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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931120029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893112002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893112002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-20
- Monat1893-11
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DerReichStag hat mit diesem Beschluß von dem iln» durch Art. 31 der Reich-versassung gewährtenRechle, daß auf seinVer- laugen jede« Strafversabren gegen eine« seiner Mitglieder unk jede Untersuchung«- oder Eivilhask für die Dauer der Sitzungs periode aufgehoben werden muß, Gebrauch gemacht. Ver gehen« aber fragt man sich, wie die „Köln. Ztg." durchaus Messend bervorhedt, welchen Zweck dieser Antrag und dieser vom Reichstage ohne jede Prüfung gefaßte Beschluß tat. Da« rheinische Blatt krilisirt den Beschluß folgender maßen : „Bekannt ist, daß Ahlwardt seit einiger Zelt im S t r a s g e s ü n g n t ß die ihm im Iudenstinlen-Proceb zuerkannte Freiheit«' slrase verbüßt uud daß diese Slrase, welche unirres Wissens noch bis zum März nächsten Jahre« lausen wird, durch Artikel 3l der Neichsvrrsassuug nicht berührt wird, also nicht niitev- brochen werden kann. Der erwähnte Reichstag«beschlub kann Ahlwardt nicht die Freiheit geben, seine Theilnahine an den Reichstagssitzungrn nicht ermöglichen. Er hat ledig lich die eine Folg«, daß da- weiter« gegen Ahlwardt schwebend» Untersuchung-verfahren für eine Reih« von Monaten zwecklos «in- gestellt wird. Der Beschluß deS Reichstags dient also nicht dem Zweck de» Artikels S1 der Reichtversassung, den einzelne» Abgeord neten die Wahrnehmung ihres Mandats ohne Rücksicht aus eine gegen sie rtngeleitete Strafuntersuchung zu ermöglichen, er dirnt vielmehr ausschließlich dazu, »tue weitere Berzöaerung der sich schon ohnehin länger, als eS im öffentlichen Interesse nützlich erscheint, h i n a u »s ch l epp e n d e n Untersuchung-fache zu bewirken. Wir verstehen in der Thot nicht, welche Absicht der Reichstag gehabt haben kann, eia« solch« Berschleppung herbeizusühren. Ahlwardt hat sich schon ohnedem genugsam als Meister der Berschleppung bewährt, lebt versteht er es sogar in seinen Bemühungen, der Justitia ein« Rose zu drehen, sich di« Unterstützung de« Reichstage» zu verschaffen. Gerade so laug« Herr Ahlwardt im HtrajgefSngniß sitzt, hat er an» gemessen« Zeit, sich der neaea, gegen ihn schwebenden Unter- snchungssoche zu widmen. Jetzt wird auf Wunsch oes Reichstages dir Thitigkrit des Untersuchungsrichters einfach verboten und aus eia« Int verschoben, wo Herr Ahlwardt tausend Gründe finden wird, um uachzuweistn, daß er nach Verbüßung seiner Strafhaft dringendere uad unaufschiebbare Geschäfte hat und sich mit seiner Unteynchungssache nicht beschäftigen kann. Wir halten eS für durch- ans t» der Ordnung, daß der Reichstag für strengste Ausrecht. «Haltung der den Mitgliedern verfassungsgemäß zustehenden Bor- rechte, selbst zu Gunsten der unwürdigsten, sorgt, aber hier handelt es sich nicht um ein solches Vorrecht, da» würde erst im Augenblick in Bestacht kommen, wran die Strafhaft abgelaufrn wärr. Hier handelt es sich vielmehr um einen willkürlichen und völlig zweck- lasen Eingriff in die Strafrechtspflege. Auch der Reich«, lag hat »ine wichtige Pflicht, darüber zu wachen, daß diese Straf- rechlspflege streng uud unparteiisch mit allem Nachdruck und der thuulichsten Schnelligkeit gehandhabt werde. Er darf vor Allem keiuen Schritt Ihun, daß irgend Jemand, am wenigsten ein Reichs. Iag«mi»glied, seiner oerdienten Strafe entzogen werde. Er hat unsere« Erachten» tm vorliegenden Fall« diese Pflicht nicht erfüllt, hoffen wir, daß da« nicht mehr Vorkommen wird." Wir können uns dem im letzten Satz« ausgesprochenen Wunsche nur anschließen. Jedenfalls darf der Reichstag, sofern er öfter derartige Beschlüsse faßt, sich nicht wundern, wenn besonders in richterlichen Kreisen die Mißstimmung gegen den Art. 31 der Reichsvrrfaffung wächst »nd immer gewichtiger« Stimmen für seine Beseitigung sich erheben. Unserer Cen trumspresse sind die Enthüllungen de« M. Piou über die Theilnahme de- Papstes an der russtfch- französtschen Annäherung sehr ungelegen gekommen Sie versichert, daß der Papst an eine Wiederrrwerdung seiner vermeintlichen territorialen Rechte außer durch freiwilligen Entschluß von Krone und Bolk i» Italien gar nicht denke, macht auf die Verfolgung de- polnischen Katho- liciSmuS in Rußland und aus die culturkämpfrrische Schulpolitik der französischen Regierung aufmerksam und schließt mit der etwa- naiven Bemerkung, daß Piou durch seine Behauptungen lediglich den Culturkämpsern der mitteleuropäischen drei Reiche eine Freude bereite. E« ist in der Thal auch rücksichtslos von einem französischen Conscrvativklerikalen, in seinen Aeußerungcn die taktischen Bedürfnisse der deutschen CcnlrumSparlei so völlig außer Acht zu lasten. Thatsäcklich ist doch aber Piou mehr- fach von Leo XM. i» Privataudienz empfangen worben und kann also über die inkime» Gedanke» des viel und wohlredenden Papstes recht gut ÄuSluuft zu ertheilen in der Lage sein, ebenso stand er bekanntlich dem verstorbenen Eardinal Lavigerie nahe und ist durch ihn zu seiner bekannten Abfchwcnkung von dem Monarchismus veranlaßt worden. Auch wenn man ihm wie allen französischen Politikern eine sehr lebhafte Phantasie zutraut, wirb man also die hervorragende Mitwirkung Leo« Xlll. de, der russisch französischen Annäherung wohl für erwiesen anschcii und die Ausführungen unserer Cer.krumSprefie über den Papst als geistliches Oberhaupt nicht blo» der französischen, sondern auch der deutschen, österreichische» und italienischen Katholiken lediglich als Darlegungen eines Zustandes de» trachten dürfen. wie er zwar in der katholischen Theorie be steht, in der Praxi» aber nicht vorbanden ist. In Frankreich wird voraussichtlich heute das Ministerium mit seiner, mit Spannung erwarteten Erklärung vor die Deputirlenkammer treten Aber gespannter »och als auf dies« Erklärung ist man darauf, ob und wie bei dieser Gelegenheit der Erfolg der Versuche sich herausstellt, wieder z» festen Gruppen in der Kammer zu gelangen. Im Gegen sätze zu der Kammer von 1889, welche sich der Gruppirung grundsätzlich enthalten hatte, empsindrt ihre Nachfolgerin ein tiefe« Bedürsniß danach. Vor vier Jahren hieß eS allgemein, das Gruppenwesrn lähme die parlamentarische Tbätigkeit, man müsse sich seiner entschlagen und etwas Bessere« suchen. Das Bessere wurde nicht gesunden; der gegen den BoulangiSmuS gewählten Kammer blieb da« einzige Verdienst, den BoulangiSmuS auf« Haupt geschlagen zu haben, sonst aber richtete sie nicht« Ersprießliche« auS. und die Folge davon ist, daß man e» heute mit einer ernsten Gr»ppendildui,g wieder versuche» will. Die Socialisten, die fortschrittliche» Radikale» oder „Progressisten", wie sie sich nennen, die Rcvolutionaircn. Alle« bat sich bereits grnppirt; zuletzt baben die rbemalige» Opportunisten, an die sich einige Mitglieder de» linke» EenlrumS schließen, den Versuch gemacht, eine eiitschiedcn re publikanische und fortschrittliche Gruppe zu bilde» und das „grnuci O- (die Union Republicaine ans den Tagen Gam'oetta'S) wieder auflrben zu lassen. Ta Casimir Perier zum Präsidenten erwählt worden ist, so wird vielfach angenomniln, e» könnte sich au- den Abgeordnete», die für ihn gestimmt baben, eine feste Regierungspartei zusammeu- schlieven, die den radikale» Gruppen um etwa lOO Stimme» überlegen wäre. Andererseits aber wird die« bestritten, weil die Abgeordneten, die Perier znm Präsidenten gewählt haben, bei Weitem nicht homogenen Charakter« sink, und diese An schauung dürste nur zu begründet sein. Vielleicht stellt sich da« schon heute heraus. Ferrillctsir. Leben mn Leben. 18j Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. »t»»dr>i<k »erdeiea. (Fortsetzung.) Da« ging so, bi« Alfred sechzehn Jahr und nach der Prima versetzt war. Da kam ein Tag, an welchem er vor der Mutter stand und sie beschwor mit zwingender Leidenschaftlichkeit, die wie eine neuerwachte Elementargewalt au« seinem verschlossenen Innern brach, sich auS der dcmüthigenden Abhängigkeit lo«- zureißen, in der er sie nicht länger zu sehen vermöge, sich auf sich selbst, aus ihn, zu verlassen. Da« Gymnasium in Wohlau genügt ihm längst nicht mehr, in KLnig«berg würde er für seine Studien, Ae für ihre ErwerbStbätigkeit geeigneteren Boden finden. Marie Roloff hatte ihn schon oft mit diesem Anliegen vertröstet, kam sie ihren Gönnern au- den Augen, so wurde sie vergessen, und wie sollte sie sich und ihren Knaben durch ihre geringe Kunst ernähren? — Allein er ließ nicht nach, batte für all' ihre Gründe Gegengründe. Er wolle arbeiten, für sie sorgen. Er sei kein Kind mehr, er werde ein Mann sein, wenn sie Vertrauen zu ihm haben wolle. Er bat, er flehte, er zürnte heiß mit hrrvorbreckenden Thränen, er wollte sie nicht lvSlafscn, bis sie ibn erhört. Und sie, er schütternd, bebend, in schwerer Angst vor der Zukuast, in der Ueberzeugung, eine unverzeihliche Unklughril zu begehen, sie balle nicht den Muth, sich der Macht eine« köderen, reineren Wollen« zu entziehen, da« mit diesem Tage die Herrschaft über sie gewann — um sie nicht mehr zu verlieren. ES kam dann, wir sie gefürchtet Man hatte ihr wider- ratben, man mißbilligte ihren Entschluß und nahm r« sehr übel, als er dennoch in übertriebener Hast, die ibr nicht Zeit ließ, sich all' die verstimmten Gemüthrr z» versöhnen, zur Ausführung gebracht wurde. Sie brauchte also keinen Rath, keine Unterstützung mehr, sie stieß ihre Gönner absichtlich vor den Kops — da« war der Dank für langjährige Wohlthatrn. Mochte sie denn ihre« Wege« ziehen! Ihre vlüthezrit war oboehin vorbei. Fünf Jahre waren verflossen, da forschten eine« Tage« drr, junge, glücklich« Menschen die Rippengasse — rin rage« Seitensträßchen in drr att«n Krönunztstadt Köoig«bera — n«f »nd nieder, b « fi« endlich erhitzt und fröhlich an der Thür eines dritten Stocks Einlaß begehrten. Es waren die beiden Tochter de» hochangesehcncn Universität-Professors Wildow und der Gatte der jüngeren, Otto Siewert, seit Kurze», Nach folger seine- Vater« im Besitz von Radlaukcn. Leide Familie» waren von Aller- her befreundet; zwilchen den rerschorenen Weißbuchenhecke» und Stachelbeerbüscheu deS Radlaukcr Garten« Hallen Otto und Ida mit einander geschwärmt, ge lacht und geschmollt, blaue Vergißmeinnicht, braune Haarlocke» und den erste» Kuß getauscht, Alles unter der Aegide Antonien'«, die für die süßen Thorheiteu einer ersten Liebe ei» wchiuülkiges Versländiiiß besaß, sie, die mit einundzwanzig Jahren Wittwe deS zärtlichsten Gatten, für sich nicht« mebr von der Erde Glanz und Lust begebrlr. Damals batte sic sich innig an Alfred« Mutter angcschlossc», bei ihr Synipatbic mit ihre» jungen Leiden gesucht, mit ibr mustcirt, den» sie besaß eine angenehme Stimme und große Fertigkeit im Clavierspicl. Dennoch war nicht sie eS, noch Otto, der großmüthige Beschützer des jungen Alfred, de» er als Kind geneckt, geknnstl, auf Kirschbäume gehoben, reiten und schießen, später zum Ent setzen der Doclorin auch Biertrinke» und Tabakrauchen gelebrt — sonder» seine junge Gattin war eS, die nach der liedenS- würdigen Frau und dem nüchternen Knaben gefragt, deren Gestalten in ihrer Erinnerung zur Staffage des Hause« und Gartens gehörten, dessen Herrin sie geworden. Beide waren aber so gut wie verschollen. Für Antonie war eS ein unvergeßlicher Eindruck, al« in der kalben Dämmerung deS dürftige» Stübchen« eine Hobe, schmächtige IünglingSgestalt sich hinter einem mit Bücher» beladenen Tische erhob und de» unerwarteten Gäste» mit ver legenen, Gruß entgezcntrat. Da« zerwühlte röthlichbranne Haar fiel über eine blasse nervöse Stirn, au« dem von Sorge und Entbehrung gezeichneten jugendlichen Gesicht blickten die tief umschatteten Augen sie groß und fremd an, al« suchten sie den Rückweg au« fernen Welten. Marie Roloff kam nun auch au« ihrem Schlafzimmercken herbei, ein bleicher Schatten ihrer srüberen anmuthigrn Er scheinung, hektische Rölbe aus den eingefallenen Wangen, dr alle muntere, berziae Lächeln auf den Lippen. Krank? Bewahre, sie habe sich nirmal« wohler gefüklt, nur die Stimme bade sie leider verloren, und damit seit Jahr und Tag die letzte ibrer Gesai,gschüler,nnen. Der Müßiggang aber babe sie verdorben, träge und anspruchsvoll gemacht Sir hätte ja jetzt nicht« weiter zu «dun. al« aus dem Sopha ' u liegen. Romane zu lesen und sich pflegen uad hätscheln zu aff«, und da« sei beide« so recht nach ihrem Geschmack. Die Verhandlungen zwischen Frankreich und Eng land mit Bezug aus Siam dauern fort, obne daß jedoch bisher irgend ein greifbares Ergebnis erreicht worden wäre. In de» Pariser colonialpolitischen Kreisen herrscht darüber einige Beunruhigung, und es wurde sogar die Befürchtung ausgesprochen, daß Devrlle die Rechte An am» auf Luang-Pradang, das Handel-ccntram am oberen Mekong, fallen gelassen hätte. Die daraus bezüglichen Gerüchte wurden jedoch von dem französische» Ministerium des Aeußern demeu- tirt. In England herrscht über den Gegenstand eine lebhafte DiSenssion, niit um dieselbe in da« richtige Fahrwasser zu leite», ist Lord Dusfcrin »ach London gereist, woselbst er Lord Rose der» anSsiibrlicbc Auskünfte über die Frage ertbeilen wird. Jedenfalls wird Frankreich Tscbantabun so lange besetzt halte,bis die Convention von Bangkok vollständig durch ge führt ist. Tic Londoner „Daily New«", da» Organ de« gegen wärtigen riigttschrn liberalen Ministeriums, sind von der Nachdrücklichkeit, mit der konservative Zeitungen, nach dem Vorgänge der „Times", aus die Schwäche der englischen Marine Hinweisen, nicht- weniger als erbaut. Sie sprechen von der Fabrikation einer Seepanik, wie sie unter liberalen Regierungen nicht selten betrieben werde. „In England", sagen sie, „ist alle WeltüberdieNothwcndigke > t einer ftarke n Flotte einig, also wozu der Lärm? Freilich ist daS Publicum gerade in diesem Puncic besonders und mit Recht empfindlich und besorgt, und die« benutzen die bewußten Angstmeier, tr ist eine Tbatsackie, daß gerade »ntcr dem Tory-Regime der letzten Iabre die Flotte schwächer wurde, da aber ließ sich kein Admiral oder sonst wer veruedmeii." Schließlich weist das Blatt al« BerujnngSmittcl aus die Thatsachc hi», daß Großbritannien seit 1889 19 Schlachtschiffe erster Classe mit einem Brutto-Toniieiigthall von 20l 750 Tonnen bcrgestellt hat, während Frankreich und Rußland zujamniengenommen n»r deren 14 mit einem Tonnengeballe von 12t 875 Tonnen vom Stapel lausen ließen. Wären diese Zahlen allein ausschlag gebend für den Zustand der englischen Flotte, so brauchten die „Daily New»" »nd ihre Hiniermänncr nicht empfindlich z» sein. Gerade weil üe da« sind, süblen sich die conservaliven Blätter in ihrem Argwohn bestärkt und zu ibren Angriffen ermuthigt. Wie a»S Malaga in Bestätigung früher von »nS ge brachter Meldungen berichtet wird, ist es c»icm Ossicier der Guardia Civil Namens Iosu Martine; I bat»ez nach eifrigen Nachforschungen gelungen, dem spanische» Wassenschmu ggel aus die Spur zu toinnie». In einem Waarenlager des reichen Inden EtiaS I Smart wurde zwischen der Wand und dem Fuß boden eine Vertiefung entdeckt, in der 21 Remington-Gewehre moderner Conslruclio», 40 Lateslöckc, t Pistole »eueren SyslcniS, 120 Patronen und 8 mit verschiedene» Gewehrt bei len an- gcfüllte Säcke versteckt lagen. Nack, Aussage de- Juden, der sofort in Haft genommen wurde, sollte» die Waffe» einen« Spanier Namen« Iofö EScobar Fern andez gehören. Letzterer wurde daraufhin gleichfalls verhaftet. Da« Verfahren gegen die Verhaftete» dürfte sofort beginnen, da infolge der schon früher vorackomiiicncn Schmuggeleien General Maria- einen Befehl erlassen batte, nach dem Jedermann die in seinem Be sitz befindlichen Waffe» innerhalb 24 Stunden auSlicsern sollte. Allem Anschein nach dürfte die Angelegenheit mit dem Wasscii- schnuiggel größere» Umsaiig annehmeii. Auf Anordnung der Behörden soll auf verschiedene von Malaga seit dem 29. Oktober verschwundene Personen gefahndet werde». Auch unter den Galcercnsträslingcn dürften die Fäden des Schmuggels zu suchen sein. Viele von ihnen nehmen nämlich nach Ab büßung ihrer Strafe in Melilla ihren Aufenthalt, sie werden aber einer sorgsamen Beobachtung unterworfen. Die Unter suchung wird ergeben, ob sie direct oder indirect am Schmuggel von Waffen betbeiligk sind. BorauSsichtlich werden scaudalösr Vorgänge zn Tage gefördert werden; 9 Personen wurden unter dem Verdacht der Mitschuld verkästet. Infolge dieser Vorkommnisse verließen Hunderke von Juden mit ihren Familie» die Stadt und begaben sich an Bord de« „Rosario", um nach Oran zu gehen. Deutsches Reich. U Berti«, 19. November. Einige Blätter erregen in Photograpbeokreisrn dadurch übertriebene Hoffnungen, daß sie die Mittbeiliing verbreiten, nach Einführung drr Sonntags» ruhe für Industrie und Handwerk würde es allgemein und odne Weiterungen gestattet werden, daß die Gehilfen im photographische» Gewerbe Sonn- »nd Feiertag« während süns anseinandersolaender Stunden beschäftigt werden können. Da» ist »ach dem Gesetze unmöglich und eS wird des halb auck> eine solche allgemeine Ausnahmebestimmung nicht erfolgen können. Die A»Snah»ien, welche sowohl der BundeSralh wie die böheren Berwaltung«dehörden zu lassen können, müssen unter Berücksichtigung de« tz. tOLe Absatz 3 der letzten Gcwerbcorknung-ncvrUe erfolgen. Und hier ist bestimmt, daß dann, wenn an einem Sonntage die Arbeiter länger als drei Stunden oder so beschäftigt werden, daß sie am Besuche deS GotteSdieostcs gehindert sind, sie ent weder an jedem dritten Sonntage volle 36 oder an jedem zweiten Sonntage mindesten« i» der Zeit von ü Uhr Morgen« dis 8 Uhr Abend- von der Arbeit frei zu lassen sind. Danach würde eS also überhaupt uumoglich fein, an sLmuitliche» Sonntage» die Gehilfen im pbotographischen Gewerbe fünf Stunde» hintereinander zu beschäftigen. Nun kennt aber allerdings die GewerbeordnungSnovelld noch die Vorschrift, daß die »nlcren VerwaUuiigSbrbörden auch vom Absatz 3 des K. >05a Ausnahme» zulasst» können. Bedingung ist hierbei jedoch einmal, daß der Besuch de« Gottesdienste« nicht behindert und den Arbeitern an Stell« de« Sonntag« eine vieruudzwanzigstündige Ruhezeit an einem Wochentage «währt wird. ES würde also den unteren VerwaltuugS» ehörden überlassen bteibrn, für dir Pbvtographie besondere Bestimmungen zu treffen, jedenfalls aber nnlßtc unter allen Umständen dann den Gehilfen rin Wochentag jrrigegeden werden. lll Berlin. l9. November. Heule Abend trat der Tabak« arbeiter-Congreß in den Concordia-Festsälen zusammen. In da« Bureau wurde» gewählt: Börner-Berlin, l. Vor sitzender, Deick>mann-Bremen, 2. Vorsitzender, Krrrl» Bremen, Bntry-Berlin. Reetz Wcißenfel« und Palmer- Leipzig, Schriftführer. Der erste Punct der Tagesordnung, „Tabaksabrikatsteuer", ries bei der Discussion über die Ge» schästSorknulig eine lebhafte Debatte hervor. Mehrere Dele- girte empfablcn, diese» Punct später zu verhandeln, um den ReicdStagsadgeordntten Gelegenheit zu geben, sich an drr Debatte zu belbeilige», während andere Redner den Stand- punct vertraten, gerade wegen drr ReichStagSverbandlungen riese- Tbcma sofort zu verhandeln. Der Eongreß beschloß, P»»et l zunächst zur DiScussion zu stellen. * Berit«, 19. November. Die Commission sür da« Bürgerliche Gesetzbuch hat mit einer Mehrheit von 1t gegen 7 Stimmen beschlossen, neben der gegenwärtig beliebenden Hypotbeken- »nd Grundbuck'htlastung de« Grund besitze« sür die Zukunft Renten, die feiten« drr Gläubiger unkündbar sein sollen, «inzuführen. Der „Reicdsanzriger" br Sogar da- Weinlrinkcn habe sic sich neuerdings angewöbnt, »nd ließe nur ibr lieber eigensinniger Junge es fick verwehren, die Nächte dindurch zu arbeiten, da er tagüber Stunde gäbe und zu seinen eigene» Studie» nicht Zeit fände, und wäre nicht die tbörickte Angst um seine Grinnkbeit, so wüßte sie sich nickt« Reizenderes, als die« kaiiierabfchaftlickie Zusammen leben mit il»n Eine Woche später befanden Mutter und Sohn sich in Radlaukcn, aber weder die bcrrlichste Sominerluft, noch die liebevollste Pflege vermochten den zarten Leben-faden der Kranken lange forlz»spini,e». Umgeben von Blüthcnprackt und Svnnengold »nt der wetteifernden Liede junger warmer Herzen schwand sie dabin, lächelnd und ergeben, »nd hätte dock so gern »och weiter gelebt. Ihr Tot traf Alfred wie der Zusammenbruch aller Dinge. Er nannte sich ikren Mörder, nicht laut, aber in stummer, verzweiflungsvoller Selbstanklage. Ein jämmerlicher Schwäch ling, war er dem Versuch erlegen, seine ManneSpflicbt zu lb»n, und das lbeuerste Leben hatte seiner kindischen Selbstüber hebung zum Lpser fallen müssen. Der Jüngling verfiel in kranlhaste Schwermutb. Jahre lange übermäßige geistige Anstrengung und körperliche Ent behrung hatten sei» Nerrcnlebe» zerrüttet, seine phnsifche und seelische Widerstandskraft ausgerieden Selbstmord, Wahnsinn, Hinsiechen an« Erschöpfung waren die Graucngestaltcn, zwischen welchen eine geduldige liebevolle Frauenhant ibn binturchleilete, mit »nabläsfiger Aufmerksamkeit und treuer Hingabe, biS die zu Boden gedrückte Iugendkrast wieder zu Athem gekommen und sich z» skldstständigrin Ringen gegen die feindlichen Ge walten ausgerafft hatte. Ta der nordische Winter in diesem Jahre gar kein Ende nehmen wollte, so setzte Antonie r» nicht ohne den Widerspruch der Ihrigen durch, mit ihrem Schützling nach dem Süden zu geben. Sie besaß ei» ansehnliche-, von ihrem Gatten ererbte» Vermögen und durste al- Wittwe ihre eigenen Wege gehr». Alfred hatte damals ihr gegenüber kaum einen Willen, sondern nur die unbedingte Hingabe grenzenloser Verehrung und voll kommener Gleichgiltigkeit gegen sein eigene- Schicksal An den Ufern de» Cvmrrsre«, aus sommerlichen Wande rungen durch die Alpen erstarkte seine Gesundheit und seine Seele fand ihre Ruhe wieder. Den Herbst und einen Tdril de« Winter« brachte Antonie mit ibm in Florenz, Siena, Rom zu, erfreut und zeitweise fast erschreckt über dir Gewalt drr Eindrücke, di« der au» langer Lähmung erwachte und nach Thäligkeit dürstende Geist de« Jüngling« in dieser neuen Welt geschichttichcrMoniimente und künstlerischer Offenbarungen empfing. Alle», was iln, ergriff, strömte unmittelbar in ibr empfängliches Gemüth über — sie fühlte, daß er ihr viel mehr zu geben hatte, als sie je geahnt. Und wenn sie den Genesenen, dessen Ehrgefühl sich gegen da- Uedermaß ihrer Wohltaten sträubte, mit der Versicherung an ihrer Seite hielt, daß sie eines Führer-, LebrerS und Beschützers bedürfe, daß sie ohne ihn nicht emc Stunde länger in Italien bleiben würbe, so wußte er, baß da« keine Uebertrribung war. Antonien S Vater drang auf ihre Heimkehr, Alfred sehnt« sich trotz all deS Herrlichen, das ibn umgab, nach regelrechter Arbeit, nach Vollendung seiner Studien So wurde drr Auf bruch besck,losten Am Abend vor der Abreise, im Gasthos zu Florenz, geschah eS, daß der Bann ehrfurchtsvoller Zurück haltung, i» welchem der Jüngling zu seiner Beschützerin stand, znm ersten Male brach. Er kniete vor ihr, seine Stirn lrbntr auf ibren weiche» Händen: „Sie baden die letzten Tage meiner tbrurcn Mutter ver klär«, mich dem Leben wiedrrgegebrn — was ich bin, einst sein werde, ist Ibr Geschenk! Wie soll ick, tragen, ibr Geschöpf zu sein, da ich nicht im Stande bin, mick, anSzulöf'en?" Sie legte ihre Hände an seine Schläfe und küßte ihn auf dir Stirn. Tein Wohlergehen sei da« ikre, sie wolle und wünsche nicht», al« an seine», geistigen Leben Antkeil zn haben, als treue Schwester neben ibm stehen und die Widerwärtigkeiten de» Leben» ihn, fern ballen z» dürfen, soweit e« in ihrer Mackt siebe. Für Alfred folgten Iabre vollkommenen Selbstvergessen«, vollloinmenen Unlertauchen« in die Tiefen »nd Abgründe gelehrter Studien. Al« dann die Zeit de» Cvncentrirrn«, Dichten« und selbstständigen Schaffe»« begann, da zeigte sich, daß eine männliche Kraft die Flügel rege, von der Große« zu erwarten stand. Antonien « Vater, dessen Hauswesen sie leitete, sab ihren Schützling mit leinen allzu freundlichen Augen in seinem Hause ein- und auSacben. Alfred wurde dessen jedoch kaum aewabr, da er lbalfächiich nichts al» Gunst und Güte von feinem bochverebrten Lehrer erfuhr. Der alte Milden», drr die ungewöhnlichen Gaben de» jungen Gelehrten aufrichtig br» wunderte, setzte seinen Stolz darein, ihn wissenschaftlich zu fördern, verschaffte ibm Stipendien „nd lohnend« Arbeite», so daß Alfred odne geistige Tagelöhnere, seinen Studie» leben konnte. Fortsetzung folgt.)
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