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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931021020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893102102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893102102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-21
- Monat1893-10
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Der Rücktritt dcö preußischen KriegSmii'istcrs».Kalten born-Stack au hat begreiflicherweise eine Fülle von Ge rüchten zur Folge, die nicht in» auf die Gründe dieses Rück trittes und seine Folge», sonder» auch auf das ganze prrutztschc Ttaatsmiinstcriui» sich beziehen, das nach ziem lich bestimmt auslretenden Behauptungen einer noch weiteren Beränderung entgegensieht. Unser Berliner 88-Correspon- dent schreibt uns hierüber: „Wie wir von guter Seite hören, sind mit der Ver abschiedung dcS Herrn v. Kaltenborn und der Ernennung des Herrn v. Bronsart zu seinem Nachfolger noch keines wegs die bedeutenden Veränderungen im StaatS- minislerium abgeschlossen. Wenn von einigen Blättern angedeutet wurde, daß der Iustizministcr v. Schilling gleichfalls beabsichtige, seinen Abschied zu nehmen, so ist diese Meldung allerdings unbegründet. Dagegen be finden wir uns thalsächlich im Augenblick in einer bedeutenden Krise: denn der Ministerpräsident und Minister deö Innern, Graf zu Eulenburg, soll an Allerhöchster Stelle den dringenden Wunsch kundgcgcben haben, von seinen Aemtern entbunden zu werden. Wie gesagt, wird unö dies von so zuverlässiger Seite mit- getheilt, daß wir allen cssiciösen Bertuschungsversuchen gegenüber daran scsthalten müssen, daß Meinungsver schiedenheiten ernsterer Natur zwischen dem Reichskanzler und dem Grasen Eulcnburg vor liegen. "Nach der Rückkehr deS Reichskanzlers von Karls bad hat auch noch keine Zusammenkunft zwischen beiden Staatsmännern stattgefunden, ebensowenig ist seitdem eine Sitzung deS SiaatSministeriuniS anberaumt worden. Es mag ja Leute geben, die diese Unterlassungen auf zufällige Ursachen zurückführen, — die nächsten Tage aber werden wobl klar machen, ob die Differenzen beigelegt sind, oder nicht. Wie uns ferner berichtet wirk, erfahren die Schwierigkeiten der Lage dadurch eine Eomplication, daß in höchsten Kreisen in den letzten Tagen von Neuem die Nothwcndigkeit betont wurde, die Aemter deS Reichskanzlers und de» Minister präsidenten in einer Person zu vereinigen, daß man in riesen Kreisen die im vorige» Frühjahr erfolgte Trennung für einen großen politischen Fcblcr ansiebt, der nicht frilk genug gut gemacht werden könne. Vielleicht gelingt cS noch in letzter Stunde, die Situation zu glätten, vielleicht aber nicht. Dann dürsten u»S die nächsten Tage eine große politische Ueberraschung bereiten." Wir sind natürlich nicht in dcr Lage, diese Mittheilungen ans ihre Zuverlässigkeit zu prüfen; aber wir würde» »nS auch nicht wundern, wenn die Besetzung der Aemter deS Reichs kanzlers und deS preußischen Ministerpräsidenten mit ver- chietcnen Personen zu Unzuträglichkeiten geführt hätte, wie Fürst Bismarck sie seiner Zeit erfahren bat und wie sie beim Rücktritt deS Grasen Caprivi vom Amte deS preußische» Ministerpräsidenten rorausgesagt worden sind. Auf die Dauer wird der jetzige Zustand schwerlich haltbar sein und man wird daher stets aus eine Uebcr- raschung gefaßt sein müssen. Ob sie schon i» nächster Zeit erfolgt und welcher Art sie ist, muß man eben abwarten. Das aber ist wohl ausgeschlossen, daß Graf Eaprivi seinen früheren Posten wieder übernimmt, nachdem er bei seiner Verlbeidigung deS Zedlitz'scken SchulgeseyentwurfeS in so schroffen Gegensatz zu den Mittelparteicn sich gesetzt hat. In dem Großberzozthum Hessen steht seit dem 1. Oktober dieses Jahres ein Gesetz über die polizeiliche Beaufsich tigung der Micthswohnungen und Schlafstätten in Kraft. Es ist dies ein -ntcressanter und unseres Wissens auch dcr erste Versuch eines deutschen Einzelstaatcs, die viel beklagten Zustände der WohnungSnoth mit all ihren verderblichen sittlichen und wirlhschastlichcn Folgen auf dem Wege gesetzlicher Vorschrift und polizeilicher Eonlrolc zu be seitigen. Der Inhalt tcS Gesetzes ist im Wesentlichen folgender: Zur Durchführung einer wirkiamen Controle der Mielhwohnungen haben die Gesundheitsbeamte» und Polizeibehörden die Besugniß, Micthswohnungen und Schlasslellen daraufhin zu unter suchen, ot> aus der Benutzung Nachiheile für die Gesundheit oder die Sittlichkeit zu besorgen sind. Für dieStädte werden besondere Wohnungs.Inspektoren bestellt. I» allen Gemeinden über 5GX1 Seelen sind neu zur Bermlethung lammende Wohnung«» anzumclden, wenn sie, einschließlich der Küche, aus weniger als vier Räumen bestehen oder im Kellergeschoß liegen, de,zw. nicht unterkellerte Räume enthalten, deren Fußboden melfl mindesten» 0,25 m über der Erde liegt, oder wenn unmittelbar unter deni Dach bcfinoliche Räume zum Wohnen dienen sollen. Bermieiher möblirter Wohnungen sind von der Anzeige befreit, wenn dcr MielhSpreis für das Zimmer 8-si monatlich übersteigt. Noch genauer werden Sch las- stellen überwacht, bei denen die Anzeigepflicht allgemein — unabhängig von der Einwohnerzahl — gilt. Die Polizeibehörde kann innerhalb zweier Woche» nach der Anzeige die Benutzung einer Wohnung durch mit Gründen versehenen Bescheid untersagen (wegen Ge- sundheiisschädlichkeii), das Bermieihcn von Schiasstellen jederzeit, wenn Lhalsache» vorliegen, weiche die Annahme rechtfertigen, daß die Ausnahme von Schläfern zu Unsittlichkeiten sichren werde. Um auch gegen die Nachiheile der UeberfüUung Sorg« zu tragen, kann durch Polizeiverordnung für Micthswohnungen und Schiasstellen ein Mindestmaß von Lustraum für jede Person vorgeschriebeit werden. Bon einem Erfolg dieses Gesetzes kann natürlich jetzt noch nicht die Rede sein; jedenfalls aber haben alle deutschen Staaten Ursache, mit Aufmerksamkeit die allmäligen Erfolge zu beobachten. Die aus Oesterreich vorliegenden Nachrichten lassen er kennen, daß Graf Ta affe selbst cinzusehen beginnt, wie gründlich er sich durch seine Wahlreformvorlagc verrannt bat. Als er dieselbe «inbrachte, glaubte er, nur aus den Widerstand der Deutsch-Liberalen zu stoßen, und jetzt sieht er sich der gefürchteten „dreibeinigcn" Mehrheit gegenüber, zu der auch die Parteien gehören, aus welche die Pelstck deö Ministerpräsidenten seit Jahren gegründet war. Polen,Klerikale, ja selbst der feudale Großgrundbesitz sind einig in der Ver werfung einer Vorlage, durch welche alle gleichmäßig ikren politischen Besitzstand gefährdet sehen, wenn auch sürS Erste noch einige Schutzmauern desselben sieben bleibe» sollen. ES rächt sich jetzt das leichtherzige Selbstbewusstsein, mit welchem Graf Taaffe sich über alle parlamentarischen Ge- wohnbeitcn meinte hinwegsctzcn zu können, als er die Vor lage wie ein Sprenggeschoß ins HauS schleuderte, ohne sich auch nur bei den Führern der ihm befreundeten Fraktionen vorder über deren Ansichten zu vergewissern. Es ist eine cigenthüniliche Lage, in welche die Staatskunst deS Grasen Taaffe das Eabinet gebracht bat: die gemäßigten Parteien tehem ihm lampsbercit gegenüber, wahrend eS sich auf Jungczechcn, Socialdrniokratcn, Antisemiten und andere Elemente stützt, von denen die erstcrcu soeben noch unter den Ausnahmezustand gebeugt werden mußten. Daß die Auslösung deS Abgeordnetenhauses an dieser Situation etwas ändern könnte, ist so gut wie ausgeschlossen; Graf Taaffe hat somit nur die Wahl de» Marschalls Mac Mahon: so ckSmettrv ou so soumettre, abzudanken oder sich zu unterwerfen. Bei seinen naben persönlichen Be ziehungen zum Kaiser wird dieser schwerlich darein willigen, sich von seinem ersten Minister, mit dem er ausgewachsen ist und in den er unerschütterliches Vertrauen setzt, zu trennen. Es bleibt also nur die Zurückziehung oder durchgreifende Amendirung der Vorlage übrig, und mit diesem AuSkunstS- mittcl scheint sich Gras Taaffe auch befreunden zu wolle». Er würde sich damit sogar nicht ohne Gewinn aus der Affaire ziehen; den» in dem ausathmenden Gefühl, von dcr drückenden Last der Wahlrcform befreit zu sei», würde die Mehrheit der Deutsch-Liberalen wohl alle übrige» Vorlagen der Regierung, einschließlich der Ausnahme-Verordnung, zu bewilligen sich entschließe». Tie Frist bis zur Entscheidung kann jetzt nur noch nach Tagen, vielleicht nur nach Stunden zählen. In der Lchweiz taucht jetzt der Plan aus, von der Ber- fafsungSinitiativc deS Volkes zur Einführung des Tabak monopols Gebrauch zu machen. Die socialistische Arbeiter partei verlangt nämlich eine Lösung der großen Frage der Kranken- und Unfallversicherung, die dem Staat, d. b. der Eidgenossenschaft, eine jährliche Ausgabe von 30—35 Millionen Franken auserlegen würde, und schlägt daS Tabakmonopol vor als da» bequemste Mittel zur Beschaffung dieser Summe. Nun scheint aber aus einer vom eidgenössischen Industric- departement ausgestellten Berechnung bervorzugehen, daß der Reinertrag dieses Monopols die Summe von 15 Millionen Franken nicht übersteigen würde. Die Monopolisten wollen diese Ausstellung nicht gelten lasten und stellen eine Initiativbcwcguug in Aussicht, von der sie ohne Weiteres annchmen, daß das Volk sie gutheißen werde. Als daS Alkoholmonopol eingefübrt werde» sollte, gewann man die Cantone mit dcr Aussicht ans die Brrtbeilung des Gewinne-, aber hier ist für die cantonalen Bedürfnisse nicht» u erwarten und die Raucher werden schwer zu gewinnen ein. Bor 20 und einigen Jahren schlug der damalige eid genössische Finanzminister EbaUol-Vcncl eine Tabaksteuer vor, mußte aber seinen Plan schleunigst zurückziche». Es ist an zunehmen, daß nicht nur daS „Pfeifchen des armen ManneS" auch dort seine Rolle spielen würde, sondern auch die Ab neigung dcr Schweizer gegen eine Vermehrung der staatlichen Beamten und Angestellten. Unter diesen Umständen muß man an dem Erfolg einer Initiative für daS Tabakmonopoi zweiscln, doch würde eine Abstimmung darüber wenigstens Klarheit über den VolkSwillcn in dieser Frage schaffen. Wohl in keinem Lande hat sich in den Ansichten über die Nützlichkeit der Erwerbung von Colonien in kurzer Zeit ei» so großer Umschwung vollzogen, wie in Velgte« König Leopold, der schon als Kronprinz die Erwerbung überseeischer Gebiete als eine Lebensfrage für Belgien bezeichnet batte, bat als Herrscher seine Anschauungen durckgcsübrt; er hat für alle Nationen Afrika erschlossen und für Belgien selbst eine große zukunftsreiche Colonie geschaffen. Diese großartige That, die seinen Namen in der Geschichte für alle Zeiten verewigt, ist noch dadurch bewunderungswürdiger, weil der König für daS Unternehmen ungeheure Opfer aus der eigenen Tasche gebracht und für seine Idee sein Vermögen eingesetzt hat. Man weiß, daß dieses afrikanische Werk in Belgien mit Hob», Spott, ja Feindseligkeit ausgenommen worden ist, aber der König wankte nicht, sondern setzte mit Zähigkeit einen Zweck, Belgien „umsonst" eine Colonie und neue Ab- atzgediete zu sichern, durch. Heute ist Belgien, der Bewun derung über da» Erreichte voll, bereit, den Congostaat als Colonie zu übernehmen, und dieser Umschwung ,st nicht nur durch das Vorgehen der Nachbarstaaten und die großen Er- olge deS EongostaateS, sondern auch durch die wachsende Erkcnntniß hervorgeruscn worden, daß in Afrika mit Aus dauer und Umsicht erhebliche Gewinne zu erzielen sind. Eine große Zahl Handel-Unternehmungen ist am Congo entstanden und diese Zahl wächst beständig. Die in diesen Tagen in Brüssel stattgehabte Generalversammlung dcr Handelsgesell sckast des Obcrcongo zeigt beredt, was in Afrika geleistet werden kann. Die Gesellschaft hat nicht nur im Jahre 1892 bei 5 Millionen Francs Capital 1 352 905 Franc» verdient, sondern sic besitzt auch beute 41 HandelSctabliffementS gegen 9 Factoreien im Jahre 1889. Sie hat im Jahre 1892 SO Ton» Elfenbein und 125 000 TonS Kautschuk und in den ersten süiis Monaten d. I. schon 90 Ton» Kautschuk und 42 Ton» Elfenbein gelaust. Die Actionaire erhalten 0 Proc. Dividende. ES ist »nizwcisclhast, daß dcr geplante Anschluß des NileS »nv deS Sudans an den Congostaat dem Handel einen noch weiteren Aufschwung geben w,rd; jedenfalls hat der belgische König ein großartiges Werk vollbracht. In dcr französischen Hauptstadt mischen sich allmälig unter die Kundgebungen für den Zaren auch Ruse ironischer und nichts weniger al» ruszenfrrnndlicher Natur, sowie chauvinistische Rufe, indem z. B. der Refrain deS Boulanger-Liedc-, in die Worte „Elsaß-Lothringen brauchen wir" umgcwandelt gebrüllt wird. ES wäre verfcblt, der artigen Vorkommnissen alsbald eine besondere Bedeutung bei- zumesscn; sie cnlsteben zunächst daran», daß die Ruffcnseicr in Paris viel zu lang angelegt ist; so viele Tage hindurch in stetem Taumel und dabei ernst zu bleiben, ist den Franzosen und wohl auch anderen Leuten nicht möglich. Die ironiichcn Rufe haben aber auch noch eine andere Ursache. Die Franzosen haben sich die Dinge, die sich in Tonlon ab gespielt kaben und in Paris noch abspielcn, anders gedacht, ivic sie sich überbaupt die ganze russische „Entente" von vorn herein ander», ganz anders gedacht haben. Die Entente ist vorhanden, ob sic Bündnis; heißt und als solche» ilnterzcichncl ist oder nickt, ist glcichgillig; daS Gefühl, allein und schwach in Europa dazustekcn, ist von den Franzosen genommen, aber stall eines Bundesgenossen hat Frankreich einen Be schützer gesunken; die Franzosen müssen, statt selbst zum Tan; aufzuipiclc», sich daraus beschränken, die Melodien nach ziipfeiscn, die man ihnen in Petersburg vorpscist. Und wie cS ibncn politisch geht, so ergebt es ihnen auch social. Die rnssischcn Brüter spielen den Grandseigneur; denFranzosen bleibt nichts übrig, als sich mit der Rolle der Courtisanc zu begnügen. DaS ist biller.Uebrigen« siebt,wie man der„KreuzzIg." au»Paris schreibt, oort die Methode in Blüthe, mit tcr politischen Feuilleton. Die gnade Foelke. Roman aus der EmSgan. 18s Bon F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck Verbote». (Fortsetzung.) Xll. Nicht ganz eine Stunde war vergangen, seitdem der alte Doctor daS Mcinbardi'sche Haus wieder verlassen, als Foelke mit verglastem Blick aus ein Zcitungsblatt starrte, das sic in ihrer Kammer auf dem Tiscke lrcgend gesunden. Sic war bleich wie der Tod, aber ibre Gestalt schien ge wachsen, stolz und bockaufgerichlct stand sie da, um den Mund einen Zug, der glauben machen konnle. daß aller Hochmutb, de» man ihr nachgesagt, doch nur ein Schimmer von dem sei, dcr ibr innewoknte. „Da- mir?" kam eS hochausatbmend von ihren Lippen. Noch eine Weile stand sie regungslos. Noch einmal nabm sie daS Blatt zur Hand und las Wort für Wort, Zeile für Zeile das Ungebcuerlicke Sie schauerte fröstelnd zusammen, aber sic schüttelte die Schwäche ab, die sich ibrer hatte be mächtigen wollen. Hockausgericktet, die Hände aus dem Rücken verschlungen, so durchwanderte sie den kleine», niedrigen Raum. Wie ciiw Binde barte eS vor ibren Augen gelegen. Die Worte ater, die ihr von dem weißen Blatte entgegenslimmerten, nahmen dieselben hinweg. Gott sei Dank, dag sie klar sah. Weder der alte Doctor, »och der Rechtsanwalt Buddenberg hatten reckt an ibr gehandelt, als 'sic sie eine tranrigc Rolle spielen ließen »nd ihr verheimlichten, warum sie in dem Elternhause bleiben und sich verborgen halten sollte. Sie batte nichts verbrochen, sondern nur ibr Kind vor einem dessen Leben bcdrobenten Angriff zu schü -en versucht, sie würde heute dasselbe Ihn», wenn eS sein müßte, auch wenn sie gleiche Folgen zu gewärtigen batte. Hatte sic dadurch Strafe — Gesängnißstrafe verdient, so wollte sie solche tragen, aber nickt unter und durch eine Lüge die Freiheit sich erkalten. Und wieder athmctc sie tief aus. Tie war in Gesabr ge wesen, sich selbst zu verlieren, aber sic hatte sich rechtzeitig Wiedergefunden. Abermal» glitten ihre Augen über da« „Armer Wilhelm!" flüsterte sie weich und innig. Dann wendete sic sich der Wiege zu, in welcher ihr Kind, schlummerte. Das kleine, blaffe Ding hatte ihr Leid mit ge tragen, aber sie wollte nickt mehr Leid tragen, und die bleichen Wangen deS zarten Geschöpfes sollte die Röthe der Gesund heit schmücken. Es war ein seltsamer Wandel mit Foelke vorgegangen. Wilhelm AdamS blickte verwundert aus, als sie die Küche be trat, wo er allein in der Ecke beim Feuerherd saß und ernst in die lobende Gluth starrte. Er wußte, von welchem Schick sal Foelke BrunS bedroht war, der Doctor hatte zur Vorsicht gemahnt und ihm Verhaltungsmaßregeln gegeben für den Fall, daß von irgend einer Seite Miene gemacht werden sollte, sie aus dem Hanse zu entfernen. Er batte den Sinn dieser Worte nur zu Wohl verstanden. „Wilhelm, was — wa» sagst Du dazu?" fragte sie, ihm das Zeitungsblatt überreichend, indem sie mit dem Finger auf die Stelle deutete, deren Inhalt sic ausgerüttelt. Er schrak ordentlich zusammen. Scheu blickte er zu ihr aus. Was würde nun kommen? Sie sab ihm ruhig ins Gesicht. „Hast Tu gewußt, daß es so mit mir stand?" Er gab keine Antwort. „Wilhelm, ich bin schuld, daß die schlechten Menschen Deinen ehrlichen Namen angreifeil", sagte sie mit bewegter Stimme. „Wenn ich geahnt hätte, daß man eine natürliche Handlung so beurtbeilcn könnte, so würde weder der alte gute Doctor, noch der RecktSanwalt Buddenberg mich hier zurück gehalten haben." „Foelke, ach, Du lieber Gott! eS ist ja nicht meinetwegen", rief er vollständig überwältigt aus, indem er ihre Hank er griff, die sie ihm willig überließ Ick bin mir weder eine- Unrechte» bewußt, noch möchte ich Dich ohne meinen Schutz wissen. Der alte Doctor und der Rechtsanwalt Buddenberg meinen eS gut mit Dir, aber keiner von ihnen weiß, wie es Dir^umS Herz ist." Sie sah ihn mit glänzenden Augen an, Wilhelm hatte einen ähnlichen Blick in ihnen nie ausleuckten sehen „Ich glaube Dir, Wilhelm. Wir beide wären auch mit einander verkommen, und ich meine doch, e» ist recht, daß ick Dir jetzt sage, warum ich so schnell von Dir abgclaflen habe. Der Wille meine« BalerS würde den meinen nicht gebrochen haben, aber ich dachte — Du wolltest nur mein Geld" Er sprang auf. In seinen Augen funkelte eS, dicke Adern wurden an den Schläfen sichtbar. „Foelke — daS vergebe Dir Gott", sagte er hart. „Und darum hast Du es Dir und mir — uns Allen angethan?" In ihren Augen schininiertc es feucht, sie sah ihn bittend an, aber er bemerkte c« nicht oder wollte eS nicht bemerke», sondern fuhr finster fort: „Ja, dann freilich kann-Einen nicht wundern, wcnn'S so geht. Dann hast Du Dich aber nicht allein an Dich und mich, sondern auch an Bernd BrunS versündigt —" „Ec hat nicht darnach gefragt, ob ich ihn gern hätte", unterbrach sie ihn zaghaft. „Dadurch wird S nickt anders", entgegnete er hart und finster. „Dein Geld! Mir wär'S schon recht gewesen, D» hättest nicht einen rothen Rabaud Dein eigen genannt, dann bält' ich frei uni Dich werben dürfen, wie'S einem Manne geziemt, dcr Mark in seinen Knoche» bat. DaS vergeb' ich Dir nicht, Foelke." Sie hatte die Tbräncn in ihren Augen zurückgedrängt und war von ihm gewichen. „DaS brauchst auch nicht, Wilhelm, ich wollt' aber lieber Deinen Zorn mitnehmcn als ei» Mißtrauen. In dcr letzten Zeit, wie mir'S hier in den alten Räumen und in Deiner Nähe wieder so wohl geworden ist, da Hab' ich daran ge dacht, daß eS so bleiben könnte, wenn Du wolltest. Mir war- ums Herz, als müßtest Du mir vergeben, wa» ich Dir zu Leide gcthan, wenn ick Dich so recht darum bitten würde. DaS ist nun für immer vorbei. Wa» da steht, was schleckte Menschen in der Lust und Freude am Schlechten und Unglück in die Welt hinauSgesckricen, bat für dieses Leben »nS ge trennt. Wär' ich allein gewesen, ich bätt' ibncn die Zäbne gezeigt, aber — nun ist das Kind da. Wilhelm, ich will mit ihm gehen. Mir wär'S eine Freude gewesen, eS Dir zurück- zulaffen, da» gäbe aber nur Anlaß zu neuen Schmachreden. Um de» Kinde« willen muß ich sie meiden." Er war ihren Worten gesolat, athcmloS, als sürchtc er, daß ihm ein« davon verloren gehen könne. Bor seinen Obren sauste und brauste eS wie ein Gewittersturm. Und nun wollte sie geben — fort — wobin? Der Doctor batte ibm gesagt, daß Foelke da- HauS, besser noch auch ihr Zimmer nickt ver lassen dürfe. „Wohin willst Du? Du darfst nicht fort. Siehst Du nicht, wa» da steht?" „Eben weil ich eS sehe. Es ist eine Lüge, daß ick krank bin." „Aber sie werden Dich verkästen. Der Amtsrichter Hell- Wald würde Dich sofort ausfindig machen, falls Du da« HauS verließest." „Der?" fragte sie verächtlich. „Ich werde ibm zuvor- komnic». Und nun sprechen wir nicht weiter darüber. Ich babe Dir alles gesagt, wa« ich Dir zu sagen habe Willst Du dem Knecht sagen, daß er mich morgen in aller Frühe in die Stadl fährt? Ich möchte schon um sieben wegsakren." „Foelke, Du bist von Sinnen. Ich lcid'S nickt, daß Du gehst. Du willst Dir ein Leides anthun." „Davor sei Gott, Wilhelm. Ich würde mir bei vollem Verstände nie ein Leides antbun. Sollt' ick auch den Jammer noch über Dich bringen? Versuche aber nickt, mich zurückzn- hallcn, denn gehen werde ich, wenn nickt zn Wage», dann zu Fuß. Ich muß fort." „Und was willst Du in der Stadt?" „Thun, was recht ist." „Du willst daS Kind mitnebmen?" „Nur ein Stück Weges. Ich will cs dei dcr Pathe lasse», die nimmt« schon in Acht." Wilhelm AdamS machte keinen Versuch mehr, Foelke von ihrem Vorhaben abzubrinaen, den» er sah von vornherein, daß cS ein vergeblicher sein werde. Die Ruhe und Eni schtosienheit in ibrem ganzen Auftreten kannte er. So fragte er nur noch, ob sie für die Zeit ibrer Abwcscnbeit etwas an zuordnen habe. „Nickt». Du bist Herr hier, Wilhelm, und wer könnte alles besser verwahre»? Was e« sonst noch zwischen unS zu verhandeln giebt, ich meine bezüglich de» Geldes, so kann da durch den RcchtSanwalt Buddenberg besorgt werden. Er wird unsere Interessen schon warnedmen." Foelke und Wilhelm trennten sich. Sie gab ihm nicht einmal die Hand zu», Abschied. Aus ihre Kammer zurückgc- kehrt, packle sie die Wäsche und Kleidungsstücke ihres Kinde» in einen Koffer; für sich selbst nahm sie eine kleine Handtasche, in welcher sie gleichfalls etwas Wäsche und einige Toiletten- gezenstände unterdrackte. Nachdem sie diese Arbeit getha». schrieb sie neck ein paar Zeilen an Wilhelm, saß dann noch eine Stunde an der Wiege ikreS Kinde- und legte sich gegen Mitternackt zum Schlafe» nieder. Sie erwachte früh, ober doch gestärlt und gekrästiat, wie ihr schien. Wohler batte sie sich seit Wochen und Monaten nickt mehr gefühlt. Die ruhige Entschlossenheit de» vorder- gehenden Abend» war nicht von ihr gewichen, vielleicht noch
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