er nicht in Zweifel sein, daß der Erwartete vor ihm stehe. Sie sahen sich eine geraume Zeit forschend und fragend in die Augen. Als Knaben batten sic sich getrennt, als gereifte Männer standen sie sich heute gegenüber. DaS Aenßcrc Doctor Reinhold'S war gewinnend und interessant. Er war noch etwa» höher gewachsen als ElemenS. von kräftigem Körperbau und eleganten Bewegungen Er hatte klare graue Augen von ruhigem und tiefem Blick, eine edle Stirn, braunes, kurz ge schnittenes Haar und einen braunen Bollbart. E« lag eine große Milde und Leutseligkeit in seinem Wesen, die, geeint mit scharfem Verstand und einem Gemüth ohne Falschheit, ibm mit Recht den Ruf eines liebenswürdigen Manne» ver liehen. Er batte Mühe, die Enttäuschung zu verbergen, die ihn beim Anblick seines ehemaligen Spielkameraden beschlich. So verdüstert und iusichgekchrl batte er sich den Grasen doch nicht vorgestellt, obgleich seine mißlichen Verhältnisse ihm kt», Geheimnis mehr waren. Es fiel beiden ansang- schwer, ein Gespräch anzubadncn, da hatte Paul gleich einem umsichtigen Arzt, der zur rechten Zeit di« Sonde ansctzl. Clemens um eine aufrichtige Darstellung seiner Lage gebeten. Ja gedränalc», stockenden Worten versuchte Clemens dem Freund sein Herz auSzuschüttcn. Verschlossen und sensitiv wie sei» Wesen war, gelang ihm die- nur unvollständig und lückenbast. — So be traten sie daS Empfangszimmer. Sie nahmen aus einem kleinen Ecktivan zwischen den beiden Fenster» Platz. Anselm, lrvtz seiner etwas verblichenen, an manchen Stellen fadenscheinigen Galalivrüe daS Urbild eincSHerrschastSkiener vom alte» Regime, setzte einige Ersrischungen aus Während sein Gast mit gutem Appetit den kalten Speisen zusprach, empfand Clemens mit wachsender Genugthuung die wohllhucnde Zuversicht, welche die Allweseiiheit eines wahren FrenlibcS verleibt. „Und nun zu Dir", sprach er, die Gläser mit dem liefen Purpur dcsMcttiiker TraubcnsafteS füllend. „Wie ist cs Dir in der langen Zeit unserer Trennung ergangen, Paul?" „Darauf kann ich, mein Schicksal sei gepriesen, mit „vor trefflich" antworten", versetzte der Rechtsanwalt beiter, und tippte mit seinem GlaS an da- deS Freunde«. „Ter. Ellen, Tod war der einzige Schatten in einer langen Reibe zufriedener Tage. Ich vericbte eine sidele Studentenzeit in Leipzig »nd Heidelberg, bin noch immer „Alter Herr" der Saxonia, weißt Du, und da ich Uber all tcn Kneipereien das Lernen »ichi vergaß, machte ick zur rechten Zeit mein Doctorcxaiiic». Rach einer herrlichen Reise durch Norwegen, Schweden, Heiland und Frankreich etablirte ich mich aus PapaS Wunsch als RecklS- anwalt in Dresden. Es gehl mir gut, i» meiner Kanzlei arbeiten ein Kanzlcichef und sechs Copisten, an Elieitten ist kein Mangel." „Und — Du hast nicht geheirathet?" fragte Clemens zögernd und errvlhcnd. „Geheirathet? Nein, bis jetzt noch nicht, heißt daS Aber eS wird nun Zeit, alter Junge, daß wir daran denken, schon dreiunddreißig!" Paul Rrinhold lachte herzlich. Clemens «rröthete noch tiefer und war so verlegen wie ein junge« Mädchen. „O -- ich!" wehrte er ab. „Ich habe schon manck liebes und bübscheS Mädchen kenne» gelernt", suhr Doctor Rcinbold unbeirrt sort, „jedoch ter Wunsch, mich zu vrrmäblen. ist nie i» mir erwacht Jettchen bereitet mir eine so angenebme Häuslichkeit, ihr stille« Serge» »nd Walten erstreckt sich seil PapaS Tod einzig auf mich, daß ich mit der Begründung einer eigenen Familie wohl den Kürzere» ziehen würde." Clemens neigt« zustimmend den Kopf. Vor seinen Leelen- augcn erstand ein rosige« Märchenantliy mit lange», blonken Zöpfen. Sir war nur um ein Jahr jünger als die beiden Freunde, dazumal die treue Gefährtin ihrer Spiele. „Doch laß »nS zu dein zurückkel»«», was mich hierbcrgcsührt, Clemens — ick möchle Dir soviel als möglich beislche». Freilich, mein Vermögen ist nickt groß »»b bestellt hauptsächlich i» unserem Haufe und dem dazu gcbörendcii große» G.ir.cii. Auch bat Jettchen ihre» Antbeil daran. Papa war äußerst freigebig und verwendete einen nicht unbeträchtlichen Tbeil seiner Ein- labmcn aus Sainmlunge», die bei seinem Tote dem Musei»» zusiclen. Dies zu meincr Eiilschultignng. Ich zweifle aber dennoch nickt daran, Laß eS mir gelinge» wird. Deine Sorgen zu beseitigen." „Ich erkenne Deine Freundschaft an — aber eS ist un möglich." „Warum nnmöglich? Sei doch »ickl so MiitbloS. Sollte eS »ich» durckfübrbar sein, mit den Gläubiger» Deines ValciS einen Vergleich abzuschließcn? Die dazu erforderliche Summe kan» man auf Deine Liegeuschasien ausnehme»." Clemens sprang aus. „Nein, niemals", sprach er in großerBcwegung. „Ich banke Dir für Deine Vercilwilligkeit, aber ich bi» «»Ischlosscn, mir keine neue Verpflichtung auszubürden, die ich nicht halten könnte." „Was gedenkst Du demnach zu tbun?" „Alle- dahinziigebc», was mcin ist, daS Schloß zu verkaufen und mit dem Erlös meine Gläubiger zu befriedigen." Klein laut setzte er hinzu: .Peider sind mir für den Augenblick noch die Hände gebunden, obgleich ich vor einigen Tagen ein sehr günsiige« Angebot erhielt." Doctor Rcinhold batte sich ebenfalls erhoben und stand dem Sprechenden gegenüber. „Wie soll ich da« versieben?" fragte er voll Tbeilnabmc. „Du weißt, daß ich eine Stiefschwester habe, eine Tochter jener Frau, welche trennend zwischen mich »nd tcn Vater trat, dessen nochmalige Verheirathung mich dem Vaterhaus ent fremdete. Ni», denn — Hildegard ist Mitbesitzerin de« Bären- steinS — derselbe ist vorläufig unveräußerlich. — Ueberzeugc Dick davon." Ter Gras trat z» einem Schrein von kostbarer Holzschneide kunst. Er öffnet« die mittelste der drei Idüren desselben unk entnahm einem der vielen Fächer, di« sich nun zeigten, ein Document. welche« er entsallete. „Höre selbst; eS ist das Testament meine- Vater«." Er blätterte in dem Aktenstück und begann bann z» lesen: „Ferner bestimme >ch Folgende«: Mein Töättcrlein Hilde gard bat solange ihre Hrimath aus dem Bärenstein und freie Benutzung jeuer Räume, welche ich bei Lebzeiten bewohnte, bis sie freiwillig einem selbstgewählten Galten in eine neue Heimath folgt. Dann fällt Schloß Bärenstei» meinem Svbn Clemens zu alleinigem Besitze z», »ud er kan» damit nach Gefalle» und Nvthwciidigkeit verfahren, nachdem er Hildegard die bescheidene Summe auSgczahlt hat, die ick Weiler unten als ihr HeiratbSgut auSgesetzt habe. — Unser Besitzt!,»»» ist arg ver schuldet: ick tbat, was ich konnte, den Vcrsall aufzubalten. Unsere Vorfahren lebten herrlich und i» Freuden — wir.tragen die Folge». Sei standhaft, mein Clemens. Mcin Fluck aber treffe jenen, der c« wagt, Hildegard ihrer Heimath zu berauben, de» OrteS, wo sie zur Freude und zum Glücke ihres alten Vater« hcrauwuchs." Doclor Neinhold hatte aufmerksam zugchört— jetzt wendete er fick rasch um: „War das nickt ein Seufzer?" „ES sind die alten Möbel", entgegnet« Clemens mit Gleich giltigkeit, noch immer in dem Testamente blätternd. „Aber was sagst Du dazu?" „Ein Verniäcktiiiß, wozu Dein Vater durch seine Vorsorge für seinen Liebling bestimmt ward, welches aber vor tem Ge setze sich anzweisel» läßt", sprach der Rechtsanwalt mit großem Ernst. Clemens richtete sich stolz auf. „Ick bin nicht gesonnen, den letzten Willen meines Vaters z» umgeben. Zur Gcwißbeit aber ist cs mir geworden, daß meine Lliesschwestcr sick bald vermählen muß.' „Du sprichst mit solcher Bitterkeit vo» ihr. DaS arme junge Mädchen sängt an, mir Mitleid ciiizuslößen." „Stets war sic ein Dorn ans meinem Wege. Sic ist eia verwöhnte«, lauiicuhaftcS Geschöpf, immer dem Augenblick ergeben." „Du sagtest, Deine Schwester solle sich bald vcrbeirathen. Hat sie schon gewählt?" fragte Paul Rcinbold mit unver hohlener Kälte des Tons. „Durchaus nicht — eS seblt ihr an jeder Herrenbekannt- schast Sie war bi« jetzt in einem ErzickiingSinllitui." „Wie denkst Du sic also zu vrrhrirathen?" Der RcchtSanwalt fragte e« beinahe drohend. Aber ein Blick aus seinen iinrubig ans- und abschreitendrn Freund, auf dessen nervös zuckende Miene stimmte ihn unverzüglich milder. „O. ick denke, da» ist nicht all;» schwer", erklärte Clemens mit Eifer. „So wie ich mir die Märchen vorstelle — eitel, putzsüchtig, dem Schein ergeben —" Doctor Rcinhold lachte hell auf.
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