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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931123023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893112302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893112302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-23
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Tabellarischer und Ziffernjab nach bohernn Tarif Srtra-Veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Posrdefordernng 60.—, mit Postbesorderuag 70.—. Anuahmeschluk für Lazeizea: Ab »ad-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr Morgen»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- »ad Festtag« früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annab,bestellen j« «me halb« Stunde früher. >»iei,e« sind stet« an di« Erpedittn« zu richten. Druck und Lerlog von S. Polz in Leipzig. 598. Donnerstag dm 23. November 1893. 87. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig. 23. November. Je mehr in den Interessentenkreisen die Opposition gegen die Tnbak- und die Wriiistriirrvorlagc wächst und je mehr zuRcichStagSabgcordncten bestürmt werde», diesen Vorlagen die Genehmigung zu versage», um so eifriger siebt man sich m solchen Kreisen, welche die projectirte Rcichsfinanzreforin sir unerläßlich und nnansschiedlich halten, nach anderen neuen Einiiahmegucllen für da« Reick um. Besonder« zahl reich sind die stimmen, welche für die Einführung einer Lehrfteucr rintreten. In den letzten Tage» bat sich zu liefen Stimmen auch die des württembrrgischen Oberst lieutenants a. D. E. von Schmid gesellt, der in der Zeitschrift „Der Neue Kurs" die Einführung einer solchen Lleucr warm befürwortet. Zunächst bebt der Versaftcr hervor, laß die bis jetzt bestehende Ungleichheit in der Belastung aus- gehoben werden müsse. Es liege eine nickt wegzuleuanende Ungerechtigkeit darin, daß in einem Lande mit gesetzlich ein- zefuhrter allgemeiner Wehrpflicht die wegen kleiner körper licher Gebreckcn vom Militärdienst Befreiten nicht aaderweilig, also vornehmlich durch eine Gcldabgade, zu einer Leistung für die Gesammtbeik bcrangczogcn werden sollten. Der zur Fahne einberufene Wehr pflichtige werde wahrend der Dienstzeit seinem Gewerbe entzogen und noch später durch die Hebungen seinem bürger lichen Berufe tkcilwcisc abwendig gemacht, wäbrend der für den Waffendienst Untaugliche zumeist noch einer bürger lichen Beschäftigung anstandslos nachgeben könne. Die Ein- wände der Gegner einer Wehrsteucr weist Herr v. Schmid als durchaus nickt stichhaltig zurück, denn die Ebre. dem Vaterlandc zu dienen, erstrecke sich nicht bloS auf den Dienst mit Leib und Lebe», sondern auch mit Gut und Geld. Zeder müsse dcni Vatcrlandc nach seinen Kräften dienen, und da sei der Dienst mit der Waffe natürlich immer noch als der höchste anzusehen. Allein unmöglich könne daraus als eine Art von Grundsatz gefolgert werden, daß. wer zum Dienste in der Armee nicht tauglich ist, deshalb auch nickt zu einer Ersatzleistung in Geld anzu- balten sei. Dazu komme »och, daß bei der durchaus unzu länglichen Verpflegung der deutschen Soldaten die Familien oder sonstige Angehörige zu einer Unterstützung ihrer bss der Fahne befindlichen Verwandten gerader» genöthigt seien. Herr von Schmie veranschlagt diese Unterstützungen auf mindestens 36—60 jährlich. Außer der persönliche» Dienst leistung erwachse also rcn Familien ein erheblicher Geld aufwand. wäbrend diejenigen Familie», deren Angehörige nicht für diensttauglich befunden werten, natürlich auch von dieser Sclbstbcsreiierimg frei blieben. Eine» zweiten Grund für die Einfübrung einer Wckrsteuer findet der Verfasser in der allgemeinen ReichSsinanzlagc. Man sei auf das Eifrigste bemüht, neue Steuern für die Deckung der Mchranfordcrniigeii zu finden. Man wolle den Wein und den Tabak, Len Geschäftsverkehr besteuern. WeSbalb denke man nicht daran, die Wchrstcuer einzuführen, die in Frankreich, Oesterreich, in der Schweiz, und hier ganz besonders scharf, bereits entwickelt ist? Ter Verfasser berechnet den Ertrag solch einer Wehrsteuer unter Zugrundelegung eine Grnndtare von 10 Mark auf den Kops und für daS Iabr und bei einer Vollerhebung für sieben und einer Hälskccrhebnng für fünf Zähre auf uiindestenS 2l Millionen. Er will nach dem Vorbilde der Schweiz und Oesterreich llngarns diese Summe in der Weise verwende», daß daraus die Friedensinvaliden ihre Pcn- iwnen beziehen sollten. Erwägt man aber, daß hierfür nn KeichShauShaltc mehr als 7" « Millionen Mark angcsetzl sind, daß an Unterstützungen für die Familien der zu Hebungen eingcrogenen Reservisten und Landwebrmänner zährlich etwa eine Million, daß an Dienstprämien 3 Millionen, an Hand geldern 3—4 Millionen auSgeworfcn sind, so ergiebt sich eine GesammtauSgade von etwa 14 Millionen, welche den PensionS- sontS und andere Etatstitel belasten. Diese Summen könnten auS de» Webrsteucrerträgln bestritten, und die übrig bleiben den sieben Millionen sollten den allgemeinen Einnahme» de» Reichömilitairetat« zufließen. Zum Schluß weißt der Ver fasser darauf hin, daß in Württemberg, wo, wie in Bayern, diese Steuer während der Jahre 1868—187 l bestand, und auch sonst in Süddeutsckland die Stimmen sich mehren, welche die Einführung einer Wehrsteuer fordern. Eine Fülle von Vorlagen und gleichzeitig von Anträge», wie sie der Reichstag beute vor sich sicht, ist in der Geschichte desselben, wenigsteuS bei Ansang der Tagung, ohne Beispiel, und die Mitglieder machen sich deshalb aus eine Ausdehnung der Tagung bis tief in den Frühling hinein gesaßl, auch wenn daS jeyl vorliegende Material nur zum größten Theil erledigt werben soll. Einzelne Initiativ- Anträge verfolgen augeusaieinlich nur den Zweck, der Regierung Anlaß zu geben, ihrer Stellung zu gewissen brennenden Fragen Ausdruck zu geben. Dahin gehört u. A. die Aufforderung an den Reicyskanzler, baldmöglichst den Entwurf einer einheitlichen M ilitairstrafproceß» ordnung nach Maßgabe der bayerischen Gesetzgebung vorzulcgeii. Eine jedenfalls unausbleibliche Erklärung feilen« der Regierung wirb wenigstens darüber Klarheit bringen, wie weit e« richtig ist, daß die betreffende Vorlage schon >m Lause dieser Tagung zu erwarten sei. Die „Münch. Neuest Nachr." hören von kundiger Seile, daß darauf in keiner Weise ge rechnet werden könne, obschon „regierungsseitig dieser An- gelegenheil wieder näher getreten sei". Inwieweit die- richtig ist, wirb der Reichstag unter allen Umständen erfahren. Daß auch daS Centruin seine» Zesuitenantrag lediglich als Fühler ausfaßt, gehl au« folgender Auslassung der „Köln. BolkSztg." hervor: „Leider hat sich seit dem ersten tLiabrmgeu diele« Anträge» die Stimmung der andern Parteien ihm gegenüber sehr geändert, und man muß säst glauben, daß mit der entschiedenen und Nachdruck- Uchrn Lerlretung der staatsbürgerliche» Freiheit oller Teuljchen ohne Ausnadme bas Len trum fast allein stehen wird. Einige mehr oder weniger pialonische Sympailne^Lrkiärnugen, die mit unterschiedlichen „aber" verbrämt sind, werden daran kaum viel ändern. Ja der Sache selbst macht das nichts, denn schon mehr wie rin richtiger Gedanke und «ine gerechte Sache ist lauge Zeit vom Tentrum allein versochlen worben. Auf einen langen «ainpf ist baS Ccntrum gefaßt." Dem Eentrum macht cS also nicht- au-, wenn der An trag abgelehnt wird, soscrn nur vom RegierungSlische ein Wort fällt, da» den ultramonlancn Wünschen auf anderem Gcdirtk Erfüllung verspricht. DaS französisch« Ministerium hat mit seiner in der Kammer verlesenen Erklärung Glück gehabt und seine Stellung zweifellos neu gestärkt. Niemand zweifelt da»an, daß es aus der ans heute festgesetzten Besprechung der Interpellation über die allgemeine Regierungspolilik als Sieger hcrvorgeheo werde. Sehr günstig für Herrn Tupuy sind auch dir Meldungen, die aus Dahomey einlauscn, wo General DoddS den König Bebanzin vollständig besiegt Kat. Die französischen Truppen habe» sich in zwei Colonncn dem Lager des entthronten Königs bis auf 6 Kilometer genähert und das selbe derart eingeschlosscn, daß ei» Rückzug tcS Feinde« nicht mehr möglich war. Es entstand eine Panik, und nur mit Mühe und Noth konnte Bchanzin mit einigen seiner Soldaten entfliehen. Seine Familie, seine Waffen und seinen KriegSvorrath mußte er im Stiche lassen. Acht Brüder des gestürzten König«, vier Oheime desselben und zahlreiche StainmeSbäupllinge haben sich den Franzosen unter worfen und ihnen 460 Schnellseuergewrbre, 3 Kanonen und eine Mitrailleuse ausgeliefert. Eine leichte Eolonnc ver folgt die Flüchtigen, die nur einen kleinen Vorsprung baden. DaS Schicksal Bebanzin'» gilt nunmehr al« besiegelt. Wenn er nickt gefangen genommen wird, so dürste er gezwungen sein, sich freiwillig zu ergeben, da er alle seine Mittel und sein ganze« Prestige verloren hak. Jedenfalls wird der ganze Feldzug bald zu Ende sein. Die französische Regierung wird jedoch Bebanzin mir Milde behandeln. Sie gedenkt, ihm fern von Dabomey, sei e» im Senegal oder in Algier, eine Residenz anzuweisen, wo er i.i Ruhe und fast in Freiheit wird leben können. Er wird dlo« unter der Bewachung der Franzosen stehen und sich aller Einmischung in die Angelegen heiten DabomeyS enthalten müssen. Eine weitere Ver wicklung könnte nur dann entstehen, wenn sich Bebanzin zu den Engländern nach Lagos oder zu den Deutschen uach Togo flüchtete. Seit einigen Wochen waren über den Gesundheits zustand de« Papstes beunruhigende Gerüchte in Umlauf, und speciell vor einigen Tagen nahmen dieselben einen sehr besorgnißerregenden Ebarakler an. Jetzt werden diese Nach richten auch direct au» dem Vatican bestätigt. Zwar bezeichnet eine ofsiciöse Correspondenz sie noch als „übertrieben" und weist zugleich daraus bin, daß der Papst noch am 16. November in der Peterökirche zum Empfange von 4000 lombardo-vrncliscben Pilgern erschienen ist; auch soll die Erkältung, welche der Papst sich kürzlich zugezogen kalte, bei Weitem nickt so ernster Natur gewesen sein, als dedaupict worden war. Trotz alledem kann aber selbst der Officiöse nicht leugnen, daß der Gesammtzustand des Papstes ge eignet ist, bei seiner Umgebung Beunruhigung kervor- zorusen. Daß der Papst in den letzten Wochen zu verschiedenen -Km vertrauten Persönlichkeiten Todesahnungen ausgesprochen hat, würde an sich noch nicht den dezeichneten Eindruck bewirken, da ja solle Aeußerungcn bei dem hoben Alter des Papste« nicht Wunder nehmen können. Hat er doch auch schon in früheren Iabrcn mitunter sich ähnliche Worte entschlüpfen lassen. Viel mehr Aufmerksamkeit erregt die Thatsache, daß der Papst in seinem ganzen Auftreten größere Müdigkeit verräth, als früher, wozu allerdings auch eine GemüthSdrpression beitragen mag. die, wie cs beiß«, zum Theil durch gewisse Enttäuschungen in politischer Richtung verurfacht sein soll. Dazu kommt, daß der Papst sich seit jeher nur äußerst schwer entschließt, ärztlichen Vor schriften, die seine gewohnte Thätigkcit cinschränkcn, Folge zu leisten. ES ist begreiflich, daß unter solchen Umständen die Schwäche des Papstes zuninimt und sein Zustand .mitunter ernste Besorgnisse weckt. AuS Spanien liegen nunmehr ausführlichere Mittheilungen über die zweite Note vor, welche der Sultan von Marokko durch Vermittlung seines Ministers des Aeußern, Sidi Mohamev TorrcS, an die spanische Regierung gerichtet bat. Die Kundgebung, welche im Wesentlichen nicht« Neues besagt, wiederholt zunächst die in der erste» Note enthaltene» Versprechungen und Bcihcuerungcn. Er habe, tbeilt der Sultan mit, seinen Bruder Mulen Araas an der Spitze eines Eavallerie-ContingcntS nach Binchinad, einem leider aus den besten Karten nicht aussiiidbaren geeigneten siratc gischen Puncle an der Grenze des Riff, entsendet, um die Kabylen auszusordcrn, daß sie ihre Action cinstellen und die Spanier rußig de» Bau de« Fort» von Sidi-Guariach fvrt- sctzen lassen. Anderenfalls werte er sie in strengster Weise züchtigen. Mulen Araas sei mit genauen Instructionen zur Regelung der Angclegenbcit versehen. Zum Schluffe gicbt der Sultan in »och curjchiedeneren Worten als in der ersten Note seinen, Bedauern über den Eonflict Ausdruck uud betbcucrt seine» festen Willen, die Frage derart zu regeln, daß die „Freundschaft", die er für Spanien hege und dio er zu erhalte» wünscht, keine Beeinträchtigung erfahre. Der Note ist eine Copie des Schreibens deigegeben, daS der Sultan an die Gouverneure des Rifs gerichtet hat und worin betont wird, daß die Spanier zum Bau de« Fort» von Sidi-Gnariack berechtigt seien, da ihnen da» betreffende Gebiet abgetreten wurde, so daß sie über dasselbe nach ihrem Ermessen verfügen können. Er tadelt die Gouverneure streng wegen der Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Spanien, fordert sie aus, sich den Weisungen seine« Bruder« unverzögert und bedingungslos ru unterwerfen, und droht ihnen im Fall ihrer Weickerung seinen Fluch und die sa werste Züchtigung an. Ob und in welcher Weise der Sultan sich in der Note über die Frage der von Spanien geforderten Entschädigung äußert, ist nickt »nt Sicherheit festzustellen. Eine Version lautet dabi». daß der marokkanische Herrscher bei allem sonstigen Entgegenkommen die Erfüllung dieser Forderung ab lehne. Nack einer anderen Darstellung wird diese Frage in der zweite» Note ebenso wenig berührt, wie in der ersten. Daß eine zustiuimendc Antwort des Sultans in diesem Punrte nickt erfolgt ist. scheint übrigens schon aus dem Umstand« hervorzugeken, daß die ofsiciöse» Mittheilungen über den Inhalt der zweiten Note bezüglich der Gclkentschädiaung nicht« entkalken. Um so weniger ,st ans einen Erfolg der Note zu rechnen. Der Tod des Fürsten Alexander ist für Buk,arten ein bedeutungsvolles Ercigniß So langc Fürst Alexander lebte, lebte auch die Erinnerung a» ihn m den Herzen der Bulgaren und mit dieser zugleich die Trauer, daß er nicht mehr ihr Beherrsche« sei- Vielleicht geschickt dem j-tzizen Fürsten, der sicherlich auch da» Beste BulggLienS will und nickst dlo« seine schönste Zeit, sondern auch Hin Vermögen opfert, Unrecht dadurch, baß daS bulgarische Volk für seinen ersten Fürsten eine schwärmerische Verehrung behält; aber die Thatsackie an sich ist unleugbar, und daher warGrafHartenau, so lange er lebte, ein Hinderniß für die Volks tbümlichkeit de» jetzige» Fürsten, da zwischen diesem und dem Volke jederzeit das Bild AleranderS austauchte Das gilt iiamoiitlich von dem Heere, weil eben der Unter schied zwischen dem Soldatensürstrn Ales ander und dem im Gotlesgnadcntkunl ausgehenden Ferdinand ein so gewaltiger ist Daker wird dieser, so sehr er menschlich da« tragische Geschick seines Vorgängers mitsühlen mag, über die eingcirctene Wendung nicht unglücklich sein, und — urtheilt man bloS nach politischen GesichtSpuncten — so kann man in der Thal das Ableben des keltenhasten Alexander nur als ein Moment bezeichnen, LaS die innere Ent» Wickelung Bulgariens erleichtern wird. Deutsches Reich. 0 Berlin, 22. November. Eongrcß der Tabak» ar beit er Deutschlands. Gestern wurde von den Dele gieren die Berichterstattung über die in ihre» Kciinatblichen Bezirke» vorhandene Lage der Tabakindustrie und der Tabak- arbeiler fortgesetzt, wobei nicht selten die Haltung national- liberaler und conservativer ReickStagSadgeordneter angegriffen Leben um Leben. löj Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachdruck »erdotni. (Fortsetzung.) Ein halb Dutzend trübselige Tage hatte Hildegard bei der üwßmutter verlebt, da trat eines Vormittags Antonie Rolofs Haus. Hildegard Hatto sie vom Fenster aus kommen icben, war ikr entgegengeslogc» und blickte jetzt, in ihre Um armung gezogen, mit tbräncnvei'chlcicrten Augen in die liebe voll fragende» ihrer verehrten Beschützerin. „Du siehst nickt aus, als wäre eS Dir heimatblich zu Mistbe, meine arme liciiic Hilde!" Hildegard schüttelte mit »lübsaincm Lächeln den Kops. „Mir ist »ilincr, als müßten diese hoben Häuserreihen über mir zusammeiiznsiinzcn. Der Straßcnlärm macht mir den Kops so wirr, tie vielen Menschen beängstige» mich. Ick muß iuiincr denke», we.S Jeder von ihnen wobi tbun und treiben mag, und versiebe nicht, wie sic mit und neben ein ander Raum zum Leben finden." ,^Du sebnst Dich »ack Deiner ländlichen Freiheit, nach Feld und Wald, »ack De nen junge» Geschwistern, mein arme« ringcsperrteS Vögelchen. T» wirst »lick jcvt oft be suchen, und wir werde» überlege», wie Tn Dein Leben ein- nchtkst. Jetzt führe mich ;» Deiner Großmutter." Dir Lberaiiitmännin hatte sich von jedem Verkehr zurück gezogen. ließ c« aber beim Empfang eines so bochangesebcnen Gastes nickt an der altmodische», stattlichen Höflichkeit fehlen, die ihr sehr wobt zu Gebote stand. Tic Rede kani bald aus Antonien» Vater, mit welchem Frau Markwalv befreundet gewesen. „Wie gern tanzte ich mit ihm! Er war der beste Mazurkatänzer, abgesehen von den Polen, natürlich " Antonie lächelte, sie konnte sich ihren verehrten Vater, der seinen sammctncn Scklasrock mit derselben Würde zu tragen pflegte, wir den Frack mit dem OrtenSstern, nicht im stu dentischen Schnnrrock als wilden Mazurkatänzer vorstellen. Tic Lberamtniännin emäbltc behaglich weiter, von ibiem Elternhaus, in dem eö lochst einfach herzegangen sei, wie damals nach den schweren Kriegszeilen überall in der Pro vinz, da» aber nichtsdestoweniger siet» von Gästen angefüllt gewesen, besonder» al» sie und ihre Schwestern junge Mäd chen gewesen — und nickt häßlich! fügte sic mit schalkhaftem Seitenblick »ach der atbemloS lauschende» Hildegard binzu: „Ein Sonntagnachmittag durste nicht obne Tanz und Pfänder spiel vergeben. Im Jahr zwciunddrcißig, nach der Niederlage Gielgud'S an der Grenze, schwärmte die Stadt von übcrgc- tretenen und verbannten Polenosficiercn. Ach. waren da« seine und schöne Leute! Ihr gebrochenes Dcntsch und unser schlechtes Französisch, was gab das für Spaß! Hilde, reiche mir einmal das Bildchen dort links über dem Schreibtisch!" Es war eine Elsenbeinniiniature von geringem Kunftwertk, einen junge» Mann mit braunerStirnlvcke und schwärmerischem Ausdruck, in grün-rother Unisorm darstellend. Die Groß niulter lächelte ihm zu, indem sic einen schwierigen polnischen Namen nannte. „Er war ei» Tapferer und liebte sein unglückliches Vater land mit leidenschaftlicher Hingebung. Er war reich und hat Alles geopfert — ist später in Par!« traurig zu Grunde ge gangen Dein Großvater, Hildegard, mein Bräutigam damals, war sehr eifersüchtig aus ib». Wenn ick mit ibm tanzte, war mir» nickt anders, als ob ich dem Himmel zuslözc. Al« ich heiralbetc, drobtc er, sich zu erschießen. Er kam dann nicht mehr in« Haus, Dein Großvater litt es nickt." „Großmutter", sagte Hildegard, „Tu mußt mir noch viel — viel von Deiner Jugend erzählen." „Thal ick'S noch nicht? Za. Kind — erinnere mich nur daran. In der Dämmerstunde beim Etrickstrumpf." Die Gegenwart Antonie» S, ihre feine und sympathische Erscheinung, die liebenswürdige Tbeilnabme, die sich obne viele Worte kunttbat, hatten wie mit einem Zaubcrsprnch die mürrische Schweigsamkeit der Alten in freundliche Gesprächig keit verwandelt." Beim Abschied bat Antonic: „Schicken Sie mir Hildegard morgen, Frau Lberamtmann! Aus den ganzen Tag! Vor mittags ist mein Mann nickt zu Hause, da können wir un gestört mit einander plaudern." Da« ansehnliche Hau«, dessen Oberstock Professor RoloffS inne batten, tag. beträchtlich dinier die Straßenfront zurück- trerend, aus de», Porte, rvßgarten, inmitten großer Gärten, die sich bis zum Sckloßteich erstreckten. Tic Rclosfsckic Wobnung lag in der Koperaiku-straßc, einem von Gärten umgebenen stillen Winkel inmitten der Haiiptsiraßen der Statt. ES war ein vorneknie« und be hagliches Heimwesen Sehr allmälig Hegriff Hildegard, die erst nur den Eindruck einer wohllhuend edcln Harmonie empfand, daß die Wahl der Farben, die Gediegenheit der Stoffe, der feine Geschmack in der Ausstattung und Anorvnnng der Räume, der Kunstwerth der Bilder und >LlatuktIe». welche hier und da den Schmuck derselben bildeten, diesen Eindruck mit Bedacht und Ueberleguna hervorgerusen batten. Sic fand Antonie nicht allein, sondern in Gesellschaft einer schwarzgikleideten Dame, die sic als ihre Jugendfreundin vor- stellte. Fräulein Ehrhardt war eine der gesuchtesten Musik- lebrerinnen der Stadt, und Antonie pries den Zufall, der sie eben jetzt bergeführt, da sic gern Hildegard s musikalische Fähigkeiten einer sachverständigen Prüfung unterwerfe» wollte. In Folge dessen gruppiric ma» sich um den schönen Flügel. Julie Ebrbardt sprach Icbbast und entschieden, mit einem etwa- scharfen Organ, ihr regelmäßig geschnittenes Gesicht war spitz und gelb, aber Güte und Klugheit strahlten au« ihre» Augen und ibr ganzes Wesen batte eine vertrauen erweckende schlickte Geradheit. Fast mit Erschrecken nahm Hildegard wabr, daß ihre Haare bereit« ergraute». Und sie war mit Antonie zusammen jung gewesen! Die Prüfung ergab kein zufriedenstellende« Resultat. Hilde gard besaß »iusikaliichcS Gebör, vielleicht auch Stimme, aber ihre Finger ermangelten der Beweglichkeit und ihre technische Vor bildung war gleich Null. Eine Musiklebrerin ließ sich schwerlich au« ibr machen. Julie Ehrhardt tröstete, dies sei ei» Berus, z» welchem man eigentlich oon der Natur mit einer doppelte» Garnitur Nerven und Geduld ausgerüstet sein müßte Es würde fick schon etwas Bessere« für Fräülein Hildegard finden. Sie begleitete dann Antonie mit kunstgrüblcr Hand zu einigen Liedern und Arien, welche diese mit mäßige», aber wobl- geschulten Stimmmitteln und edel innigem Vortrag sang. Hildegard lauschte entzückt und bewegt, sie glaubte Antonie immer mehr lieben zu müssen, je näher sie sie kennen lernie. Mitte» in einem Liede brach Antonie ab. „Verzeih', Liebe", bat sie. „ich höre meinen Tyrannen im Vorzimmer. „Bitte spiele noch etwas, oder plaudere ein wenig mit Hildegard, ich bin gleich wieder hier." „Laß mich Dir gleich Arie» sagen HerzenStoni", erwiderte Fräulein Ehrbarbt, küßte die Freundin und raffte ihre Noten rusammrn. „Ich will Dick um keine Minute de« Zusammen seins mit Deinem Mann bringen, ick weiß, sie sind Dir nicht allzu reichlich zugezählt." „Ter Professor ist keine gesellige Natur", sagte Julie zu Hildegard, welche sie >n da« Vorzimmer begleitete und ihr beim Anlegen ibrer Sachen half. „Antonie tbut mir trotz ihre« ehelichen Glücke» manchmal in der Seele leid. Sir ist gern in Gesellschaft und besitzt alle Eigenschaften, in derselben u glänzen. Aber Roloff hat keine Zeit und keine Gedanken ür gesellige Genüsse übrig. Ich glaube, sic haben im Herbst nur die nolbwcntigstcii Antrittsbesuche gemacht, und Antoniy ist in der Hauptsache auf ihre paar altmodischen und ver brauchte» Jugendfreundinnen angewiesen. Adieu, liebe» Fräulein Hildegard. Sie junges Blut können etwa« Sonnen schein und Leben in dies stille Hau« bringen, aber seren Sie vorsichtig mit dein Professor." Tic Warnung war Hildegard unverständlich und hätte sie beinahe »m den Rest von Unbefangenheit gebracht, über de» sie Roloss gegenüber verfügte. In solch innerer Abhängigkeit wie zu ihm, rcr in verkängnißvoller Stunde über ibr gewacht, der ihrem Leben eine neue Richtung gegeben, balle sie sich neck zu keine», Mensche» au> Erden gefühlt Der Gedanke, ibm wieder zu begegnen, batte sic lebhaft beunruhigt, al» sia in Ratlaulen krank in ihrem Stübchen gelegen. Sic fühlte sich ganz erleichtert, als er ibr dann bei ihrem ersten Erscheinen in de» Wohnzimmern nach einem herzlichen BcgriißungSwort und Händedruck keine weitere Beachtung schenkte Die Herren fuhren öfter« auS, unterhielten sich z» Hause mit Billardspiel, oder stritten über politische Frage» herum Zuweilen sab Hildegard vom Fenster a»<> zu, wie Reless die Knaben an Reck und Barren turnen ließ, mit soviel Esser und körper licher Gewandtheit, als gäbe es keine Folianten und Eodice« in der Welt. Antonie tan, zurück und es tauerie dann noch lange, bi» man zu Tisch geben konnte, da ein eollegialischcr Besuch den Professor in seine», Sludirzimmcr fcstbielt. Endlich Körte man den Herr» sich entfernen. Antonie erklärte resignirt. daß nia» wie gewöhnlich eine verdorbene Mahlzeit befomiiicn werke. Bald daraus trat Rolrss ein, inil wirr über der Stirn eniporncbenteiii Haar und Augen, die M weite Ferne zu schauen schienen. „Wciitclin laßt sich Dir empfehlen", sagte er zu seiner Frau, indem er ihre Hand, die zärtlich schlichtend durch sein Haar glitt, an seine Livpcn zog „Er brachte inir die ersten Hefte seine« Werkes Eine Riesenarbeit an Fleiß und Gelebrsainkeir, soweit ick seben kann, aber — ich weiß nickt — der Grundczedanle „In siebst nickt. Lieber", uiilerbiach Antonie, „wir haben einen Gast. „Ach — Verzeibung!" Roloff wandte fick an Hilregard und reichte ibr die Hand. „Die gebt cs Ihnen, Fräulein Markwald?"
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