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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893110902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893110902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-09
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Größere Schriften laut aas««» Preis- «er»»ichnitz Tabellarischer »nd Ziffer»!» tz nach höherem Tarif. Extra »Veila,en (gefalzt), „r ant der Morg^-Aatgade, »ha» Poftbeförder»»* .st SO —, mit Postbesörderaag ^ 70—. Tiuauhmrschluß fir ^azngra: Abrad-Aasgab«: Lormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabe: NachmuiagS «Uhr. Loa», and Festtags früh '/»S Uhr Vei de» Filiatea und «„nähmest,Le» je eia« halb« Stunde früher. Aozeiae» sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Berlag von E. Polz tu Leip«ig. 573. Donnerstag dm 9. November 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzi«. S. November. Die und heute vorliegenden prrutzifchen Blätter be schäftigen sich begreiflicher Weise in erster Linie mit dem Eraebmß der Wahlen zu« Adsr*rd»rte»dauft. Die meisten dieser Betrachtungen kalten sich in den engen Grenzen, welche durch die geringe Veränderung iu der Zusammensetzung de« Hause« geboten lind. Die » Kreuz ztg." versucht zwar, dir Hoffnung zurSchau zu tragen.daß — »n ibrem Sinne— »daS Lickt angebrochen und sich bald in vollem Glanze rutsalten werde"; einer zieldrwußten Regierung könne e« »nickt schwer werden, mit dem neuen Abgeordnetenhaus« eine gesunde, auf christ licher Grundlage .ruhende Politik zu treiben". Wa« da« beißen soll, weiß man: reactionair-ultramontaue Politik und materielle Bortbeile für den verschuldeten Großgrundbesitz ans Kosten der übrigen Bevölkerung. In diesem Sinne „ziel bewußt" vorzugehcu, weil unter beispielloser Gleichgiltigkeit vollzogene Wahlen eine Verschiebung von links nach recht« nm ganze sechs Mandate bewirkt haben — Viesen toll- lüknru Entschluß wird aber wohl keine Regierung fassen, iu-besondere nicht nach der Probe von Zuver- läsfiglnt in politischen Leben«fragen, die da« Centrum jüngst wieder anläßlich der HeereSverstärkung gegeben. Im freisinnigen Lager herrscht Niedergeschlagenheit; aber von derjenigen Erkennlniß der unualrrbrochen begangenen Febler, die allein dir Lage der beiden Gruppen verbessern könnte, ist vorläufig nicht» zu bemerken. Man redet wohl von einer nothwendigen Revision de« Programm« und der Taktik — aber mau setzt auch Angesicht« der brennenden finanziellen Fragen wieder ruhig da« alte Spiel fort, da« seit Jahr zehnten gegenüber jedem Problem der Reich«- und Staats politik getrieben worden: durch eine Handvoll von denjenigen Gründen, welche wohlfeil wie Brombeeren sind, den Wider spruch gegen jeden positiven Vorschlag zu »motiviren", der Aussicht auf Erfolg haben könnte. Iu immer weiteren Kreisen de« preußischen und de« ganzen deutschen Bolle« aber wird man, wie eine allgemeine Wahl nach der anderen darthut, dieser Politik müde, welche jeder Spur von Ernst und Ver antwortlichkeitS-Gefübl entbehrt. Die Beendigung der Miuisterlrisis iu Oesterreich zieht sich außerordentlich in die Länge. Heute erklärt zwar, wir un» ein Telegramm au« Wien meldet, da« officiösr „Fnmdenblatt", obgleich bisher noch keine Einigung über die Mmistrrliste erzielt worden sei, so hätten doch die detheiligten Persönlichkeiten nicht im Mindesten den Glauben an ein baldige« Zustandekommen des Koalitions-Ministerium« auf- gegeben und erwarteten mit Bestimmtheit ein rasche« Ende der Krisis. Boo anderer Seite verlautet dagegen, man babe nur noch wenig Hoffnung auf eine Einigung und Fürst Mndischgrätz stebe auf dem Puncte, die Cabinetsbildung auszuaeben. Jedenfalls sind die bestehenden Schwierigkeiten auf llntrrströmungen im Hohrnwartclub zurückzusühren. Die Vertreter der schärferen Tonart unter den Klerikalen wollen die deutsche Linke in der anaestrebtcn Regierungscoalition zum einflußärmsten Bestandtheil Herabdrücken, obwobl sie die stärkste Partei im Hause ist. Wenn eS nach den Neigungen der Ebrnboch-Gruppe ginge, würde da« CoalitionScabinet in Wirklichkeit ein polnisch-conservative« werden, in dem den Deutsckliberalen zwei politisch belanglose Portefeuilles eingeräumt würden. Dazu wird sich die deutsche Linke aber nicht hergebrn, selbst auf die Gefahr hin, daß da« ganze Koalition-Unternehmen aufgegeben werden müßte und Graf laaffr im Amte bliebe. Darauf können e« jedoch dir konservativen selbst nicht ankommrn lassen, am wenigsten Gras Hohenwart, der durch seine Aeußerungen gegenüber einem Redakteur der „N. Fr. Pr." in unüberbrückbaren Gegen- atz zum Grafen Taaffe getreten ist. Man wird also auf klerikaler Seite schleunigst andere Saiten aufzirben müssen, da ver Kaiser sich sehr bald nach München zu den Ber- mählung«feierlichkeiten zu begeben denkt und mithin die Ent» cheikung drängt. In Ungar« ist man von der Sorge befreit, daß der Kaiser dem Ebrgesctzentwurfe die Borsanction verweigern und dadurch daS Ministerium Wckerle zum Rücktritt nötbigrn werde. Der Telegraph meldet un« beute au» Wien: I» der dem Ministerpräsidenten lir. Weierle »«heilten Audienz erhielt der Shegesetzen twurs in der vom Justizminister unter- breiteten Form die Borsanction des Kaisers, welcher die unga risch» Regierung ermächtigte, den Gesetzentwurf im Unterhaus« »in- »ubringcn. — Ter „Vudayestcr Lorre'pondenz" zufolge wird der Ministerpräsident io -er heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses bei Beginn der Budgetdebatte »me hierauf bezüglich« Erklärung ab« geben: die Vortage wird erst noch der Fertigstellung de« umfangreichen Motivrnberichts eingebracht werdeu. Einen kleinen Haken 'cheint die Sache allerdings zu haben, denn schwerlich würde Miuisterpräsitent Or. Wekrrte nölhig gebadt haben, dem Kaiser nach Wien nachzurcisen, um die erwünschte Vorsanclivn zu erkalten, wenn der Monarch nicht noch Bedenken gegen einige Punkte de« Entwurfs gehegt hätte. Ob diese Bedenken völlig beseitigt sind, wird so lange fraglich bleiben, bis der Entwurf dem Abgeordnetenhaus« wirtlich zugrbt. Erst dann wird sich zeigen, ob daS Mini sterium nicht doch in einen, oder dem anderen Puncte — z. L. in der Frage der Auslösbarkcit der kalbolisä'en Ehe — hat nachgeben müssen. Daß da« Civilebegesetz aber nicht scheitern wird, schließt man auch daraus, daß Kardinal Schlauch vom Kaiser die Erlaubnis erdeten und erkalten bat, sein Gutachten über den Eniwurs zu veröffentlichen, was er, wie angenommen wird, nicht gcthan Kälte, wenn er daS Zustandekommen des Gesetze« nicht für sicher hielte. Im Großherzogthum Luxemburg ist e« den vereinigten Klerikalen, Konservativen und FraozöSlingen abermals ge lungen, einen sehr bedeutsamen Sieg über die Liberalen zu erringen. Dieser Tage fanden in der Hauptstadt Luxemburg dieGemeindrratbSwahleu statt, durch welche dieGemeinde Vertretung zur Hälfte ernenrrt werden sollte. Infolge der Agi tationrn der erwähnten Parteien siegte die Kandidatenliste der selben mit dem Abg. ScrraiS an der Spitze, so daß die liberale Luxemburger StadtratliSmehrbeit als gestürzt betrachtet werden kann. Der verdienstvolle Bürgermeister Brasseur wird zurllcktreten, und eS ist zweifellos, daß Servai«. von dem Niemand weiß, ob er mehr klerikal oder FranioSling ist, zum Bürgermeister gewählt werden wird. Fraglich bleibt eS freilich, ob der Großberzog Adolf die Wabl diese« ManneS zum Bürgermeister bestätigen wird. Denn die neue Mischmaschpartei, deren Organ daS sran- zosenfreundliche Luxemburger „Echo" ist, verfolgt gleichzeitig neben antiliberalen auch antidynastische Absichten. Da« »Echo" greift daS nassauische HrrrscherbauS bei jeder Gelegen heit an und der LandeSfürst wird gewiß keine Freude daruoer empfinden, daß die irregefübrtcn Wähler diese Leute zur Her« schaff im Luxemburger Ratbbause brachten. Erwaat man daß dieselben auch bei den letzten Kammerwahlen Erfolge rr> rangen, die den Fortbestand d«S Ministerium« Eyschen in Frage stellen, so wird man sehen, baß die Wahlreform bi-her nur dem Rückschritte genützt hat. In Pelzte» bat sich ein in politischer Hinsicht erfreuliches Ereigniß vollzogen. Die seit dem Jahre 1880 hcillvS ge- palienen Liberalen kommen zur Einsicht, daß, wenn sie nicht von den Klerikalen und Socialisten zerrieben werben wollen, Einigkeit und geschlossenes Zusammengeben sür die liberale Partei eine Existenzfrage sind. Unter Zustimmung der Fortschrittspartei und auf Wunsch aller liberalen Vereine wird ein liberaler Kongreß nach Brüssel einberuscn, um ein gemeinsames Programm für die ganze Partei zu ver einbaren DaS ist dock wenigsten- ein Anfang zur Besserung der schlimmen Lage dieser Partei. Tie uirderländischeu Ka m mern sollen am 14. November wieder zusantmeiitretcii Man ergebt sick »och immer in alle» möglichen Vermurbungen über da« Schicksal de« Wahl gesetzes. Insolge der Sinnesänderung de« radikalen Führers Van Heulen, welcher da- sogenannt« Occupation«- sn st cm an stelle der von der Regierung vorgeschlagrnen Kcnnlniß de« Lesen« und Schreiben« zur Grnnblage de« Wahlgesetzes machen will, droht die Lage de« Ministeriums sehr unsicher zu werden. Gleich nach der Wieder ausnahme ihrer Arbeiten wird die zweit« Kammer sick zu nächst mit einem Gesetzentwürfe beschäftigen müssen, welcher den am U). Juni >n Lissabon abgeschlossenen Vertrag bebuss Regelung der Beziehungen zwischen Holland und Portugal aus der den beiten Ländern gemeinschaftlich gebärenden Insel Timor (Ostindien) regeln soll. Der Vertrag bezicbt sich dauptsächlich anf dir Ernennung einer gemischten Kommission, welche m radgiltizer Weise die Grenzen der heitersenigenBesitzungen sestsetzensoll; die wirkliche Äichlig- kcil de« Vertrages liegt aber in der Erklärung, durch welche Portugal für den Fall, daß eS sich der Insel Timor rnläußern würde, den Niederlanden das Vorzugsrecht einräumt. Der Ver trag wird in Amsterdam allgemein gulgrdeißen, besonder« aber die Klausel, welche für den Fall von Meinungsverschieden heiten die Einsetzung eine« Schiedsgerichte« vorsiebt. Da« Princip des Schiedsgerichtes kommt jetzt iu allen derartigen, von den Niederlanden abgeschlossenen Verträgen zur Geltung, und man kann der holländischen Regierung zu den aus diesem Wege bereits erzielten Erfolgen nur Glück wünschen. Pie frautäsifche Regierung sucht einer Interpellation i« den Kammern über die Folgen de« Besuches de« russische» Geschwader« dadurch vorzubcugen, daß sie durch die »Polit. Korr." eine calmirende Mitlbcilung über diese Folgen veröffentlichen läßt. Es beißt nämlich in dieser Miltheilung: In dir demnächst zusammentretentcn Kammer werde au« der Mitte der Deputieren der Antrag gestellt werden, dieselbe möge ihrer Genugthnung über den Besuch de- russischen Geschwader- in Toulon und die bei dieser Gclegcnbeil erfolgten Kundgebungen der Freundschaft zwischen Frankreich und Rußland Au-druck geben. Dieser Antrag werde zweifellos mit Einstimmigkeit angenommen werden und es lasse sich vorauSseben, daß die sich daran anschließende Debatte einen hochpolitischen kbarakter tragen werde. Wie verlaute, sei in gewissen politischen Kreisen die Idee ausgetaucht, über diese Manifestation binauSgcheu und daS Parlament zu bestimmen, mit Aeelamation seine Zn stimmung zu einem Allianzvertrage mit Rußland zu geben. Ein solche« Vorhaben sei >etoch nicht ernst zu nehmen, und zwar au« dem einfachen Grunde, weil nach Informationen au« bester Quelle ein förmlicher Allianzvertrag zwischen Rußland und Frankreich gar nickt rxistire und die französische Verfassung dem Ablckluffe eine« solchen über haupt große Hindernisse in den Weg lege. Die Entente zwischen Frankreich und Rußland brstebe bloS darin, daß -wischen Paris und Petersburg ein fortlaufender Meinungsaustausch slatlfinde, wobei sich eine gewisse Uebereiustimuiung der beiderseitigen Interessen ergebe. Diese bochvsficiöse Auslassung ist höchst interessant; ob sie aber auch die gewünschte Wirkung haben wird, ist höchst fraglich. Wahrscheinlich werden die allianzwütbendrn Deputieren nun erst recht au» dem Munde der Minister die Wahrheit ver nehmen und an diese Wakrbeit, wenn sie unbefriedigend aussällt, die deftigsten Angriffe aus da« Eadiuet knüpfen wollen. Eine sür Spanten erfreuliche Nachricht hat da- bereit« in unserer heutigen Morgenausgabe mitgethrille Telegramm aus Tanger gebracht, wonach der Sultan von Marokko dem spanischen Gesandten scinBedauern über dir Handlungsweise der Bewohner de- Riff bat aussprechen und dir Versicherung hat binznsügen lassen, daß Spanien Genuglbuung erhalten werde, da ihm, dem Sultan, daran liege, an der alten Freundschaft mit Spanien festzudalten und diese noch zu vermrbrrn. Der Sultan werde eine VrrtraucnSpcrson unverzüglich nach dem Riff senden mit dem Beseht, sich ruhig zu verhalte». Freilich fragt «- sich noch, ob die Riffbcwovner diesem Befehle Nachkommen. Einstweilen dauern die patriotischen Kundgebungen ia Spanien sort und nehmen einen immer lebhaftere» Kbarakter an. Mehrere Städte stellten der Regie» rung bereits größere Geldbeträge zur Verfügung, auch da« Casino Espanol in Kuba wie« auf telegrapdischem Wege 14 00(1 PesoS als erste Sendung an. Die sich gegen Zahlung neuer Steuern sträubenden Gewerke veicklossen, angesichts der Lage von ihrem Widerstand abzulassen Der „Imparcial" richtet sür eigene Rechnung ein Lazarett, in Malaga ein. der Bischof von Kadix rin solche« von 200 Betten in Kadix, der „Heraltv" ein» in Melilla; auch veranstaltet er eine große Sendung von Liebesgabe», und diese Beispiele ließen sich verhundertfachen. E« geht eine Bewegung durch da» Land, wie sic nur bei großen nationalen Ereignissen einzutreten pflegt. Zu dieser nationalen Bewegung gesellt sich leider eine neue» di« durch die Furcht vor neue» anarchistischen Anschlägen hrrvorgerufen wird. Nach Meldungen auS Madrid riefen dort die Nachrichten über die Explosion im Theator zu Barcelona eine ungeheure Sensation bervor. Di« Fiuanznotb, der Krieg mit Marokko, da« Unglück in Santander und die sonstigen Attentate der Anarchisten haben kein« so furchtbare Panik bervorgerufcn. wie das gestern in Barcelona verübte Attentat. Frauen füllen die Kirchen und beten für da« Wobl de» Landes. Nach den ersten Ergebnissen der Untersuchung scheint eS festzu» sieben, daß der Anschlag eine Racket bat sür di« Hin richtung de» Anarchisten Palla« ist. PallaS batte vor seiner Hinrichtung im Gefängnisse erklärt, sein Tod werde blutig gerächt werden. Unmittelbar nach der Hinrichtung bildete sich in Barcelona ein Anarchistenbund unter dem Namen ,Die Rächer de- PallaS". Man verinutbe«, daß der Anschlag im Lveeiimlbeater von dieser Anarchistengruppe auSaing. Anderseits wirk daS Verbreche» mit der Vorschrift in Ver bindung gebracht. bieder anarckistis che Kentralau«schuß kürzlich den europäischen Anarchistenverein en ertbeilte. Darin beißt eS: da- beste Mittel, »m die reichen Klaffen der Gesellschaft auSzurotten, sei da« Wersen von Dynamit bomben in den großen kauptstättischcn Theatern, vornehm lich in die tbeuerrn Plätze wie Logen. Orchestersitze u. s. w. ES ist klar, daß zwischen diesen Vorschriften und dem Attentat im Lyceumtbrater ein Zusammenhang besteht. Tatsache ist, daß sich die Anarchisten in den Provinzen Calalonira und Andalusien trotz aller SchreckrnSmaßreaeln der Re gierung fortwährend vermehren. Die öffentliche Meinung Ledeu um Leben. «i Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nocherns »rrteirn. (Fortsetznug.1 Unterwegs waren die Beiden ausgelassen lustig. Hildegard »abm e< nicht übel, daß Heinz ein paar Mal geschickt in hohe S<hneeweben hineinfubr, raffte sich lackend neben dem sich ilderkugrlndeo Schlittchen in die Höhe, schüttelte den lockern Schnee au« den Kleidern und kielt nur krampfbaft ibren Gold schatz in der Tasche fest. Al« Heinz aber auf dem Marktplatz ron Woblau vor den Ladenfenstern de» Herrn Aron Flatow die Zügel anzog, und al« dann Herr Flatow, dienstbeflissen über semen Ladentisch geneigt, um de« gnädigen Fräulein- Befehle bal, da fand sie e« doch 4m Stillen lieblos von Mutter und Schwester» sie in einem so vrrhängnißvollrm Augenblick ihrer eigenen Unersabrenheit und den abenteuer lichen Einfällen des Bruder Studio zu überlassen. ..Weißen Kaschmir i" fragte Herr Flatow, den schönfrisirten Kopf seitwärts neigend. „Elfenbeinwriß, nickt wabr? — Herr Isaak, reichen Sie bock den elfrnbeinweißen Kaschmir herunter", gebot er einem rotbköpfigen Adoni« im Hintergründe, der so fort eine Turnübung auf den Sprossen der Ladenleiter begann. „Recht«, Herr Isaak! Nicht zu finden? Ia so, ganz recht, Frau Amt«rath Bernbaqen hat sich ja da« ganze Stück yinau«- schickeo lassen. Aber wir haben verschrieben — vorige Woche schon. Alle jungen Damen verlangen rlfenbeinweißen Kaschmir zum Ball. Morgen — übermorgen bestimmt» gnädige« Fräulein." „Da- kann un« nicht« helfe», wir haben keine Zeit zum Warten", erklärte Heinz. „Muß eS denn durchaus Kaschmir sein?" fragte Herr Isaak mit überredendem Lächeln. „Wir haben wundervolle, ganz neue Sachen — entzückend, bvchelegant — Frau Baron von der Hardt bat noch gestern —" „Nur derau« mit den Entzückungen!" rief Heinz ungeduldig. „Sie könnten nicht« Noblere« finden, gnädige« Fräulein, und wenn Sir nach Pari« reisten", behauptete Herr Flatow kühn und ließ mit schwungvoller Handbrweauug eine« seiden- glänzende» Stoff in malerisch«« Falten über den Ladentisch siuthen. Hildegard erröthete vor freudiger Bewunderung. Ia, das war herrlich! Weich und duftig wie Sommerwölkchen, mit einem Geriescl silberglänzender Blütbenzwcige darüber „Ist denn da- nickt — ein Brautkleid?" fragte sie stockend. „Ganz passend zum Hochzeitskleid, gnädige« Fräulein, aber auch zum Ballkleid für eine feine junge Dame derrlick — magnifique!" wiederholte Herr Flatow feierlich und wendete den Stoff liebäugelnd nach allen Seilen. „Soll ich, Heinz?" fragte Hildegard heimlich. „Versteht sich! Zugegriffen! Kostenpuact, Herr Flalow?" „Da ich dock da« gnädige Fräulein gern zufriedeustellen will, so werde ich Ihnen den kostbaren Stoff ganz billig be rechnen — fünsundsechzig Mark." Hildegard griff nach Heinzcn« Hand und preßte sie krampfhaft. „Ich habe nur zwanzig", flüsterte sie. „So nimm - auf Pump! Sitzt e« erst aus Dir fest, so ist eS eine vollendete Tbatsachc, in die man sich finden wird. „Aber, gnädiges Fräulein!" ries Herr Flatow vorwurfsvoll, „der Kostenpunct wird Ihnen doch kein Bedenken machen. Hab' ich doch die Ehre, den Herrn Vater zu keunen. Nun, ich sollte bock meinen, der Herr Markwald-Gravelischken wird bei Aron Flatow noch für hundert Mark Eredil haben!" Und er lachte wohlgefällig. Hildegard athmete beklommen und befühlte den köstlichen Stoff zärtlich mit ihren Fingerspitzen. „Nein. daS geht nickt, Heinz", sagte sie seufzend, „das wäre nicht ebrlich. Blumen und Handschuhe muß ich auch baden. Herr Flalow, nehmen Sie nur den Stoff sort. Giebt e« nicht einen andern, ganz einfachen, der für fünfzehn bi« sechzehn Mark zu haben wäre?" „O natürlich! Reizende Stoffel Hochmodern! Jugendlich kleidsam! Herr Isaak, da« dritte Fach recht«." „Du, da« sind ia Großmutter« frisch gestärkte Fenster gardinrn, denen zu Liebe meine Eigarre regelmäßig cvnfiseirt wird", kritisirte Heinz, ohne die Stimme zu dämpfen. „Es gefällt mir nicht ein bi«chen", erklärte Hildegard betrübt. „Gnädige- Fräulein werden noch au» Ihr« erste Wahl zurückkommen", prophezeite Herr Flatow lächelnd. Hildegard blickte hilft»« von einem zum andern ihrer männlichen Beratber. „Jetzt böre. Fuch«, wa« wir al« klu^e Leute tbnn", sLlug Heinz vor. .Die Radlauker sind im Städtchen, ich sab soeben den großen Schlitten mit den Srauschnnmeln über den Markt fahr«, als» spannt Svttlieh ans. Sir wsrds» Lant« Ida bei Labalzer absangen, sie hirrber führen und ein salomonische« Urtheil von ibr erzwingen. Siehst Du? Wenn Du keinen o übermenschlich schlaue» Bruder hättest!" „Heinz, Du hast wirklich mitunter lichte Augenblicke", gab ilde vergnügt zu. »Aber bin ich nicht ein Glück-pilz, daß ante Iba grad' heute in der Stadt ist?" Obne wettere Umstände wurde Herr Flatow auf die Ent scheidung der Frau R,t»ergut«besitzcr Siewert vertröstet, wa« er sich mit langem Gefickt, aber ohne Murren gefallen ließ. Richtig, al» die beiten langen schmächtigen Gestalten in da- von bläulichem Tabak-dunst erfüllte Gastzimmer der be- rübmten Labalzer'schcn Eonditorei traten, rief ebnen die dröhnende Baßstimme de« Herrn Siewert hinter seinem Tisch chen mit dem unvermeidlichen dampfenden Groggla« rin ge- müthlichr«: »Immer beran, junge« Bolk!" entgegen, während um ihn Kerum ein große« Getöse von Knadenstiefeln und gerückten Stühlen enlstand. Seine beiden ältesten Sprößlinge und die beiden jüngsten Markwald'«, sämmttich al« Schüler de« wohlberufenrn Gnmnasium« im Städtchen internirt, hatten mit den Kuchenoorrätdrn de« Ladentische« ziemlich aufgeräumt und stürmten vor dir Thür, die Ponir« zu begrüßen und von dem Schlittchen Besitz zu ergreifen. Mit seiner jubelnden Befrachtung die Straße binuntrrklingrlnd, hatte dieses bald die gesammle Wohlauer Straßenjugend hinter sich der. Inzwischen streckt» Siewert jedem der Ankömmlinge »ine breite feste Hand entgegen: »Wie geht'«? Wie geht'-'? Schon Ferien gemacht. Hein, /" Groß, breit und fest war der ganze Mann, den keine Spur von Blutsverwandtschaft, sondern nur langjährige freund- nachbarliche Beziehungen zum guten Onkel und PertrauenS- mann der Markwald'schrn Kinder gemacht hatten Ten glimmenden Eigarrenstiimmel zwischen den blanken Zähnen, di« unter einem mächtigen dunklen Bart hervorschimmerten saß er da, vierschrötig und behaglich mit seinem schönen, mannhaften braunen Gesicht und den kluge., warmherzigen dunNrn Augen, blinzte der Neinen Gertrud Labalzer, bi«, beide Ellenbogen auf dem Tisch, nach seinem Zuckerstückchen schielte, freundlich zu und ließ sich von Heinz und Hildegard die zutraulich rechts und link« von ihm Play genommen, au seine Fragen Bescheid geben. „Ich beabsichtige, da« Studium an den Nagel zu hängen und Landwirtb zu werden, Onkel Otto", sagte Heinz. „Ich rechne aus Deine volle Billigung Herr Siewrrt schlürfte bedachtsam seinen Grog. „Das ist s» 'ne Sach', mein Iung'I Wa« au« mir hätt' werden sollen aus Gotte« Welt, wenn nickt ein Landwirtb, wüßt' ich nicht u sagen, und wenn mein Karl sich'S nicht auSrrden läßt, in »ine« Vater« Fnhstapfen zu treten — mick soll « freuen, aber ckwerer wird er S baden, als ick eS damals batte, da« stebt est. Die guten Zeiten für die Lantwirtkschaft sind vorbei. Und ob Du daS Zeug dazu dasl, Dich in schleckten durchzu- cklagcn — nimm's nicht übel, Heinz — was sagt denn der Alte dazu*' „Vorläufig habe ich mich »ur mit der Mutter verständigt; Muttter stebl ganz auf meiner Seite" „So, so " Herr Siewert lackte st,U in seinen Bart. „Nun, dann ruht die Sache jedenfalls in guten Händen." „Dir wollen nämlich die Rollen tauschen, ich und Llkar. Er ist Willen-, beim Studium zu bleiben." »O-kar soll ja Wohl später, al« der Aeltere, da- Gut übernehmen?" »Könnle ick daS nickt eben so gut, Onkel? Wir sind ja kein altes Feudalgeschlecht und an kein Erbgesetz gebunden." »Stimmt." Herr Siewert fuhr mit der Hand durck seinen Barl und sah den hübschen Jungen ernsthaft und vielsagend an. Laß die Hände davon, Heinz, ratb' ick Dir. Na, da« hat ja übrigen« gute Wege, der Alte denk» doch wobl noch nicht dran, sich zur Nube zu setzen. Wir reden noch drüber, mein Junge. Und Du, Töcktcrchen?" »Ist Tante Ida nickt mitgekomnicn, Onkel?" sraglc Hilde gard. »Sir soll mir bei einem Kleiderkauf Kelsen " »Versteht sich, Kind. Sie sollte schon bicr sein. Ist mit ihrer Schwester aus Visite zu alten Iugendsreundsckasten ge gangen Zu der Suprrintrnbcntin und Fräulein von Loßnitz. Derweil muß ich hier die Zeit todtschlagen, bi« der Zug kommt. Herr Siewert zog eine massive goldene Uhr au« der Westentasche. »Ich werde sie adbolen müssen, meine Fra« bat keine Ubr, und die Frau Schwägerin vergißt die Zeit und ist nachher trcuzunglücklich. Wir sind nämlich vier, um meine« Schwager, den Profeüor Roloss, vom Bahnbos abzubolrn. Di» Schwägerin ist schon seit vier,ebn Tagen bei uns Trinkt aus, Kinder, und gebt mit! Ikr kennt doch Roloff«?" Er bezahlte, während Heinz eiligst sein Biergla« leerte, und alle Drei traten in« Freie und gingen neben einander die Straße hinunter. »Ich entsinne mich, die Frau Professor in Nadlauken ge sehen zu baden", sagte Hildegard. »Sie hat un« auch einmal besucht. Da« ist aber undenklich lange brr." »Sieben odrr acht Jahre wahrscheinlich, damals warst D« noch «in klein Mädel", erwidert» Siewert. »Di« bsid« 8«1«
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