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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931025025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893102502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893102502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-10
- Tag1893-10-25
- Monat1893-10
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Dieselben Klagen, die in Erfurt, Halle und Berlin laut wurden, ertönten auch in Köln: man muß, um auf dem Lande bleibenden Ein druck zu macken, eine «neue Sprache" lernen und das ist bisher noch keinem der Agitatoren gelungen. Es liegt wobt Weniger an dem mangelnden Sprachtalent, als an dem un geheuren und unversöhnlichen Gegensatz des EollrctivismuS und selbst de- kleinsten Grundbesitzes. WaS dir Herren unter einer neuen Sprache verstehen, ist thatsächlich eine neue, eine andere Lehre, die sie auf dem Lande zu verbreiten für nöthig befinden. Es gilt, die wichtigsten Punkte des Parteipro gramms zu verheimlichen und an deren Stelle etwa- zu setzen, dessen Beseitigung im Programm als Voraussetzung eines endgiltigen socialistischen Erfolges gefordert wird. Nicht mit einem anders stilisirten Katechismus, sondern mit ganz anderen Glaubenssätzen sucht man auf dem Lande Fuß zu fassen, und daß die in der Marx'schen Dogmatik und in städtischen Vorstellungen großgewordenen Herren das Faß mit dem doppelten Boden nicht gut hand haben können, ist begreiflich. An gutem Willen, wie gesagt, fehlt e» nicht. In Köln ging ein Redner so weit, die Ver breitung der Bcbel'schen Rede über den ZukunftSstaal zu tadeln, weil deren Schlußcitat: den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen, „berechtigte religiöse Empsin düngen" kränken mußte. Noch ein Schritt und in der social demokratischen Berliner Arbeiterbildungsschule werde» römisch katholische und evangelische Agitatoren ausgebildet. Als praktischer CursuS ist in Köln auch dieantiscmitische Bewegung empfoblen worden. Ein Delegirtrr» und zwar ein hessischer, äußerte, man müsse bei den Antisemiten in die Schule gehen, wenn man dir Landagitation lernen wolle. Der Vorschlag ist jeden falls zweckmäßiger, als die Fordrning eine« Hannoveraners, die Genoffen Bebel, Singer, Liebknecht sollten ab und zu die Landagitation betreiben. Die Herren werden sich hüte»! Interessant und auch für andrre Parteien brachtenSwerth ist, WaS in Köln über die ländliche Preßpropaganda gesagt wurde. Zahlreiche Redner vertraten so richtige Ansichten, daß man zugestchen muß, daß sie die Bedingungen der Landagitation wohl kennen, wenn sie dieselbe auch nicht selbst praktisch zu betreiben vermögen. Der Magde burger Redakteur Lux bezeichnete den Antrag eines Brann- schweiger Delegirten, ein halbsertigeS Wochenblatt für die Landagitation zu gründen, als sehr wichtig. ES wäre dies ein Blatt, besten politischer Theil an einer Centralstelle her> gestellt würde, während der freigelaffene Raum in den ver schiedenen Provinzen, Bundesstaaten u. s. w. mit Mit »Heilungen und Besprechungen localer Natur angesüllt würde. Damit wäre eine Befriedigung deS localen NcuigkeitSbedürf- niffeS erzielt und dem Blatte ein Interesse gesichert, das ein vollständig für da» ganze Reich redigirseS Wochenblatt nicht beanspruchen kann. Noch viel fruchtbarer scheint aber ein von einem KönigSberger Socialdemokraten angeregter Gedanke. Es sollen Wochenblätter, die von dem in der Provinz erscheinenden socialdemokratischen Hauptblatte au-gehen, die Landagitation unterstützen. Dieser Modus erfordert voraussichtlich geringeren Kostenaufwand als da» halbseitige Wochenblatt, jedenfalls aber bietet er den Bor theil, daß daö ganze Wochenbiatt, aus das provinziale Bc- dürsniß zugeschnittrn, mit dem nöthigen „Erdgeruch" erfüllt werden kann. Graf Taafsc hat mit seinen beschwichtigenden Erklärungen, die er vorgestern betreffs der Wabl re form im ifftrrrelchlschrn Abgeordnetenbause abgegeben, wenig Erfolg gehabt. Niemand traut ihm mehr, nicht einmal die Klerikalen, die freilich am genauesten wissen, westen man sich von einem Schüler der KalkSburger Iesuitenanstalt zu verseden bat. Die Wiener Blätter bcurtbeilcn dir Erklärung deS Minister präsidenten sebr abfällig. Selbst das feudal-klerikale „Vaterland" bebt hervor, daß sie mit unheimlicher Stille ausgenommen wurde und widerspruchsvoll lautete. Die „N.Fr.Pr." schreibt: „Das Schlimmste, was in dem Verhältnisse zwischen Parlament und Regierung eintretcn kann, ist ein getreten: man glaubt der Regierung nicht mehr." Die deutsche Nationalpartei bclcbloß eine Erklärung, worin sie sich für die möglich''! weitgehende Ausdehnung des Wahl rechtes mit directen Landgemeindewahlcn ausspricht, sich jedoch dagegen erklärt, daß gerade die deutschen Bürger und Bauern der Majorisirung durch die Massen preiSgegeben werden. Die Entscheidung der Partei werde von der Ausnahme dieser Abänderung abbängrn. Großes Auf sehen erregte auch in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 24. d. (siche den betr. Bericht unter Wien) die ungemein entschiedene Bekämpsung der Wahlrcform durch den Grafen Hohenwart, der ausdrücklich betonte, die Regierung werde nicht die Kraft baben, den unvorsichtig ins Rollen gebrachten Stein aufzuhaltc». Tie unteren Schichten der ländlichen Bevölkerung, die beute apathisch der Politik gegcnüber- ständen, würden eine leichte Beute der socialistischen Srnd- lingr werden, wodurch die Interessen de« Bauernstandes arg gefährdet würden. Der städtische Bürgcrstand sei beute allerdings im liberalen Lager, aber mit diesem sei doch in wichtigen staatlichen Fragen stets eine Verstän digung möglich. T>ic Eonservativen wollten nicht die Gegner schaft der Liberalen mit anderen Gegnern vertauschen, die den eonservativen Grundsätzen noch ferner stehen, und würden nie zugebcn, daß das politische Schwergewicht von den be sitzenden Elasten an die Besitzlosen übergebe und Zustande geschaffen würden, die jeder Staatsmann al« böchst bedenk lich bezeichnen müßte und vor denen da« Vaterland bewahrt werden wüste. Die bedeutsame Rede fand lebhaften Beifall. In Frankreich haben die Rüssenscsie, nachdem die Trauerfeierlichkeiten für Mac Mabon eine den geplagten russischen Osficierrn willkommene tluterbrechung veranlaßt hatten, mit erneutem Glanze und unter neu aufbrausender Begeisterung wieder begonnen. Die große Maste der Fran zosen ist offenbar davon überzeugt, daß der Zar das höchste Wohlgefallen an der französischen Republik gefunden habe und ihr sur die Wicdereroberung Elsaß-Lothringens, sobald sie nur wolle, eine Million Soldaten zur Verfügung stellen werde. Soll man sich nicht einem so generösen Manne dankhar erweisen? Die französischen Politiker freilich wissen sehr gut, daß an Allem, was man der blinden Menge erzählt, kein wahres Wort ist. Sie betrachten den RuffcncultuS einfach als Ge schäft. Hinter ihnen stehen die Banken, welche die Con- version der russischen Schuld geplant haben. Diese Convrrsion soll mit einer neuen Anleihe verbunden werden; der jährliche Zinsbetrag, drn Rußland durch die Convcrsion ersparen wird, soll aber nicht zur Entlastung der russischen Steuerzahler, sondern zur Verzinsung und Tilgung einer neuen Ausgabe vou Staatsschuldverschreibungen dienen. Wa» da» russische Reich mit dem au« dieser Operation in seinen Schatz fließende» Millionen ansangcn wird, braucht man wobl kaum erst zu jagen: natürlich wird der Ertrag der Anleibe zu KriegS- rüstungen verwendet, und gegen wen? Selbstverständlich gegen Deutschland und Oesterreich, deren Kraft dadurch mehr als bisher gegen Nordostcn angespannt werden muß. So legen sich wenigstens die französischen Politiker die Dinge zurecht, und da die hinter den Eouliffen der Politiker tbälizcn Leute dieselben sind, an denen ja auch bei der Pananiageschichtc und anderen großen Finanzunternebmen, guten und schlechten, die Politiker und Zeitungen reichlich Geld verdienten, darum haben alle Parteien zu Gunsten Rußlands einen Waffenstillstand geschloffen, wie früher alle ibre Organe ohne Unterschied der Fär bung bei den Anpreisungen des PanamauiilerncbmenS de- tbeiligt waren. Die russische Allianz ist daS Panama von 1893, wie daS frübere eine Vermischung von Vaterlandsliebe und Eorruption. Da« Schauspiel der russischen Festlichkeiten hat daber für die Eingewcibten eine Aehnlichkcit mit dem Lärm, den der Inhaber einer Jahrmarktsbude durck seine „Künstler" vor Beginn der Vorstellung außen vor dem Vorbang an- stimmen läßt. DaS verlockendste Lächeln und Winken der berühmten Damen", die vielversprechenden Kraftproben der Herkulesse, die Ansprache deS Direktors, Trompetenschall und öaukcnschlag — nicht« wird unterlassen, um die Menge in Fluß zu bringen, damit sie sich die Stufen empordränge und ihren Obolus zur Eaffe trage. Auf die Menge, auf die Börse» der kleinen, sparsamen Leute, ist eS auch bei der „französisch- russischen Maskerade" wie die Socialisten sagen, abgesehen. Darum dir unerwartete und höchst unbequeme Gegnerschaft der armen Teufel, die auf keine Betheiligung an dem Golk- regen rechnen dürfen. WaS ist ihnen die russische Allianz? Im Grunde genommen werten sie es sein, welche, wen» da« Geld au- dem Lande geht und in böchst fragwürdigen Werthc» angelegt wird, den größten Schaden dabei haben, während andererseits überhaupt noch nicht sicher ist, ob irgend Jemand, außer einigen Finanzleuten, daran- Nutzen ziehen wird. Russische Stimmen gefallen sich seit einiger Zeit darin, der Pf«rte eine Schwenkung gegen den Dreibund zu zuschreiben, und zwar wird diese Schwenkung aus die angeb lichen Eindrücke zurückgesührt, welche die russisch-fran zösische Flottrnverbrüderung hervorgerusen kabe. Wie nun der „Kreuzztg." aus Konstautinopel berichtet wird, ist man in de» dortigen Kreisen über diese Au-streminge» sehr erstaunt, da nicht da« Geringste vorliegt, was zu ihrer Entstehung hätte Veranlassung gebe» können. ES kann sich mithin nur um Berichte handeln, bei deren Verbreitung der Wunsch der Vater des Gedanken« gewesen ist. In der Politik der Pforte hat sich in der letzten Zeit nicht» geändert. Die Pforte war seit langer Zeit bestrebt, sich fedcr förmlichen Parteinahme zu enthalten und neutral zu bleiben. Es mögen zwar in der letzten Zeit auch Versuche gemacht worben sein, beim Sultan Mißtrauen gegen den Dreibund oder ein« von dessen Mitgliedern zu erwecke». So hat man zum so und sovielten Male Gerückte über die Absicht eines österreichischen Vormarsches nach Salonichi in die Welt gesetzt. Allein diese und andere Ausstreuungen baben nicht verfangen. Obne daß jedoch die Pforte ans ihrer zurückhaltenden Stellung herauSgctrcten wäre, braucht man nur ihre Beziehungen zu den Drewundmächten einerseits und zu Rußland andererseits mit einander zu vergleichen, um sich zu überzeugen, welche dieser beiden Beziehungen die freundschaftlicheren sind. Die Pforte bat i» den letzten Jahren wiederholt ibre freundlichen Gesinnungen sowohl Deutschland und Italien, als Oesterreich-Ungarn gegenüber betbätigt. Kein einziger Fall ist zu verzeichnen, in'dem e» auch nur die leisesten Reibungen zwischen der Pforte und diesen Mächten gegeben bätte. Daß sich da» Gleiche nicht von de» Beziebungcn der Pforte zu Rußland sagen läßt, liegt klar zu Tage; man braucht nur an die verschiedenen Berfuche zu erinnern, die Rußland gemacht bat, auf die Pforte wegen der Durcksabrt der russischen Schiffe durch die Meerengen einen Truck auSzuübe». Ein Streiflicht auf die Haltung der Pforte werfen auä> ibre unveränderten guten Beziebungcn zu Bulgarien. Aus all dem ist klar ersichtlich, daß Alle», wa» von einer Schwenkung der Pforte zu Rußland und gegen den Dreibund orakelt wird, leeres Gerede ist. In Kairo sind seit einiger Zeit Gerüchte in Umlauf, denen znfolge vor Eintritt der Regenzeit, somit im Laufe de» Winters, eine neuerliche Arti«n gegen Sou LuSan geplant wäre. DaS Ziel dieser von der egyptischen Armee in Gemeinschaft mit einem Tbcile der englischen OccupationS- truppen dnrchzusübrcntc» Activn soll nicht die Wiedereroberung des ganzen Sudan-, sondern nur der nördlichen Provinzen diese» Gebiete« bilden. Man wird sich, wie eS heißt, bemühen, Dongola wieder zu gewinnen und, fall« hierbei nicht große Schwierigkeiten zu überwinden sein sollten, auch wieder Herr der Provinz Berber zu werden. Diese Gerüchte sind allem Anscheine nach nickt ohne Grundlage. Daß an der SUdgrcnzc Egyptens sich etwa» vorbereitet, siebt außer Zweifel, worin jekoch kiese Vorbereitungen bestehen und wa« geplant ist, darüber läßt sich keine bestimmte Angabe machen. Man gicbt sich der Hoffnung hin, daß e» in dem weitaus größten Thcile deS Sudan- nur de» Erscheinens eines gegen den Mabdi operirenden Heere» bedürfe, um die unter einem unerträglichen Joche schmachtende Bevölkerung zu einer bewaffneten Erhebung gegen ibre Be drücker zu crmiildigcn. Wie schon berichtet, soll der Khedive Anfang Decenibcr eine Reise nach Obcrcgypten antreten, die sich bis »ach Wadi Halsa — der jetzigen Südgrenze der egyptiscken Herrschaft — auSdebnen soll. Vielfach glaubt man, daß diese» Projcct mit der angeblich geplanten Activn gegen den Sudan im Zusammenhang stehe. Wie schon gestern erwähnt, frohlockt die englische Presse darüber, daß die Truppe» der Südafrikanischen Gesellschaft ihren Feldzng gegen die Matahele mit Glück eröffnet haben, indem sic eine Abtdeilnng de» Feindes, welche südlich von der Hauptstadt Buluwayo — etwa 60 englische Meilen davon entfernt — die Verciniguirg der Eolonnen von den Fort- Victoria, Salisbury und Charter verhindern wollte, zurück- schlugcn und nunincbr vereinigt auf Buluwayo marschiren. Die Tragweite diese« Erfolges läßt sich aber noch nicht genauer abschätzcn. Es beginnt nun erst der Marsch in da» gebirgige Land, dessen Felstbälcr den Zugang zur Haupt stadt schützen. Auch scheine» sich die Matabele nicht ernstlich gewehrt, vielmehr den Rückzug in« Gebirge ohne großen Verlust rasch angctreten zu haben. Thaba-Insembi und der Berg Indaima, wo das Treffen stattgefunden hat, liegen südöstlich von Buluwayo am Flusse Tokwe, einem Nebenfluß de« Sabi. der unweit des portugiesischen Sofala in den Indischen Occan sich ergießt. Von südwestlicher Richtung nähern sich die Truppen des Major« Adam», vereinigt mit den Leute» KbamaS, des Bundesgenossen der Engländer, ebenfalls dem die „Hauptstadt" deckenden Gebirge. Ob cs nun »och vor der letztere» im Gebirge zu einer grö ßeren Schlacht kommen wird, hängt von Lobcngula ab, der mit seiner Hauptmacht im Gebirge steht. Man nimmt an, daß er vorzichcn wird, die englischen Eolonnen in Fsoillet-n. Die quade Foelke. Roman au« der EmSgau. 81) Bon F. Ktinck-LütetSburg. v. Nachdruck vrrdctrn. (Fortsetzung.) ,I)ir baben unsere Gegnerschaft nicht zu fürchten", meinte dieser. „Dein Niederlaffen hier am Platze wäre mir sogar au» mehr als einem Grunde angenehm. Ueberlege Dir die Sache, Du hast Zeit!" E» wurden noch einige gleichgiltige Dinge zwischen Beiden besprochen, während dessen Hcllwald sich wiederholt zum Geben gewandt hatte. Aber e« schien, als ob er immer und immer wieder durch etwa» gebindert würde, seine Absicht auSzusühren. Schon hatte er die Thür zum Vorzimmer geöffnet und das Abschiedswort gesprochen, als er noch plötzlich und unvermittelt di« Frage äußerte: „Die beurtheilt Frau Brun» mein Vorgehen?" * Buddenberg blickte zu Hellwald auf. War der eigenthüm- liche Ton, in welchem diese Worte gesprochen wurden, ihm schon ausgefallen, so mußte es noch mehr die heiße Röthe Ihm», welche in dem gewöhnlich blassen Gesicht de» Freunde» sich bemerkbar machte. Er fand nicht sofort eine Entgegnung. „Ich glaube kaum, daß sie in demselben etwa» Beleidigende» grfuadrn", sagte er dann aber seiner Ueberzeugung gemäß. „Eie ist viel zu klug, um von einem Richter zu fordern, daß er irgend einer Angeklagten eine Ausnahmestellung einräumea sollte." „Auf Wiedersehen, Buddenberg. Wenn irgend etwa» Un vorhergesehene« sich ereignen sollte, so vergiß nicht, daß ich in einer entsetzlichen Unruhe bin." Der junge Rechtsanwalt trat an da« Fenster. Kopf schüttelnd blickte er dem Freunde nach, welcher raschen Schritte» quer über den Platz davonrilte. WaS war da»? Unwill kürlich mußte er de» albernen Geschwätze» gedenken, mit welchem seine mittheilsame HauSwirtbin ihn am Morgen zu unterhalten versucht. Gab e« eine Möglichkeit? Ah. bah! Er schalt sich einen Phantast I Und doch! Hellwald war ein ungewöhnlicher Mensch, mehr als einmal hatte er Gelegenheit gefunden, denselben io Extremen sich bewegen zu sehen. Da» unrecht, wrlche» «r a» Fvelke Brun« verübt — Er konnte aber doch nicht auSdcnkrn. Wäre die Angeklagte nicht die Gattin eine« elenden Trunkenbolde», die Mutter des KindeS eine- solchen gewesen, so würde Buddenberg die Mög lichkeit, den Freund i» einen Verehrer de» ernsten Mädchen», da» demselben eine« Tage« -zroßc Abneigung eingeflößt, ver wandelt zu seben, in Erwägung habe ziehen können. Die Lage der Verbältniffc schloß eine solcde au». E» war lächer lich, daß er nur einen einzigen Augenblick eine Idee ersaßt, die ihm gewiß nickt gekommen sein würde, wenn er nickt den mancherlei Mitthcilunaen, die über die Verhältnisse Hellwald'S zu seiner Braut in Umlauf gesetzt waren, offene« Obr ge liehen hätte. ES unterlag keinem Zweifel, daß lediglich ein Eharakterzug de« Freunde«, welcher darin bestand, dem Schwachen eine Stütze zu bieten, einen völligen Umschwung seiner Gefühle bewirkt batte, nachdem er erkannt, daß er in Foelke Brun» eine Bedrängte, deren Lage er selbst durch einen Irrthum zu einer furchtbaren gemacht, vor sich geseben. Dieser Schluß seiner Betrachtungen gewährte Buddenberg förmlich Erleichterung, nachdem sich seiner vorübergehend eine große Unruhe bemächtigt gehabt. Er täuschte sich auch nickt über die Beweggründe, die den Freund einen so lebhaften Antheil an Foelke Brun«' Schicksal nehme» ließen, aber er täuschte sich über die Gefahr, welche für Hcllwald in diesem unablässigen Beschäftigen mit einer jungen, schönen, von ihm schwer gekränkten Frau lag, deren Bildung sich weit über da- gewöhnliche Maß erhob und deren Eharaktcrstärkc ihn zur Bewunderung hinriß. All sein Sinnen und Denken con- centrirte sich aus sie in einer Weise, die ibn Alles vergessen ließ, was nicht mit ihr in Zusammenhang stand. Di« Frage, welche er an Buddenberg gerichtet, wie Foelke Brun» sein Vorgehen beurtheile, hatte ihn unablässig beschäftigt ehr er sie laut werden ließ. Daß er e» that, zeigte den Höde- grad von Unruhe, in den er durch seine Betrachtungen Uber diesen Punct versetzt war. Die Antwort de« Freundes batte ihn auch in keiner Weise befriedigt. Der Gedanke, daß sie in seinem Vorgehen nicht« Beleidigende» gesunden habe, quälte ihn ebensosehr oder noch mehr, als die Befürchtung einer Er bitterung ihrerseits gegen ihn. Seine Aufregung wuchs, je länger er mit der Lage der Angeklagten sich beschäftigte, und Buddenberg» Bemerkungen bezüglich ihre» Gesundheitszustände« steigerten sie bi« zur Qual. E« dünkte ihn unerträglich, in dieser Thatenlosigkeit zu ver harren, und so kam ihm zuerst der Gedanke, sich mit eigenen Augen von Foelke » Sreleozustand zu überzeugen. ES war rio Wahnsinn, wie er sich sagte. Er schreckt« an fangs von der AuSsühruna der Idee zurück und verwarf sie wieder. Aber immer von Neuem drängte sie sich ibm auf, bis er sich nicht mehr im Stande suhlte, dem wachsenden Verlangen au-zuweichcn. Dann kam die Frage, in welcher Eigenschaft er ihr ent gegentreten sollte. Als Richter durfte sie ihn nickt mehr kümmern. Wie würde sie ihn empfangen? Er glaubte schon ihre hochausgcrichtete Gestalt vor sich zu seben, ibre klugen, blaugrauen Augen mit einem Ausdruck auf seine Person ge richtet, der ihm daS Blut in die Wange treiben würde. Hellwald sab diese Borabnung umfaffcnd erfüllt, als er nach einer schlaflos verbrachten Nacht, am darauf folgenden Morgen, um der eigenen Oual ein Ende zu machen, bei Foelke BrunS eintrat. DaS Raffeln de» mächtigen Schlüssel bunde«, welche« der Gefängnißwärter mit sich führte, batte sie Wohl ausgeschreckt. Als dir Thür sich austbat, stand sie ihm gegenüber, ohne eine Spur von Schwäche, obwohl sie ihre rechte Hand fest aus den kleinen Holztisch gestützt hatte, an dem sie gesessen. Amtsrichter Hellwald war oft genug in einem gleichen oder ähnlichen Raume gewesen, ohne daß ibm die Einrichtung eine» solchen besonder« ausgefallen wäre. In diesem Augen blick erschien sie ihm grauenvoll. Sonnenlicht siel durch ein mittelgroße«, mit Eisenstäben versehenes, schmutziges Fenster und beleuchtete die wenigen Gegenstände, wie ihm dünkte, um sie noch unheimlicher erscheinen zu lasten. Außer dem Tisch, an welchem die Gefangene stand, war nur nock ein Holz schemel, eine hölzerne Bettstelle, unter welcher noch ein Paar zerrissene Stiefel standen — vermnthlich das zurückgelassene Eigrntbum eine« Vagabunden, welcher vor Foelke Brun» In haber dieser Zelle gewesen war — und ein eiserner, ver staubter und verrosteter Ofen vorhanden. An der übel au»- sehendrn, getünchten Wand siel Hrllwald ein großer gedruckter Zettel aus. „Gesangeoordnung!" kam e» unwillkürlich gepreßt über seiue Lippen, und wieder sah er aus Foelke Brun». Sir war todtenbleich, wie ihm scheinen wollte, bleicher noch al» damals, wo ihn ihr Aussehen bereit» erschreckt, aber auf ihrem Antlitz machte sich nickt die Spur einer inneren Be wegung bemerkbar. Nur der Mund war fest geschloffen, wie in verzweifeltem Trotz Amtsrichter Hellwald fand kein Wort, um sich einzusühren. Die aus ihn einstürmenden Gedanken aestatteten ihm nickt, irgend etwa» zu sagen, da» das Ouälende dieser Begegnung hätte mildern können. Er hatte nur da« Gefühl, daß eS besser gewesen wäre, wenn er si« ihr und sich selber erspart hätte. Foelke blickte noch immer ruhig auf den Eingetrctenen, erst alliiiäblig begann der Ausdruck von Verwunderung in ihrem Gesicht sich bemerkbar zu machen. Mit diesem kam rin schwacher Schimmer von Roth in ibre wachsbleiche» Wangen, der sich in demselben Augenblick zu einem kreisrunden Fleck verdunkelte, als daS Wort „Gesangenordnung" über die Lippen deS Amtsrichters gekommen war. „Frau BrunS —" Er stockte und sab die junge Frau unsicher an. Und doch! ,Er mußte dieser peinigenden Situation ein Ende machen. „Frau BrunS", begann er abermals, „ich muß Ibnen sagen, daß ich Alle« getban babe, wa« in meinen Kräften stand, Ibnen diese schreckliche Lage zu ersparen." Ihre Augen erweiterten sich, die Flecke auf ihren Wangen brannten noch heißer, aber sie sagte nicht«. Nur ibre Brust hob und senkte sich wie unter einem tiefen Atbemzug. „Ich babe einen scbwercn Irrtbum zu beklagen, Frau BrunS Eine Entschuldigung dafür werden Sie ebenso wenig gelten lasse» können, wie iä» eine solche für mich in Anspruch ncbmen darf. Ick muß Ibnen aber sage», daß ick wenigsten» später versucht babe, Ibnen die weiteren Folgen eines unver zeihliche» Leichtsinns und Mangels an Mcnschenkcnntniß, denen Sie znm Opfer gefallen sind, z» ersparen. Ich bin dann aber an dem Büchstabcn de« Gesetze- gescheitert und stehe nun als rin Mann vor Ihnen, den zu verachten Sie da» Recht haben." Foelke BrunS war wieder todtenbleich geworden. Einen Augenblick batte sie den Versuch gemacht, ihre stolze Haltung zu bewabrcn. aber Es war zu viel. DaS Ucbermaß von seelischem Schmerz, dem sie während der letzten Zeit zum Opfer gefallen war, batte tiefer auf sie gewirkt, als sie selbst für möglich gehalten. Mit einer Rnbe, die sie befremdet, ertrug sie die Demiitbigungrn, deren jede einzelne sie unerträglich gedünkt. Sie täuschte sich nicht über daS Urtheil der Welt, sic war zusammeiigcschauert bei dem Gedanken an da« Maß von Verworsenbeit, dessen man sie fähig bielt. Wa« sie erduldet an dem Tage, al» man sic verhaftet und in diesen ekelhaften, schmutzigen Raum gesübrt, den ein gemeiner Landstreicher verlassen, dessen Lager stätte nun ihr als solche dienen sollte, sie hätte eS niemals in Worte fassen können. Ibr war gewesen, als sei da» Gefühl in ihr erstorben. Dort hatte sie geftaovrn und di« Gefangen-
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