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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931117027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893111702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893111702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-17
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Vepr-r-PreiS M ÜAk Haaplrxpedltlon oder den ün 8tad^ --» H. »«««,» entchtete- »». M«»,»,.»,U dl'tt.ljShrltch^«^ bei »weimaüger täglicher ZustrNt,»- t»S ,«» >» ü«. Durch die Po?! bezogen für Abend-Ausgabe. hm« » ü^o. Durch die Post bezöge rüutichUmd und Oesterreich: viertr>,LdrIich -I «.—. Direkt» täglich» Kreitjbmdienduug t» Autland: monatlich ?.tzv. Di» vkorgm-Aa-gabe erscheint täglich'/,? Uhr, di» »lbmb-Auogab« «ochentags b Uhr. Redartton und Lr-edition: Iptz«nnr-,,ssr 8. Dl, Expedition ist Wochentag« unuatertrochra geöffnet von früh S di« «bend« 7 Uhr. Filiale«: vtt» Me«« « »ortt«. (Alfred Hahn), Universititöstrah« 1« Lsnl- Lösche, Avtharinenstr. 1«, Part, und KönIg-pI»- 7. MipMtrIagtdlatt Anzeiger. Organ für Politik,Localgcschichte,Handels-«ndSeschiistsverkehr.^ »» AuAkigeN^Aeeds die emtMi« PttcheU« M) Merl««,« «Nee de» »,d««ll,a«ft-tch (»n» spalw») «0ch, vor de« Samiilenaachrichkr» s« gespalten) «0ch. Gchriften Um» nns««« l Ladellaristher ,nd Wmchch noch hshn,« Auijf. »etNt'veil«««, (gtsalzv, mit »« Viorgen-An-aabe, ohne Postdes-rdernna SV.—, »tt PostdesSrderung 7V—. 'Xanahmeschlat siir Anzeigen» >be»d»An«gabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmiltag« «Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,9 Uhr. Bel den Filialen und Ännadmestellea je eine halb« Stnnde früher. Anzeige« sind stets an di« Expedition z» richte». Drnck und Verlag »on E. V«l» in Lech-lg. ^ 588. Freitag den 17. November 1893. 87. Jahrgang. Zur Entstehungsgeschichte -es deutsch-österreichischen Sündnisses. * Wir haben bereit« wirderbolt auf ein demnächst im Verlage de« Bibliographischen Institut- erscheinende« neue« Werk von vr. Han- Blum bingewiesen, da« den Titel „Da« Deutsche Reick zur Zeit Bi-marck'-" trägt und eine besondere Bedeutung dadurch erkält, daß dem Ver fasser dir (Kunst zu Tbeil geworden ist, vom Fürsten Bi«marck selbst Aufschlüsse über mancherlei Ereignisse und Verhältnisse zu erhalte», betreff« deren die amtlichen Quellen zur Zeit noch unzureichend oder verschlossen sind. Solche Ausschlüsse sind cö ebne Zweifel, denen der nachstehende Ab schnitt de- Buche- über „russische Verstimmungen" im Jahre 1879 seinen interessantesten und werthvollstea Inhalt verdankt: „Im Jahre 1879 war, gemäß der Abrede im Berliner Frieden, eine von den (Kroßmächten und betheiligten Staaten beschickte Commission in Nvvibazar zusainmengrtretrn, uni die dortigen Grenzen endgiltig abzustecken. An Ort und Stelle lieft sich bei den widerstreitenden Interessen aller Be- tdciligten besser da- Richtige treffen. Da verlangte Ruß land plötzlich in drei persönlichen Briefen de« Zaren (de- ermordeten Alexander II.) an de» Kaiser Wilhelm, daß der deutsche Vertreter in dieser Grenz» regulirungScommission immer thun müsse, was der russische Vertreter wolle und verlange Bi-marck gebrauchte damal« dir Gasteiner Cur, welche bekanntlich ohnehin eine erhebliche Errregung der Rerven erzeugt, und kam infolge der außerordent lichen Aufregung und ArbeilSsülle, welche diese Zarenbriefe und die daran sich schließenden weiteren Ereignisse verursachten, fast ganz um seine Cur. Obwohl er seine beiden SLone bei sich halte und mit ihnen von früh bi- spät arbeitete, um die Sache zu bewältigen, warteten dabei immer noch drei bi- vier Feldjäger auf Abfertigung. Kaiser Wilhelm theille seinem Kanzler dir Briefe sofort mit und lehnte aus Bi-marck'« dringenden Rath die Zumuthungen de- Neffen in der Thal auch ab, obwohl diese Zumuthungen in immer schrofferer und drohenderer Form auftraten. Denn schließlich schrieb der Zar etwa: die Einwilligung de-Kaiser« Wilhem in da-Verlangen de- Zaren Alexander sei dir Vorau-srtzung für da- fernere Fortbestehen de« Frieden- zwischen beide» Bölkern. Fürst Bi«marck er klärte darauf dem Kaiser ungefähr: Wenn dies« Worte in einer amtlichen russischen StaatSschrist stünden, so würde für ihn nicht- übrig bleiben, als Sr. Majestät zu rathru, die deutschen Heerkräfte gegen Rußland mobil zu inacheu. Er bitte daher St. Majestät, den Zaren ersuchen zu wollen, diese Angelegenheit ferner auf amtlichem Wege zu behandeln. Kaiser Wilhelm hat auch dieser Bitte seine- Reichskanzler« ftattgegeben. Wie schwer ihm aber diese- erste Zerwürfnis mit seinen, russischen Neffen auf der Seele lastete, erhellt au- der Thatsackc, daß er vlötzlich, ohne Wissen Bi«- marck'S, den General v. Manteuffel (seinen Vertrauten) nach Alcxandrowo sandte, um «ioe Unterredung mit dem Zaren nachzusuchen, und der alte Kaiser dann selbst den weiten Weg machte, um dorthin zu reisen. Aber auch die herzliche Au-sprache der beiden Kaiser scheint der Mißstim mung nicht Herr geworden zu sein, welche in Rußland vor wiegend vom Fürsten Gortschakoff erregt wurde. Fürst Bi- marck faßte die russische Unfreundlichkeit ernst auf. Er telegrapbirte an den österreichisch-ungarischen Minister de- Au-wärtigrn, Grasen Andrassy, ob er ihn sprechen könne, und reiste auf zusagende Antwort sofort nach Wien. Hier gab er Andrassy Krnntniß von dem Briefwechsel der beiden Kaiser und äußerte die Besorgniß, daß ein frauzölick- russische- Bündniß im Werke oder gar bereit- abgeschlossen sein möchte. Andrassy erwiderte etwa: Gegen da- franzö sisch-russische Bündniß giebt «S nur ein Gegengewicht, da- deutscy-östrrreichische. Fürst Bi-marck stimmte zu, und damit war die Hauptarbeit grlhan, wenn rS hinterher auch einige Milbe kostete, die beiderseitigen Monarchen für die verabredete Schöpfung zu gewinnen." Bisher war allerdings bekannt, daß seit dem Berliner Congresse eine ticse Verstimmung Rußlands gegen Deutsch land vorhanden war, die im Jahre 1879 in feindselig«» Aeußerungen de- Fürsten Gortschakoff offenen Au-druck fanden. Auch da- war kein Gcheimniß, daß Fürst Bi-marck nur mit Einsetzung sline- ganzen Einflüsse« aus den Kaiser Wilhelm und mit der Drohung, eventuell seine Entlassung zu nehmen, die Unterzeichnung de- dcutsch-Lsterrcickischca Vertrag- durch den Kaiser erzwang. Aber rin völlig neue« und höchst bedeutsame- Lickt fallt auf jene Verhältnisse und Vorgänge durck Blum'-Enthüllungen über die persönlichen Briese Kaiser Alexander'- II. an Kaiser Wilhelm I., de«- selben Alexander - II., von dem man bisher geglaubt hatte, er habe den Groll Gortschakoff - zu mäßigen und da« freund schaftliche Verhältnis zu Deutschland trotz der in der GrenzregulirungS-Commission hrrvorgetretrnen Differenzen aufrecht zu erhalten gesucht. Blum's Mittheilungen ent ziehe» dieser Auffassung völlig den Boden und lassen er kenne», wessen Deutschland selbst von einem Alexander H. sich zu versehen halte, wenn e» nicht Ordre parine. E- wäre jedenfalls von bedeutender Wirkung gewesen, wenn Blum'S neue- Werk schon vor der Auflösung de- letzten Reichs tage- erschienen wäre. Aber e- kommt auch jetzt noch zeitig genug, um Denen die Augen zu öffne», di« aus den Fürsten Bi-marck sich stützen zu können glauben, wenn sie von Rußland eitel Freundschaft erwarten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 17. November. Die Commentare, mit denen die unS heute vorliegenden Blatter die Thronrede begleiten, mit welcher der Kaiser gestern den Meich»tag eröffnet hat, sind fast durchgängig nur Umschreibungen de- Wortlaute- dieser Rede und bieten gar nicht», was einer besonderen Erwähnung wertb wäre. Wir unterlassen e- daher, eine Sammlung von Stimmen über die Thronrede zu veranstalten, und beschränken uns darauf, an anderer Stelle da- wiederzugebeu. wa« unser Berliner »v- Corresvondent über die kaiserliche Kundgebung bei Eröffnung der neuen Reich-tagssession schreibt. Es klingt sehr zurückhal tend und entspricht dadurch vollständig der in den Kreisen des Reich-tagS herrschenden Stimmung, die auch i» der ersten Sitzung de- Hause- zum Ausdruck kam. Man schreibt un- nämlich über diese Sitzung, in der 2l5 Mitglieder anwesend waren: „Im Gespräche der Abgeordneten wurden natürlich die Gegenstände, welche den hauptsächlichsten Inhalt der Session bilden werden, bereit- lebhaft erörtert, aber es geschah allerseits mit solcher Vorsicht uud so mancherlei Vorbehalten, daß neue Aufklärungen vorläufig nicht daraus zu entnehmen sind. Im Allgemeinen herrscht keine zuversichtliche Stimmung, daß ein ge nügende- Erzebniß der Steuerreform zu Stande kommen werde. Auch über die parlamentarischen Aus sichten eine- russischen Handelsvertrag- ist bei der großen Zurückhaltung der meisten Abgeordneten kein sichere« ilrtbeil zu gewinnen. Vielfach dürften sich über diese wirth- schaftlichen Fragen auch innerhalb der einzelnen Fraktionen erhebliche Meinungsverschiedenheiten Herausstellen. Die kleinen Handelsverträge und der Etat sind dem RcicbSlag bereit- zugegangen. Tie elfteren werden voraussichtlich am Montag auf die Tagesordnung gesetzt werden und m°n erwartet größere bankclSpoliliscöe Auseinandersetzungen. Der vielbesprochene uud commrnttrte Brstub de« reichisch-ungar.schen Min.ster« de« W-war -g n «rufen »«lu-kt, .n Monza h-l bereit- M Der Papst hat, wie schon telegraphisch geinelder kein. Cn.psa.ig von Pilgern au- der Vombarre. u » ^ k^ in drmonstrativer Weise gegen die Beschu digung P ' ^ der Feind Italien- zu sein. Gerade zu - der i» Ungarn so wichtige k>rchrm>oliti,äe ' S die Gemächer bewegen, batte der ^Pst allrn «Maß, d-u Grase,, Kalnoky die Versicherung ° ffen daß er nicht der Feind de-Freundes und BiiudeSgeno,, der Donaumonarchie sei. Von der Ual.rn.schtn Regierung dürfte der Gras u. A. die Versicherung empfangen habe', daß sie ein wachsame- Auge aus eine ProP-aanea haben werde, über die heute a»S Pari« da- Folgende ge meldet wird: .. „Da- italienische Permanenz (komilS lue 'ranZoN' > italienische Versöhnung-.Propaganda, al- dessen LchM führ» Bon,hi und Menolti Gartdald, 'ung-ren.richtt'e em verlrauIickeS Sendschreiben an »i'brcre sranzonlche Politiker. ^'- svrdern Liese zu einer gemeinsamen Persol,..una«.«ct,on zwischci den Franzosen und Italiener» aus. Er IoNen ge»,eIn>an„ dauernd Beziehuiiaen geschaffen iverdeu, damit man sich zuknnslig al« Brno» v.rs.'.,dmr.i to.Inr T.e Press, soll allen Argwohn zersireuen elsen. Gemeinsame palrioiijche «trinncrungriage sollen «'seierl wcrden. de»» die internationalen S'iualione» wechseln, die Volker aver bleiben." In Ungar» rüstet sich da« Cabinel Wekcrle zu einer neuen Kraftprobe. Im Laufe dieses MonalS ist der Rück tritt de« Cullus- und UiilcrrichlSmiiiisterS Grafen Csaky zu gewärtigen. Graf Csaky ist schon lange regierung-müde. Sehr gegen seine Neigung wurde er, der ei» glauben«- treuer Katholik ist, durch den Gang der Ereignisse ge- nöthigt, die von den Kirche» occupirte» staatlichen HobeitS- rechte zurückzusordern. Nack, vielen Hemmnisse» »nd Schnur- rigkeiten wurde für die starke Brschiieitling der kirchlichen Mackilsphäre zwar die Zustimmung der Krvne gewonnen, allein der Monarch sprach sich stel« für die Erhaltung de- FriedenS zwischen Staat und ikirchc au- Zuletzt, als er dem Gesetzentwürfe über die obligatorische ILivitebe die Porsanclion rrtheille, äußerte er sich abermals über dir Nothwendigkeit de« Friedensschlüsse«, woraus Gras Cs-kv beschloß, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Nun will bekanntlich da- (5abmet Wckcllr dem Monarchen als Nachfolger Csaky'S den Staats- secrrlair ii» Ministerium de- Innern,Grasen Juli»«Andrassy, Vorschlägen, der stet« eifrig für die kirchciipolilischen Resormei, cingetrelen und von dem auzunebmen ist, daß er an Energie und Festigkeit hinter seinem Vvraängcr nicht zilrUcksteken werde. Den Grasen Csaky aber will da- Cabinet für die erledigte Präsidenlenwürde de- Magnatcnhause« der Krone in Vorschlag bringen. Wie diese Absicht de- Cabim-I- Wekerlo zu benrlkkileii ist, kann nicht zweifelhaft sein. Die Majorität de- Magnalcn- bause« ist den kirchrnpolitischen Reformen abhold. Stimmt sie geschloffen gegen dieselben, so sind sie nicht durchziibringen. Sollen dir Vorlagen durchgehe», muß ein Tbeil der Majorilät mindestens zur Stimmenthaltung bewogen werden. Eine solche Wirkung verspricht man sich von der Ernennung Csakv'S »um Präsidenten de« MagnatendauseS Wir zweifeln nicht, schreibt „Pesti Naplo", daß, wenn die Krone die Votining der Vorlagen will, die Opposition im Magnatenbause die« nicht verhindern werde. Darum wünscht die Regierung eine Manifestation der Krone durch eine so eclatante Tbat, wir die Ernennung Csaky « zum Magnatenbau« Präsidenten wäre: gleichsam eine königliche Aufforderung an die Magnaten, nicht zu opponirrn. Von mehreren Seiten werden jetzt, wo da- russische Mittrlmcergesckwader in griechischen Gewässern weilt, Nackricklrn verbreitet, daß mit der griechischen Regierung wegen Abtretung eine-Hafen- oder einer Iustl zur Anlage einer russischen Flottrnstation verhandelt werde. Die Nachrichten sind von Athen au- bestritte«, v»n Petersburg a»S aber bestätigt worden; jedenfalls entbehre» sie nicht der inneren Wahrscheinlichkeit. Au« der Errichtung eine- ständigeil Mittelnieer-Geschwadrr- rrgiebt sich für Rußland ganz von selbst die Noldwenbigkeit der Errichtung einer eigenen Floltenstation. Frankreich war bereit« insoweit den russischen Wünschen entgegengekommen, al- e« den russische» Schiffen in allen französischen Häfen, Dvek«, Werste» u. s w. völlige Gleichberechtigung mit franzö sischen Kriegsschiffen eingeräumt bat Indeß ist Rußland schließlich dier doch immer nur Gast, während e- «igensr Herr sein möchte, und zudem liegen die französischen Haseneinrichtungen vielleicht, abgesehen von dem tunesische» Hasen Biserta. zu unbequem für die russischen Zwecke, denen e- i» erster Linie darauf ankominen muß, im Falle eiue« Kritg-au-bruch- de» Engländern den Weg durch den Suez- canal »ach Indien zu verlege». Eine Floltcnstaltion in der Milte zwischen Malta, Cypern und Konstanlinopel wäre ein Stützpunkt für da- russische Geschwader, wie er ai«ht erwünschter sein könnte. Bei den günstige» Beziehungen, d,e zwischen der russischen und der griechische» Regierung and den beiderseitigen Herrscherhäusern besteben, und bei der schlechte» Geldlage, in der sich Griechenland befindet, erscheint eine Verständigung i», obigen Sinne durchaus nicht unwahr scheinlich. In Oesterreich hat dir innere Krisis in den letzte« Woche» das Interesse begreiflicher Weise derart in Anspruch genouilucn, daß Manche-, wa« unter anderen Umstimdea zu publicistischeii Erörterungen Anlaß gegeben hätte, un beachtet geblieben ist. So hat man sich beispielsweise im Grunde wenig mit der vertragswidrigen Haltung besaßt, die Serbien aus de», handelspolitischen Gebiete an den Tag legt. Man fährt nämlich serdijchersrit- f»rt, dem Handelsverträge zuwider zu handeln und dessea klare Bestimmungen außer Acht zu lassen. Es hat sich hieraus natürlich eine sehr gerechtfertigte Verstimmung der Wiener Kreise über die.Haltung der serbischen Regierung ergebe», zumal da auch sonst i» Serbien iu letzter Zeit Mancherlei vor- gekonimen ist» wa- von nicht- »vciuger al- freunduachbar» sicher Gesinnung Zcugniß gab. Fall« man in Belgrad voa der bisherige» Haltung nicht abgrht, so wird e- uu« nicht wunder», wen» die serbische Regierung früher oder später i» eindringlicherer Weise daran erinnert werden sollte, daß Vertrage dazu geschlossen werden, ui» ringel-alten, nicht aber um umgangen z» werde». Die Verstimmung, die iu letzter Zeit in vulß«rie» zwischen dem Fürste» Ferdinand und seinem lhatkraftigr» Premiermiiiister bestand, scheint endgiltig beseitigt zu sein. Man darf die- au- in Wien einartroffenrn Berichten folgern, die zu erzählen wissen, daß der Cabiiiet-secrrtair de« Fürsten, Slaneiow. und dessen Frau, die sürstliche Ober- ecrcnionieniiicisteri», eine geborene Gräfin Grenaud, einen langen Urlaub angetrelcn baden, der al- Borläufer ihrer gänzlichen Beseitigung a»S der sürstsichen Hofhaltung gelten kann. Nack einer Meldung der „Köln. Ztg." scheidet auch der Bruder der Gräfin Grenaud au- dem Hosdienste und diese Personalvrränderunge» haben de-halb ihre Br deutung, weil sie erkennen lassen, daß der Einfluß Stambulow'« sie zu Wege gebracht hat. In einem Briese an» Sofia beißt eS . Tie grau Staneiow, geboren» Grenaud, galt bei Hose al- dt« Fertttlaton. Leben um Leben. 11j Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. (Fortsetzung.) Nachdruck »rideie«. Er sagte dem alten Hau-mann, daß da- Fräulein mit ibm nach Radlauken fahren würde, da e« sich nicht wohl genug fühle, den Heimweg zu Fuß zu machen. Ob die Magd Bot schaft nach Gravelischken tragen könne. Der Alte bejabtr, machte der Tauben verständlich, wa- man von ihr verlangte, und bat, als der Professor sein Taschenbuch bervorzog und zu schreiben begann, der Herr möchte nur auck da« von der Minna melden, sein lahme« Bein wolle nicht mehr von der Stelle, und die Herrschaft müsse doch benachrichtigt werden. Roloff fügte seiner Mittbcilnng an Herrn Markwalb da- Ver sprechen hinzu, spätestens morgen früh persönlich Aufklärung zu bringen. Die taube Dorr wickelte die beschriebenen Blätter sorglich m ein Tuch, schob die- in ihren Busen und machte sich auf den Weg. Hildegard aber wurde in warme Tücher aebülll, die sich unter den Sachen der armen Minna vor landen und nabm ihren Platz im Schlitten neben ihrem Be schützer ein. Der Mond brach von Zeit zu Zeit durch die Wolken und leuchtete zu der nächtlichen Fahrt. Neunte« Capitel. Herr Marlwald war in der verdrießlichsten Stimmung. Diese Verlobung seiner ältesten Tochter tonnte ihm ja sehr erwünscht sein, Dannenberg war ein schöne- Gut und siel wahrscheinlich bald und unter günstigen Bedingungen dem einzigen Sobu der Fra» von GLtz zu, die vor einigen Jahren ihrem Vater im Besitz gefolgt war Buch Bertha - Verhalten war ausgezeichnet — Herr Gott ja, wenn man bedenkt, wa« solch' au-sicht-lose Liebschaft oder gar Heiratb andern Vätern zu schaffen macht! — Herr Markwald war seiner Tochter ordentlich dankbar für ihre verständige Resignation und konnte nicht begreifen, wo seine Frau den Muld brrgenommen, den armen Lüderitz so ebne Flausen vor di« Thür zu setzen und die Sacke mit Götz fertig z» macken. — Der Triumph über diese aelungene diplomatische Action blähte sein Lic«ck>en ordent lich, sie trat jetzt noch majestätischer auf al« sonst, und er war natürlich der Nächste, der an ihrem SirgcSwagen Vorspann zu leisten hatte. Aber mochte da- Alle- hingeben, wenn da- Mädchen nur glücklich wurde. Angenehmer wär'S ja gewest» ohne die dumme Geschickte mit der Hilde — was die wohl mit dem Götz gehabt haben mochte? Und dann sortzulaufen in Nackt und Nebel! — Wie sich - herauSgestellt, war da« freilich nicht da- Schlimmste gewesen, wenigsten» batte man Ruhe gehabt, und der Verlobung«ab:nd war noch ganz vergnügt gefeiert worden. Zu vergnügt vielleicht! Der Schlingel, der Heinz, hatte sich richtig die Cbampagnrrstimmung zu Nutze gemach«, de», Vater eia Versprechen abzuschwindeln — mit Hilfe der Frau Mama natürlich, das diesem beute schwer im Magen lag. Heinz wollte nickt auf die Universität zurück, sondern sein Militairjahr abdienen und zwar bei den Rautenburger Dragonern — deren Officiercorp« sich bauptsächlich an« den Söhnen großer Grundbesitzer und reicher Kaufleute zusammen- setztc. Heinz batte natürlich Freunde unter ihnen, er hatte ja überall Freunde, und Frau Lie«chen meinte vrrständigcr- wrise, der Junge bliebe dann doch gau; in der Nähr unter den Augen der Eltern. Und er, Esel, der er war, hatte Ja dazu gesagt. Indeß, Ueberrumprluna oder nicht, Versprechen ist Ver sprechen und läßt sich niwt wieder zurücknehmen, wie der Herr Oscar wünschte. Ta saß er vor ihni, mit seiner gedrmigenen Gestalt, seinem eigenwilligen Gesicht, und zwang den Vater zu einer Aus einandersetzung, die diesem beute grad' ganz und gar argen den Strich ging. Alle« an dem jungen Menschen ging Herrn Markwalb gegen den Strich; die Sommersprossen unv die Renommirschmisse in seinem unschönen Gesicht, die selbst bewußte Miene, die superkluge Art, ihn logischer oder that- säcklicher Irrthümer zu überführen, seine Uebereilungen »nd Verseben »ach allen Dimensionen zu beleuchten — Alle« ohne sich zu erhitzen oder zu vergessen. Nein, da war der Heinz mit all seinen Tuniilibtiteii dem Alten doch zehnmal lieber. Freilich, hülle er die unglaublichen Dinge, die er jetzt anhören wußte, gestern gewußt — Glauben mußte er sie Wohl, denn flunkern und lügen war L-car'S Sache nickt, dazu hielt er sich viel zu gut E« war durchaus kein müßiger Einsall von Heinz, »msatteln zu wollen, sondern leidige Nvlbwendiakeit. Er batte so viel versäumte Collegia, Schulden und leichtsinnige Streich« aus dem Register, daß er, ging er nicht freiwillig, da« (.'orwlliam »deuucU zu ge wärtigen batte. Sollte er weiterstudiren, so miißle das auf einer anderen Universität geschehen. Herr Markwalb knurrte; wo er das Geld dazu bernehmen sollte? Und warum e« dazu hätte kommen müssen? Er machte seine» älteren, verständigen Sohn eigentlich verant wortlich für den jünger», den jener fast immer unter Auge» gehabt. O-car zuckte dazu kllbl die Achsel. Herr Marlwald meinte dann, in Jahr und Tag werde eS sich ja wohl finde», wa« au« dem Junge» werden solle. Für die Juristen seien hculzutage die AuSsichle» schlecht und er bedauere daher nicht, daß Heinz da- Studium aufgebe. Q-car hätte gar nicht damit anfangen sollen, sondern gleich auf- Land, dann wäre er heute so weit, dem Valcr in der Verwaltung von Gravelischken zur Hand gehen zu können. Und jetzt dulde da- keine» weiteren Aufschub. E« war die« ein Ziel, da» Herr Markwald in seinem dumpfen Bewußtsein von der Unzulänglichkeit seiner eigenen land- und geltwirtbschastlichen Leistungen gleichzeitig fürchtete und berl-eischntr. Sein älteste, Sohn würde ihm seinerzeit die Zügel der Herrschaft resprclvoU au- der Hand nehmen, ibn gleichnillthig aus sein Altentbeil setzen, da« wußte er. Er würde sich sogar in seinen kleinen PrivalauSgaben und Lieb babercien Zwang anthun müssen. — Er haßte O-car beinahe jetzt schc» um diese« Zwange» willen und wußte dock, daß e« so kommen mußte und nicht ander« sein durste. Aber O-car erklärte jetzt ohne Umschweife, daß er beschlossen babe, die ,ur.st„che Laufbahn weiter zu vcrsolgen. da er bei der Landwirtbschast kein Heil für sich sebr. Er lächelte sogar :u der ,,, feierlichem Ton ibm eröffnet«» An-sichr, al« ältester Familien^ sohn dereinst Besitzer von Gravelischken zu werden. Er verrichtete von vornb.rein ans diese Ebrenstellung. Er wußte ungefähr wa« ^°°"l>eng,.t gewissenhaft zum Vor,heil von sieden Geschwistern zu verwalten - em Gut. dessen Ertrag« zetzt zuruckgrganaen war. Woher sollte er künftig da« Capital nehmen, dieselbe zu heben? Biel besser Gravelischken wurde verkauft. Er. O«kar würde sich önne' Verpflichtungen belasten, die er nickt üb!rseben ionne und denen er nicht gewachsen sei. K°° L Haupt, hatte nichts für sie übrig. Er sorgte für sich selbst, er wollte keine Verantwortung tragen. Milten in die Unterredung zwischen Vater und Sohn, die eine sehr schroffe Wendung nahm, klang Rädergrrassrl und die Anmeldung eine- nicht uiirrwartrteu Gastes: Professor Roloss au- Radlaukeu. „Ich hoffe, Sie zürne» »lirnichtwegen iiicinerEigenmächtigkeit vo» gcstrru Abend, Herr Markwalb", begann Roloff, nachdem er aus sein Verlange» in da« Zimmer de« Hau-Herrn geführt worden. „Meine Botschaft habe» Sie doch richtig erhalten?" Herr Markwald schüttelte kräftig dir dargebotenc Hand de- Gastes und versicherte ibn seiner Dankbarkeit. Der Ver druß über seinen rebellischen Sohn grollte noch in ihm nach — und jetzt obendrein über de» verrückten Vorfall mit dem albernen Mädel Rede sieben zu müssen, noch dazu einem fast Unbekannte», der ein so ungemütblich ernste- und vornehme« Wesen hatte — e« war wirklich ein bischen viel aus einmal. „Daß Ihr Fräulein Tochter beule in Radlauken zurück geblieben, bat meine Schwägerin zu verantworten", erklärte der Proseffor. „Sie fand Fräulein Hildegard zu erkältet und angegriffen, um da« Bett zu verlassen. Sobald sie hergestrllt sein wird, bringt meine Schwägerin sie Ihnen herüber." „Zu gütig von Frau Siewert. Meine Tochter ist ja in Radlauken so gut ausgchoben wie zu Hause. Ich hole sie selbst. Darf ich Sie jetzt zu meiner Frau führen, Herr Pro fessor? Sie wird begierig sein. Ihnen ebenfalls ihren Dank —" „Einen Augenblick!" bat Roloff. „ES wäre mir lieber, zu erst mit Ihne» allein, Herr Markwald, eine peinliche Sach«, zu besprechen, die mir von Wichtigkeit scheint." „Gewiß, ich bin zu Diensten. Eine Cigarre gefällig?" Roloff nahm und entzündele die Cigarre und entwarf daun eine kurze ergreifende Schilderung der Tragödie am Sec. Als er niit der ziemlich wortgetreue» Anklage schloß, die der Baker der Selbstmörderin gegen Herr» von (Kötz- Daiuienberg erhoben, rieb sich Herr Markwalb betroffen da« spärliche graue Haar auf der Stirn. „Sollte da- — in der Thal — da- wäre ja ein« häßlich« Geschickte", »lurmeltc er vrrrwirrt. «Offen gestanden, ich kann nickt so recht daran glauben — der Gotz hat früher über die Schnur gehauen, wie alle jungen Leute — ao«r jetzt — schon seit längerer Zeit —" Ta Roloff schwieg, fügte er »ach einer Pause hinzu: „Sir bähen wobl gekört, daß ich meine älteste Tochter de« Tannenbrrger Götz zur Frau gebe?"
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