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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931114023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893111402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893111402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-14
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^ ^ ober be» l» Blitzt I^rk »»d de» Vororte» «richtet«» No». 2L»« «barholt: vierteljährlich^,4LV. b> o»»i»el>«er ltgltcher Z,ft»ll,»g in, »M»e dckL Durch die Post bezogen für D^HchNuch u«d Oesterreich: vierteliädtti» . Direct» tägliche Kreujdandieitduno tot Lotleuld: mooatlich 7H0. Pi» Sorge».»»«««b« erscheint täglich '/»7Uhr, bi, De^-Latgab« Wochentag« S Uhr. Letulio« «» LrveLMo»: z«tz»»,e««,Ge 8. DieErveditio« ist Wochentag« »»»»terbrvche» «eäffvet vo» früh 8 bi« »dach« 7 Uhr. /M«le»: vtt, «e»»'s Govli». Mlfreb Uoiversität-strah» 1, L,,i» Lisch«. tirthertuostr. I«, gart, uod KSuig-vlatz 7, Abend-AuSgaVe. npriatr.Tagcblstlt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. ««zeigen-Pret- die SgespLttcne Petitzeile rv Pfg. Neclamea u»trr de»Red«ctio»«strich (Igo- spalte») bv^, vor den Familie»nachrichte» (S gespalten) 40 >E- Gröbere Schriften laut unserem Prei«. verjtichniß. Tabelloriicher und Ztss«nsatz »ach höherem Toni. chrtr»-vetl«gen (gesalzt). nur mit der Worqea-Ausgabe. ohne Posldeiörd«n»g >tl 60 —, m»t Vostdesorderung --t 70.—. ^nnahmeschlok für ^«Ztigen: »bend.»u«gabe: Vormittag« U) Uhr Morgen-SnSgab«: Nachmittags 4Uhr. Kon»- »ud Festtag« früh V,V llhr. Sei den FUialea und Annadm, stellen je eine halb« Stund« früher. 8»teige» s»»d stet« an die ikrtzetzitiou zu richte». Druck und Verlag vo» L. Pol« iu Leipzig. ^- 582. Dienstag den 14 November 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig» l4. November. Zu der gestern an dieser Stelle zurückzewicsenen Behaup- lwg der prmclpiellen Gegner der projeclirlen Neichsftuanz- «kson» gesellt sich besonder« in .freisinnigen" Blättern die «»dere^ nicht minder unhaltbare, Last der Rcsormplan die roustltutiooeilen Rechte de« Reichstags schmälere. Dabei schwelgen diese Blätter geradezu in der traditionellen lleberschätzung der Fraiickcnstein'schr» Klausel. Dieselbe soll dem Acich-laae da« Kleinod dcS ElnnahuicbewiUigungrrchtS gerettet baden. Wie aber steht e« mit diesem Rechte? Die eigenen Einnahmen dcS Reiches beruhen aus Gesetzen, ihre jähr liche Bewilligung im Etat ist eine bloße Form, auf ihren wirklichen Ertrag ist der Reichstag ohne Einfluß. DaS fragliche EinnahmebewilligungSrecht iiiupft sich ausschließlich an die Matricularbeiträge. Sie bilden in den Ein- »abmen deS Reichs den beweglichen Factor, besten höhere oder niedere Bezifferung allerdings von den Beschlüssen deS Reichstages abhäng«. Bei Licht besehen, ist inbcß auch hier das Recht des Reichstag« ein rein formale«. Der hauptsächlichste Wcrlh eine« wirk- lnhen EinnahmebewilligungSrecht- besteht darin, daß r« eine» httlsamcn Zügel für das AuSgadcdewtlligungSrecht bildet. Da, wo beide Rechte einander i» gleicher Stärke «genüberstehen, wird man bei Bemessung rer Ausgaben stet- von dem Gedanken beherrscht sei», daß die Deckung für die Ausgaben erst beschafft werben muß, daß die selbe bewilligt, aber auch versagt werden kan». Bei der Aufstellung unseres ReichSbauShaltSetatS ist dar keineswegs der Fall. Soweit die bewilligten Ausgaben nicht durch die gesetzlich feststehenden eigenen Einnahme» de« Reichs gedeckt werden, ist nicht etwa erst nach einer anderweiten Deckung zu suchen, sondern cS treten auf Grund deS Art. 70 der ReichSversassung ganz von selbst die Matricularbeiträge zur Au-gleichung dcS Fehlbetrages ein. Da« ist der „Finanz- automat" in deS Wortes vollster Bedeutung! Dir ziffermäßige Festsetzung der Matricularbeiträge ist eine reine Ealculator- ardrit. Und da« soll dann das kostbare conslituiioncllr Kleinod sein! Dieser geringfügige Inhalt deS an die Matricularbeiträge sich knüpfenden Einnahmebewilligungs recht« läßt sich nicht bestreiten; aber man rühmt dem letzteren eine große praktische Bedeutung nach. Wir wollen nickt bestreiten, daß die Rücksicht auf die Matricularbeiträge immerhin eine gewisse Schranke für die AuSgabedewilligungs- lust ist; aber nicht entfernt kann dieselbe verglichen werden mit de« Bewußtsein, daß di« Deckung erst gesunden werden muß. Weder darüber braucht man sich den Kopf zu zer brechen, noch darüber, au« welchen Quellen die Einzelstaaten ihre Matricularbeiträge ausbrmgen sollen. Da ist denn doch die Versuchung, „an« dem Bollen" zu wirtdschaflen, eine geradezu übermächtige! Aus der anderen Seite bebt man rübmenv hervor, dir Matricularbeiträge böten da« Mittel, allzu reichliche Mehrüderweisungen an die Einzrlstaaten dadurch zu kürzen.daß man Au»gabea,welche sonst aus die Anlrihr fallen wür den, ausdasOrdinarium übernähme und die Matricularbeiträge entsprechend erhöhte. Einem solchen Vorgehen wird sich aber »vtiselloS im Reichstage wie im BundeSratbr ein weit stärkerer Widerstand entgegensetzen, als wenn daS System der Francken- iteio'schen Clausel nicht bestände, die Einnahmen de« Reich« dem Leiche verblieben und hierdurch eine zweckmäßige Einrichtung bin Bedürfnissen angepaßt werden könnte. Man hätte er- »arten sollen, daß gerade Diejenige», welche die coustitutio- nelleo Reckte imozer im Munde südren, jetzt Alle- ausbietrn würden, zu einer derartigen Einrichtung zu gelangen, statt daß sie sich zu Berlhiidigern einer Einrichtung auswcrfen, über deren sachliche Werthlosigkc'it nachgerade kein Zweifel mehr sein sollte. Unter den ersten Initiativanträgen au- dem Hause in der bevorstehenden ReichStagSsessio» wird sich der Antrag de« CenlrnmS ans Aushebung des Aesuttengesetze« be finde». DaS Eenlruiii legt großen Wcrlh daraus, diesmal nicht nur eine allgemeine Erörterung berbeizusühren, sondern eS auch zu einer Abstimmung zu bringen, deren Ergcbniß für die Stellung dieser zu ankern Parteien von Dichtigkeit werden könnte. Wie eine Abstimmung hierüber aussallen wird, läßt sich nicht vorhersehcn. Für den Antrag werden jedenfalls daS Ccntrum, dir Polen und die Socialdcmokraten stimmen. Die Freisinnigen sowohl als die Conservaliven werden in nicht geringe Verlegenheit gerathen, da ibre Reizung, dem Ccntrum, schon aus Wabliniereffcn, einen Gefallen zu thun, mit der Stimmung eine« großen Theil« ihrer Wähler hart Zusammenstößen wird. Eia interessanter Versuch wird am nächsten Sonn tag in der belgischen Hauptstadt angcstellt werden. Alle Parteien haben sich geeinigt, am genannten Tage eine Wahl in Brüssel und seinen Vorstädten abzuhallen, ui» zu beweist», daß die verhältnißmäßige Vertretung aller Parteien durchführbar ist. Als Eandidatea sind verstorbene Partei führer ausgestellt. Die Klerikalen stimmen für Malo», die Doktrinären für OrtS, die Fortschrittler für Deiiienr, die Vlamlänker für Eonscience, die Socialislen für de Parpe und die Unabbängigcn für SystcrmanS. Tie RegierungSkreise nehmen an der Wahl Theil. Zahlreiche Wablburcau« werden eröffnet. Aus Grund der erlangten Stimmcnzahl wird jede der seck« Parteien die ihr zustehende verhällnißniäßige Zahl der Bcrtrclcr zuerkannt erhalten. Die fr»«zöflsche Presse beschäfiigt sich mit seltener Ein- müthigkeit mit dem Problem der Bekämpfung de- mord lustigen Anarchismus und besonders der Dyliainitarden. Alle ernsteren Blätter fordern in mehr oder weniger ver deckter Sprache die rücksichtsloseste Unichätlichinachung aller Derer, die sich gewaltsamer Mittel zur Bekämpfung der be stellenden Geselllchasr bedienen. Aber im Grunde genommen weiß keine- praktisch durchsübrbarc Vorschläge zu diesem Zwecke zu machen. Dir große Mehrheit der Pariser Tagcsoläticr will den Veriiichtungskamps auch beschränkt wissen aus Solche, die thatsächlich »nl Dynamit, Dolch und Revolver arbeiten, nicht aber ans die eigentlichen AFübrer der Bewegung, die geistigen Urbcber der Attentate. Eine AiiSnahme macht iu letzterer Beziehung eigentlich nur der „Figaro", wahrend Blätter wie „TcmpS" und „TSbatS" ih,e offen- bar in gleicher Richtung sich bewegenden Wünsche nicht so rückhaltlos znin Ausdruck dringe». KranciS Magnard dagegen schließt seinen, mit den Anarchiilc» sich beschäftigende» Leiter mit den Worten: Da« Bvlgeke» der Anarchisten erspart u»S die Sorge, sie zu schonen. Sie wollen sich außerhalb der Gesellschaft halten, man behandele sie demgemäß. Sollte zufälligerweise ein Äinncsticantrag vor die Kaniiner kommen, >o mügle man ganz offenbar von der Amnestie Alle auSilchmen, die wegen Veröffentlichung anar chistischer Artikel verurlhcilt wurden und an die man bisher eine ganz unangebrachte Senlimciilalität verschwendete. Die Lage der Spanier in Melilla bessert sich mehr und mehr. Die Nachricht, daß ei» einflußreicher Kabnlensübrer, Sidi Anita den Abdallah, durch eine spanische Kugel gerödtct worden sei, scheint sich zu bestätigen; Thatsache ist wenigstens, daß die Nisteten ibre Stellungen tbeilweise geräumt und sich aus die höheren umliegenden Bergrücken zurückgezogen haben. Die bedrängte Garnison bat damit Lust bekommen, und e« wäre zu wünschen, tag die Tinge auch fernerhin einen glatten »nd für Spanien günstigen Verlauf nähmen. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, daß die hauptsächlichsten Schwierigkeiten nun erst beginne». Spanien will bekanntlich dir Risiolen für ihre Angriffe züchtigen, also angrcisend >» daS Land vorgeben, vom Snlian eine beträchtliche Kriegs entschädigung erzwingen und widrigenfalls gegen ihn selbst Krieg südre», schließlich daS Fort Guariach neu ausbauen und die Bescstigungcn der Stadl aus den ziemlich entfernten Guruguberg vorschieben. Die Durchführung dieser Forde rungen ist aber seit dem 2. Qctober, dem ersten größer« Angriff der Risiolen aus Melilla, erheblich erschwert Worte», und selbst wenn sic alle zu einem guten Ende geführt werden sollten, bleibt immer noch die Frage, ob Spanien damit seine afrikanischen Besitzungen auch sür künstighin vor den Angriffen der Maure» gesichert bade. Wen» Las jetzige System bcibcbalten wird, kann diese Frage schon jetzt verneint werden, ja. fall« die Besestigungen noch weiter auSgekebnl werden, wächst sogar die Geiabr unk die Wahrscheinlichkeit «euer Angriffe der Kabylen. Selbst ein Verlaus der Tinge, wie er günstiger unler den obwaltenden Umständen gar nicht gedacht werken kan», würde dabcr sür die Zukunft der spa nischen Besitzungen keineswegs rosige Aussichten eröffnen. Zn den conservaliven Kreisen England» hegte man be kanntlich die Erwartung, daß die Verwerfung der Homerul «-Bill durch das Oberbau- die Stellung Gladslone'« im Lande schwächen würde. Au« einem so eben veröffentlichten parlamentarischen Briese deS konserva tiven Parlamentariers Sir Richard Temple gehl indeß hervor, daß diese Hoffnung sich »ich« ersüllt bat. Man glaubte, daß der Premier nicht im Stande sein würbe, die Ausmrrlsamkrit des Unterhauses aus Maßregeln zu lenken, welche nicht Irland, sonder» Großbritannien betreffen, und daß er daS Hau« baldigst werke auslösen müssen. Jetzt erkennt der Verfasser deS Briese« an, daß d>eü rin Zrrlhum war. Gladslone ist nicht so geschwächt, wie man vo» vornherein annabm. Er wird die Session zu Ende führen und auf gute Resultate seiner TbLtigicit Hin weisen können. So g-siärkt, wird er im nächsten Jahre das Parlament früh zusam»,eiiberi>scn und fernere sogenannte britische Gesetzrnlwüise dem Hause vorlegen. Glatstone'S Strllung, ansiait ichwäcbcr zu werden, hat sich seit der Ber iverfnng der Homerule-Biü verstärkt. selbst wenn weitere WO Millionen Pfund Sterling für die Vermehrung der Flotte au-gegebca werden müßte». DaS neue griechische Ministerium dorsal» ei» rein trikupistische« dezcichnel werden, weil sein Führer die un bestrittene Mehrheit dcr Kammer bat. Die griechischen Zeitungen rechnen eS dem Könige Georg hoch an. daß er den leicht erklärlichen Groll, den er gegen TrikupiS wegen seines illoyalen, um nicht zn sagen antidHnastischen Aus- lrcicn- bei der letzten MinisterkrisiS hegt, bekämpft und jedes persönlich- Gosübl bei Seite gelassen hat. Aber TrikupiS gilt als der bedeutendste Politiker von Hella- und bat dessen Geschicke mit zwei kurze» Unterbrechungen, als Delyanni« am Ruder saß, seit mehr a>« einem Jahrzehnt geführt. ES sälli aus, daß seine sämmtlichen Genossen neue Kräfte, sind und keiner von ihnen biSber Minister war; sie sind jedoch als Politiker und als einflußreiche Mitglieder der Kammer bekannt. ES stcht dahin, ob die bewährten früheren Kräfte DragumiS für da« Aenßere und Theodoky sür daS Innere, die besten Freunde ron TrikupiS, abgelehnt haben, weil sie sein rücksichtsloses Verfahre» gegen ren Konig takeln, oder ob TrikupiS »nt Absicht »cuc Kräsle gewählt hat, die durch die Vergangenheit nicht gcbiiiikc» sind und >lnn eine größere Freiheit derBewezung lassen. Von de» neue» Minister», deren Namen der Telegraph zum Theil ungenau wicdcrgcgcbcn, sind Busidi» (Inneres) und Stephanen (Justiz »,id Auswärtige«) bekannt« Rechts anwälte in Albe», der Marinenitnifter BnbnliS ist ein Sobn der in Hella« hochgeehrten FreibeitSkämpseria Bubuline. die in dem Unabhängigkeitskriege ans eigen« ausgerüsteten Schiffen die Türke» bciäi»vste;Kalliphrongo«, UnterrichtS- mimtler, ist c»i >n Albe» sehr einflußreicher Bürger und der Solm de« früheren Alterspräsidenten der Kammer. Ter KriegSiiiinistcr Ts am adc« ist ein reiner Fachmann. DaS Erscheinen eine« russischen Geschwader« im Mittelländischen Meere wird im englischen Unter hause vielleicht demnächst vom GesichtSpuncte de« inter nationalen Rechte- zur Sprache gebracht werden. ViS count Sikniouth beabsichtigt an de» StaaiSsecretair sür au« wärtige Angelegenbcilen mi Lberbause folgende zwei Fragen zu richten: Was sür Verträge bcslebe» zwischen Rußland und England bezüglich deS AusttclcnS einer russischen Flotte im Mittelländischen Meere, und welches ist die Stärke der russischen Seemacht im gegenwärtigen Augenblicke daselbst? Ob daS Eabinet Gladslone aus eine solche Anfrage, wenigstens aus den ersten Tbeil der selben, eine deutliche Antwort geben wird, muß freilich erst abgrwartct werden. UebrigenS dürste die Flcttcnsragc iibcr- baupt nicht so leicht mehr von der Tagesordnung verschwinde». Die „Times" stellt in einem Artikel Vergleiche an bezüglich der europäischen Flotten »nd besteht daraus, die englische Flotte auf einen unüberwindlichen Stand zu bringen, Seit die Vereinigten Staaten in den brasilianischen Angelegenheiten ihre Neutralität aufgegebcn und durch die Gestattung der SchiffSanIäusc sür den Präsidenten Peipoto und die Anwerbung von Mannschaften gegen den auf ständischen 'Admiral Mcllo offene Partei ergriffen haben, scheint dieser entschlossen, mit alle» Mitteln eine baldige Ent scheidung oor Rio de Janeiro berbeizusühren. Daß die Beschießung der Statt wieder eröffnet Worte» ist. wurde bkicilS gemeldet. Jetzt kommt dir weitere Nach richt, Mcllo und die übrigen Führer de« Aufstande« hätten beschlossen, die kaiserliche Flagge zu hissen und ihre Anstrengungen auf die Wiederherstellung der Monarchie zu richten Wie weit diese letztere Meldung der Wirllichkcir entspricht, ,st nicht zu eontroliren. Mello selbst hat ähnliche Gerüchte einmal für gänzlich falsch erklärt und sie dürsten auch jetzt nur die Absicht verfolge», den Aufstand iu den Augen der Brasilianer zu di-creditircn. Im Süden Bra silienS.gerabe in den deutschen Eolonien.giebt eS gewiß überzeugte Anhänger der Monarchie, denn dir seit dem Sturze Dem Pedro's geschaffenen Ziiständc waren nicht geeignet, besondere Liebe sür die Ncpiiblik einzliflößtn. In Rio Grande to S»l und in Santa Catharina wäre die Herstellung der Monarchie sicher möglich, aber e» müßte eben ein Mann wie Dom Pedro de» Thron einnebmrn. Sonst ist die mon archische Restauration aussichtslos und im übrigen Brasilien sinket sie vollend» keinen Boden. Der englische Parla mentarier Oberst Vincent schreibt an den „Globc" au« Rio de Janeiro über die gleiche Angelegenheit: Da- Boll gestehe offen ei», daß die Verhältnisse unter dcr Monarchie bcsscr waicn, da» Leben billiger und daß Ordnung herrschte, aber eine Nückberusung deS kaiserlichen Hause- sei nickt zu er warten. Tic Kronprinzessin stcht zu sehr unter priestrrlichem Feuilleton. Leben um Leben. 8j Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Ra-druck »erdsir» (Fortsetzung,) E« war immer dunkler geworden. Liideritz ging verstimmt ans und nieder. Träumerisch klangen einzelne weiche Passagen durch die Stille. „Axel, komm doch her! Ach, sei doch nickt unliebenswnrdig, Axel!" Plätzlicb wurde die Tbür geöffnet und eine laute Stimme fragte: „Bertka, bist Tu hier? WaS treibst Du hier allein im Dunkeln?" „Ich komme schon, Mutter", erwiderte daS Mädchen, indem e< aufstand und daS Instrument schloß. Liideritz war am Fenster stehen geblieben, besten schwere Vorhänge mit seiner Gestalt in breiten Schattenmassen znsammcnflouen. „War Liideritz nickt hier?" fragte Frau Martwald. „Weißt Du eigentlich, wa» er verbat, Bertha, oder weiß er« etwa selber nicht? Mit onS zum Ball? — DaS paßt mir ganz und gar nicht. Wer hat ibn überhaupt eingelaten? Vater nickt und ich schon gewiß nicht. Wenn er nicht fühlt, daß er hier überflüssig ist, so —" „Mutter, um Gotteswillen sei still, komm", siel ibr Bertba erschrocken in'« Wort, schlang den Arm um sie und zog sie au« dem Zimmer. Während die« unten geschah, stand oben in der Schneider stobe Hildegard, fiebernd vor Ungeduld, aber steif und un beweglich wir eine Gliederpuppe und ließ die beiden Näbe- riane» an sich berumhantiren. E» war nun doch Bertba'« Kleid — leider nickt ganz weiß, aber Hanncken versickerte, dir rotben Tupfen bemerke Niemand. Ob Götz sie darin hübsch finden würde, machte Hildegard große Sorge; aber morgen war der Ball und ein Kleid mußte sie dock baden. „Minna, zünde unten im Eckzimmer die Lichter »or dem Stehspiegel an — ich komme hinunter — ich will mich ordent lich sehen I" Eh« Hannchen noch dir lGte Stecknadel befestigen konnte, flog Hildegard in idrem tzallstaat dir Trevve hinab, Minna, die hängenden Breiten aiffraffend, neben ihr, während Hanncken Scheerr, Ende und Radeltnch zusamniensuchte, um de» Wirbelwind zu folgen. Die Kerzen wurden angrzündet und Hildegard drehte sich prüfend und bewundernd vor dem Spiegel Kerum. Ihre bis zur Schulter entblößten dünnen Arme wollten ibr nickt ge falle», und überhaupt kam sic sich fremd und wunderlich in den duslige» Stoffwolkrn vor, die Bertha so reizvoll zu um hüllen pflegten. „Ist cS hübsch, Minna? Sprich die Wabroeit", fragte sie zweifelhaft daS Mädchen, da« zu ihren Füßen kniete, um eine loSgegangenc Falte zu befestigen. Minna schüttelte den Kopf. „Nicht hübsch? — Garstig? Ach. so rede doch! Hanncken sagt Einem ja nur immer alberne Schmeicheleien." „ES steht Ihnen nickt, Fräulein Hildchen — eS ist zu kurz für Sie, trotz allem Sticken und Flicken, auch nickt mehr frisch. Ja, wie Fräulein Bertba cS trug, aus der Tausc in Marienau, da war sie bildschön drin, und die Herren rissen sich um sie — ich war za dort zur Aushilfe und reichte Kuchen und Wein herum." „Dar Herr von Götz dort?" fragte Hildegard. „Gewiß war er da", antwortete Minna, unk bückte sich, daß nur ihre prachtvollen dunkeln Zöpse zu scben waren, blickte dann von unten zu dem nachdenklich gewordene» Mädchen aus und flüsterte: „Ick möckt' kein Kleid tragen, in bei» eine Andere solch' Aussehen gemacht hat." „Aber wa- soll ich thun?" erwiderte Hildegard nieder geschlagen. „Och durste nicht noch einmal zur Stadt. Jetzt ist « zu spät, uod Flatow bat auch nicht« Hübsche«." „Nicht Easchmir, aber indischen Mull, der ist viel schöner und moderner. Und hat er nickt, so hat Müller bestimmt. Schicken Sie mich nur hin, Fräulein Hildckr». Für den Herrn von Lüveriy wird eben angespannt, den bitte ick, mich mil- luiiehmen, zurück lause ich z» Fuß, und dann sitze» wir die Nackt an« — Hanncken tbnt'S mit Freuden für Sie, »nd morgen Mittag ist da- Kleid fertig." „Aber ich habe nicht genug Geld." „Ack. geben Sie nur, wa« Sie baden, Müller schreibt*« an und der gnädige Herr bezahlt « gelegentlich." Eden trat Hanncken in- Zimmer, und hinter ibr, mit der Miene de« ckupitcr tonnn», Frau Markwald. „WaS gebt hier vor? Warum sind die Kerzen angezündet?" fragte sie scharf. „Mutter, liebste Mutter, Minna weiß Rath!" rief Hilde, ohne die Donnerwolke zu gewadre», ibr fröhlich entgegen. „Minna sädrt mit Apel zur Stadt und bolt mir indischen Mulll Bertha'« Kleid steht n»d paßt mir nicht, ich mag »ich auch nickt mit fremden Federn schmücken. Ach, erlaube eS dock, Mütterchen." Der Name Minna-, die betreten und BöscS ahnend zur Seite trat, schlug wie ein Funken i»ö Pulverfaß. Aller aus- gebäuste Zündstoff prasselte plötzlich in flammender Lobe empor. „Tn willst? Du mußt? Und Minna führt hier da« große Dort? Minna untersteht sich. Dir Unsinn in den Kopf z» setzen und Dick gegen Bcitba auszubetzen? Du freche- Ding nimmst Dir längil Ungehörige« heran»", wandte Frau Markwald sich wuihcnibramit gegen da« Nähmädcdcn, „aber j-tzl ist Dein Maß voll; — hinan« mil Dir! Hinaus aus dem Hause! — sofort — augenblicklich!" „Gnädige Frau!" rief Minna und warf sich in TodeS- schrcckcn der Herrin zu Füßen, „um GokteSwillcn, gnädige Frau, ick habe da» nur so in meiner Dummheit gesagt. Haben Sic Erbarmen, gnädige Frau, schicken Sie mich nicht fort!" „Ich kann kein Mädchen brauchen, da» bintcr meinem Rücken boSkaste Ränke schmiedet", versetzte Frau Markwald, auS der Zo»neSgluih in unbeugsame Härte übergebend. „Packe Deine Sachen und laß Dich nicht wieder im Hause blicken." „Barmherzigkeit!" jammerte da« Mädchen händeringend. „Da« Hab' ick denn Große« gctban? Bedenken Sie die Schande, liebe gnädige Frau! Machen Sie mich nicht un glücklich!" „I ch soll Deine Schande bedenken?" gab Frau Mark wald mit eisigem Hohn zurück. „Hast D» Schande über Dich gebracht, so trage sie auch. Kein Wort weiter, ich weiß Alle«! In einer Stunde mußt Du au« dem Hause sein. Und sei froh, wenn Drin Koffer undurchsucht bleibt." Ein röchelnde« Schluchzen drang stoßweise au« der Brust de- Mädchen», da« wie betäubt hinau-wanktr. Hildegard batte stumm und starr den Vorgang angedört. Frau Mark- >oal" schien sie gar nickt zu sehen, winkte Hannchen, dir bleich und vrrängftiat an der Tbür stand, die Lichter auszulöschen, und wandte sich zum Gehen. Da flog Hildegard außer sich auf sie zu: „Mutter, da« darf nicht sein! Nimm Dein Wort zurück! Vcrgieb Minna, sie bat ja nur mir zu Lirbr grsthlt! Und ich — ach, bätte ich geschwiegen, all' da« wäre vermieden. Liebe einzige Mutter, köre mich!" Die Thränen stürzten ihr au« den Augen, sie ergriff die Hände der Mutter und drückte sie an ihre Lippen, an ihre Brust. Allein Frau Markwald zog st« schroff zurück. „Hüte Dick!" sprach sie mit finsterer Stirn und zuckende« Zügen. „Du hast eine Neigung zu gemeinem Verkehr und herausforderndem Betragen, die ick nickt heule erst bemerke." „WaS Hab' ich geiban?" rief Hildegard heftig. „Den weiblichen Tacl und Anstand vergessen. Tick bloß gestellt im Verkehr mit fremden Herren, daß eS eine Schande ist. Ich werde mit Vater sprechen. Er wird ein Einsehen haben Er wird mich nicht zwingen, mir Dir auf einem öffentlichen Feste zu erscheinen, wo — „Ick bleibe zu Hau»!" rief Hildegard und riß sich da« Ballkleid mit zitternden Händen herunter. Du brauchst Vater nickt zu kränken und aufzubeyen. Ich will Bertba « Kleid nicht! Ick will kein Vergnügen haben, während Minna meinetwegen vor die Tbür gestoßen wird. Tu brauchst Dick »leiner nickt z» sckämcn! Ick habe nichts Unrechte« getban, m i r gelckiebt Unrecvt, mir und Minna — himmelschreiende«, empörendes Unrecht!" „Fräulein Hildchen, liebe- Fräulein Hildckcn!" flüsterte Hanncken bcr»kige»b dem wilden Kinde zu, da« fick an de» im Stoff steckenden Nadeln Schultern und Arme blutig riß. Frau Marlwald war würdevc ll binauSgeschritte», aber Hilde gard sab nicht«, körte nickt«. Wie in Finsterniß von tobendem Wirbrlsturm im Kreise gerissen, hatte sie keine Vorstellung, al« daß Erd' und Himmel um sie her schwankten. Aufgelöst in unbezähmbares Schluchzen warf sie sich aus den Fußboden nieder, während Hanncken sackte fortschlich und die letzte Kerze erlosch. Siebentes Eapitel. Wechselnde» Gewölk verhüllte da« ohnehin schwindende Tageslicht, al« Hildegard eilig am Seruser entlang schritt. Di« Eltern mit Berlba und Heinz waren bereit« in dev großen Kutsche mit vielem Gepäck algesabrcii, denn die Fahrt »ack Nauteiibiirg, wo der Ball staitsiiiten sollte, dauerte fast zwei Stunden, »i.d >m Gasthaus inußte dann noch Toilette gemacht werden. Vormittag« hatte man Hildegard, die in ihrem StübLen über einem Buck kauerte und nickt zu lesen vermochte, berad- grrufen, um eine» Blumenstrauß in Empfang zn nehmen, den Götz gesandt. Auch Bertha batte eine» erhalten — daß dieser feiner »nd kostbarer war, als der ihre, verstand Hilde gard nickt. Daß Bertba mit trüben Augen und bitterm Lächeln über die Blumen b>uwegsah, die sie achllo« in der Hand hielt, fiel ibr aus. Aber ikr Kopf war dnmpf »nd wirr von einer schlaflosen Nacht und vielem Weinen, und zwischen ihr und Bertha bestand kein so herzliche« Einvrr-
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