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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.10.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931009012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893100901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893100901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-09
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BezugS-PreiS ^d?*v»r»ri«iE»rr1cht« «bestelle» »«geholt: vierirlsährlich4äX>» ^ «i«aki«r täglich« L»ft«ll»»g t»s D«>S^ übO Durch dt» Post bezogen für Morgen-Ausgabe. Dstststor-rw-Nüt-ab« erscheint täglich dt» «b»d.U»S»ck, «oche»t«^ L Uhr. L^stctti« »uZ LrreZlti«»: ->h«uir»VkG« st. Dst Enxditio» ist Woche» tag« anunterbroche» «> fttch 8 dt« «dach« 7 U». FUistlr«: vtt» M«»»'« Eortt». (Alfrest -tchuld llutossi^Sftroh« 1, S.»t« Lösche. »»charinrnstr. ich p«t. «ch R»»ia«»l«tz 7. eiWStr.TWMM Anzeiger. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzetgett-Prels die 6 gespaltene Petitzeile 80 Nerlame» autrr demRedactionsftrich lägt« fpalteuj VV-4, vor den Faniilirnnachrtcht»» lkgespaltens 40-^. Grützere Schriften laat unsere« drei«» oerzrichniß. Tabellarischer oad Lffss^gtz »ach höherem Tarif. Extr« »Beilagen sgesalzt), oar mit de« Morgea-Ausgabe, ohne Poftbefördrrnug ^ M.—, m»t Postdesordenmg 70.—^ Aunahmeschluß fir ^»zeigeur Abeud-Ausgab«: BonnittagS 10 UhL' Morg»»-Ausgabe: Nachmittag« «Uhr. Sonn- und Festtag- früh '/,9 Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je st» halb« Stund« früher. , U»zet>r» such stets an dt» Gz»»dm«« t» richte». Dkstck and Verlag voa E. Hol» ist Leipzig. ^-515. Montag den 9. October 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Zum deutsch-russischen Handelsvertrag. Der Beiralh von Sachverständigen für die Verhandlungen über einen Handelsvertrag mit Ruhla»« hat einen Ausschuß gewählt, der mit den Vertretern der Regierung in dauernder Verbindung bleiben soll. Etwaige Wünsche zu diesem Vertrag, die bisher «och nicht Ausdruck gefunden daben, bitten wir behufs Weiterbeförderung an diesen Ausschuß daldmöglichft au unsere Kanzlei, Neu« Börse, Tr. I. gelangen zu lassen. Leipzig, deu 6. Oktober 1893. Die Handelskammer. «. Thieme, Vorsitzender. vr. Gensel, S. Politische Tagesschau. * Leipzig» 8. Oktober. Der frühere StaatSsecretair de« Reichsschatzamtes, Frbr. v. Maltzahn, ist zu Falle gekommen bei dem Versuche, die Kosten für d,e HeerrSrrsorm aufzubringen; sein Nachfolger hat die noch größere Ausgabe übernommen, noch über diese Kosten hinaus Einnahmequellen zu eröffnen, die das Reich auf eigene Füße stellen und eine allmäUge Tilgung der Reichsschuld ermöglichen. Bei dieser Ausgabe stehen ihm allerdings die Finaozminister der Einzelstaalen zur Seile, die ihm sogar die Grundzüge des Planes auSgearbeuet daben, aber die Folgen wird doch er selbst zu tragen haben, wenn der Reichstag den ihm vorzulegendcn Steuervorlagen die Zustimmung versagt. Und wenn man aus der Bewegung, die in allen Theilen de« Reiches gegen die kürzlich veröffent lichten Grundzüge de« Da«akfa«rtkat» und des Wei»- steuergrfetzentwnrs» sich erbebt, auf da« Schicksal dieser Entwürfe im Reichstage schließen darf, so wird es mindestens der größten Anstrengungen seitens des neuen ReichSschatzsecretairS und der von Herrn Miquel geführten eiozelstaallichen Finanzminister bedürfen, um mit den aus schlaggebenden Parteien über eine ihnen annehmbar er scheinende Form dieser Vorlage» sich zu einigen. Namentlich gegen das Wcinsleuerproject regt sich in den weinbaucnden Landschaften deS Reiches, insbesondere im Rheinland unt an der Mosel, in Nassau, der Pfalz, Rheinhessen, Baden und im Elsaß eine immer mächtigere Bewegung. Bon überall her werden Proteste, Petitionen und Kundgebungen aller Art an die Regierungen und an den Reichstag gemeldet, die Handels kammern, die Gemeindevertretungen, die landwirthschastlicbcn Verbände, dir Wcininterefsenten aller Art sind an der Arbeit, Massenversammlungen sind in Vorbereitung, um die Besorgnisse des Weinbaues zum öffentlichen Ausdruck zu dringen. Zn den nächsten Tagen veranstaltet der nassauische Bauernbund «ine große Protestversammlung der Winzer in Oestrich; die Handelskammer zu Neustadt bereitet eine Denkschrift zur Bekämpfung dieser Steuer vor. Ueberall her aus Len von dieser Steuer bedrohten Land schaften tönt die Klage, der ohnehin hartbedrängte, so häufig von Mißjahren betroffene, erst neuerdings durch die Handels verträge geschädigte deutsche Winzerstand könne diese Last nicht tragen; die Einfuhr ausländischer Trauben und Weine zum Schaden deS immer mehr zurückgchenden deutschen Weiu- dause werde aufs Neue befördert. ZuSbesondere hat auch die angebliche Werthgrenze von 50 für das Liter, von welcher ab die Reichsbesteuerung beginnen soll, wegen ihrer auch ge ringere Sorten treffenden Niedrigkeit allgemein befremdet. Gewiß mag in diesen Darstellungen Manches übertrieben sein, immerhin aber beweist die Macht dieser Bewegung, mit welch ernsten Besorgnissen wichtige LandeStheile und Erwerbskreise gerade dieser Steuer entgegensehen und wie schwer cö sein wird, die Kosten der Heeresvorlage und der Reichssteuer reform mit dem »Blut der Rebe" zu bestreiten. Zn Preutzen geht jetzt zum ersten Mal eine sünsjährige Gesetzgebungsperiode deS Landtags zu Ende; im Reichstag ist dekaimtlich vie erste aus fünf Zabre verlängerte Wahlperiode nicht zu ihrem regelmäßigen Abschluß gekommen. Wenn man auf den Verlauf und die Ergebnisse der ersten verlängerten preußischen Landtagsperiode zurückblickt, so muß man gerechter Weise anerkennen, daß Liese auS der eigenen Anregung de- Abgeordnetenhauses dervorgegangcne Neuerung sich gut bewährt hat. Es ist nicht anzunebmen, daß so große Reformen wie die der Neuordnung der Land gemeinden und de- Slcuerwesen« in einem so kurze» Zeit raum, wie er früher der Mandatsdauer zugemesscn war, hätten zu Ende geführt werden können. Die großen gesetz geberischen Leistungen der abgelaufenen Periode sprechen deut lich für die Vorzüge einer ausgedehnteren, stetigeren, weniger von fortwährenden Wahlrücksichten beherrschten Arbeitszeit. Und dis jetzt ist wahrhaftig auch der Einwand nicht zuge troffen, daß bei langen Wahlperioden leicht der Zustand em- lreten könne, daß die Zusammensetzung der Volksvertretung nicht mehr der im Lande vorherrschenden Stimmung entspreche. Aller Voraussicht nach wird da- neue AbgeordnetenbauS gegen da- bisherige nur geringe und unwesentliche Ver schiebungen in der Zusammensetzung zeigen, womit bewiesen wird, daß in der politischen Grundstimmung de- Volke« in dem jetzt hinter uns liegenden Wahlzeitraum keine großen Veränderungen eingrtreten sind. Davon zeugt auch die Lauheit der diesmaligen Wablbewegung. Sollten einmal im Laufe einer Wahlperiode große neue Wen dungen und Entscheidungen eintreten, dir einen starken Gegensatz zwischen den Wählern und ihren Vertretern herbeisührten, so wäre ein solches Abgeordnetenhaus doch nicht lange haltbar. Jedenfalls kann man dauernde normale Einrichtungen de« StaatSlebenS nicht wohl auf die Möglichkeit großer Krisen begründen. E« zeigt sich auch in der gegenwärtigen Wahlbewegung, die in den meisten Kreisen ohne jede Erregung, in vielen fast ohne Kampf und Wider stand. sich vollzieht, ein starkes Ruhebedürfniß. Zn seiner Mehrheil ist da« Volk mit dem Gang der preußischen Gesetz gebung und Verwaltung im Allgemeinen zufrieden; eS hat, nach einer gewisse» Uebrrspaanung, Sehnsucht nach einem Stillstand in der Gesetzgebung, nach ruhiger Eingewöhnung in so vielfache Neuerungen der jüngsten Zeit, und fühlt wenig Bedürfniß, in gar zu kurzen Zwischenräumen an die Wahlurne gerufen zu werden. Die belgische Au-standSbcwgung ist noch immer im Steigen begriffen; die ofsiciösen Ankündigungen von dem nahen Erlöschen deS BergarbciterstreikS sind also nickt halt bar. Am gespanntesten ist die Lage im Becken Cbarleroi, in dem die Ritter der Arbeit von der Einstellung deS AuS- stande« nicht« wissen wollen. Aller Orten tauchen starke Banden Ausständiger aus und durchschreiten da- Becken, um die Einstellung der Förderung in de» noch arbeitenden Zechen zu erzwingen. So marschirten dieser Tage 0000 Ausständige nach TrazrgnicS, lOOO nach Fontaine l'Eveque. 600 nach Ransart; überall traten ihnen Gciidarmerie-Adtheilungen entgegen, zerstreuten die Arbeiter und suchten die Anstifter festzuiiedmen. Am Bösesten ging cS in Ransart zu, wo die Arbeiter die nach den Zechen führenden Eisenbahngleise aufrisscn; die Gendarmen hieben mit deu Säbeln ein und verhafteten 9 Rädelsführer. Auch in Forchics kam e« zu ernsten Austritten — kurz der Ausstand ist noch im vollen Gange. Nach den auS England vorliegenden Nachrichten ist r« im höchsten Grade unwadrfcheinlich, daß die gutgemeinte Ver mittelung der Bürgermeister mehrerer vom Kohlen» a r d c i t e r st r e i k besonders betroffenen Städte den ge wünschten Erfolg daben werde. Die meisten Bergwerks besitzer scheinen entschlossen zu sein, nie und nimmer ibre Leute zu den alte» Lohnsätzen die Arbeit wieder ausnehmen zu lassen. Diejenigen Zechen, wo der Betrieb wieder begonnen bat oder beginnt, sind ausnahmslos kleine. Zn diesen wird allerdings jetzt Tag und Nacht unermüdlich gearbeitet. Eine seltsame Erscheinung macht sich bei den Bergleuten, die so viele Wochen gefeiert haben, bei dem Wiederbeginn der Arbeit fühlbar. Die ersten Tage sind ihnen die Glieder so steif und wund, al« ob sie am Rheumatismus litten. Erst am dritten Tage gehen die Symptome vorüber. Ruhestörungen kommen jetzt kaum noch vor. Die hauptstädtischen Schutzleute, die nach den Biiinciigrafschaste» gesandt wurden, sind deshalb wieder nach London zurückgekehrt. Die Delegirten der schottischen Bergleute, welche in Glasgow tagten, haben beschlossen, deu College» zu enipfchlen, 6 Pence die Woche jeder zum Besten der Streikenden zu fpenden. Der Gewerkralh von PortSmoutb will eine HauSsammliing zu dem gleichen Zwecke veranstalten. Unter die streikenden Bergleute von Derdyshire wurden 5000 Pfd. Sterling vertheilt. ZrdcS Mitglied erhielt 5 Schilling und für jedes Kind 6 Pence besonders. Die Summe konnte aber nur dadurch aufgebracht werden, daß man Hypotheken auf daS Versammlungsgebäude de« Verein- in Chesterfield aufnahm. Zn der französischen Hafenstadt Toulon wird die Fremdenhetze von Amt- wegen organisirt. Wie der „Voss. Zlg." von dort telegraphisch gemeldet wird, fordert der Bürgermeister mittelst MauerauschlagS die Bevölkerung auf, die Fremden scharf zu überwachen, selbst Polizei zu üben und Jeden sestzunehmen, der Gefühle kuiidgiebt, die denen der Bevölkerung entgegengesetzt sind. Der Bürgermeister empfiehlt besonder-, man möge etwaige Verhaftete zwingen, ihre BolkSangehörigkeit anzugeben. Es ist ein sehr gefährlicher Weg, den man in Toulon mit dieser Weisung betritt. Ganz abgesehen von dem ArmuthS- zeugniß, das die Behörden den öffentlichen SicherbeilS- organen damit auSslcllcn, muß erwogen werden, daß von der Volkspolizei zur Volksjustiz nur ein kleiner Schritt ist, um so kleiner, je erregter die BollSstimmnng im Allgemeine» und im vorliegenden Falle gegen die „Fremden", das beißt die Deutschen und Italiener, im Besonderen ist. DaS amtliche Frankreich übernimmt, indem es die Bevölkerung von Toulon den Fremden auf die Spur hetzt, eine vrrhäi>g»itz- schwere Verantwortung. Man niuß sich nur gegenwärtig halten, welcherlei Elemente da- Wort „Bevölkerung" in einer Hafenstadt wie Toulon in sich schließt: Tausende roher, händelsüchtiger, stündlich zu Gewaltthaten bereiter Leute, die selbst in ruhigen Zeiten im Zaume zu halten nicht leicht ist, wie erst in Tagen, wie den bevorstehenden, da selbst sonst ruhige Köpfe zu wirbeln beginnen! Der Maueranschlag des Touloner Stadtgewaltiaen erklärt die Fremden den brutalsten Trieben der Hajenbevölkrrung gegenüber so gut wie vogelfrei. Hat man in dem tollen Freudentaumel ganz vergesse», daß nach den Gesetzen des Völkerrechts, die auch wabernd der Russentage nicht außer Kraft gesetzt werden könne», Frank reich für die Sicherheit der dort lebenden fremden Staats angehörigen haftet? Ueberall sonst in der gesitteten Welt, nicht einmal Rußland ausgenommen, würde die Ltaats- regierung angesichts von Stimmungen und Möglichkeiten, wie sie eben jetzt in Frankreich vorhanden sind, die um fassendsten Vorkehrungen zum Schutze der Fremde» vor jeder Belästigung oder gar Bedrohung treffen, in Frankreich überantwortet man sie dem uncontrolirbarrn, leicht auf Abwege gerathendrn Factor „Bevölkerung". Zn Spanien sollen die Car listen wieder tüchtig an der Arbeit sein. AuS der Provinz Castellon wird gemeldet, daß unter den zahlreichen Anhängern de« Prätendenten dort eine ungewöhnliche Bewegung herrsche. Ta« carlistische Casino in Morella sei ein wabre« Krirg«lagrr, wo alle Lsficiere und Soldaten de« Don Carlo- auS- und einaingen, um über bevorstehende Ereignisse z» berathschlagen. Daß der Präten dent nicht im Entferntesten daran denkt, von seinen an geblichen Rechten oder auch nur von der Propaganda zurück- »utretrn, ist inzwischen ja aller Welt verkündigt worden Allerbing«, bevor er sich al» Retter auszuspielen vermag, mühte erst eine gewaltige Katastrophe eintreten, eine republi kanische Anarchie, die keinen Stein auf Lein andern liehe. Erst dann würde er da« berühmte Wort Ludwig- XV. in „Xpr«; le äölugo . . . moil" parodiren können. Au« den amtlichen politischen Kreisen in Paris und London werden Einzelheiten über die Madrider Eon- s errnzen und den drrweiligen Dian» «er Din«e in Marokko überhaupt bekannt. Darnach wurden am vergangenen Mittwoch die Vertreter Deutschlands, Großbritannien-, Frankreich- Italien- und Belgien- von dem spanischen Minister des Aus wärtigen, Senor Moret Prendergast, empsangen. Ter Minister ertbeilte den Diplomaten der fremden Mächte berubigende Aufklärungen hinsichtlich der von Spanien zu befolgenden marokkanischen Politik und erklärte insbesondere, daß Spanien die stricte Aufrechlcrhaltung deS afrikanischen utatu-j quo erstrebe. Nichts desto weniger würde die Erbauung von FortS mit allem Nachdruck fortgesetzt und für erneute Angriffe würden die Mauren strengstens gezüchtigt werden. Weiter sprach sich Herr Moret Prendergast dahin auS, daß die Regierung durch ibren in Marokko beglaubigten Berlrcter volle Genuglbuung verlangt habe und daß die nach dem afrikanischen AetionSschauplay entsandten Truppen nur eben hinreichend wären, den spanischcn Forderungen den nöthigen Nachdruck zu verleiben. Alle weiteren Entschließungen der spanischen Politik dingen gänzlich von dem Verhalten der Mauren ab. Marschall Martine; CampoS soll ganz analogen Anschauungen huldigen und namentlich jeder Hiliciiilraziiiig deS Kampfes in das Innere Marokkos abhold sein, da die Opfer an Geld und Menschen in keinem Vcrhältniß zu den, möglicherweise zu er langenden Borlhcilc ständen. Dessenungeachtet kann man aus dem vorstehend Mitgethcilten nichts dcraiislcsen, waS wie eine im Voraus bindende Verpflichtung Spanien- auösähe, sich in seiner marokkanischen Action durch andere Erwägungen als die seines eigene» direkten Interesses leiten zu lassen. Hieraus wird auch der spanischen Negierung kein Vorwurf zu machen sei», da keinem Staate zugemuthet werde» darf, in Consliele» wie der vorliegende, irgend andere Geschäfte als seine eigenen zu besorgen. Man wird übrigens bemerkt baden, daß der Kreis der eingangs erwähnten, beim spanischen Minister deS Auswärtige» erschienenen fremdmächtlichen Vertreter sich aus die afrikanischen Colonialmächte beschränkt, mit alleiniger Aus nahme Portugals, das seit Jahresfrist und länger eine Politik strengster Zurückgezogenheit cultivirt. Exkönig Milan von Serbien leugnet, daß er sich noch immer mit Politik beschäftige. Er will glauben mache», daß er nur ein einfacher Privatmann sei, und doch kommen die Rathschläge, die er seinen, Sohne, dem jungen König Alexander, giebt, in ven Regierung-Handlungen desselben zum Vorschein. Wenn die schwere Krankheit deS Minister - Präsidenten 1>r. Dokitsch anhätr, dessen mäßigender Einfluß aus die radikale Partei nicht zu unterschätzen >jt, dürften sich gewisse Ein wirkungen Milan'S noch mebr al- bisher bemerkbar machen. — schwerlich zum Segen deS Königs Alexander und noch weniger Serbiens, llcber die Tbätizkeit deS Exkönigs liegt der „Köln. Ztz." folgende telegraphische Meldung au- Belgrad vor: Die hiesigen Regierungskreise sind seit der Zusaminenkunst des KSnigS mit Milan sehr verstimmt, zumal eS kein Gchnmniß ist, daß Milan seinem Sohne wiederholt seine Bedenken über mehrere politische Ereignisse nahe gelegt hat. Milan de chäftigt sich trotz aller Beldeuerungen immer »och mit Politik und er hatte in Abbazia dem König über die Wirlhschast der radikalen RegiernngSmanner, welche die Verantwortung für allerlei nicht er- pricßliche Handlungen aus den König abwälzen und in gewissen äußerst heiklen Dinge» zu einer Stellungnahme bewege», aus derer keine Umkehr giebt, die nöthigen Nusklärungen erlheilt Tie nächsten Tage werden zeigen, ob sich Milan's bekannte UeberredungS« kunst bewährt. Dem nunmehr in Südafrika auSgedrochenc Matadele- krieg wird von de» Londoner „Times" keine sonderliche Be deutung beigelegt, er werde, so meint daS Blatt, mit der Zurückziehung Lobcngula'S und seiner Horde bewaffneter arbaren über den Zanibesi enden und die Herrschaft deS Gesetzes, den Fortschritt der Eivilisation in Maschonaland wie den Frieden der Grenzen von Betschuanaland sichern. Wir meinen der letzte große Zulukrieg sollte den Engländern mehr Achtung vor den dortigen schwarzen Gegnern eingeflößt haben und der Tag der Niederlage von Zsandula sollte noch nicht ver gessen sein. Die Maiabcle sind ein Kricgrrvolk, das von Zugend auf im Waffendienst erzogen wird, sie sind mit vorzüglichen europäischen Gewehren ausgerüstet und sie können auf Bundesgenossen rechnen. Abgesehen von den Barotse und gewissen kleineren Stammen nördlich de- Zambesi scheint cS nach den neuesten Nachrichten, als ob sie auch aus die Heersolge der Zulustämme im Ghaza- lande rechnen könnten, die sich gleichfalls bereits des Besitzes moderner Gewehre erfreuen. Die Streitmacht der Südasrika- gescllschaft in Maschonaland beträgt 900 Mann, »lit denen rin Feldzug gegen lv 000 Matabelekrieger nicht zu führen ist. UebriaenS werden die WitteruiigSvcrhältnisse, wenn nicht mit den MatabeleS ein rasches Ende gemacht wird, für kriegerische Operationen der Weißen bald ungünstig werden. Der Afrika- reisendr Theodore Be nt, der Erforscher der Ruinen im Maschonaland, richtet an die „Times" ein Schreiben, in welchem er die Gefabr beschreibt, welcher die im Maschona- lande befindlichen Europäer bald ausgesctzt sein werden: „Gewöhnlich gleichl daS Malchona-Land Ende November oder höchstens Ende Decenider einer Insel mitten im Ocean. Tie Flüsse im Süden sind unpalsirbar, im Osten erstrecken sich, hoch an- geschwollen, der Labt und seine Nebenflüsse, im Norde» der Zambesi und im Westen die Wüste. Ter Endpunkt der vom Indische» Ocean landeinwärts gehenden Beiro-Eisenbahn ober liegt 38 bis 40 deutsche Meilen von Fort Salisbury entfexnt. Bor 3 Jahren waren dt« Pioniere im Maschona-Lande drei volle Monate von allem Verkehr mit der übrigen Welt abgeschnilten. Wie Fieber und Hunger gehaust haben, wird wahrscheinlich niemals an den Tag kommen. Dabei sind dir Matabele an Kriege auch in dieser Jahreszeit gewöhnt." Deutsches Reich. it Berlin, 8. October. Dem Vernehmen nah soll eS feststchen, daß dem Reichstage bei seinem Zusammentritt zugleich mit dem Etat siir 1894/95 die Steuervorlagcn zugrheu werden. E- soll in der Absicht liegen, in einer bc sonderen Denkschrift die Entwickelung des ReichSstcuer Wesens bis zu der jüngsten Zwangslage darzutkun »nd die Mittel zur Beseitigung der leylcren de« Näheren zu erläutern, ähnlich wie dies >n der Denkschrift z» der Struerresorm in Preußen geschehen ist. Für die Etatsdebatte würde damit eine breite Basis zur Erörterung der Finanzlage de- Reichs gegeben sein. — Ein Moment, welches aus die Äusgabesumme de- ReichSbauSbaltSetatS noch für längere Jahre eine» er höhenden Einfluß auSüben wird, bildet die Arbeiter- Versicherung. Sie wird auch den Etat für 1894/95 gegenüber dem für 1893 94 mit einigen Millionen neu belasten. DrrHaupl Posten der diesbezüglichen Mehrausgabe wird in der Position sür den Zuschuß des Reich- bei der Invalidität-- und Alters versicherung zur Erscheinung kommen. Diese Position war zuerst in den Etat für 1891/92 und zwar mit 0,2 Millionen eingestellt, wurde 1892/93 auf 9,2 Millionen crböbt, um im Etat sür 1893i94 die Höbe von 12,0 Millionen zu erreichen. Man ersieht» daß die jährliche Zunahme etwa 3 Millionen betragen bat. Nun batte sich zwar für 1892/93 berauSgcstellt, daß die wirklichen Ausgaben gegen den EtatSansatz etwas zurückgeblieben waren, man wird aber bei Beurtbeilung der Höhen fernerer Ansätze nicht außer Acht lassen dürfen, daß die ZnvaliditäS- Versicherung, welche auch »ach den llebcrgangsbestimmuugen erst seit dem Zabre 1892 zur Geltung gekommen ist, nicht gleich ihre volle finanzielle Wirkung aus geübt hat. Zm Uedrigen wird der Etat für 1894/95 der letzte sei», in welchem für die ZnvaliditätSversicherung der lleberaangSzcit der ReichSzuschuß ausgeworfen werden wird. DaS Gesetz vom 22. Juli 1889 ist Anfang 1891 in Kraft getreten. Tie Wartezeit beträgt bei der Invalidenrente fünf LeitragSjahre zu je 47 Kalenderwochen. Um die Mitte de« ZahreS 1895 würde also diese Wartezeit abgelanfen sein. Neben derPosition für den RcichSzusä nßbeiderZnvaliditätS-und Alreröversichcrllng bat auch der Etat für das ReichSversicherunaS- amt alljährlich Erhöhungen erfahre». Zm Etat sür 1889/90 belief sich dieser Etat noch aus rund 360 000 -L für 1893/94 waren 1,2 Millionen in Anschlag gebracht. Auch diese Summe dürste sich sür daS nächste Jahr etwas steigern, wenngleich die diesmalige Erhöhung nicht die Beträge der letzten Jahre erreichen wird. Schließlich ist nicht zu üdersckcn, daß auch die einzelnen ReichSvcrwaltuiigcn, namentlich Nkilitair- und Marineverwaltung, ganz beträchtliche Summen für die Ver sicherung der bei ihnen beschäftigten vcrsicheruugüpstichtigen Personen anSgedcn müssen. Auch diese dürften wieder im Etat für 1894/95 wenn auch unbedeutende Steigerungen aus- zuwcisen haben. Berlin, 8. October. Einen eigcntdümlichkn Verlauf bat die Wahlbewegung in Bielefeld-Hersort genommen. Der Wahlkreis war bisher durch drei Eonservative, darunter Stöcker, vertreten, dir mit geringer Mehrheit über liberale Gegencandibateii gesiegt Halle». Die Conscrvativen sind nun in Sorge, ihre Liste gegenüber einer gcsammtlidcralcn Ver ständigung nicht mehr durchzubringeu; sie sind bereit, um zu einer Verständigung mit den Nationalliberalcn zu gelangen, Stöcker preiszugeben, den mau dann ,n dem benach barten Wablkreijc Minden unterzubringeu suchen würbe und sür die Wahl von zwei andereu Conservativen, des Rechtsanwalts Ktasing und des bisherigen Abg. Meyer zu Selhausen den Nalionalliberalen ein Mantal abzulreten. Auf der andern Seile haben die Bielefelder Freisinnigen den Nalionalliberalen und gcmäßigl Eonservaliven ein Compromiß augeboten aus der Grundlage je eines Maudais sür die drei Richtungen. Ob daS letztere Compromiß zu Stande kommt, ist noch nicht entschieden. Auf alle Fälle scheint eines der drei bisher eonservative» Bielefelder Mandate den NaliouaUideralcu gesichert. — Zm Görlitz-L au baner Wahlkreise hat, wie uns von dort berichtet wird, der Bund der Laudwrrtbe in seinen Generalversammlungen zu Laudan und Görlitz ein» timmig beschlossen, die Wiederwahl der seitherigen Abgeord neten, der Nalionalliberalen von Schenckeiidorff und Burg Hardt und des sreiconservativcii Schladitz, auch seinerseits zu unterstützen. * Berlin, 8. October. Der Ossicier, welcher auf den früheren „verantwortlichen Reoacleur" deS „Berl. Tagebl.", wie im giglrigcn Morgendlatte berichtet wurde, geschossen hat, ist Generallieutenant z. D. Kirchhofs, wohnhaft in Cdarlottcnburg, nicht in Brandenburg, wo er früher die 1l. Znsantcrie-Brigade commandirte. Nach Brandenburg war er 1890 auS Bromderg versetzt worden, wo er daS 129. Zttfantcric-Rcgimcnl besehligt Halle. Zm Kriege 1870/71 erwarb er sich das eiserne Kreuz zweiter Classe. Das Vorgehen deS Generals gegen Herrn Harirb ist, wie das „Bert. Tagebl." schreibt, nach seiner eigenen Erklärung hauptsächlich dadurch veranlaßt worden, daß letzterer vor Gericht sich bereit erklärte, den Beweis für die Wahrheit seiner Behauptungen zu erbringen. Ein diesiger Berichterstatter meldet, daß General Kirckwoff seit jenem Proceß sich andauernd in höchst aufgeregtem Zustand befand. Zu dem bäckst bedauerlichen Borsall bemerkt zutreffend die „Naiion.-Ztg ": „ES wäre überflüssig, Wort« darüber zu verlieren, daß ein solches Vorgehen m einem geordneten StaatSwescn nicht zu dulden ist; der Thäter bat dies selbst ancrkaiint, indem er sich sofort den Behörden stellte; er wird seine Strafe aus sich nehmen müssen. Aber um deS Ansehens der Presse willen muß bei einem so eclatanten Anlaß a»S ihrer eigenen Mitte gegen einen Mißbrauch ihrer Macht, wie er den Anlaß zu dem beklagcnswcrlbcn Vorfall gegeben hat, Verwahrung eingelegt werde». Tic Mittbeilung, durchweiche der General mitRecsil in Empörung gerathcn war, gehvrle, einerlei, ob sie begründet oder erfunden war, schlechterdings nicht in die Oesfent- lichkeit; von dem Gericht, welches den „verantwortlichen Retactrur" bereits zu einer erheblichen Geldstrafe verurthrilt batte, war deSbalb der angeborene „Beweis der Wahrheit" al« glcichgillig abgclcbnt worden, während der Beleidigte durch dieses Beweis-Anerbieten natürlich sich aufs Neue schwer verletzt sühlen mußte. Zeder Versuch, die Presse in der Erfüllung ihrer Aufgabe, in der Vertretung öffentlicher Interesse» durch Gewaltthätigkeiteu oder durch die Bedrohung mit solchen zu hindern, müßte nachdrücklich zurückgewirsrn werden. Ebenso bestimmt aber muß LaS HerauSzrrrrn privater Angelegenheiten in die Leffentlickkeit als ein durch nicht- zu rechtfertigender Mißbrauch der Presse bezeichnet werden, und zwar um so mehr, da er leider neuerdings häufig geworden ist." — Nack einer weiteren Mitthrrlung deS „Berl Tagebl." hatte das Revolverattrntat gegen Herrn Harick noch folgende- Nachspiel: Gegen Nbend um 6 Ubr de» gestrigen Tage-, besselben, «n welchem Herr Harich unverletzt anS dein Nttenlal dervorgegangen, erschien in seiner Veliausung ein Herr, welcher Auditeur a. D. und Freund des Herrn Kirchhofs zu sein erklärte und das Ansinnen an Herrn Harich richtete, »ine Erklärung des Inhalts adzugeden, daß er ge logen, und der im Proceß augeboleu« Beweis «tu» wtssrutltch falsch.
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