Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930930025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893093002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893093002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-30
- Monat1893-09
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
M tzW itz« tz» ß> Nskr «G d« v»r»«tt, »rtchtttt, »is, »adetlelln, »«NrtsLhritch^IL^a. »ei »wetmallaee tügllch« gostell»,, in« Hant ^ bLL Durch di« Post bezöge» sür Deutschtaud ,»d Oesterreich: vtertellSdrlich »St 6.—. Direct« tägliche -rrajdaadiendung in« Ausland: uwuatltch ?chlt Dir M orgeu-«»«-,», «rich^ täglich V.7UHL die LÜud-Latgad« Wochentag« 5 lthr. Ledtctt-, m» Lr»Es«^ AodOAUesgaHi 8, UeAyedtti», «ilWocheatag« „nntrrdroche, G-S»tt »a» ftich S «« «doch« 7 lch«. /UUilr»: vtts «e»»'« Earti». tVkfre» ch«H»Id Unlversitüttstraß. 1. Laut« L-sch«. »ai-artmapr. 1«. part. »ad <S^,rpI«t 7. Abeud.Ausgabe. TaiMlltt Organ für Anzeiger. Politik, Localgeschichte, Handels- «n^eschaMrM A«zeig«»-Vre1O Ne -gespaltene Petttzeile -0 Pf^ »«ela««, »»Irr d«« Uedoctions-rlch («a» ipalle,) 50^, vor de» Aamilir-nachrichk, lSgrspalir») «0--. Oroßer« Schriften l,»t »njerr« Prri«- derzelchoib. Tabellarischer und Lisi«»!»» »ach höherem Tarif. Oxrr«»Vettasen (gesalzt), »nr »V d«« Morgen »Ausgabe, oha, Postbesörderuim » AL—, mit Postdefürdenmg 7L-»» A«mr!f«esch!aß fiir Iinzrige»; >br»d-Aus-ab«: Vormittag« 10 Uhr.' Morgen-La-gab«: Nachmittag« s Uhr. So,»- «nd Festtag« früh '/»S Uhr. Bit de» Filiale» »nd Annahmestellen ja ein« halb« Lt»»d» früher. Musste, ß»d stet« «, dt rtchtem L»ck «d «erlag o» «. Psl» 1» SslstM, Sonnabend dm 30. September 1893. 87. Jahrgang. Wegen-er Messe ist unsere Expedition morgen Sonntag Bormittags bis 12 Uhr geöffnet. Lxpeültlou des I^elprlxer laxedlattes. politische Tagesscha«. * Leipzig, 30. September. Die LanV1ag»»»ahlbe»egung kommt langsam in Fluß. Nachdem die sächsischen Nationalliberalen schon Ende voriger Woche ihren Wahlaufruf veröffentlicht haben, sind ihnen jetzt, den anderen Parteien vorauseilend, ihre Gesinnungsgenossen in Preußen gejolgl. (Den Ausruf selbst haben wir im gestrigen Abendblatt wiedrrgegeben. Ned.) Beiden Kund gebungen ist vor allen Dingen gemeinsam, daß sie die Für sorge sür den Mittelstand in den Mitlelpunct des positiven TbeilS ihre« Programm- stellen. Diese Ucbereinstimmnng erklärt sich aus der im ganzen Reiche der Hebung bedürftigen Lage de- mittleren BürgerldumS. Gemeinsam ist ferner bei den Aufrufen der Hinweis auf die Nolbwcndigkeit der Abwehr ultramontanerMachtbcstrel'ungen. DcrAufrusderpreußischen Nationalliberalen legt nächst den wirlbschaftlichen Forderungen daS Hauplgewicht auf entschiedencLelämpfung dieser fortwährend drohenden Gefahr, indem er sehr zutreffend an die durch Ge- schichte und Gegenwart bezeugte Tdatsachc erinnert, daß der UltramontanismuS vermöge der Fähigkeit und Neigung, sich bald mit der Reaktion, bald mit dem RadicaliSmus zu ver binden, ein grunvstürzrnde- Element für das deutsche Staats wesen bildet. Die augenblickliche taktische Verlegenheit deS CentrumS vermag selbstverständlich den gefährlichen Eharaklcr seiner Tendenzen nicht abzuschwächen, auch sie bestätigt vie Charakteristik in dem nationalliberalen Aufruf. In dieser, gleich der socialvemokratischen aus die Erzeugung zehrenden Unfriedens hinarbeitenden „katholischen" Partei denkt man jetzt: „Ein Königreich für rin volkSthümlickeS kirchenpolitisches Gravamen"; sic empfindet die kirchliche Be ruhigung als eine Beeinträchtigung ihrer politischen Aspira tionen. Die rheinischen Eonservativen haben gemäß ihrer Erklärung keine andere Auffassung von dem Wesen deS UltramontanismuS, nichts desto weniger leisten sie dem Centrum Vorschub, indem sie durch die LoSsaguna von den Freicvnservaliven die Widerstandskraft seiner Gegner schwachen. Die Unternehmungslust der Eonservativen östlich der Elbe bat sich also an den Rbein verpflanzt, ob zum Vor- thcil der Partei, muß sich erst zeigen. Die „Kreuzzeitung" ist sehr wagemuthig und endet eine Absage an alle links von ihr Stehenden mit der Redensart: „Der Rubikon ist über schritten". Sie hätte vielleicht besser die Parallelphrase: „Die Würfel sind gefallen" gewählt. Denn etwas Hazard- mäßige« haftet unverkennbar dem Eifer an, die auf dem Tivolitage verlorene Summe durch verdoppelten Einsatz zurück» zugewinnen. Die Erörterung der Günser Depesche hat auch diese Woche beherrscht und durch die Veröffentlichung ihres Wortlauts neue Nabrung erhallen. Bei der nickt immer mit der ge botene» Zurückhaltung geführten Aussprache ist ein Umstand einigermaßen zu kurz gekommen, die Tbatsachc nämlich, daß daS Schicksal, ihren unvergleichlichen Heroen zu verlieren, von der deutschen Nation abgewendet Worten ist. Da die Gesabr sür das theuere Leben vorübcrgegangcn war, als man von ihr Kcnntniß erhielt, hat daS GlückSgesühl über die Errettung nickt den vollwertkigcn Ausdruck gesunden und die Aufmerksamkeit sich anderen Fragen zugcwendet. Die politische Erörterung allerdings gestaltete sich zu einer Huldigung sür den greisen Staatsmann, indem sie die unermeßliche Bedeutung darthat, welche die ikm kübl Gegcnüberstebcnden — hierin nickt von den glühendsten Verehrern unterschieden — seiner Person zuerkennen. Wen >, wie zu hoffen, der Fürst beute die Heim reise anzutreten sich kräftig genug fühlt, so begleitet ihn in den stillen Sackseilwald daS Interesse einer Welt, in seinem Batcrlande aber die Dankbarkeit von Millionen, die einen langen, ungetrübten Lebensabend sür ihn erflehen. DaS officiellc Programm der SmpsangSfetcrltchkciten in Toulon ist folgendermaßen zusammengestcllt: Freitag, den >3. Oclober, Ankunst deS russischen Geschwaders. Ter Gcncralstab landet vor der Bürgermeisterei und stallet sogleich de» Civilbehörden einen Besuch ad. NachmittagS findct die Besichtigung deS Arsenals und deS Stadthauses und AbcndS Festmahl beim Marineminisler stall. Sonnabend, den 14., wird an Bord deS „Formidable" beim französischen Viceadmiral ei» Mahl gegeben, daS von einem Ball sür die Osficiere der Landarmee »nv Marine gefolgt ist. Sonntckg Frühstück im Etadtbause, NackmittagS Blumcncorso. Abends Fcstvorstellung im Theater. Montag, den 10., Besichtigung de« Arsenals und Frühstück beim Admiral und Coinman- dantcn des ReservegesckwadcrS, Nachmittags: Absabrt nach Paris, wo Abends Empfang und Festmahl beim Präsi denten Carnot stattsinden. Den 24. Oclober erfolgt Ab fahrt von Paris und Ansentbalt von einigen Stunden >n Toulon und Marseille zum Empfang durch die Municipalität. Sonnabend, den 28. Oktober, findet alsdann Abfahrt von Toulon statt. Wie noch aus diesem Programm ersichtlich, empfängt Earnot die russische» Gäste nicht sckon, wie anfangs geplant war, in Toulon, sondern erst in Paris, auch eine Folge der vom Haren nach Frankreich ergangenen Mahnung, die Franzosen möchten dem Fcucrwei» ihrer Ruffomanie etwas Wasser hinzugießcn. Tie alberne Bebauptung der „Librc Parole", Earnol meide Toulon, weil italienische Arbeiter für den 13. Oclober daselbst ein Eomplol geplant hätten, wird u»S jetzt auch osficicö als unsinnig be zeichnet. Um der Begeisterung der Franzosen sür den Russcnempfang übrigens noch einen wecleren Tämpser aufzusctzen, versagte der Präfect deS Var- departcmentS im Aufträge deS Ministers der Innern dem Beschlüsse des Touloner Gcmrinderalbs, der 500 000 FrcS. sür den Empfang der Russen beslimmle. seine Genehmigung. Die Regierung erklärt, der Festcredit dürfe 50 000 Frc«. nicht überschreiten. ^ Drabtnicldung, wirb weiter gemeldet: Nach la"se , vom 22. September sollte der russische , ^S Baw» Mohrenb.im « b» d-rß EomitdS sür die ru„>schen ^c'erl'chkc'lcn ,-t g der Besuch der russ'schen ^ „ne mit einem besinn inten Zweck .m Uugc de M, n , große historische Beaebende.t ,e,ud,cr, " " 8-nTaa- in der Gesucht-der be.de,'^l r cna ^ werte. Dieser Mittbc.lung gegenüber 'st ^ ersucht worden, Folgende- n..,z.,the.lcn .Tr ru s'A Gesandte tii Paris hat n,-»ialS bet irgcnv ciiicr lege,ihcit oder irgend einer Deputation s ch ^ diese Weise auögesproch-u. ^ t °H "st von nie einfallcn, dergleichen zu s g - ZSWZMffW Wremja" hatte daS rührende Märchen '» ^ ^ j ^ V . russische Adnnral einer f r a n z o f 11 w c n E n, igrantensamilie entstamme, die seit dem vorigen Jahrhundert in Rußland angesessen sei. Nunmehr entnimmt aberd>°„N°w. Wr" sinnläud.schen Blättern, dag-rfl.'w ländilcker Herkunft und t830 in Lowisa geboren ist, und dah sein Vater Lieutenant in einem der früheren dortigen Linien- lmtaillon-war. Somit wäre also b» Name zu schreibe , wie in. finnlänbischcn StaatSkalender, d. h. Ave an. UebrigeuS schreibt sich der Akiiiiral, wie auS einer Mitthcl- lung au den „Figaro" hervorgeht, selber so. Wie bereits telegraphisch gemeldet, hat «lcSst-»c am 27. September in der Albert Hall in Ed.nbura m lan- aerer Rede vor einer enthusiastisch gesummten Zuhörerschaft en>:ich sein Herz auSgeschsitiet. ÜS braucht nicht erst gesagt ,u werten, daß er in vieser längst erwartelen Rede sc.ue gar;« rbeioritck- Gewandtheit rrtwickelte. um eine ihm von vornherein geneigte Zuhörerschaft fortzureißen; gal, eS doch, seinen Anhängern neuen Muth cmzuflöße» und fie znnachft von der Furcht zu erlösen, daß er ,n Folge der Verwerfung der Home Nule-Bill durch das OderbanS an die Wähler appelliren werde. In diesem Theil bestätigte die Rede lediglich, daß Gladstone diesen Schritt erst zu thun gedenkt^ wenn er mittelst der Durchdringung einiger Reformen Stimmung unter de» Wählern gemacht, eine Taktik, durch welche er nur sein eigenes böses Gewissen bezüglich der Home Rule-Bill zu erkennen giebt. Seine gegen das Oberhaus geschleuderten Drohungen werden aus dieses gerade jetzt wenig Eindruck machen; Kat eS doch sogar indirect Glatstoiie gerettet, den ein großer Theil seiner eigenen Anhänger im Stich gelassen haben würde, wenn sie ihr Votum für die Bill nicht in der Gewißheit batten abgebcn können, daß diese Abstimmung durch daö Oberbaus unschädlich gemacht werden würde. Außerdem aber hat das Oberbaus durch sein Auftreten die Uebcrzeugung der weit überwiegenden Mehrheit Englands zu Ehren ge bracht und ist beute in Folge testen wahrscheinlich mächtiger als seit langer Zeit. Gladstone, der nicht den Mull» hat, «Mäkler zu appelliren, wird sich zweimal überlegen, ob er d^ren Hilf- gegen besten Existenz überhaupt anrufen soll. Die „Times" rühmen an der Rede, daß Gladstone den Mult, seiner Inkonsequenzen" gehabt habe. Gerade vor acht Jahren habe er an derselben Stelle da» Volk von Großbritannien aufgcfordert. ihm eine Mehrheit zu geben, die ikn von den irischen Stimmen unabhängig mache; e« sei, habe damals der Premier erklärt, sür die Führer der liberalen Partei nicht geziemend, die Regierung zu übernehmen, im Verlaß auf eine revolutionairc Partei, welche jener ihre Politik diclirc» und anderenfalls drohen könne, sie über den Hausen zu werfe». Der englische Abgeordnete Labouchüre, der ei» SSrnlein Wahrheit in einer Schale SarkaSmu« zu verabreichen pflegt, setzt in der letzten Nummer seiner „Trutb" den Versuch fort, die Ethik der privilegirten Gesellschaften in« rechte Licht zu stellen. Diesmal gilt eS der NozalNiger -smpany. Man erinnert sich, daß jüngst das Eolonialamt i„> Hause der Gemeinen interpellirt wurde, als der äwist der Gesellschaft mit Frankreich die Aufmerksamkeit aller Welt auf Westafrika lenkte. Lowther, der als ehemaliger UnterslaatSsccretair im Auswärtigen Amte die Verhältnisse kennen sollte, behauptete, er hätte nie etwas Schlechtes über die Gcicllschast gekört, sie zahle regelmäßig anständige Divi dende. sie nehme öffentliche Gelder nie in Anspritch und betreibe ihrcGcsct'äslc ohne Hilfe des britischen Steuerzahlers. Allerdings, meint Ladouchöre, ohne Hilse des Staatssäckel-, aber durch Schädigung sämnitlicher nicht privilegirter britischer Hänhser durch cincn unerhörten, schonungS- und erbarmungslos ge übten Boycott in Form von Schutzzöllen, Licenzen» durch Lahmlegung aller Eoncurrenz innerhalb der Grenzen ihrer Gerichtsbarkeit, welche letztere sie außerdem durch ihre «Beamten willkürlich fcftscycn lasse. Zur Begründung dieser Anklagen weist L. auf die Berichte der britischen Eoitsularagcnlcn hin, die »ic rosig gewesen seien. Da» zeigten der lange (wodurch? !) „verloren" gewesen« Bericht Sir Claude M„edv»alS'S, dcr wahrlich nicht das Lob dcr Gesellschaft singe; ferner ihm zugegangcne Be schwerden Livcrpoolcr Kauflciitc; schließlich die Behandlung der Cingeöorcnen durch die Handlanger der Gesellschaft. Zu letzterem Puncte veröffentlicht er eine ihm von einem Herrn, nicht Händler, der sich längere Zeil an der «Westküste Afrikas auf- gehalten, zugeheiiteMiklheiliing: An Bord deS Schiffe-, aus dem er suhr, war auch ein Agent, der für die Dienste der Gesellschaft Kruleutc anwarb. „Nack viele» Bemühungen batte der «Agent schließlich 40 Krulcnte zusammenbe'evnuncii, nicht 400, die er eigentlich anwerbc» sollte. «Als diese, die sich durch Vermittlung ihrer Häuptlinge dcr Gesellschaft verschrieben Hallen, erfuhren, daß eS sich ui» diese Gesell- schasl handle, sprang ein großer Tbcil von ihnen über Bord und schwamm unter Lebensgefahr an die Küste. Einer von den Leuten wurde dann darüber befragt, warum sie den Dienst dcr Gesellschaft so sehr verab scheuten, worauf er in gebrochenem Englisch eine große Reihe von Ecntract- und Wvrlbrüchen hcrzählte und auf die von den Beamten dcr Gesellschaft an .hnc» verübten Handgreiflichkeiten hinwieS." Es sei, fährt dcr Gewährs mann fort, ein ungeheuerlicher Anachronismus, diesem keiner öffentlichen Beaufsichtigung unterworfene» ^enilletoii. In Fesseln. 10s Roman von C. Bankrecht. LLk Rkchle »ortkhaltm. (Schluß.) Ein alter Hollunderbaum breitet seine dichtbelaubten Aeste Schatten gewährend über beide. Es ist Nachmittag. Im Hause erwartet man Besuch, einen Freund des Doctor«, wie dieser heute über Mittag leicht hingeworfcn hat. Sie legt wenig Gewicht darauf — was sie aber nachdenklich macht, ist die seit einigen Tagen veränderte Stimmung Reinhold'S, die sich auch Icttchen mitgctheilt zu haben scheint. Und eS ist etwa- GcheimnißvolleS dabei. Es überschleicht sie die ganz ungerechtfertigte «Ahnung, eS könne zu ihr selbst in Beziehung stehen. DaS Gcschwiftcipaar pflegte doch sonst keine Heim lichkeiten vor ihr zu baden, und an Jcttchen'S auf ihre Frage stammelnd »nd unbeholfen bervorgebrachten BeschwichtigungS- arund, Paul werde einen unangenehmen Proccß zu führen baden, glaubt sie nicht. Er pflegte nicht Unannehmlichkeiten, die sein Beruf mit sich brachte, im Häuslichen in sich nach wirken und Andere darunter leiden zu lassen. Wie schlecht verstand Iettchen das Lügen! Sein schöner Gleichmuth, der doch niemals in Gleichgiltigkeit auSartete, tbeilte sich bei seinem Erscheinen den andern so wohlthuend mit — »nd jetzt war an die Stelle desselben ein tiefer Ernst getreten und seine Augen, sonst zuversichtlich und kühn, batten einen Blick, der an durchwachte, sorgenvolle Nächte gemahnte. Hildegard rrröthete tiefer und tiefer, während sich ihre Gedanken mit Demjenigen beschäftigten, der seit langer Zeit der Mitlelpunct ihres Denkens war. Und war auch sie ihm lieb? «Niemals wagte sie sich eine Antwort aus diese immer wirderkehrende Frage zu crtheilen, bei welcher ihr Herz stet- so lebhaft pulsirte; eins aber konnte sie sich zugesteben — eS sei Biele- verändert zwischen ihnen. Seit jener Stunde, da er für den Neffen geworben, war die Schranke gefallen, die ihre Empfindlichkeit einst gezogen hatte. Sie waren wieder ante Freunde, sie sprach vertrauensvoll zu ibm, und eS be standen zwischen ihnen jene geheimnißvollen «Beziehungen, die ihnen sagten, daß ihre Gedanken sich auch dann miteinander beschäftigten, wenn sie getrennt waren. Und dieser süße, heimliche Gedankenaustausch ohne Worte, dieser trauliche Verkehr, in welchen Iettchen niemals störend eingriff — ja, sie wirkte eher als vermittelnde» Glied —, batte seit zwei Tagen eine so bedrückende Aenderung erfahren. Doctor Reinhold war eine» Mittag« sehr verstört nach Hause gekommen, die Speisen hatte er kaum berührt. Iettchen war damals noch ganz unbefangen und äußerte gegeu sie ihr Befremden. Am Abend aber schon zeigte auch sie sich verändert, offenbar durch I eine Mittheilung ihres Bruders. Sie schien nicht ganz so I lief berührt wie dieser, aber ernst und nachdenklich. „WaS habt Ihr?" batte Hildegard an diesem Morgen Iettchen gefragt. „Ihr seit so seltsam. Hab ich Euch verletzt? — Sag eS mir." „Nein, gewiß nicht", war ihr als Antwort geworden. „Aber laß es gut sein — Du wirst eS noch erfahren." „Und ist es auch traurig für mich?" „Nein, fürchte nichts." „Wie?" halte sie da vorwurfsvoll ausgerusen, „cs sollte etwas für mich glcichgiltig sein, was Euch bekümmert?" Da hatte Iettchen ihr die Arme um die Schultern gelegt und sie warm geküßt... WaS mochte eS sein? — Gerkart?... Zu ihm stand eS nicht in Beziehung. Er war als Begleiter sür einen der Prinzen zu einer Reise in den Orient auS- erwählt worden, und erst gestern war von ihm ein Brief auS Alexandrien eingetroffen, den sein Onkel am Abend vorlas. Auch ein Gruß an sie stand darinnen. Er zürnte ihr nickt mcbr; nur Frau von Wardensels trug eS ihr nach, daß sie es gewagt, den in jeder Hinsicht mit Vorzügen auögestatlclc» Freier, dcr noch dazu ihr einziger Sohn war, durch einen Korb zu demüthigen. Ihre Freundlichkeit blieb gezwungen, ihre Besuche bei den Geschwistern wurden sehr eingeschränkt. Als Gerbart sodann die Bevorzugung zuthcil wurde, zum näheren Dienst deS Prinzen befohlen zn werden, triumphirle sic ihrer seits. Sic erwog, das eS doch eigentlich gut sei, wie AUcS gekommen. Gerhart könne noch eine ganz andere Wahl treffen, als das unbedeutende Comteßchen. Nack Gcrhart'S Abreise begleitete sie den Gemahl nach Sckevcningcn. Es war Friede eingetreten, und Iettchen behauptete, nach ihrer Rückkehr werde Melanie die Sache vollständig überwunden haben und der gewohnte herzliche Ton zwischen ihnen wieder heimisch sein. Daß eS auch mit Gerhart also kommen werde, war Hildegard'- Ueberzeuguncz. Sie kannte seine Herzensgute, und als bei seinem Abschiedsbesuch sic ihm zum ersten Mal wiedergrsehkii und ihre Hand mit dem Wunsch einer glücklichen Reise m die seinige gelegt hatte, da war in seinen Augen ein Abglanz de- Humors von ehedem aujgeflammt. Sie waren versöhnt. In der Zeitung batte Doctor Neinbold de» Bericht deS furchtbaren Ereignisse- am Gardasee gelesen. Ein bald darau eintreffcnder Brief seine- Freunde-, vom Hohensöhl abgescndeh bestätigte die Schlußfolgerungen, wclcke er daran geknüpft hatte. Dieselben vernichteten seine eigenen ZukunstSpläne und raubten ibm die Zuversicht, noch an eine Verwirllichnng seiner Hoffnungen zu glauben. Wie herzlich gönnte er Clemens die Veränderung seiner Lebensstellung, er Kälte demselben kein günstigere- LooS wünschen können — allein auch Hiloegard würde von dem Wechsel der Verhältnisse nicht unberührt bleiben. Ihr Aufenthalt in sriaem Hause würde vorauSsichlltch nur noa) >»r; icin. rno cLanvcncr reo ^.'laioraiovcrrn nao» sie eine gesellschaftliche Stellung ei», die sie von iln» entsernlc «Warum hatte er nicht früher scheu sich seines Glücks versichert — Und hätte dies die Sachlage geändert? — er hätte sic dennoch gedrungen gefühlt, sie frei zu geben. . . Und c hatte ihm widerstrebt, so bald »ach Gcrhalt'ö mißglückte «Werbung mit den eigenen Wünschen hcrvorzutrctcn. War c loch von Hildcgard'S Gegenliebe noch nicht überzeugt. Zn weilen wohl erschien ihm ein «Blick, ein Laut ihrer «timmi ein Errötbe», welches er belauschte und auf sich beziehen dursti wie eine Ahnung de- ersehnte» Glücke-, doch ward cr in sic bald wieder zweifelhaft »nd »»gewiß. Er hatte seiner Schwester die ZcilungSnotiz mitgctbei! und Clemens' späteren Brief. Sie waren übcreingekommci Hildegard vorläufig noch in Unkenntnis; zu lasse». Elemen balle seinen Besuch in «Aussicht gestellt und zwar für die nächst Zeit — von ihm mochte das Mädchen den Wechsel dcr Din^ erfahren. . Daß Iettchen darüber gleichfalls ihre heile, Laune einbüßte, war so selbstverständlich. Lieble sie doch ihre «Bruder über «Alles. Sie batte seine «Wünsche längst durchschau und auch ihr schien deren Verwirklichung nunmehr weit entrück Dazu das ihr thcure Mädchen bald auS ihrer Näl>c verliere zu mllffen! «Aber immer wieder tadelte sic sich in solchen E Wägungen hart und zieh sich des egoistischen Dcnlciiö. S vergaß nicht über der eigenen HerzciiSpein die Thalsache, de ein Anderer, der ihr ja auch nicht ganz ferne stand, ai bitteren Sorgen in höchste» Ueberfliiß verletzt worden war Doch aber wieder durch das Unglück eines Drillen und Vierte DaS war das Lebe», Einer räumte dem Andern das Feld - deS Einen Untergang gereichte dem Andern zum Heil. . Sw schjffieitc den seinen Kops und tras gewissenhaft ih Vorbereitungen zum Empfange de« Grasen. — WaS Hild gard sür Almen machen würde! „Haben Sie meine Eomiesie nicht gesehen?" Marie fraa eS den Gärtner, der auf dcr zweiten Terrasse IobanniSbecr Pflückte. Er zeigte mit der Hand über die Schulter c-. Hollunderbaum sitzt sie schon eine gr stunde. Nun sagen -Lic aber mal, Iungferche» — ich ka> mir La» cunosc Wort nicht »icrlen — wie sagten Sic aeste, ?e"ren'E """ ^"reich die Johann ,»-> »* °°"°>< „S" ^ Sprachstudien. P einem Satz sprang sie von der zweiten zur dritten Terra Niß^erbi'eu'und'"'' ^adei einen klaffen! ß erhielt und ein Stuck von dcr sie »msäumenden Sv sic bei'ibre?Ä"'^"^^ ^emlo- la,^ ' Mas L,"' ^ 'ragend entgegendlicktc. " )a* ^ siebst ja ganz verstört an e« schon! Das gnädige Fräulein las Comtesie bUtro, hinauszukommen, r- ist Besuch da", verse die Zofe — dann stieß sic im Ton einer Anklage hervor: .Und wissen Comtesie, wer der Besuch ist? Ich sah ihn, als er mil dem Herrn Doclor über den Vorsaal ging — Graf Elcmcnö ist cs!" Hildegard schrak zusammen. Sie wurde sehr bleich. Im nächsten Gebantcn drängle sich ihr die Ucbcrzcugiing ans, daß die Mißstimmung Reinhold'S und seiner Schwester mit EleincnS im Zusammenhänge stoben müsse. Zerstöbe» waren all die bcitcre» Träume, die soeben noch ihre Seele crsiilllc». Scbwcr- ällig, als trüge sic eine drückende Last, schritt sie vorwärts. «Bekümmert folgte ihr die Zofe. Wiederholt wagte sie die Besorgniß anSzusprcchcn: „Er wird nnS doch nicht nach dem Bärcnstein hole» wollen?" Und Hildegard fand hierauf weder eine Erwiderung noch einen Verweis. Lag ihr doch selbst diese bange Frage im Sinn und im Herze». «Als sic den Gartcnsaal erreichte, dessen breite Bogcntbürcn weit geöffnet standen, fand sie sich Clemens gegenüber. Er unterbrach sei» Gespräch mil den Geschwistern und trat ihr entgegen. Sie standen sich wortlos gegenüber. Ucberraschung sprach sich auf beider Antlitz aus. War dies da- kecke, übcrmülhigc Kind von früher? Welche Wandlung! — Vor ihm stand eine junge Dame, ans deren Wesen liebliche Wurde und ein inniges Gemllths- leben herrorlcuchteten. Sic war gewachsen und mit dem Zauber holder Mäkchenbastigleit geschmückt. Aber auch Hildegard erlannle i» dem Stiefbruder einen Anderen. Tie starre Kalle, welche sic sonst an ibm gefürchtet batte, war gewichen. Seine Augen strahlte» eine freundliche Wärme auS, und cr verstand sogar zu lächeln. Er trug daS Haupt nickt mehr gebeugt, sondern mit sickierer Haltung, und die Sorgciifaltc», die sec» regelmäßig gcschnilleneS Gesicht einst entstellten, waren verschwunden. Er ergriff ihre Hand und hielt sie fest. Bei seinem herzlichen Gruß schwand ihre Beängstigung. Zuversichtlich sah sie zu ihm aus. „Ich freue mich sckr, Dick» wicdrrzusel'cn, Hildegard, und viel bade ick, Dir milzulheilcn." Wie brüderlich die- klang. — Nein, er konnte nickt der Ueberbringer einer schlimmen Botschaft sei». «Noch immer aber fand sie kein Wort der Erwiderung. Doctor Reinbolv balle mit seiner Schwester den Saal verlassen. Vor den Verandaslusen sah Hildegard beite auf unk »iedcrgeben. „jiomm, setz' Dick hierher", begann Clemens, sic zn einem Sitz in der «Nabe des Fensters sübrend. „«Bevor ich Dir aber erzähle, was Tick sehr überraschen wird — sage mir eins: Kannst Du mir verzeihen, daß ich ehedem so hart und lieblos I gegen Dich war? Ich bereue eS aufrichtig." I Wir gut ihm diese Bitte um Verzeihung stand, bei Welche^
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite