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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.09.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930929022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893092902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893092902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-09
- Tag1893-09-29
- Monat1893-09
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U t« kxmptspeditioii »der dl» k» «d den d°r°-^»»rri»tew,,«»s. ^nsschl-n» «» vchereeich: vierieffSdetlch S,— Lirectr tügllche Ken^bandleabnog t»< «»Sland: monatlich 7^0 Di,Mar-»»»»««a»» «schemt »glich'/,? Uh^ »i» Adens Aitsgeb« «ochents^s s Ude. Ne>«tt«» «»> Lrreditis»: 8»tz«»«e»gals» 8. DK Erpeditto» ist Wochentag« anaaterbroch^ geügnet »a» früh 8 8t« «Krads 7 Uh». Filiale«: Ltt» ««»»'» «arti«. «Blfres Gstzslb U»iv»rsltät«strahe 1. L««ts Lösche. Aatheriaenftr. 1t, pan. unk K»ai«»vlatz 7. Abe»L-Ausgabe. WpMer.T«lgcl>la1t Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichtr, Handrls- and GeschilftSverkehr. AuzeigeuöVret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Wg. Reklamen unter dem Nrdactiontstrich löge« spalte») bO-4, »»r de» Kamiltenaachrtchte» (6 gel-alte») sO^g. Großer» Schriften laut »ujere» Preis» »erzeichniß. Labellariicher »ud Ziffernsatz »ach höherem Tarif. Ertra»Beilagen lgeialzt), »,r «t» de« Morgen, «utgabe. ohne Poftb«f0rd«r»»D ^ 80—, mit Posldeförderuug ^s 70.—» Iinnalimeschluß für ^azeizen: Abend-Autgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgru-Autgabr: Nachmittags tUhk. Gon», and gesttaa« früh '/,9 Uhr. Oet den Filialen und Annahmestelle» je et» halb« Stund« früher. Bttirtgea siud stet» an di» Erpesttis» t» richte». Druck »nd Berlag vo» E. P ol» t» Leipzig, Freitag dm 26. Septernber 1863. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Lei-rtg, 2S. Cextember. Die „Nationalliberale Correspondenz" schreibt: „Eine Stelle über die antisemitische Bewegung in dem Wahlaufrufe, welchen die »atioiialliberalc Partei in Sachsen im Hinblick auf die dortigen Landtagswahlen er lasten hat, ist in der Presse mehrfach als das Anzeichen einer Schwenkung der nationalliberalen Partei in der „Juden frage' georutet worden. Insbesondere ist r- die „Kreuz te itung", welche bereit- die Nationalliberalen dem von den Conservativen auf dem vielcrwähnten Tivolipartcitage ge gebenen Beispiele folgen steht. In Wabrbeit hat man in den nationalliberalen Kreisen die in Rede stehende Frage niemals ander- beurlbeilt, als eS in besagtem sächsischen Aufrufe gesckiebt. Es würde thörickt sein, wollte man die antisemitische Bewegung al« eine ausschließlich künstliche Mache bezeichnen. Derartige Erscheinungen sind nicht möglich, wenn nicht irgend ein thatsächlicher Untergrund vorhanden ist, der dann, ganz wir bei der Socisldemokratir, von einer ebenso geschickten, wie frivolen Agitation ausgebeutet wird. In der nationalliberalen Partei ist man immer darauf bedacht gewesen, nicht nur diese, den socialen Frieden störende Agitation entschieden zu bekämpfen, sondern auch jenen Untergrund zu erkennen und au« dieser Erkenntniß die richtigen Folgerungen zu rieben. Demgemäß hat die national- liberale Partei an den gesetzgeberischen Maßnahmen zur Ab stellung gewisser wirthschastlichcr Schäden, welche »»bestreitbar durch eine vorwiegend von jüdischen Geschäftsleuten geband- habte Praxis entstanden sind, rückhaltlos milgewirkt. Auch verkennt men nicht, daß es nicht lediglich wirthschaft- liche Verhältnisse sind, aus denen die antisemitische Bewegung ihre Nahrung zieht. Dir Schwierigkeiten, welche da« Vor handensein eine- über das ganze Reichsgebiet au-gebreitrlcn, nach Herkunft und Gebräuchen fremden BestandthrilS io unserem Bolkskörprr bereitet, müssen gehoben werden. Da» wird aber nicht ander« möglich sein, all durch eine allmalige Verschmelzung dieses BestandtbeilS mit der Gesammtheit unsere» nationalen Organismus. Nicht mit Unrecht ist den Juden voraeworsen worden, daß sie sich die Nothwendigkeit dieser Verschmelzung nicht so klar gemacht und dementsprechend g»p«re < gehandelt bitten, »ie es n,ch der D»eet»«ch,aieff--it>ver»st^*.. Dwxsner bürgerlichen Gleichberechtigung ihre Pflicht gewesen wäre. Wenn aberetwaS geeignet ist, den verschnielzungSproceß zu hindern, eine befriedigende Lösung der Schwierigkeiten unmöglich zu machen, so ist e- die verhetzende Wirkung der antisemitischen Agitation. Schon deshalb hat, abgesehen von den allgemein menschlichen und den besonderen staatsrechtliche» Gründen, die national- liberale Partei dieser Agitation stet- entschieden ablehnend gegenüber gestanden. Sic ist aber auch von vornherein nicht im Zweifel darüber gewesen, daß diese Agitation am letzten Ende nur den socialdemokratifche» Anschauungen und Bestrebungen die Wege ebnen werde. Die eon- servative Partei hat sich in diesem Pnncte einem schweren Irr- tbum hingegebeit. Sie bat noch vor den letzten NeichStagSwablcn an ein Obsiegen der „conservativen" Richtung des Herrn Licbcr- inann v. Svnncnberg geglaubt und sich mit dem Letzteren in die intimsten Abmachungen eingelassen. Nun, Herr v. Liebermann steht im Reichstage allein da, das Feld haben die Social- demagogrn Bocket und Aklwardt, gegen welche die Konservativen nnnmekr ihren eigenen Heerbann ausbicten müssen. Wie sollte cS da den Nationalliberalen in den Sinn kommen, da- Beispiel vo» Tivoli »achabmcn zu wollen? Im Gezentheil können sie sich nur bestärkt fühlen in ihrer Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der energischen Bekämpfung des Antisemitismus.' Am 28 September ist ans dem Berge I sel bei Innsbruck daS Denkmal des Patrioten Unsre«« Psser. ein Monu ment deutscher Bauerntüchtigkeit, in Gegenwart des österreichischen Kaisers feierlich enthüllt worden. Kaiser Franz 9 osef antwortete aus die Ansprache de- Obersten Urich, de- Vorsitzenden de- DenkmalScvmitSS, wie schon telegraphisch k»rr gemeldet, Folgende-: „Durch die Errichtung des Denkmals, dessen feierliche Enthüllung un» heute vereint, habe» die Be wohner Tirol- und deSvorarlbrrgeS eine Dankesschuld entrichtet an da- Andenken jenes Maunc», der die edelste Ver körperung der tirolischen Volksseele war, der gleich groß im Glucke wie im Unglücke, rin Held im Sieg» Wie itn Tode, in all seinem Handeln keinem anderen Gebote als dem der unbeugsamen Pflichterfüllung, keinen «nderrn Ge fühlen als jenen der treuesten Liebe zu Kaiser und Vaterland gefolgt ist. Es warrinBedürfnißmeinesHrrzenS, ru diesem Feste in taSLand zn kommen, auf daß sich derDank des Fürsten mit jenem de» Volkes vereine. Ein Wahrzeichen aus Tirols schwersten, aber ruhmreichste» Tagen, wird diese« Denkmal i:: die Gegenwart und die ferner« Zukunft r»g«n — ein Bürge dessen, daß dir Tugenden der große» Ahnen auch in de» Herze» der Enkel mit ihrem Anve»fkn wetterlede». Mit Freude seoe ich bei diesem Anlässe mein geliebtes Volk von Tirol und Vorarlberg pietätvoll u»p begeistert vo» wahrem Patriotismus und durchdrungen von den traditionellen Ge sinnungen jener unerschütterlichen Treu«, welche gleich meinen Vorfahren auch ich von frühester Jugend an z» erwerben Gelegenheit batte. Und nun möge die Umhüllung de« Denk mals fallen." Auf den Wink des Kaiser- fiel dann unter de» Salven der Ebrencompagnie und dreier Batterien die Hülle de- Denkmal-, und von der Stätte seiner Siege, im Mittelpunkte der blutgetränkten Höben, die im Jahre >808 viermal der Schauplatz heißer, entscheidender Kämpfe waren, schaut nun das Standbild re- SankwirlheS hinab i» da» Innthal, eine bleibende Erinnerung an den Tiroler volkSbclte» und den bcldcnmülbigen Widerstand de- kleinen BerglandeS gegen die Fremdherrschaft, eine Mahnung für künftige Geschleckter, der Ahne» zu gedenken und sich ihrer in kommenden Tagen der Gefahr würdig zu »eigen. Nach der Enthüllung de- Denkmals wurden den« Kaiser die Nachkommen von Andreas Hofer und an den Ereignissen von 1808 hervorragend brthriligt Persönlichkeiten vorg «stellt. Der Kaiser b.-ebrte jeden Einzelne» mit einer Ansprache. Hieraus fand der große historische ffestziig statt, dem sich die LandeSschützcii auS Nord- und Süd-Tirol anschlosscn. Ter Kaiser webntc mit den Erzbcrzögen Karl Ludwig, Ludwig Victor und Joses Ferdinand dem Schauspiel vom Balcon der Hofburg bei. Au, Nachmittag stattete der Kaiser der Landesausstellung rincn Istündigen Besuch ab und antwortete auf die Ansprache deö Landes hauptmanns Gras Brandts mit dem AuSdrucke de- Wunsche-, die Ausstellung möge durch Erschließung neuer Absatzgebiete und durch die Mackt, welche dem Beispiel innewobnt, befruchtend auf die heimische Landwirthschaft und da- Gewerbe wirken, und zum AuSgangSpuncte eine- freudigen Wettbewerbes aus dem Felde der Arbeit und de- Fortschritte-, sowie zur OucUe vermehrten Wohlstände« werden. Um li>/» Ubr fuhr der Kaiser mit den Erzherzogen zur Eröffnung des Lande« Haupt schießstandeS. Ministerpräsident Graf Taasfe befand fick in der Begleitung de« Kaiser-. In seiner Antwort aus die Ansprache de- OberschützenmeisterS forderte der Kaiser die Schützen auf, de» neuen Scbicßstand hoch in Ehren ru hatten als Pflanzstätte de- Äemeinsinns, sowie kriegerischer Tüchtigkeit und de- von den Vätern er erbten Patriotismus; in Tagen der Gefahr erwarte er von den Tiroler und Vorarlberger Schützen zuversichtlich, daß sie nach Vatersitte unerschrocken und opferwillig Gur und Blut rinsrtzen für Thron und Reich. Diese Worte de« Kaisers riefen einen unbeschreiblichen Enthusiasmus hervor, der in lang anhaltenden Hoch- und Evdiva-Nusen zum Ausdruck kam. Italienische Blätter stellen in Abrede, daß die im Hinblick auf den bevorstehende» englische« Flstteusesuch in italienischen Häfru geplanten Lnipsanglftstlichkeilen demon strative Zwecke verfolgen. Wenn diese Versicherung etwas Anderes fei« soll, als ein Spiel mit Worten, so kann sic doch nur dahin verstanden werde», daß man in Italien Scheu vor dem Argwohn und der Empfindlichkeit des französischen EbauvinisinuS hegt uud gegenüber den Politikern der Republik im voraus sich entschuldigt» noch ehr der geringste Grund dazu vorliegi. 2m Uebrigen wird sich die öffent lich« Meinung Italiens und Frankreich« »ack wie vor ihre eigenen Eommentare sowohl zu dem russischen Flotten- besiich in Toulon» al- auch zu dem englische» in Eatania, Neapel ,c. nicht verwehren lassen, und den Stoff dazu au« ihrer nächsten und unmittelbarsten AnschauungS- spbäre eniiiebmrn. So zweifellos et ist, daß den Gesinnungen keS italienischen Volke- nicht« ferner liegt, al« eine Ani mosität gegen Rußland, mithin in Italien kein Meiisch daran denkt, mit den EmpfangSsrstlichkeiten für ven eng lische» Flottenbesnch gegen da« Erscheinen der Russen ,» Toulon dkmenstriren zu wollen, so zweifellos ist e- doch auch andererseits, daß Italien sich durch daS Erstarken der französischen AiiSkebnungSbestrebungen nickt angenehm berührt fühlen kan». Unter gewissen Voraussetzungen ist in Italien ei» Zusammengehen mit England zur Sec ebenso populär, als unter ankeren Voraussetzungen ein militairisckeS Hand- iiihandgeben mit den mitteleuropäischen Kaiserreichen. Von diesem GesicklSpuncte auS wird man den englischen Flottcn- bejuch deurlheilen müssen. Die Verweisung von 7 der >l Angeklagten im römischen vankprocetz vor dir Assi srn und die Nachricht von der Flucht eines der Hauptangcklaglen, Mon- zilli'S, dcS früheren GrneraldirociorS der Banken im Handelsministerium, lenkt die Aufmerksamkeit wieder aus diesen großen Scandalproceß, dem von französischer Seite mit einiger Genuzthuung der Sammelnamen „Panamino" bei- gelcgt worden war. Ohne aus bekannte Einrelhcitcn zurück- zukommen, ist iS aogezeigt, die Charakteristik diese« Finanz fcandals, der in einem Monat seine endgiltige Lösung finden wird, zu geben. Man schreibt dem „Hamb. Corr.' darüber auS Rom: Trotz der Anstrengungen der äußersten Linken uud trotz der Intervention zweier früherer Ministerpräsidenten, welche sich durch die Anklagen des Direktors der römische» Bank, Tanlonao, verletzt fühlten, gelang c- dem gewandten Giolitti während einer ziemlich langen Zeit, jede parlamentarische Untersuchung der heiklen Angelegenheit zu verhindern. Er gab verschiedentlich der Ansicht Ausdruck, daß die administrative Untersuchung der königlichen Eommissare und die Thätigkeit der Gerichte voll' ständig genügen würden, um in dieser Angelegenheit Licht zu ver breiten; jede Intervention des Parlaments könnte nur Verwick lungen herbeisühren »nd würde nur dazu dienen, den Scandal noch größer zu mache». Allerdings setzte die Deputirtciikammer schließlich doch die Ernennung einer parlamentarische» Cv»i- mission von 7 Mitgliedern durch. Allein bisher hat man von dem Wirken dieser Commission so wenig gehört, daß man den italienischen Blättern nicht Unrecht geben kann, wenn sie behaupten, diese Eouimission spiele eine sehr unter geordnete Rolle. DaS scheint den Mitgliedern dieser Commission selbst wenig zu behagen, und schon zu ver schirdencn Malen hat einer der parlamentarischen Unter' suchungScommissarc gedroht, daS ihm ausrrlegt« Still schweigen zu brechen, doch ist es bei einer Drohung ac mieden. Bis jetzt hat die geschickte und entschlossene Art Giolitti'« ihre guten Früchte getragen, ganz abgesehen davon, Laß bei einem solchen Proceß strengste Geheim haltung dringend geboten erscheint. WaS bei der gegen- theiligen Art berau-kommt, das haben die Franzosen bei ihrem Panamaproceß gesehen, wo die geschäftsmäßige Verleumdung und öffentliche Brandmarkung die «ollsten Blülhen trieb. So aber wird der römische Bankprvceß beendigt sein, bevor die vnl'auts terridle» der äußersten Zinken im Parlament der Regierung neue Schwierigkeiten bereiten können. — Wie uns beute noch telegraphisch gemeldet wird, beschlagnahmten in Rom am 23. September die Gerichtsbehörden ein Packet mit einigen die vanen rvmunL betreffenden Schriftstücken, welche« der Sohn Tanlongo'S bei einen, Notar hinterlegt batte. DaS Packet soll Briefe enthalten, in welchen frühere Minister den Gouverneur der Kauca rowaua, Tanlongo, aussordern, ihnen behilflich zu sein, den Preis der italienischen Rente aufrecht zu erhalten und zu beben. Tanlongo behaupte. Laß durch die Gewährung dieser Unterstützung der Bank beträchtliche Verluste erwachsen seien. Konstantiuopeler Berichte wollen wissen, daß die Finanzlage der Türket zu allerlei Budgetherab- eyungen nothige; insbesondere seien Ersparnisse am Budget der türkischen LandeSvertheidigung i» Höhe von etwa einer halben Million Pfund geplant. Die Effectiv- tärkc de« HeereS werde aber auf jeden Fall unaiigetastet -leiden, und da« KriegSministerium sei eben jetzt mit Aus- tellung eines neue» MobilmachungSplaneS bcschästigt, der möglichst beschleunigt werten solle, damit die Türkei allen etwa kommenden Ereignissen mit Ruhe entgegensetzen könne. Unter Ankerm sind den Provinzialniililsirbehörden Weisungen ruacgangen, wonach sie ohne Verzug über den derzeitigen Effcctivstand und AuSbildungSgrad der Redif- bataillone ihrer resp. Bezirke berichten sollen, da diese Bataillone einlrclendensallS zur Verstärkung der Feldarmee bestimmt sind. Auch in anderer Hinsicht werde eitrigst sn der Vervollkommnung der türkischen Wehrkraft gearbeitet. Nach der Meldung eine« Wiener Blatte« aus Bukarest steht wieder ein «Brchtfch-salOartscher «onfltct in Sicht. Kürzlich ist nämlich eine von Turn-Severin aus auf der Thalsahrt befindliche, uuter griechischer Flagge segelnde Barke durch den Slurm »„weil Widdin in die Nähe des bulgarischen Don au users getrieben und hieraus von der bulgarischen Etrandivame, angeblich ohne vorhergegangenen Ausruf, scharf beschossen worden. Da die kleine Bemannung, deren Führer überdies schon durch die erste Kugel ain Arme verwundet wurde, bei dem herrschende» Unwetter nicht im Stande war, daS Fahrzeug au» der Nähe dcS unter den ge- gebene» Umstände» sehr gefährliche» bulgarischen Ufer- zu' bringen, so blieb derselben nicht- Anderes übrig, al« in daS Wasser ru springen und a»f da« rumänische User binilberzufchwimmcn. WaS mit dem verlassenen Schiffe geschehe», ist nicht bekannt. So viel ist aber ge wiß, daß die wegen dieses Vorfalles der rumänischen Behörde gemachle Anzeige der Autarkster Negierung keine Veranlassung geben konnte, sich auf diplomatischem Wege weiter mit dieser Sache zu belassen. Den» abgesehen davon, daß sich die ganze Angelegenheit in bulgarischem und nicht >n rumänischem Fahrwasser abgespielt bat, sind ja bekanntlich die diplomatischen Beziehungen zwischen Griechenland und Rumänien in Folge der noch immer schwebenden Zappa'schen ErbschastSaesckichte von Alben auS abgebrochen worden, so daß also die Bukarester Re gierung selbst beim besten Willen nicht in der Lage wäre, der gekränkten griechischen Flagge zur Erlangung einer Genug- Fertillstsir. In Fesseln. >1 Roman von L. Vollbrecht. «ite Rcchlc vorbeh-Iieii. (Fortsetzung.) Neuntes Eapitel. Ein beißer Sommernachmittag. — In der Bibliothek sind die Fenster fest geschloffen. Es herrscht ein fable» Halb dunkel in dem weiten, angenehm küble» Raum. Nur durch einige Spalten des dicht verrankten EphenS gewinnt die grelle Sonne spärlichen Einlaß. Sie versucht allerhand physikalische Spielereien mit einem halbgefüllten Wasserglas und wirst einen runden, regenbogenfarbenen Fleck auf da« weiße Blatt Papier, neben welchem es steht. An der Decke schweben zwei Helle Lichtslocken. Wenn ElemcnS, der vor dem Schreibtisch sitzt und liest, ein Blatt umwendet, dann werden die beiden plötzlich unruhig und huschen geisterhaft über den grauen Plafond, bi» sie allmälig, leise zitternd, ihre Ruhe zurück gewinnen. Es ist manches verändert hier innen, der ernste Raum bat dadurch aber keineswegs an Eleganz gewonnen. An einer der schmalen Wäude siebt ein mit einer verblichenen grünen Sammeldccke überkleidele« Belt; daneben ein Waschtisch. In eine der Ecken, am Ende Heber Repositorien, schmiegt sich, scheinbar zerknirscht im Bewußtsein seiner Unbedeutendheit, ein schmächtiger Kleidcrschrank. Im Beginn de« Frühling« war es gewesen, al« der Ad ministrator die Meinung geäußert hatte, es sei doch ewig schabe um die vielen undewobnlen Räume de» Schlosse«. Man könne dieselben „zum Nutzen und Fromme» der Gläubiger' als Sommerwohnungen vermirthen. . . Sommerwohnungen! ElemenS traf die- Wort wie ein Schlag in« Gesicht. — Laut aber stimmte er dem klugen Administrator bei, wenn auch mit kargen Worten Zui» Nutzen und Frommen der Gläubiger — jawohl. Da gab c« kein verneine». Und nock an demselben Abend ließ er durch An'elm und Lorenz da« Inventar seines Schlasgcmacks in die Bibliothek tragen und stellte auch den nun leer gewordenen Raum zur Disposition. Er war hiermit vor allen ibin widerwärtigen Begegnungen mit Fremden bewahrt, wie er meinte. Loren; batte auf de« Grafen Aadrmgen seine Dienste und die Leiden Braunen dem Meierbospächter angetragen und fuhr nun mit Getreide »nd Bierfässern alltäglich nach der Stadt. Seine Frau aber führte nach wie vor den kleinen Haushalt de« Grafen »nd sorgte mit Anselm für das Wohlbehagen de» Herrn, so gut eS eben anging. Und dann waren sie bei Beginn des Sommer- eingcrogen, vier mit Kindern reichlich cfesegnete Familien, deren Ober häupter iiiSgcsammt dem GläubigerauSschuß angebörten. Sie geberdetcn fick, als seien sie hier zu Hause und da« Schloß vo» Anbeginn ihr Eiarnthum. Im Park wurde e» lcbenrig. Entsetzt stoben die gefiederten Sänger, die Eichhörnchen, Käser und Lazertrn in ihre geheimsten Schlupfwinkel vor den brutalen und grausamrn Knaben, die geschworen zu haben schienen, nicht« Lebende« zu dulden und sich noch etwa« darauf zu Gute tbaten, wen» sie ein Eichkätzchen mit Steinwürfen zu Tode gehetzt, denn der Lehrer batte ihnen ja gesagt, die- seien schädliche Thiere. Der Pflanzenwelt ging eS nicht besser. Allenthalben geknickte Sträuchrr, gebrochene Zweige, zertretener Rase»... Auf dem freien Platz vor dem Schlosse den ganzen Tag da» Geräusch fahrender Kinderwagen, da« Geschrei kleiner Kinder, da- Geschwätz ihrer Wärterinnen. Dir Ballustradr von früh bi» spät garnirt mit Windeln und Kinterbeticken. Gegen Abend, oft auch schon am Morgen Eroquet, Lawntenni« oder Reifeiimersen vor de« Grasen Fenstern. Ein »nauSsseh- licher Backfisch war unter den Spielenden, einer nach der Art moderner Lustspielheldinnrn, der c« sich in den Kops ge« scvl batte, Gräfin zu werden. Dir« schien ja so leicht durch- südrbar. Papa war der Hauptgläubiger de« Grasen, da mußte der .entzückende' Eavalier Loch Gott danke», wenn sich ihm eine so günstige Gelegenheit bot, sich ru arrangire». Mama und Papa waren auch ganz derselben Meinung. Zuerst hieß eS ein wenig kundschaften. Ter alte Anselm ward mit Freundlichkeiten überhäuft und belagert — aber er cigle sich ganz unzugänglich und wich jeder seinen Gebieter etressenden Frage au«. — Dann flog eine« Tage« ein Ball durckS offene Fenster herein, gerate auf da« Tintensaß. und, von diesem abprallcnd, unter einen der Bücherschränke, wo er sich im Dunkel verlor. Clemens schleuderte dem frechen Eindringling einen empörten Blick nach und stand dann aus, um da« Fenster zu schließen. Davor aber stand der Backnsch mit bittend erhobenen Händen, im weißen Kleid mit rosa Schleifen und streckte da- Stumpfnäschen zu ihm «mxor. Um ihn versammelt der Chor der jungen und jüngsten Mit glieder der Sommerfrischler — im Hintergrund die älteren und ältesten derselben. — Es war offenbar ein Ereigniß. „Ach bitte, bitte um Entschuldigung, Herr Graf — der unartige Ball. Ach — wie werde ich ihn wohl zurück er langen ?" Sie zog einMäiilcken undsahaußerortentlichbekümmert auS Mit kälter Verbeugung und ohne eine Miene zu verziehen, trat Clemens vom Fenster zurück. Dasselbe lag glücklicher weise höher als die gerade Sehweite der Davorstebeiiten. Cr klingelte Anselm, befahl ihm den Ball unter dem Schrank bervdrzuholcn und ib» den Spielenden cinzubändigcn. Fortan öffnete er seine Fenster nur zu jenen Stunden, in welchen sich der Schießplatz als leer erwies. Folgenden Tage« ließ die Mutter dcS Stumpfnäschen« dm Grafen um die Gunst bitten, bei ihr seinen Thee zu nehmen. Er lehnte einfach ab und war so unartig, nicht einmal durch einen kurzen Besuch für diese Aufmerksamkeit zu danken. Seine Verfolgerinnen schreckte die« nicht ab. Auf Schritt und Tritt wußten sie seinen Weg zu kreuzen und sich ihm bemerkbar zu machen. Sie spionirten Zeit und Richtung seiner Spaziergänge auS. Sie ließen mn durch Anselm um Lektüre bitten, und auch seine schroffe Ablehnung und die kurze Antwort, daß er UnterhaltungSbllcher nickt be sitze, entmutbiglc ihr Streben nicht. Stumpfiiäschen sprach zu dem Grafen nunmehr durch da« Clavier. Gerade über seinem Schreibtisch halte man da« tückische Instrument aufge stellt — und da oben die Fenster geöffnet waren, so nützte r« ihm wenig, wenn er die seinen geschloffen hielt. Dagegen war Flucht da« einzige Mittel Und er lief davon. Heim lich, meist durch die Parklhür gelang r« ihm zu entschlüpfen. Dann zog c- ihn weit hinaus. Unwegsame Pfade und Gründe suchte er auf, von denen er sicher war, daß kein fcinbrschubtcr Damenfuß hier Weg und Steg finden würde. Am spä'c» Abend erst kehrte er dann heim. Er lernte auf diesen Aus flügen den Rcvierförster kennen und dieser weckte sein Interesse für die Forsicuttur und Jagd. Nun versäumte er niemals, eine der vorzüglichen Büchsen, welche der Vater ihm vererbt hatte, mitzunehmcn, und manchen guten Braten brachte er von seinen Pllrschgängen heim. Dabei erweiterte sich seine Brust, sein Antlitz bräunte sich und nahm die Farbe der Ge sundheit an, und sein Körper härtete sich ab. Sein Gang ward aufrechter und nur, wenn er seiner ungeordneten ver- bältniffe gedachte oder der Lärm der Hausaenoffcn an sein Ohr schlug, sank er in sich zusammen. Ter Förster ball« ihm einen jungen Jagdhund geschenkt und e« erwuchsen ibm an der Begleitung und Anhänglichkeit diese« intelligenten Thiere« viele Freuden. Er batte bisher niemals-j! -i» lebende» Wesen Sorge getragen, jetzt wachte er aufmerksam darüber' daß „Treff' seine gute Pflege erhielt. Der Hund lag, wenn beide daheim waren, zu den Füßen seine« Herr», und wenn dieser sich hcrabbeuglc, um ihm da« glänzende, gelbe Fell zu klopfen, oder sich a» den lustige» Caprwlen dcS jungen Thiere« ergötzte, dann erschien sein Gesicht verjüngt und leben-warm. I» da« Kloster zurückzukebre» oder sich der Heideiibckcbruiig zu widmen, war nicht mehr sein Streben. Tie Natur in ihrer Freiheit, ihrem ewigen Gedeihe» z» belausche», ihr Vor schub und Pflege zu leisten, soviel c« im Bereich der Menschen hand lag, erfüllte ihn mit Genugthuung und Frieden. Er wollte sich der Forstwissenschaft widmen, einstweilen bei dem Förster taö Praktische erlernen und — vielleicht hatte die Schuldenlast sich indessen gemindert — später eine Forst- akademic besuchen, wenn auch als sehr alter Schüler. Er halte Doctor Rcinhold seine Pläne mitgetbeilt und dem Freunde erschienen dieselben vortrefflich. Zur Beschleunigung der Ausführung derselben bat er ElemcnS herzlich, doch über seine Mittel zu verfügen — cS sei ihm ja ein Leichte« re., dock erhielt er abermals eine dankende Ablehnung. — War « nicht genug, daß Hildegard schon seit Monaten der Freunde Gast war, und wer konnte wissen, aus noch wie lange Zeit? Agent Müller batte inzwischen seine Anfrage wiederholt und diesmal eine schärfere Zurückweisung erfahre». Bei seinen Wanderungen aus dem eigenen Grund und Boden — ja, eS war noch sein Grund und Boden — war dem Grafe» das Heimatbgksühl aufgezange». Er webrle den Gedanken heftig ab, daß er sich einmal würde von ihm trennen »lilsscn, und wußte e« jetzt dem Valer Dank, daß er ihn vor vorschnellem Hanteln bewahrt hatte Die Sonne hatte sich tiefer hcrabgcsenkt und war im Unter geben. ElemcnS batte unter alte» Büchern berumgekramt, „m nach einem Werk über Eicheiicultur zu suchen, welche« er dem Förster versprochen. Dabei war ihm »iu Legendenbuch in die Hände gekommen, welche« ihm in seiner Jugend viel Unterhaltung z» gewähren pflegte. Es war mit kunstvollen Federzeichnungen, echter MönckSarbeit. geschmückt und mindesten« zweihundert Jahre alt. Sein abgegriffener Einband auS Schwei,iSleder zeugte von bäusigem Gebrauch. Ja, niemals, so kackte der Gras, während er da« Buch an seinen Schreib tisch trug »nd darin blätterte, hatte er sich in seinen IünglingS- jabrcn zu Bette gelegt, ohne eine der frommen Legenden ge lesen zu haben. Wie oft spann ihr meist trauriger Inhalt sich rann hinüber in seine Träume Wieviel war ihm seit jener Zeit an Frömmigkril verloren gegangen. ...
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