Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931004022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893100402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893100402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-04
- Monat1893-10
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vez«s*P«r, >» tz« tzmeptexpetzitto» »der L» t» l bqkk «d de» «orortni «richten, Dit- °-h.,tKl»«b,eh.lt: Mettel,Lhrttch ^14^ bei nmtmatt^r »«lich« Zustellu», ia« D»»ch dt» Post b»,»ge, sie» Dratschlaad metz Oesterreich: vteriehLhrlich «.—. Direct» täglich» 1kre^bandie»du»> jW» EesZ.uL: mmuttiich 7.ÜÜ. U»«MW^«-gs- ttschesttttlgNch ',.7Utz^ »i, ««h^ws^de «.che.w», » Udr. Nekrtt»« «ad LrpeLiti«: 8. vi»<rv»dtti»» ist Woche,tags „»ntkrbrvch» «, stütz 8 bis «tzmtz« 7Utz» Filiale«: vtt» ««»«'» «,r»i«. (Alfred »adald UalverfftLtsstrab« 1, Lol« «»ftde. KttHarstmsstr. 1«. »arr. «ch Ks»i«1»lat 7!» Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Aazeigen-PretS die S gespaltene Petitzrile 20 Pfg. Neclame» uatrr de« Medartloasstrlch (4«e- spalten) S(H, vor Len Faniilleanachrichte« (6g«jpalt»») «0^. 4>rög»r» Schrist»» laot oaj»rrm Preis» veijeichulß T«bkllar>ich»r und Ziffern!atz nach hoherrm Tarif. Erte«»vrtlagn, (gelalzt), »»r mit -es Morgen-A,«gab», »tzn« Posld«strd«r»»G ^l «0.—. «,» Postbej-rdern», 7L->. Aasahmeschluk für Adriger»; Ubentz-Ausgade: vormittiig« 10 Uhr. Vior>»»»«u«gab»: Slachmiliags «Utzr. G»n»- und gesiiaas früh Uhr. Bei de, gtlialn» ,nd Annatzmesieklen >» »t»« Halde Stund« srührr. AazttGr» find stet» an dt» Grtzedttt«» t» richte». Dr»ck «nd Verlag »on U. Hol, t» Leipzig. 507. Mittwoch dm 4. Ottober 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Oktober. Wie bereits im heutigen Morgenblatte mitgetbeilt worden, bat die „Nordd. Allgrm. Zig." die Grundlagen des von dir Tahakstener-Tommtffi.n vorgescklagenen Gesetzentwurfes mitgetbeilt. Es ist damit der berechtigte Wunsch der Tabak- interessenten, daß diese Grundlagen vor Beginn der Be- raihungen des Bundesratks über die Reform der Tabak besteuerung vervfsentlich werden möchten, erfüllt; Sache dieser Interessenten wird es nunmehr sein, schleunigst mit Aus stellungen und AbänderunzSanträgen an den BunveSrath beran- ziltreten. Hoffentlich läßt nun auch dirVcröffentlichungderGrund- »üge des von derWeinsteuer - iLommission vorgeschlagrnen Entwurfes nicht lange mehr auf sich warten, damit auch die von diesem Entwurf« betroffenen Interessenten au« der Un« gewihkeit gerissen werden und mit bestimmten Vorstellungen »nid Anträgen hervortreten können. Einstweilen begegnen die officiösen „Verl. Polit. Nachr." der in süddeutschen Blättern erhobenen Behauptung, daß, wenn Weine im Preise von 50 Mark das Hektoliter besteuert würden, auch der BolkS- trunk der weinbauenden Landstriche zur Besteuerung heran- gezogen werden würde, durch folgende Ausführung: „In Norddeutschland allerdings, wo der Wein als Luxusgetränk gilt und für den Massenconsui» nicht in Betracht kommt, würde wohl aller zum Berbrauch gelangende Wein innerhalb der eingangs erwähnten BestenerungSgrenze zu liegen kommen, während, waS Eüddeutschland betrifft, dar«» zu erinnern sein wird, Latz der Wein- verbrauch der breiten Schichte« der Bevölkerung sich zuin weit über wiegenden Theile in »iner niedrigeren Preislage bewegt,mitdin steuerfrei bleiben würde. Selbst nach dein Urtheile der besten Sachkenner aus Süd deutschland beläuft sich der Antheil des Weines im Preise »on nt) ^il und mehr aus das Hektoliter an dem Massenverbrauch höchstens auf 20 Proc. Nach anderweiter sachkundiger Schätzung aber ist dieser Antheil gar nur auf b Proc. anzunehmen. Jedenfalls bleibt also auch bei der beregten Uesteuerungsgrenze der Weinverbrauch der breiten Schichten der Bevölkerung zum weitaus größten Theile steuerfrei. Es wird ferner aber nicht unerwogen bleiben dürfen, daß bet dem größten Theil der deutschen Bevölkerung der Wein überhaupt nicht Botksgetränk, sondern lediglich Kenußmittel der wohlhabenden Minderheit ist. In mehr als süns Sechstel» Deutsch land« bilden Bier »nd Branntwein ausschließlich das Volksgetränk. Beide Getränke aber sind mit beträchtlichen Steuern belegt, de: Branntwein sogar bis zum mehrfachen Betrage des Wrrthes des Rohprodukts. Sie unterliegen zugleich auch in weiterem Maß« der kommunalen Besteuerung, während der Weinverbrauch auch da, wo er lediglich den Wohlhabenderen möglich ist, überwiegend nicht zur kommunalen Besteuerung hnangezogen werden darf und überdies durch die Herabsetzung de» Lingangszoll» infolge der Handelsverträge noch entlailet ist. Es wurde daher mit den auf die Schonung der üek 4Nnh?nvohlhabendkn HtklhtÜuugdtr Ettue» last nach der Leistungsfähigkeit berechneten volkssreundltchen Steuer- Politik, welche im Reiche wie in Preußen planmäßig verfolgt wird, nicht vereinbar sein, wollte man Le» Wein, der für den weitaus größten Theil Deutschlands nur dem Berbrouche der wohlhabenden Minder heit dient, steuersrei lassen oder vor der Wahl elncr sachgemäßen Besteiierilngsgrenze nuS dem Grunde znrückschrecken, weil dadurch ein kleiner Bruchtheil des ConsuiiiS der weinbauenden Laiidcstbcit« zur Besteuerung herangezoaen und so der Steuervorzug, welchen ihr Votksgeträak vor dem des größten TheileS der Nation genießt, zu einem geringen Theil beseitigt werden würde." Daß dir östrrrrichischk Regierung die Macht der Zn«>rzkch«n zu brechen versucht, ist begreiflich, und daß sie sich neben der Berbängung des Ausnahmezustandes der Ait- czechrn und Feudalen bedient, ist natürlich. Ihrem Bestrebe» gegenüber, die Alterchen wieder obenauf zu bringen, wird cingewcndet, das böhmische Bolt wolle von den Altczecken nichts mehr wissen, man könne Mumien auch mittelst elek trischen Stromes nicht mehr in» Leben rufen. Betrachtet man aber die Coulisscaschiebungen seit dem Erlaß jener Verfügungen, so kann mau sich de» Eindruckes nicht erwehren, daß thai- sächlich auf die Schaffung einer starken Gruppe sogenannter gemäßigter Ezechrn hingearbeitet wird Daß dir Alt- czeldrnpartei seligen Andenken» nicht wiederkehrrn könne, darüber dürfte man sich allerdings ziemlich klar sein, aber man hofft in Böhmen wie anderswo, eS werde gelingen, den radikalen Flügel der Imigczeckenpartki, der unter ker Führung Baschattz's steht und den ganze» Elub terrorisirt, abzujprrngen und auS dem verbleibenden Gros durch Verschmelzung mit den Resten der Altczechenpariei eine neue, sich in den Bahnen der Loyalität und de- politischen Anstandes haltende Partei zu bilden, welche dann zu dem feudalen Großgrundbesitz Böhmens in rin freund schaftliches politische- Berhältniß treten würde. Mit dieser neuen Partei soll dann die Durchführung des Ausgleiches nochmals versucht werden — selbstredend ver geben-, da jede czechische Partei einschließlich der Feudalen auf dem Baden de» böhmischen Staat-rechte- steht, während die Deutschen von diesem unbedingt nichts wissen wollen. Wie sehr die EiaaiSrechtsidee in die Köpfe der Ezechrn sich eingenistet hat, gehl au» einer der neuesten Er klärungen de» BaucrnsührerS Stastnn hervor, daß eine Konferenz von Vertretern sämmllicher Stände in Böhmen tinzubtrufen wäre, um Schritte zur Er langung des böhmischen Staat-rechte- einzuleiten; gerade Stastny hatte bis vor Kurzem gepredigt, die Iungczrchen übersähen vor lauter unfruchtbarer Staat-rechtlerei die wich- tigsteu, nämlich die wirtbschaftlichen Inieressen Böhmen-. Im grellen Gegensätze steht nur noch die czechische Social- demokralic, welche die jungczechischen Bestrebungen bei jeder Geltgenbeil als Tborheilen verlacht und mit Nachdruck betont, eine Hauptpflicht jedes verständigen Ezechen sei, daß er Deutsch könne. Uebrigens dürsten die Iungczechen wenig Ursache haben, mit dem Eindrücke ihre« Manifeste» zufried»«» zu sein. Die vorliegenden Blätterstimmen heben übereinstimmend hervor, daß die Schwnlstigkelt diese» Schriftstücke» und seine Uebersüllc an allgemeinen Phrasen dasselbe jeder Wirkung berauben. Die Wiener ossiciösen Blatter und daS klerikale Wiener „Vaterland" ignoriren da« Erscheinen de» jung czechischen Manifestes vollständig und erwähnen desselben mit keiner Silbe. Die altczechischen Organe betonen gleichfalls die Phrasenhaftiakeit des Schriftstückes und weisen darauf hin, daß die Verfasser desselben sich vorwiegend in der Defensive bewegen. Nebenher lassen es die Allczcchen auch Nicht an ironi'chen Bemerkungen darüber fehle», daß da» Manifest in Leipzig gedruckt werden mußte, weil keine Prager Druckerei den Druck übernehmen wollte. Denselben Mangel an Muth, der da den jungczechischen Druckereien vorgen-orzen wird, haben aber auch die altczechischen Ofsicinen bekundet, denn auch sie ließen sich zur Drucklegung de« Manifestes nicht bestimmen. Der «tttßsrtsche Ministerpräsident Wekerle ist, wie es scheint, unverrichteter Sache von Wien nach Pest zurück- gckcbrt. ES ist ihm, wie versichert wird, noch nicht gelungen, die Vorsanction de- Kaiser- zur Einbringung des Eivil- eheaesetze-z» erhalten. DaS Ministerium ist, wie Wekerle in der Beantwortung der InterpellationPolonyi bereit» anteiilete, entschlossen, sich zurückzuziehen, falls die kaiserliche Einwilligung nicbt binnen Kurzem erfolgt. Die Redewendung Wekerle -, da- Eadinet werde, WaS immer geschehen möge, seine Pflicht kennen, erkält jetzt eine bemerkenSwerthe Ergänzung durch einen Artikel de- officiösen „Pester Lloyd", der zwar die Gerüchte von einer betzorstchenden Ministerkrise in Abrede stellt, andererseits jedoch verkündet, die Regierung werde in die Verhandlung de» nächstjährigen Budget» nicht eher eintretcn, al« bis sie die Vorlage betreffs der Zivilehe auf den Tisch de» Hause- niedcrlege» könne. D«s heißt als», fall» Ende October die Entscheidung noch auSstebt, wolle das Eabinet ab dank cii. Man hofft i» Pesler liberale» Kreisen noch immer, daß die Krone vor Ablaus der ihr gestellten Präclustv- frist dem Entwurf zustimmen werde. Di« glanzvolle» Festtage in Innsbruck sind vorbei, aber was übrig bleibt, ist weniger glänzend. Die Ultramon- tanen dabei, es sertig gebracht, daß des genialen Schöpfer» de« Andrea« Hofer-Denkmal«, dessen Enthüllung den Anlaß zu den Festlichkeiten wie zum Besuch» de» Kaiser» selbst den Anlaß bot, bei den officielten Veranstaltung,» auch nicht mit einem einzigen Worte gedacht wurde; eine kleine internatio nale Gemeinte mußte an «ine»» privaten Orte diese Pflicht gegen den beimgegangenen Raiter nachboten. Und warum diese» verächtliche Ignoriren? Weil Rätter e« gewagt hatte, den Schweizern auch ihren Zwingli zu modeUiren! Da» Denkmat bat man zwar genommen und nach Gebühr be wundert, aber der Künstler wurde »och nach seinem Tode dafür bestraft, daß seine schöpferische Hand Umgang mit ketzerischem Marmor gepflogen. Ein« andere Unannehmlich keit verursachte da- Austreten der Wälschtiroler. Die Herren südlich vom Brenner bleiben vom Landtag fern, be- ttiritigen sich nicht an der Tiroler Au-steUuiia und feiern keine Feste mit, aber den Weg zum Kaiser haben sie doch gesunden, um ihm ihr Verlangen nach Errichtung eine» eigenen Kron- landes Trentino mit besonderer Verwaltung und besonderem Landtag vorzutragen. Ueber diese Forderung an sich ließe sich reden, allein die Herren haben seit Jahren zu deutlich gezeigt, auf wa» sie rS mit ihrer Selbstverwaltung abge sehen haben: diese soll nlir da« Vorstadiuni einer italienischen Provinz sein. So lange die „Italianisstmi" de» Ton anaeben, stehen die Trienlincr »i ihrem Streben »ach Autonomie sich selbst im Wege. Der Kaiser bat der Deputation gleichwohl versprochen, seine Negierung werde den Fall „neuerlich slubiren", aber man kann sich schon denken, wie lange die Lösung einer Frage dauern wird, die Graf Taaffe erst zu studircn ansängt. In österreichischen Kreisen wird die Ant wort de» Kaiser« mit gemischte» Gefühlen ausgenommen, da man vielsack eine einsache Abweisung der Autonomie For derung erwartete; im Trentino selbst oder hat sie keine Be friedigung bervorgrrusen, da man dort recht a»t weiß, daß da» Versprechen de» Studiums noch lange keine Erfüllung ist. Sv sind von den Innsbrucker Festen außer den Geschäfts leuten und Denjenigen, welche sich dollanf damit begnügen, wieder einmal den Kaiser gesehen zu haben, nur Wenige be friedigt. In der Schweiz finden am 29. October die Gesammt- rrnenerungswablrn für den Rativnalratb statt Die Vorbereitungen zu diesem Wadlseldtng werde» ani rükriasten von der socialdemokralische» Partei betrieben. Wäh rend sie, im Bewußtsein ihrer Schwäche, sich bei früheren Wahlen an eine der lämpfenden Parteien anlebnte, «i» durch Eecundantendienste etwa» für sich selbst herauSzuschlagen, fühlt sie stck — wohl hauptsächlich angeregt durch de» un erwarteten Erfolg bei der Sammlung von Unterschriften für ihr daS „Recht auf Arbeit" betreffende» Initiativbegebren — nunmehr stark genug, um selbstständig vorzugeben und in einer größeren Zabt von Wahlbezirken eigene Eandidaten aukzustrllen. In Verbindung mit rem CoinitS de« Grütli- Verein» hat da» ParteicoinilS auch bereits rin vollständiges Programm entworfen, auf welches die Eandidaten sich ver pflichten müssen. Diese- Programm enthält folgende Puncte: Recht aus Arbeit (wie e- in dem bekannten Antrag präcisirt worden ist), obligatorische BerufSgenossenschasten, Kranke»- und Unfallversicherung (allgemeine unenigelttichc Kranken pflege, Selbstverwaltung der versicherten und möglichste Berücksichtigung der bestehenden freiwilligen Krankenkassen), Tadakmonopol (Verwendung de« Reinertrag- für die un entgeltliche Krankenpflege), Banknotcnmonopol (staatliche Bundesbank, Hypotbckarreform), Berstaatlichung de- Eisen bahnwesen» aus de», Wege der Expropriation, vorher Ab- ckiaffung der Babnvvrrechte im Obligationcnrrcht und im Rechnungswesen (Maßregeln gegen di« Willkürlichkeiten der Badnaesellschafle»), ZUiidbolzmonopol, staallichcr Getreide- Handel, thunlichste Beschränkung der MilitairauSgabea Demokratistrung de» WebrwesenS), Ausbau der Volts- chulc isinanzielle Unterstützung der Eantone durch den Bund, Unentgeltlichkeit der Lehrmittel), Abschaffung der poli tischen Polizei, einheitliches Strafrecht, Wahl dt» BundeS- ralhe« durch da» Volk, demokratische Reform der Bundes verwaltung, Provortionalvertretuiig für den Nationalrath und erweiterte Gesetzcsinitiativr für da« Volk. — Gegenwärtig itzt im Nationalralb ein einziger Socialtemokrat, Polizei präsident Vogelfänger in Zürich. Wie die Verhältnisse liegen, erscheint nicht nur die Wiederwahl Vogelfänger'» gesichert, sondern es ist sogar vorauszusehe», daß er bei den bevor stehenden Wahlen einige Evlleaen erhalten wird. Man kann nicht leugnen, daß in der Schweiz die Socialdemokraten in den letzten Jahren bedeutend erstarkt sind und daß namentlich ihre Organisation große Fortschritte gemacht bat. Die bürger lichen Parteien, die sich »ntereinanter als Demokraten, Rakicale, Liberale und Eonservative befehden, würden gut lhun, zu geincinsamcni Vorgehen gegen die vorwärts drängende Sociatdemokralir sich zu verbinden. Den Petersburger Zeitungsschreibern, die sich nicht damit begnügen wollte», >bre französischen College» anzu- drahten, sondern auch die Entsendung einer besonderen Ver tretung z» den Ruffenskstru i» A»a»kr«ich ankündiglen, ist dieser kleine verbrüderung-scherz von der Oberpreßverwaltung mit raubcr Hand verdorben worden. Wie swon in der heutigen Morgenausgabe kurz berichtet worden ist, mischte sich kiese mit unheimlicher Macht auSgestnitete Behörde auf höhere Weisung in die Aiigklegenheit »nd l»d die 2:t Nedac- teure, von denen die Entsentung einer Abordnung nach Toulon »nd Pari« geplant war, vor. Mil langen Gesichter« mußten sie vernehme», daß sie keine Körpcrschast dar- stcllrn und daß die Regierung nicht« wenige» wünsche, al« Vertreter der Petersburger Presse in Toulon zu sebru. Sie sollten jede gemeinsame Belhciiigung Nur hübsch »nterlasscn und nicht besorgen, daß Rußland dort obnc sie nicht ge nügend vertreten sein würde. Da« ossicielle Rußland werde schon für da« Rötbige sorgen. In Pari» wird dieser .Zwischenfall" um so ärgerlicher stimmen, al» gleichzeitig bekannt wird, daß jetzt auch Herr von Mo brr» dein« seine Absicht, sick zum Empfange de» russischen G schwader» nach Toulon zu versüge», ausgegeben bat, selbstverständlich gleich falls aus höhere Weisung. Von dem erwarteten politischen Glanze der Toutoner Festtage bleibt, da sowohl der Präsi dent der Republik als auch der Vertreter de- Zaren unter den Tbkiliiebmern fehlen werben, sebr wenig übrig. Die Botschasl-scrretaire v. Gier» und Cwelschin, sowie der Marine Attache Bebr, die ihre Landsleute im Hasen von Toulon begrüßen werden, sind kein annäheriid vollwichtiger Ersatz für den Botschaster selbst. Trotz alledem läßt der Barde Döroulöde sich nicht a»S seinem Taumel wecken. Er singt in der letzten Nummer des „Figaro" die russischen Brüder herrlich an und entdeckt inmitten seines Entzückens an der Ostgrenzr eine Meute eigentbümtickier Tdlere, di« »ach seiner Darstellung zugleich Hyänen und Hunde sind und angesichts der riissffck - sranzö>ischen Umarmung in «in Wuthgcheiit auSbrechc», und er ruft begeistert: Nuschevo, da- Fsriilletsir. Die quade Foelke. Roman au« der EmSgau. 8s von F. Klinck-LtitetSburg. «»»driis »n»«tei>. (Fortsetzung.) Foelke hatte nicht sagen können, daß ihre Gefühle für Wilhelm Liebe seien. Sie sab ihn gern kommen, und e» gab manche Stunde, in welcher sie der Meinung war, daß eine Verbindung mit ihm sie auS mehr al- einem Grunde be glücken werde. Vor allen Dingen waren seine Ellern ihr liebe Menschen, und sie auch seinen Geschwistern herzlich z»- gctban: er selbst wurde überall gern gesehen. Daß aber nur diese Vorzüge seither ibre Neigung für ihn genährt, glaubte sic in diesen wenigen Stunden ernsten Nachdenken» zu er- tennen, nachdem sie die Möglichkeit erwogen, daß Wilhelm dem reichen Mädchen mit seinem Verstände cntgegengekomme» war, während sein Herz einer Anderen gehörte El» herber Zug um ihre Mundwinkel machte sich bemerkbar, und daS Blut stieg noch einmal beiß in ihre Wangen, als sie, die Anfkammer verlassend, um an die Tage-arbeit zn gehen, den Kopf trotzig zurückwkrfenb, mit fester Stimme sagte: „Ich werde vorsichtig sein. Um meine« Geldes willen mag ich nicht genommen werden. Schade um den Wilhelm, wenn er zu Denen gehörte, die sich nicht schämen, vou dem Geld« ihrer Frau eine Existenz sich zu gründen." ll. „Wo ist der Bauer?" fragte Foelke den Kleinknecht, al- e« acht Uhr geworden war und sie den Vater noch immer uicht zn Gesicht bekommen hatte. „In die Stadt gefahren", lautete die Antwort. Der ver wunderte Blick, den sie auf den Kleinknecht warf, veranlaßte diesen ru einer weiteren Erklärung: „Ich denke aufs AmtSgerlcht." „WaS — will — er — dort?" Zn der zögernden Frage lag schon die Ahnung von Dem, wa« sich zutragen sollte. „Anzeigen — von wegen dieser Nacht." „Aozrigeu? Wen?" „Ich Weiß nicht. Die Herren vom Amte sollen'- bernnS- bringen, wer die Pferde lo-gckoppelt. Gestern sind auch im Garten wieder sechs Stickbeerbüsche abgeschnittcn. Der Bauer will'» nicht mehr leiden." Foelke war sehr erschrocken. Eine Fluth von Gedanken stürmte plötzlich auf sie ein, von welche» sie nur den einen klar erfaßte, daß da- Vorgehen de» Vater« höchst »nan- genebme Folgen habe» werde. An eine» derartigen.'lu-gang batte sie nicht gedacht. Sie machte sich heftige Vorwürfe, daß sie den Vater allein gelassen »nd fruchtlosen Träumereien sich binaegeben batte, während es ihr vielleicht möglich gewesen wäre, ihn von der Durchführung einer Absicht zurückzuhallcn, die nur im Zorn entstanden sein konnte. Mit Ungeduld erwartete sic die Heimkehr teS Later-. Träge »nd langsam schlichen die Stunden vorüber. Erst gegen Mittag körte sie den leichten Iagdwagen b,ranrollen. ES war ibr kaum möglich den, Angekommenen entgegen zu geben. Ehe sie »och einen Entschluß gefaßt, betrat dieser aber schon die Küche. „Vater, wo seid Ibr gewesen?" Der Bauer sah finster auS. Fotlke glaubte, nie einen cibnlichen GesichtSauSdruck an ihm wahrgenommrn zu haben. „Zn der Stadt — auf dem Gericht", entgegnet« er. „Ich habe Anzeige gemacht." „Damit kriegen wir unsere Pferde nicht wieder." „Freilich nicht, aber sie sollen doch einmal sebcn, daß Uffe Atjk» Meinharndi nicht alle- mit sich ausstellen läßt. WerSaetban bat, mag seine Strafe bekommen." „Was denkt Ibr, wer e« gewesen ist. Vater?" „WaS weiß ich'»? Leider GotteS giebt e» der elenden Ereaturkn gcNng, die vor Neid und Mißgunst bersten und dem lieben Nächsten sein bischen HauSglück und Frieden nickt gönnen. Gestern Nachmittag haben sie un» auch wieder Beerensträucher im Garten abgeschnitten." Einen Augenblick drängte e« Foelke, ihren, Vater von dem, WaS sie am vorhergehenden Abend gehört und gesehen, Mit- Ibeilnng zn machen, aber dann dawte sie, daß sie die Sacke nur dadurch verschlimmern könne. E« war besser, sie wartete ab: vielleicht verlief sich die Geschichte noch im Sande. Wenn nicht, war e« immer noch Zeit zum Reden. Während der nächsten Tage herrschte im Meinhardiscken Hause förmlich Gewitterschwüle. Nicht etwa» al« et, e« stiller berzegangen wäre alS sonst. Dir Art, wir jeder Mitbewohner desselben seine Arbeit zu verrichten gewohnt war, ließ kein Abweicheu von einer Regel zu. E» ging immer am Schnürchen. Uffe Atje» aber war in einer Stimmung, wie man sie kaum je zuvor an ihm wahrgenoniinen, und ein Jeder im Hause hatte da- Gefühl, als ob ein drohendes Unwetter im nächsten Augenblick über seinem Haupte sich entladen werde, weil er irgend etwa» verbrochen habe. Und doch war rS »nr eine Unzufriedenheit mit sich selbst, die de» Bauern in eine so andauernd üble Laune versetzt halte, daß die Kunst der Selbstbeherrschung ibi» so ganz und gar abhanden gekommen war, und e» idm nicht einmal gelang, wenigsten» der Tochter gegenüber ruhig z» erscheinen. Die kurzen Antworten, welche er derselben aus an ihn gerichtete Fragen gab, bewogen Foelke bald, dem Vater so viel wir möglich au» dem Wege zu geben Uffe Atje« hatte sich — vielleicht z»m ersten Male ln seinem Lebe» — von Jähzorn hinrrißrn lassen, als er in die Stadt gefahren war, um einen an ihm verübten Frevel zur Anzeige zu bringen. Sobald er ruhiger geworden, »nd da- war nicht lange nachher gewesen, täuschte er sich nicht über die Unan nehmlichkeiten, welche er sich durch den uiiternonimeiien Schritt bereitet, vor allen Dinge» war eS der Gedanke a» da- Geretze unter den Leuien, dem er eine willkommene Nahrung gegeben, die ilm peinigte. E- wäre besser gewesen, er hätte die ganz« Geschichte zu bemäntetn versucht, wußte er doch nur zn gut, daß man ibm immer einen herzhaften Verdruß gönnte. Etwa vierzehn Tage mochten seit dem Vorgänge ver flossen sein, al» eines Tage- der Briesbote da- Meinbardische Hans betrat. Da- war ein Ereigniß. Uffe Atje» ging neu gierig aus ihn zu Der Bote fragte nach der Manisell, gab aber doch einen großen Brief an den Bauer» ab. „Königliche- Amtsgericht zu St." stand deutlich auf dem Siegel. Uffe AtjeS erschrak, war jedoch besonnen genug, keinerlei Unrnhe zu zeigen Foelke halte auf der Diele zu tbun und würde nicht gleich kommen. So bot er dem Briesboien noch einen Trunk an. der dankbar angenommen wurde, und fragte, ohne irgendwelche Unruhe zu verrathen, ganz briläusig nach diesem oder jenem. Endlich war er allein. Seine Hand, welche den Brief hielt» den er. aufmerksam betrachtete, zitierte. Wa» konnte der Brief enthalten? Nur »»bestimmt kam ihm eine Iveen- vrrbindung zwischen demselben und seiner Anzeige. „Foelke!" rief er. Di« Tochter kam sofort herbei. „Foelke, da — ein Schreiben für Dick, vom — votn Amtsgericht zu St." „Für mich?" Nur zögernd bändigte er dem sichtlich überraschten Mädchen den Brief an-, aber — e» mußte sein. Foelke öffnete den Umschlag und faltete das darin ent haltene Blatt aii-kinaiider. „Later — eine Borladung!" Sie stockte. Heiß flieg da» Blut in ihr Gesicht. „Later — ich soll — ich muß — auf» Gericht! Ach Gott!" Sie war todtenbleich und setzte sich auf einen Stuhl am Tische nieder. Das Blatt entglitt ihrer Hand. „Run, so girb doch einmal her", sagte Uffe AtjeS gereizt, „WaS willst Du aus dem Gericht?" Er »abm da» Blatt. Während er la-, preßten seine dünnen Lippen sich fest auseinander und die Brauen zogen sich finster znsainnicn. DaS Schreiben war in der Tbat eine Zeugen- Vorladiing für Foelke. WaS sollte sie bezeugen? Wa- latte sie mit der ganzen Sache z» tbun? Der Gedanke, daß seine Tochter als Zeugin vernommen werden sollte, ließ kalte Schweiß- Iropskn vor seine Stirn treten. Er konnte sich nicht gleich besinnen» und nur ein insiinctive- Gefühl sagte ibm, daß er Foelke eine» derartige» nicht anlrclen lasten wolle. Diese» Gefühl gab ibm einen Theil seiner verlorenen Fassung zurück. „Sei ruhig, Foelke. Da« bat gar nichts zu sagen. Du brauchst nicht ans- Gericht. Laß mich nur macken." Diese Worte übten ohne Zweifel eine beruhigende Wirkung auf Foelke ans. Sie sah zwar keine Möglichkeit, dieser ge- richtlicherseilS an sie ergangenen Aufforderung an-zuweichen, aber sie war gewohnt, de» Worte» de- Vater- unbedingten Glauben bciznmessc». Er sab wohl klarer alS sic. Während dir Tochter an ihre Arbeit ging, batte Uffe Atje« sich in seinen Stuhl, der ikm in der letzte» Zeit Wiederholt » einem wirklichen Sorgensluhl geworden war, in der Ecke ein, Herdfcner niedergelassc», »m in R»bo nachzubenken und zu überlegen. Was ihm im ersten Schrecken eine unbestimmte Idee gewesen war, nahm alsbald Form an. Indem er sich de» Amisgerichlkrathe- Glltnilind erinnerte, war ibm zunächst der Gedanke gekommen, daß eS ibm möglich sein werde» der Tochter und sich selbst eine große Unannehmlichkeit zu ersparen. Noch vor wenigen Iabren gekörte rer „AintSrichtr?' Gutmund zu de» Gästen des Meinbardi schen Hause», die jeden Sommer wicderkeörtcn. um sich auf kürzere oder längere Zeit besten vorzügliche Verpflegung gefallen zu lassen. Foelke war keine Freundin dieser amt-richterlichen Besuche gewesen, welch« für
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite