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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.10.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931023011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893102301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893102301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-23
- Monat1893-10
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Uad stehe da, morgen beginnt wirklich in Berlin eine neue Eouferrnz der Finanzmimster der Einzelstaatea. Gegenstand der Berathung soll in der Hauptsache die Reich «- weiastruer sein, über die bisher eine Einigung nicht zu erzielen gewesen ist. Bekannt ist ja, daß nebeu den täglich sich mehrenden Protestkundgebungen ari den Kreisen der Winzer uad Wrinbäadler auch eine Abneigung der Regierungen mehrerer Einzelstaaten, in denen starker Weinbau ist, gegen diese Steuer herrscht, weniger allerdings au- grundsätzlicher Gegner schaft^ argen eine Besteuerung des Weine-, als weil die- Geträok ohnehin schon jetzt bei ihnen einer LandeSsteuer unterworfen ist. Vornehmlich sollen Baden und Württem berg deshalb ernste Bedenken haben, einer ReichSweinsteuer zuzustimmen. Wie die bayerische StaatSregieruog denkt— in Bayern eristirt keine LandcSweinsteuer —, wird man authentisch bald erfahren, da an den Landtag auS der Pfalz eine Petition mit dem Anträge gestellt ist, die Kammer der Abgeordneten möge bei der StaatSrrgirrung dahin wirken, daß die bayerischen BundeSrath-bevollmächtigten angewiesen würden, da« Projekt einer ReichSweinsteuer abzulehnen. Wir kalten r« nach der bekannten Budgekrede de« bayerischen Finanz- ministerS kaum für wahrscheinlich, daß dies« Bitte, die im Land tage vermuthlich Erhörung findet, von Seite der Regierung ge willfahrt werde. Dann würde sich im Bundesrath der Wider spruch gegen da« Projekt der ReichSweinsteuer aur auf eine geringe Anzahl von Stimmen beschränken. Da e« aber ni<ht Gepflogenheit dieser hohro Körperschaft ist, lediglich durch die ziffernmäßige Mehrheit zu entscheide», sondern «ine Einigung zu versuchen, so wird der Weg hierzu wohl auf der neuen Finaazminister-Konferenz gesucht werden. Ja der Presse taucht hier und da die Hoffnung auf. daß, angestchtS der thalsächlich stattfindeodrn Erhebungen über den Umfang der Kuastweiuproductiou im lDeutschen Reiihe, dir ver bündeten Regierungen sich begnügen würden, di» geplante Steuer nur auf derartige Kuostweine tzu legen und den Naturwein freizulassen. Die fiSealische Wirkung einer solchen Steuer würde wohl nicht allzu hoch seia, freilich wird ja auch der Höchstrrtrag einer ReichSweinsteuer uur auf etwa 10 Millionen Mark rein geschätzt. Die im Großhrrzogthum Batzen sich vollziehenden ErneurrungSwahlen zur Zweiten Kammer, zu denen am tS. Oktober die Wahlmännerwahlen stattgefunden haben, beanspruchen ein weit über das Bereich diese» einzelnen Landes hinausgehendes Interesse. Baden hat ja vo« jeher in der nationalen Politik eine besonder« hervorragende Stel lung eingenommen, and der große, die gesammte innere Lage in Deutschland beherrschende Gegensatz zwischen librralru und ultramoutanenAnschauungen kommt uirgrnd«schärfer und entschiedener zum Ausdruck, al« in Baden, da« sich, obwohl fast zwei Drittel seiner Bevölkerung dem katho lischen Bekenutniß anaehören, bisher noch immer den Ruhm bewahrt hat, ein Bollwerk gegen de» UltramontamSmu« zu sein. Da« wird auch jetzt nicht wesentlich anders werden. Die badische Zweite Kammer bestand bekanntlich bisher au« 32 Nationallidrralen, 2l Ultramontanen, S Freisinn-Demo kraten, 2 Socialdemokratrn und 2 Eonsrrvativrn. Dir Natioualliberalrn hatten also unter dea Stz Mitgliedern die Mehrheit, aber die denkbar geringste. 9m Einzelne» fiad auch heute noch eiuigr Lücken iu den Wahlnachrichten vor handen. Wir heben au« den vorliegenden Ergebnissen Fol- qrndrS hervor. Dir Nationalliberalen haben an da« Eentrum Freiburg-Stadt (l Mandat) and Waldkirch verlöre», vom Erntrum Uebrrlingen gewonnen. Selt sam ist da« Ergebniß in Mannheim. Für da« dritte Mandat wurden hier 188 natiünalliberale und 1S7 soeialdemokratische Wahlmänaer gewählt; die Demokraten setzten keinen einzigen Wablmann durch. Nun hat aber einer der nationalliberalen Wahlmänner EoncurS anmelden müssen; seine Wahl ist also ungiltig, und «S wird möglicherweise auf die Entscheidung durch das Loos ankommen. Behauptet haben sich die National liberalen in Lörrach-Land, Schopfheim, Donau» rschiugrn, Karlsruvr-Stadt (hier haben die Freisinnig- Ultramontauen trotz heftigen Anlaufs überhaupt keine Wahl männer durchgebracht; damit sind die Mandate der national- liberalen Parteiführer Kiefer und Fischer gesichert), ferner in Pforzheim-Stadt und Land, Wies loch, Heidelberg-Stadt und Land. Die Freisinn-Demo kraten haben Lörrach-Stadt an di« Soeialdemokraten verloren, dagegen mit ultra» »ntaner Hilfe das Mandat von Offeuburg-Vtadt für ihren Führer Muser behauptet. Da« Eentrum hat von de» Nationalliberalen Fr ei bürg und Waldkirch gewonnen, dagegen Ueberlinaea au die selben verloren. Die Eonservative» habe» sich in Dur lach behauptet. Die Socialdrmokraten gewinnen Lörrach-Stadt von den Demokraten und vielleicht Mann heim lll von den Nationalliberalen. Dir ganze Wirkung und der große Sieg der vereinigten Gegner der NationaUiberale» brstebt aisovorausfichtlichindrmBerinsteineseinzi-rnMandat» der letzteren an das Eentrum. Die andere« Parteien find über ihre paar einzelnen Mitglieder nicht hinausaekommea. Und darum ein wahrhaftes Lriumpbgeheul, daß dir national liberale Mehrheit „gebrochen" am Boden liege I Diese «ine Stimme mehr oder wenigrr hat nicht di« geringste praktische Bedeutung. Ti« Nationalliberalen bleiben noch immer weitaus di« stärkste Partei und wrrdrn auch fernerhin durch den geringfügigen erforderlichen Beistand aus anderen Parteien, je nach der Beschaffenheit der zur Entscheidung kommend» Fragen, stets die Mehrheit haben Ja anderen veutschr» und fremden Parlamenten ist es doch auch nicht herkömmlich, daß eine einzige Partei für sich allem dir Mehrheit bildet. Noch viel weniger als dir natioaalliderale kann doch eine Mehrheit ernstlich in Betracht komm», zu der das Eentrum jeder einzeln» Stimme der konservative», Demokraten und Socialdemokraten bedürfen würde. Ins besondere werken klerikale Ucbergriffe auf dem Gebiete ter Schule auch jetzt abgewieseo werden. Da» gemäßigt- liberale Regiment m Baden ist durch Viesen winzigen Erfolg seiner Gegner trotz ihre« gemeinsamen Stnrmlaufes noch laiige nicht bedroht. Auch da» Ministerium soll gutem Ver nehmen nach noch feststes)». In der Fluth von Meldungen über die Wirkung, die der ganz unerwartet gekommene Vorstoß des österreichischen Ministerpräsidenten Grasen Taasse mit seiner Wahl- resorm gehabt bat und muthmaßlich noch Hahen wird, lassen sich mit Hilfe der Aufklärungen, d»e au» Pest, der zeitlichen Residenz de« Kaiser« und Königs Franz Josef, eingetrvffen sind, wenigstens ein,ge sichere Richipuncte scststellen. Sicher ist, daß der Ministerpräsident im unverminderten Vertrauen der Krone steht und nicht daran denkt, vor dem hcraus- beschworeuen Sturme zurückzuweichen. Sicher ist aber auch, daß der Träger der Krone, wobl im Hinblick auf die bekannten Kundgebungen der drei großen Club« des Abgeordnetenhauses, der Conservalivcn, der Deutsch- liberalen und der Polen, au- dem Grunde der Wabl- resormvorlage rin» Eonflicl nicht will; e» scheinen hervorragend» Parteiführern in dieser Hinsicht in der Pestrr Hofburg beruhigende Zusicherungen gegeben worden zu sein. Aber au« einem anderen Anlaß wird mit der Auslösung de« ReichSralhe« gedroht. Lehnt daS Abgeordneten haus die Genehmigung der böhmischen Ausnahmeverord» nung ab, so ist die Regierung entschlossen, Neuwahlen anzuordnen. So wird wenigsten« laut genug verkündigt — so laut, daß man fast zu der Bermutdung kommt, diese Drohung beabsichtige in erster Linie eine Pression auf die jetzt noch widerstrebenden Elemente der Linken zu üben. Neuwahlen im gegenwärtigen Augenblick wären allerdings den Deutschliberalen wenig erwünscht, und so mag dir Taaffe'sche Taktik möglicherweise ihr Ziel erreichen uad dir AnSnahmeverordnung in den Hafen bringen. Eia sensationeller Vorgang beschäftigt alle politisch» Kreise Velgtentz. Der Führer der Recht», Woeste» hat eine öffentliche Kriegserklärung gegen den Finanzmimster Brrrnaert erlaffen. Anläßlich de« neuen Wahlgesetzes will der Ministerpräsident Becrnaert die Vertretung der Minder heiten für die beiden Kammern, die Provinzialrätbc und die Är- meinderäthe, einführen, da- heißt in diesen Körperschaften soll» nicht mehr die Erwählten der Mehrheit allein sitzen, ondern alle Parteien sollen in ihnen nach dem Ver» ältnifse der von ihnen bei d» Wahlen erlangten Stimmenzahl Vertreter Hab». Die Osficiösen haben eine ewaltige Propaganda für diese Reform gemacht und nden di« rührigste Bundesgenossenschaft bei den adical» und Socialisten, weil diese hoffen, bei den Wahlen die größte Stimmcnzahl zu erlangen und durch diese Reform eine große Anzahl Sitze zu erringen. Inmitten dieser Propaganda tritt Woeste im „Brüsseler Kurier" mit überraschenden Enthüllungen hervor. Hiernach ist die Rechte der Kammer dieser Reform so abgeneigt, daß sie sich »nt 66 gegen 1ü Stimmen dagegen ausgesprochen hat, wa« Herr Woeste um so mehr billigt, al- die Reform al- eine „anarchische" unbedingt abzuweisen sei. Minister Beernaert hat in der Versammlung der Rechten die Verpflichtung übernommen, die verhältnißmäßige Vertretung ohne Zustimmung seiner Freunde nicht Vorzuschlag»; er hat sich nur da- Recht Vorbehalten, zurückzutreten, wenn eine Einigung nicht erfolgt. „Diese Verpflichtung ist eine ernste Verpflichtung und r< hieße den Minister beleidigen, wollte man ibm die Absicht unterlegen, sie zu verkennen." Was hiernach Minister Beernarrt thun wird, darauf ist man allseitig gespannt. Den russischen Tiste» tzer französische« Artzaültk ist nachgerade der Weihrauch und der Ehainpagner so sebr zu Kopfe gestiegen, daß sie kaum mehr toasten können. IhrrRcden werden mit jedem Tage lahmer und fader. Gestern fand i Pari» im Ministerium de» Innern ein Festmahl statt, b> dem der Ministerpräsident Dupuy zuerst einen Trintspruch auf den Kaiser von Rußland, die Kaiserin und die kaiserliche Familie und dann einen solchen aus den Admiral Avellan, die russische Marine und da« russische Heer ausbrachte. Hieraus erwiderte der russische Botschafter Baron von Mohrenheim: „LS ist vtelleicht da» letzte Mal, daß ich während der gegen, wärtigra Fest« dir Gelegenheit habe, öffentlich dir Gesundheit des Präsidenten d« Republik auszubrinuen, und ich möchte deshalb meinem Trinkspruch de« lebhaftesten Ausdruck verleihen. Je stärker aber dir Gefühle, desto schwächer der Ausdruck. Ich rufe deshalb an« »ollem Herzen nur: Es leb« der Präsident Larnot I LS leb« der Präsident der französisch» Republik!" Dam» birlt Admiral Avellan folgende Rede: „Seit dem Tage, wo die Schrauben unserer Schiff« t» den fran zösischen Gewässern arbeiten, befinden wir un» in einem Zauber, lande und schreit» von Wunder zu Wunder. Dieser zehntägig» Zauber ist so mächtig gewesen, daß un« da« vewngtsein für die Zelt abhanden gekommen ist. (I) wir befinden uns beute bei dem Minister de« June», da« will sagen bei dem Minister de« Herzen« Frankreichs. (I) Ich trink» -ns di» Gesund- heit de« Ministerpräsidenten Dvpuy, auf da« Wohlergehen Frank reichs." Wenn der Herr Admiral nach Hause zurückaekebrt sein wird, dürste ibm begreiflich gemacht wer»», daß ihm nicht nur da« Bewußtsein für dir Zeit, sondern auch das ver- ständuiß für die Politik seine« kaiserlich» Her» in Toulon und Pari- abhanden gekommen war. Uebrr die Grund linien. aus der diese Politik sich Frankreich gegenüber allein bewegen kann, schreibt mit Recht die Münchener „Allg. Ztg „Die sranzösisch« Ration berauscht sich in einer der wunderlichsten GesüdlSaufwallunaen, welche di« Geschichte aller Völker zu verzeichn» hat, an dem Umstande, eia» Handvoll Russen in ihrer Mute zu baden; Part« rmpsänat de» Admiral Avellan, wie »ö nur einen siegreich heimkehrende» französischen General hätte empfangen können, der mindestens Metz, ktraßburg und Mainz, wen« nicht mehr, in der Tasche mitbrachie. Vermag et» weiterblickender Staatsmann an di« Dauerhaftigkeit einer Gesinnung iu glaub», di« um rtn Nichts io doch ausichäumt, und kau» er im Lr»u ein« solch« Gesinnung zur Grnndlag« einer wri» angelegt» Politik machen? Ist Rußland sicher, daß da« katholisch» Frankreich Polen, welches der Paps« seiner naaushörlichen Gebete versichert hat, dauernd preisqted«, oder daß di» französisch« Republik.»irkUch aas di« Läng« ihren fuadamen« lalsien Princivien ins Gesicht schlagen kan», indem sie die Balkan- Völker der russischen Suprematie ausliesert, gegenüber dem von dem liederolen Europa proelamirien Grundsatz des Seldsl- desiiminuiig-rechlö? Woraus beruht denn di» Republik, wenn sie dieses Lelbiidriilmmungsrecht laugnel? Und wofür da« Alle«? Für einen mit Russlands Hilf« über Deu!schland zu erkämpfenden -leg! Aber an dem Tage, an welchem dieser Sieg erköinpii, Teutsch.ands angebliche Suprematie gebrochen war», würde an die Stelle des monarchischen Deutschland das republi kanische Frankreich treten — wir glauben, dass der Zar sich zweimal besinnen wird, bevor er der Republik zur Supre- matic in Europa verhilst. Die Folgen dieses Siege« würden wahrscheinlich solche sein, dass Russland alsbald an der Seite Deutschland« das Schwert gegen Frankreich zöge. Mögen daher immerhin die russischen Journalisten in Paris iu der guten Gesellschaft der Wiliwe Tliquot ihren französiichen College,, die Allianz ibres Zaren verspreche», beim Nachlisch die Lander zwischen der Weichsel und den Vogesen ne» venheüen und eine russisch-sranzösiiche Wasseiidrüderjchast des Tinlensasses be siegeln — di« ruisliche Politlk Hai noch stets die französischen Llebeiivwürdigkeitcn für sich auszubenten gewusst, zu einer Gegenleistung über Händedruck tssnaus, sich aber nie ver standen. Selbstverständlich ist es dem Zaren angenebm, dem deulsch-österrcichlschen Vündmss — Italien genirt ihn nicht — rin Gegengewicht enigegrnstcllen zu könne», und ain allerwenigste» wird er aus »ine solch« diplomatische Figur verz chien, wenn Frankreich sich ihm abwechselnd an den Hals und zu Füssen wirst. Aber niemals wird eine umsichtige russische Potirik die Hand dazu bieten, das Uebergrwicht eines repubtl- tanijchen und selbst eines monarchischen Frankreich in Europa wieder berzustellen, wie «S mit Metz und Strassburg in sranzöjijcheu Händen uusehtbar gegeben sein würde." Der Nein« Gernegroß von Terbieu, dem gegenwärtig erst wieder von Oesterreich-Ungarn wegen feindseliger Agitalionen der Etantpunct eiwaS klar gemacht wird, kann die russisch- französischen BerbrüderungSfeste nicht vorüdergehe» lassen, ohne sich auch zu melden. König Alexander von Serbien hat am 12. Octoder durch den französischen Gesandten Patrimonio i» Belgrad dem Präsidenten Earn ot seine Sympathien anläßlich der Russensesl« übermitteln lassen. Ferner sandten mehrere serbische Städte, worunter Belgrad und Risch, sowie «ine große Anzahl Abgeordneter Glückwunsch telegramme nach Pari«. Vielleicht kommt auch noch der frühere „einzige Freund de« Zaren", der Fürst von Monte negro, und killet um Aufnahme in de» Bund. Den russi schen Kriegsschiffen kann er leider keine gastliche Stätte an semrn Gestaden bieten, da nach dem Berliner Vertrage Oesterreich-Ungarn die Hasenpolizci in den montenegrinischen Gewässern ausübt und die Wiener Regierung gerade jetzt verlautbarrn läßt, daß fremden Kriegsschiffen in Antivari und Dulcigno der Aufenthalt nicht gestattet sei. De« ersten Erfolg im Matabele-Kriege errangen die Truppen der südafrikanischen Gesellschaft, doch scheint es sich, dem Orte de« Zusammentreffen« nach, nur um Vorcolonnen der Matabcle gehandelt zu haben. E« wird nämlich au« London gtmeldet: Nach ausführlichere» Drahlberichteu au» Cap stabt fand der Zusammenstoß zwischen den von den Forls Victoria und «aliSbury entsaiidlcn llolonnen und den Matabele am IS. Octoder bei Thalea Jnsembi, elwa 60 Meilen von Vulu- wayo, statt. Der Feind wurde in zwei abgesonderten Dressen geschlagen. Die Truppen von Forl Lharter sollen ebenfalls ihätigen Antheil am Kciinpi genommen haben. Sämmlliche drei Lo- loanrn bewirkten ihre Bereinigung und marjchire» nunuiehr in der Stärke von 800 diS 9M Mann direct aus Vuluwayo, wo ein Lnlsckieiduiigskainps bald slanfinden dürste. Der Angriff der Matabeiekrieger bezweckle, di« Vereinigung der Lawinen von den Forts Victoria und Lharier zu verhindern. Di« Streilkräste unter Mo>or Adams und Haupiling Lhama nähern sich ebenfalls Vuluwayo. Den Geruch!»», dass sie unterwegs Niederlage» er litten. werde kein Glauben deigemesien. Die Kämpfe scheinen den vorliegenden Berichten zufolge weder ernst noch hartnäckig gewesen zu sein. Getreu ihrer Taktik, ziehen sich die Matabele so lange zurück, bis sie einen geeigneten Punct zu erfolgreichem Widerstande gesunde» haben, wozu ihnen die zerrissenen Hohenzüge in der Mitte unv im Norden deSLandc« da« geeignete Terrain bieten. Selbslwenn Buluwayo genommen würde, könnte nia» noch nicht von einer üntscheivungs- schlacht sprechen. Die kriegerischen Zulustämme legen keinen be sonderen Werth auf ihre leicht an einem anderen Orte wieder auszubauenden Kraals, — denn von einer „Hauptstadt" kann man doch nickt reden. Mit der Hauptmacht der Matabele sind die Weißen Freiwilligen und Soldaten der Ehartered Company noch nicht in Berührung gekommen, und wenn SOO berittene und gut bewaffnete Weiße auch in Afrika «ine sehr ansednliche Streitmacht bilden, gilt die« doch nur gegen jene Stämme, die schlecht bewaffnet sind und nicht ai- kriegerisch gelten. Tie Matabele sind aber das kriegerischste oud krirggrüblestc Volk Südafrikas, die LüdasrikagescUschast bat ihnen selbst lOVO Henry Martini-Hinierladrr mit der nötbigeo Munition geliefert. Die LssagaiS der Zulu- sind übrigen« eine furckldare Waffe gegen berittene Gegner, und der letzte Zulukrieg hat hierfür da« lehrreichste Beispiel geliefert. Deutsches Reich. * Lchi.zlß. 22. Oktober. König Albert von Sachsen wird anläßlich seine» Militairdirnst-Iubiläum» in der ge sammten deutschen Presse gefeiert. Wir beschränken un« au die Wiedergabe einer nord- und einer süddeutschen Fest betrachlung. Die „National-Ztg." schreibt: .König Albert ist einer der ruhmaekrönten Feldbetten de« großen Kriege«, ans welchem da« Deutsche Reich hervorging, einer der Wenige« von ihnen, welch« noch unter »ns weilen. Aber König Albert's Verdienst um Teutschland reicht über das de« siegreichen Heerführers hinaus. Vielleicht für keine» deutichen Einzelstaat war die Einordnung in da« Reich so schwtt wie für Sachie». Gcichichtlich» Ereignisse eines ganzen Jahrhunderts, von denen man heut» in voller Unbeianaenheil sprechen kann, weil ihre Nachwirkungen durchaus überwunden sind, ballen den Grgeniatz zum preußischen Eioate in Sachsen schärfer sich zuspitzen losten, als vielleicht irgendwo in Deutschland Wenn deute l« der iächsiichen Bevölkerung und in der ganze» deutschen Nation beinah» jede Erinnerung hieran verichwunden ist, wenn in «schien von Paticularismu« nichts mehr zu spüren ist; wenn das sächsische Land treu und fest zum Nationolsiaole hält — so ist dies in erster Rech« das Verdienst König Albert's, der in alledem »in voranleuchtende« Beispiel gegeben hat. DeSdalb wird o» dem hcutigcn Festtage des Königs im ganzen Reiche seiner mit Dankbarkeit und Veredrung gebucht werden." De« »Müuch. Neuesten Nachr " beginnen ihren Festartikel wie folgt: ,,E>n Fürst, mild und weise, ein König, hochangesehen tm Rath der deutschen Fürsten, ein Kriegsheld sonder Furcht und Tadel, o steht der Eachsentönig Albert vor dem deutschen Volke. In der langen Reibe glänzender Namen aus dem Haus» Wettin strahlt sein Name besonders hell, und nie wird da» deutsche Volk es diesem Fürsten vergessen, wa« er, dessen Haus und Land vor genau 80Jahren o schwere Prüfungen erfahren, für da» große Vaterland iu edler Selbslausopserung gethan." * verlt«, 22. Octoder. Eine öffentliche Versammlung von Handwerksmeister» »nd Gewerbetreibenden, die Freitag Abend in Kcllcr'S Festsälen tagte, hat, den »n einer Vcrsammtuiig vom ll. August gegebenen Anregungen folgend, nahezu einstimmig beschlossen, den Reichstag zu ersuchen: l. TaS Alters- und Inv aliditätS-BcrsicheruvgS- csetz (durch daS sich der Mittelstand, ebne für sich selbst gesorgt zu sehen, in schwerster Weise belastet füblt), dahin adzuändern, daß die Beitragszahlungen der Arbeitgeber und ter Arbeitnehmer ganz aushören, dafür aber von jedem Staatsangehörigen, je nach der Höbe seine« Einkommen- progressiv gesteigert,eine allgemeine Staatörcnten steuer (?) u erbeben sei und jedem bedürftige» Staats-Angehörigen das Recht eingcräumt werde, mir dem 60. Lebensjahre «me taaiSrente von mindestens 1 .sk pro Tag zu beziehen. 2) Eine Verstaatlichung der beliebenden Kranken- uizv UusaUversicherungScassen mit gleichmäßiger Berechtigung zum Bezüge des Kraulen- und durch UusaUversickicruligShclrageS durch alle Staatsangehörigen eiutrclcn zu lassen". Ja der Be gründung der Petition wurde darauf hingcwicscn, daß das deutsche Handwerk durch die weitgehende Ausnutzung der Gewerhcfrcibcit und durä, die liberhandnebmente Macht de« Großcapitals an sich schon dem Ruine nahe geführt und daß es außer Stande sei, die Kosten ter nur zum anscheinenden Wohle der arbeitenden Elasten gesidaffenen Gesetze u tragen, der Gesetze, die zwar auf der auch voni andwerk freudig begrüßten kaiserlichen Botschaft vom 27. November l88l süßen, seiten« der Gesetzgeber aber nicht in dem Sinne a»Sgearbeitel, bezw. zur An wendung gebracht seien, wie es Kaiser Wilb'clm l. im Auge gehabt habe. — In der Debatte, die der Beschlußfassung voranging, kam vollste Uebereinstimmuiig mit den principiellen Punkten der Petition zum Ausdruck Eine Meinungs verschiedenheit herrschte nur bezüglich der Frage, ob e« em- pseblcnswcrtk sei, die Minimalböde der geforderten Staats renlen zu fixircn, sowie bezüglich der Begründung, au« der man die Aussübrung der specieUen Nothstäude de« Handwerk gestrichen wissen wollte, um der Petition einen allgemeineren Ebarakier zu geben. Die Vertreter der beide» Differenz- puncte, al« deren Hauptredner der Gastwirlh Her;ber>f, der bekannte Führer der Kellnerbewegung, auftrat, blieben schließ lich bei der Absttmuiung in starker Minorität. Für die Petition sollen überall Unlerschristcn gesammelt werden. * Berlin, 22 Ociober. Um den ehemaligen Gouverneur von Deutsch-Osiasrika bandelte rS sich in einem Preß- proccß, der Sonnabend vor der 9. Strafkammer hiesigen Landgerichts I. gegen den ersten Redakteur der „Voss. Ztg.", Frietr. Stcpkany, verhandelt wurde. In der Nr. 77 der „Voss. Ztg " erschien ein Artikel, worin die Abreise de« Gou verneur« von Deuisch-Ostafrika Frhrn. v. Soden auS Afrika besprochen und die Ansicht auSgediückt wurde, daß derselbe nicktt mebr nach Afrika zurUckkebrcn würde, da er die an ihn gestellten Ausgaben in befriedigender Weise zu lösen nicht ver standen habe. In Nr. 89 der Zeitung wurde dann in An- knüvsung an diesen Artikel die laut gewordene gegentheilige Ansicht bekämpft. Es wurde alSdann auSgeführt, daß Frhr. v. Soden auck in Kamerun rin wenig empsehlenSwertdrS An denken binterlaffen habe. Es sei bekannt geworden, daß er trotz seiner Stellung al» höchster Regiernngsbeamlcr rS nicht unterlassen, aus eigene Rechnung Lands»känfe zu machen. Wenn auch bei ankeren Nationen, vor Allem bei den Portu giese», solche Fälle nicht selten seien, daß Eolvnialbramte durch Kauf und Verkauf von Landgcbictcn innerhalb ihrer Eolonicn ibr Einkommen zu vermehren bestrebt sind, so sei die« doch biSbcr im deutschen Beamtenstande nicht blo- nicht Sitte, sondern geradezu verpönt gewesen. In (auck vom Lcipz. Tagebl." wiedcrgcgebeucn) diesen AuSsübrungcn wurden Beleidigungen de« Frhrn. v. Soden erblickt, und unter dem 26. Februar stellte der Reichskanzler deu Straf antrag. Der Angellagte, der entschieden bestritt, persönliche Beleidigungen beabsichtigt zu haben, batte den Wahrheits beweis insoweit angetretr». al« er behauptete, daß Freiherr v. Soden in zwei Fällen Land angekauft und eine» dieser Landstticke später mit Nutzen an die Regierung weiter ver- kaust habe, daß er mit der Firma E. Wocrmann eine Planlage angelegt und mit der Firma Iauye» L Thor- malen in Hamburg in geschäftlicher Verbindung gestanden habe. ES haben in dieser Beziehung commissarische Ver nehmungen stalkgesunden. Tie Auskunft de« Inhaber- der Firma Wönnann war eine negative. Die Firma Jautzen <L Tbormälcn hat allerdings behufs Anlegung einer Planlage in Afrika eine Eommandilgesellschaft gegründet, die iu dem Firmen-Registcr eingetragen ist. Dir in der Firma namentlich Ausgesiibrten sind die persönlich hastcuven Gr- sellschaster, und e- bestehen 20 Antheilscbeinr zu 6000 Außerdem Kat die Gesellschaft und die Firnis Iantzen und Tbormälen 50i)0v.-e für Grundeigentbum auSgezadlt, woran Frbr. v Soden sia, mit 16 000 bet heiligt bat. Die Firma bat weiter auSgesagt, daß die Plantage auf steinigem Boden errichtet sei und alsbaldigen Gewinn nicht versprochen hätte. Ter Vertreter der Anklage, Assessor Strehler, gab zu, daß, wenn die Voraussetzungen des Artikel« richtig wären, auch die Cchlußsolgerung al« richtig anerkannt werken müßte. Die Voraussetzungen seien aber falsch. Man müsse daran denken, daß in einem geordneten Staatswesen an die Tbätigkeit der Be amten ein anderer Maßstab zu legen sei als in einer Eolonie. Wenn im preußischen Staate e« zu verurtbrilen sei, wenn Beamte Land an lausen, um e« später mit Vortbeil dem Staate zu verkaufen, so sei da« dock» in den Eolonirn ander«. Er könne sich wobl denken, daß ein VerwalkungSbeamker einer Plantagcn- geseUschast beitritt, um ra« Blühen und Gedeihen der Eolonie zu fördern. So sei r« bei dem Freiherr» v. Soden der F»li
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