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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893112702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893112702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-11
- Tag1893-11-27
- Monat1893-11
- Jahr1893
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Vez«s*Vrett » h« tzauptqpedttio" L^r?A"iNLÄ'ÄL K D^schlaad «ud QB«««Z: vieneliLhrltch >» 6 —. Dtrerte > »gliche tkreu-txmdseadurig io« Lurt-n»' msoaUtch 7üO. DüMorzru-Nasgab« « hi» Udrlch-Ansgab« Lr-ntion ao- Lrpe-Uion: -»hannes-affe 8. NkLweditton tflWocheutag« ununterbroch», -»Gott voa srüh S bi- Nbeud» 7 llhr. /ilialru: vtt» «<»«'» Lavti». MIfrr» UuivrrsitLtSstraß« 1, L.uis Lös»». I^t»rill»uftr. 1». pari, ood SSmgspla- 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- »nd Geschäftsverkehr. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzcile 20 Pfg. Reclamea unl»r dem Redaclionssirich (1-»- spalten '<6^. vor d»n Jamiliniaachrtchtni (Ogelpa'.lens «o^. VKotzere Schrskt«» laut unserem Preis- verztlckniß T-d»llatttcher und Msirros»- nach höherem Ions. Extra-vrita-cn (g»kal»o, n»r mit d«e Morgen-Ausgabe. ohne Poslbetörderuag ./t M—, mit Posibefbrderung 70.—. TinaahmeschluK sir ^uzri-tn: Abend-Ausgabe: Bimakttags 10 Uhr. Marge «-Ausgabe: Nachm,tka-0 4 Uhr. Sonn- »nd Festtag« früh llhr B»i d«n Ailiaten und Annahmestellen je »ioe datb» Stunde früher. Anreißen sind stet« an di» Ox>evtti»» zu richten. Druck ood B«rlan von E. Pol» i» Lechzt-. KOS. Montag den 27. November 1893. 87. Jahrgang. politische Tagesfchau. " Lrihzi-, 27. November. Der Reichst«- tritt beute in die erste Berathung des Etats. Daß dabei die Frage der Nothwrndigkeit einer Reickssteuerrrsorm wenigstens gestreift werken wird, liegt i» der Natur der Sache. IedeusallS wird dabei von der Opposition die schon oft ausgestellte Behauptung wiederholt der bekannte Resormplan. besonders die in ihm vorgesehene Sicherstelluna eine« Zuschusses an die Bundesstaaten durch das Reich, sei hauptsächlich ans das Finanzbedürsniß Preußens zugrschnitten. Es wird jedoch leicht sein, diesen Einwurs z» entkräften. Die Finanzlage Bayerns, Sachsens, Mecklenburgs beweist das Gcgcntbeil. Ganz besonders schlagend aber ergiebt sick die dringende Nothwendig- keil der geplanten Reform aus drn in Baten berrscheiiten PerdältiiiNtn, wo mit Rücksicht aus die Verschlechterung deS siiuiuieÜeii VerbälinisseS zum Reiche, die schon im lausenden Keichsekat auch unabhängig vo» den Mehrkosten der Militair» rorlage eingetretcn war, erne Erhöhung der Einkomiucnsteuer um elwa eine Million Mark in Aussicht genommen ,st. Der Zuschlag beläuft sich auf 25, Procent der jetzt zur Erhebung gelangenden Steuersätze; vom Zu- Mgr frei sollen nur die Einkommen unter 000 blote». Baden hat rund zwei Millionen Einwohner. Ler Ltruerzuschlag deckt sonach den Mehrbedarf a» Matri- nilarumlageit durch eine Belastung von rund 0,5« Mark auf tm Kopf der Bevölkerung und bedeutet mithin für Baden genau so viel wie für Preußen ein Zuschlag von 15» Millionen Mark. Der .u dem lausenden ReichShauSbaltsetat aus- gedrachte, durch die Mchrüberweisiniczeii nicht gedeckte Mehr bedarf an Malricularumlagen betaust sich abzüglich der MebrauSgaben für die Militairvorlage auf rund 9*/n Mill. Mark, da» macht rund 0,20 Mark auf den Kops der Bevölkerung. Rechnet man diesen Betrag zu der in Baden ohnehin für nötlüg erachteten Steuererböhung hinzu, so ergiebt sich dort ei» TklkingSbcdürfniß von 0,70 -L auf den Stopf auS Anlaß der TlErnng in den finanzielle» Verhältnissen zum Reich. auf den Kopf bedeutet für Preuße» 20—21 Millionen Äark; wenn in Preußen 24 Millionen au- Reichszufchuß zur dmcrnden Herstellung des finanziellen Gleichgewichts für Mig erachtet werden, so gebt man da.nie hiernach nur sehr wenig über daS hinaus, was in Baden als Bedurfuiß er scheint. Die dauernden Mehrausgaben aus Anlaß der Mili- tairvorlagc beziffern sich auf rund l,IO auf den Kops der Bevölkerung, würden daher, wenn sie im Wege der Matri- cularumlagen ausgebracht werden müßten, eine Erhöhung der letzteren um l,IO auf den Kops bedingen. Das macht für Baden eine Erhöhung tim rund 2,2 Millionen Mark. Müßte, wie anzunehmen, dort dieser Betrag wiederum durch Zuschläge zur Einkommensteuer aufgebracht werden, so würde dadurch eine Erhöhung des zur Zeit geltenden Steuersatzes um 5,5, Proccnt bewirkt. Rechnet man dazu die Erhöhung ven 25» Procent, welche jetzt schon in Aussicht genommen ist. und diejenige von 10 Procent, welche zur Deckung der, auch abgesehen von der Militairvorlagc im nächstjährigen Etat vorgesehenen Erhöhung der Malricularumlagen nötbig werden wird, so ergiebt sich, daß ohne die Durchführung der RrickS- finanzreform für Baden eine Erhöhung der Ein ko in incn- slruer um So Procent, also nahezu eine Ver doppelung der Steuer, nothwendig werden würde. Diese Zahlen sprechen für sich. Mit der bereits gemeldeten Einrichtung eines besonderen iti-arischcn Hofstaates ist ein lang gehegter Herzenswunsch Ungarns erfüllt, und die Nation wird eS Wekerle hoch an- rechnrn, daß er dirS erreichte. Die Bannerherrcn der Länder » Fcuilletsir. Leben um Leben. 18s Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. 9!»chtru<t v«I>«,c>u (Fortsetzung.) Antoniens Erscheinen brachte keine Störung hervor — man beachtete sie kaum; und reichte idr Alfred einmal, wenn sie in seine Nähe kam, schweigend die Hand, so begegnete sie einem Blick, auS dem ihr ein stilles warmes GlückSgesühl entgegen leuchtete. Auf seinen Wunsch — damit sie infolge seiner Abneigung gegen das GesellschastSleben nicht zu viel entbehre — ver sammelte Antonie ihre jungen Freunde jetzt regelmäßig an den Sonntagadcnden in ihrem Salon. Ob ihr die« Verlangen ihre- Mannes Gutes oder Schlimmes bedeute, war ibr selbst nicht klar. Er widmete sich dann wobl seinen Gästen ein Stündchen, was als außerordentliche Gunst be trachtet wurde. Tie Beobachtung dieses fröhlichen, harmlosen Treibens, dieses „Neigen« von Herzen zu Herzen", daS sich m aller Unschuld allmälig offenbarte, mochte einen schwer- mütbigen, uncingestandenen Reiz für ihn haben. Einmal hörte er Hildegard ein Gedicht kcclamiren und konnte sich an dem Klange ihrer schönen, etwas tief liegenden Stimme, in welcher der beiße Pulsschlag ihre« Gefühls ribrirte, nicht ersättigcn. Er ließ sich durchaus anregen, selbst gelegentlich eine Stelle auS dem Faust, auS Shakespeare oder Sophokles vorzutragrn. Erschien Julie Ehrhardt, so wurde musicirt. Lasten halte einen hübschen Tenor und sang mit Varta Garve Duette, übte auch wohl eigen- mit ihr etwa- für diese Abende ein. Wurde zum Schluß bei einer Flasche Rheinwein rin senrigeS Stndentenlieb angcstimmt, so fehlten die Stimmen des Hausherrn und der Hausfrau nicht. Waren die GebeimrrtdStöchtcr nicht zu habe», so blieb die Unterhaltung gewöhnlich ernst und bewegte sich vielfach nur unter den Männern, Gegenstände ihre« speciellen Interesse« behandelnd, während Antonie und Hildegard aufmerksame Zuhörerinnrn waren. Zuweilen lud Roloff die Studenten zu einer Cigarre in sein Zimmer, wenn Tinge von besonderer Wichtigkeit Vorlagen. Für Richard Lasten, der vor seinem theologischen Eaadidateorkarne» stand, war es eine Bergllnfti- §»»g von hohe» Werth, wenn er sich gegen de« Professor der StrfanSkronc werden fortan bei allen staatsrechtlichen und höfischen Functionen, welche Ungarn und seine Staats angehörigen betreffen, zur auSschlteßlichen Dienstleistung um dir Person des Königs berangezogen. Auch wird eine ständige Repräsentanz de« Hofstaates für Pest, eine An ungarischen Oberstbosmeister-Amtes, geschaffen werden. Ungarn bat damit erreicht, was es selbst zu Zeiten seiner größten Selbstständig keit seil vier Jahrhunderten nicht besessen; kenn seit den An fängen des 10. Jahrhunderts bat ei» eigentlicher ungarischer Hofstaat niemals existirt. Auch in Oesterreich ist man mit der neuen Einrichtung zufrieden, wenigstens schließt die „N. Fr. Pr." einen längeren Artikel über die Angelegenheit mit den Lätzen: „Der politische und staatsrechtliche Tbeil der Frage des Hofstaates ist nunmehr i» der glücklichsten und gedeihlichsten Fori» erledigt. Ungarn tankt dieselbe rer Hoch herzigen Entschließung seines Herrschers und dem Tacte seines Ministerpräsidenten." lieber die Ursache der in Frankreich so rasch und un erwartet eingctrckeneii EabinelSkrisis liegen heute einige ausklärende Melkungen vor. Sv wird auS Paris vom 20. d. berichtet: Der Sturz de? MiilisteriuiilsDuvuy war die directe Folge eines TheatercoupS der radicale» Minister Peytrat »nd Terrier. Dieselben hatte» bereits am Freilag Morgen ihre Ent lassung gegeben, waren aber bestimmt worben, ihr Gesuch bis »ach Beendigung der Interpellation zu verschieben, damit die Kammer, welche bisher noch kein politischer Votum abgegeben halte, sich entweder im gemäßigten oder radikalen Sinne entscheiden könne. Nach der gestrigen Rede Le? radikalen Goblet trat eine kurze Pause in de» Berhandlunge» ein, wädrrnd welcher Peytrai »nd Terrier ihren radikalen Freunden Brissoa und Peltetnn osse» erklärten, daß sie bereits ihre Entlastung gegeben hätten. PeNela », dee zunächst auf der Rednerliste staub, stellte >osort sest, daß kein Cabinet mehr vorhanden sei. Brisso» und andere Radicale bestätigten, daß der Finanzininister Pennal bereits seine Enllassung gegeben. Unter allgemeinen! Tumult zogen die Socialislc» Millerand und Jauros ihre Interpellation zurück, »nd da hierdurch die Tagesordnung erschöpft war. blieb nichts Anderes übrig, als die Sitzung zu schließe». Die Gemäßigten dachten »inen Augenblick daran, dir Interpellation unter einer anderen Form wieder au'zunehinen, tarnen aber wieder schnell davon ab, da die radicale» Minister, die aus Aerger über ihre Entfernung aus dem Eadüiet das ganze Ministeriui» stürzen wollten, schließlich den Gemäßigten eine unaimenehme Ausgabe erspart haben. Dupun reichte daher gleich »ach Schluß her Sitzung dem Präsi denten Earnot die Entlassung des gesaminten Cabinets ein, in der Hossnung. dasselbe wieder errichten zu können mit Ausschließung der Radikalen Peytral, Terrier, Bictt« und Biger. Nach einer andere» Version bat Herr Dupny in der De batte, die an seine Erklärung sich lnüpste, eingcscbeu, daß er den radicale» und socialislischen Rednern nicht gewachsen sei und unter seinen College» auch keinen Kämpser besitze, der eS mit solchen Gegnern ausnehnic» kennte. Daraus soll er die Ucberzengung gewonnen haben, daß er seiner Ausgabe nickt gewachsen sei. Iedcnsalls ist die Lage eine äußerst ver worrene. Die günstigere parlamentarische EvnsteUalion, die durch die Neuwahlen geschaffen sei» sollte, erweist sich dieser Ministerkrisis gegenüber vollständig illusorisch. Wenn eS Herrn Dupuy auch zweifellos gelingen wird, ei» neues Eabinet zu bildet«, Herr der Situation wird er schwerlich werden. Die italienische MinisteririsiS ist ihrer Lösung, wie eS scheint, noch keine» Schritt näher gekommen; auS der Menge verworrener Nachrichten, die aus Nom verbreitet werde», geht nnr daS Eine bervcr, daß die Stimmen sich »lehren, die auf den jetzigen Präsidenten der Depntirtcn- kammer. Zanardelli, al» den geeignetsten Nachfolger Giolitti'S Hinweisen. Zanardelli ist wie Giolitti, dem er auch politisch am nächsten steht, Norditalienrr. Im Jahre 1829 zu BreScia geboren, studirtc er nach abgeschlossener Schulbildung in Pävia dir Rechte und nahm kann i» den Jahren 1818—19 an der Erhebung gegen Oesterreich Tbril. Nack deren Nnlrrkrückung flüchtete er, wurde jedoch 185» 1 begnadigt und kehrte nach seiner Vaterstadt zurück, wo er bis 185,9 al» Privatlcbrer lebte. Nach der Vereinigung der Lombardei mit Italien wurde Zanardelli in daS Parlament gewählt, in dem rr sich der Linken anschloß. Nacktem er im Jahre 1800 am Zuge Garibaldi'» nach Sizilien theilgenommen hatte, oraainsirlc er 1800 alS königlicher Eommissar dir Provinz Bellnuo. In den Ministerien der Linken war Zanardelli >870—77 Minister des Inner», in welcher Eigen schaft er die Wahlrcsornt turchsührte, dann bi» 1888 und wieder »ach 1887 Iuslizininister. Der Kammer gehörte er seit seiner erste» Wahl nnunlerbrochen an. Dir äußerste Linke wurde freilich mit der Ernennung Zanardelli'S zum Eonscilpräsidciiten wenig zufrieden sei», wie sie denn auch sogleich am erste» Tage »ach der Eröffnung der parla mentarischen Session gegen die Leitung des Kamnierpräsitilliiis prolestirle, weil dieses im Hinblick aus die ltunullnarischen Sccnen die Sitzung schloß, ohne Imbriani und Genoffcn Gelegenheit zu geben, ihr Prostet zu entwickeln, nach dem da« Eabinet Giolitti in Anklazczustand versetzt werden sollte. Spanien ist, wie auS den im Morgcnblatte milgethcilten, nach Schluß der Redaktion cingetrvffcncn telegraphischen Meldung:» bcrvorgchl, »eck einmal um eine Muiister- krisiS wegen der niaroklanische» Angelegenheit berum- aekonime». Nicht der zögernde Krieg-minister, sondern Martine; EampoS ist mit kcni Oberbefehl in Mclilla betraut worden. Daß er energisch vorzngeken gedenkt, beweist die folgende, uns soeben aus Madrid zngcbende Depesche: ..Marttuez EampoS kam gestern auS Barcelona an »nd coaseririe mit der König in und dem Kriegs», in ister Dir RegKruiig ist nunmehr entschlossen, ihrer Zögeruugspolitik dem Sultan gegenüber ein Ende zu machen. Marlinez Contpos wird beule »ach M-Iilla abreise» und den Kamps mit aller Energie ausnehmen." Freilich rückt nunmehr die Gefahr eines criisren EonslictS richt nur mit dem Sultan, sontrrn auch m.t England nnd o>e Möglichkeit einer Rez>crungstrlslS infolge eiucS solchen EonslictS wieder näher. Von Serbien aus ist noch gestern in Abrede gestellt worden, daß auch hier eine Ministers risis eingetreten sei. A»S den deute vorliegenden Nachrichten gebt jedoch hervor, daß in der Tbat ein Eabinetswechsel bevorslcbt. Der „Köln. Ztg.- wird nämlich auv Belgrad vom 25>. d. lelegraphirt: „Gestern spat Nochls erschienen alle Minister in der Konigs- hurg »nd Übergabe,> dem König ihre Entlassung. Ter König Alezander, der »och keine «nügilttg» EiiticheiLung getrosten hat, cvnserirt soeben mit hervorragenden Staatsmännern aus allen drei Parteien. Das Eabinet Totitich benutzte den Cvnslict inlt Cesterreich-Nngarn als Anlaß iür seine» Rücktritt, jedoch der wahre Grund liegt in der Uneinigkeit de? radicale» Ab- geordnctrnclubs, dessen Mehrheit mit der gegenwärtigen Re gierung nicht weiter arbeiten will. Oisicivs batte die Regierung allerdings noch in letzier Stunde Beschwichligungenachrichten ver breiten lassen." DaS Minisicrium Dokitsch, das seit dem Staatsstreich und dem Regierungsantritt des jungen König« in> Amt ist, stand schon seil geraumer Zeit aus schwachen Füßen. Vielleicht hat eS niemals ans besonders festen Füßen gestanden. Seit nun noch sein «pii-itm. i eob»r> Doltisch selbst, in Abbazzia lebcnSgesährltch erkrankte, ohne bisher seine Gesundheit wieder zn erlangen, waren die Tage des Eabincls gezählt. Einige auch in Belgrad kürzlich ans Lickt beförderte Unter schlagungen öffentlicher Gelder scheinen die Krisis beschleunigt zu haben. Als Nachfolger erwartet man allgemein da« Haupt der raticalcn Pari«, den derzeitigen serbischen Gesandten am Petersburger Hose, Hcrrn Pas lisch. In Grieche»!«»« und wobl auch im Auslände glaubte man voraasscben zu tönuen, daß da« Erscheinen de» russischen Geschwader« im PiräuS zu Kundgebungen politischer Färbung Anlaß geben werde. Diese Annahme stützte sich nicht so sehr aus die in Griechenland gehegten Lympalhien sür Rußland, die ja eigentlich im Allgemeinen ziemlich lau sind, sondern vielmehr aus die seit irher be lebenden und bei allen Gelegenheiten bekundeten Freunkschastß- gesiniiungcn der Griechen snr Frankreich. Es dätte auch lhatsächüch nickt befremden können, wenn der Freudentaumel der Fraiizosc» über den russischen Flottenbesuch in Alben angesichts desselben Geschwaders, da« dir Franzosen so enthusiastisch ausnahiiicn, einen mehr oder minder starken Nachhall >» Griechenland geweckt hätte. Um so beachten« weribcr erscheint eS daher, daß da« Entlausen der russischen Schisse im Piräus weder dort noch in der griechischen Haupt ^ statt irgendwelche Kundgebungen bcrvorgeruscn bat, abgesehen von der bereits gemeldeten Prügelei, bei der zwei russische Matrosen am übelste» wcgkamcn. Die Gleichgiltigkeit, welche bei der Antunst des Geschwader« an den Lag gelegt wurde, ist auch seither nicht geschwundrn, obschou die vkrschicdencii, mtt der Anwcseiihcit eines fremden Geschwader« verknnpslr» Vorgänge, spccicU der Empfang de« Admiral« Avcllan unk der anderen Echiffscoinmandanlcn durch km König, das ibm zn Eoren veranstaltete Hosdmer, dir Besuche der russische» Lfsicicre bei griechischen Würdenträgern und ausländischen kiplomaiischen Vcrtrrlern u. s. w., falls bei der Bevölkerung die Neigung dazu verbanden gewesen wäre, gewiß zu Kiindgebungc» sür die russischen Gäste hätten Anlaß bieicn können. Wie e« beißt, wirk die Anwesenheit de- Geschwaders im PiräuS sich ans zwei Monate erstrecken. Infolge des Umstandes, daß der an-lo-indische Unter händler, Sir Mortiiilrr Durand, au« Kabul nach Pcsä>awnr unerrvartrl rurückgekehrt ist, ist drn englischen Politikern ein Stein vom Herzen gefalle». So lang« die Gesandlschasl auf afghanischem Boten weilte, wich auch die Befürchtung nicht, daß sie irgend einer orientalischen Hinterlist zum Opfer fallen könnte, wofür eS an Deisvielen an der Vergangenheit der englisch-asgbanischen Beziehungen ja nicht fehlt. Nun Sir Morlimcr Durand mit heiler Haut au« drr Höhle des Löwen zurückgekommen, ist die Freute groß, umsomehr, al« versichert wird, daß rr die ibm gestellte schwierige Ausgabe in überaus glücklicher Weise gelöst habe. Nickt »»r, daß die Ursache» all der in den letzten Jahren zwischen Indien und Afghanistan erörterten Grenz- streitigkrilen au- rem Wege geräumt sink, der englische Gesandte bat eS auch verstanden, den Emir Abdurrbaman zu überzeugen, daß letzterer seinen eigenen Interessen gar leine» besseren Dienst erweisen kann, als durch rückbalt- und bkbingungslvfen Anschluß an die Politik der angle-indischen Regierung. DaS Bestreben der letzteren ging bekanntlich daraus hinaus, zwischen der asiatischen Machlsphäre de« britischen »nd de« russischen Weltreiche« einen Puffer staat in Gestalt eine« in Wahrheit von den Directtven der Kalkuitacr Regierung abhängigen Afghanistan- zn schassen. Nun, wenn der Emir wictlich aufrichtige Freund sckaft für England hegt und gewillt ist, ihm die gewünschten Dienste gegen Rußland zu erweisen, so wird er ln der Zu kunft ost grillig Gelegenheit zur Erprobung seiner SinneSarr laben. Denn daß der diplomatische Erfolg Dnrand'S drn Gang der mittelasiatischen Politik Rußlands ernstlich behindern sollte, erscheint wohl ausgeschlossen. Ja, die Wahrscheinlichkeit über Gegenstände de- Wissens und Glauben-, die ibm inner lich zn sa affen machten, auSs^rrchen durfte. Mit der Zeit stellte c« sich heraus, daß der Höhepunkt dieser Rolofsschen Sonntagabende erst nach Schluß — daS heißt, aus dem Heimweg der Gaste lag. Oskar hielt eS für seine Rittcrpslicht, die hübschen Schwestern bis vor ihre Tbürc zu geleiten, obgleich ihr Dienstmädchen stets pünctlich zur Stelle war; und da er den Hausschlüssel in seiner Tasche trug, so Ivnnte Hildegard sich nickt von ibm trennen. Richard aber dünkte der doppelte Weg noch viel zn kurz, denn Hilde gard, die ihn frcuntschastlich und vbne Umstände wie eine» jüngeren Bruder bcbandelte, erfreute sick seine« unumschränkten Zutrauens, und eS wurden auf diesem nächtlichen Wege», aus den schmalen Trottoirs und dein holperigen Pflaster der guten Statt zwischen kiesen Beiden noch die wichtigsten Dinge im Himmel nnd aus Erden abgebandelt. .Hört man Roloff. so wird man an Allem irre, was Einem heilig war", sagte Lasten hei einer solchen Gelegenheit. E« war ei» dunkler stürmischer December-Abend, schon zu Ausgang de- IabreS. „Er läßt Einem keine Wahl, rr drückt Einen geistig total nieder." „Aber er erhebt auch wieder — oder vieiuehr, er lehrt Einen, seine eigenen Schwingen brauchen nnd sich selbstständig erbeben", erwiderte Hildegard feurig. „Nach meiner Erfahrung nicht", erwiderte Lassen, „Sie fühlen daS Zersetzende seiner schonungslosen Kritik nicht so wie ich, weil ^ic nicht Ubcrscbcn, zu welchen Schlußfolgerungen sie hiiidrängt. Ihre Phantasie setzt sich über Schwierigkeiten hinweg, vor denen Verstand und Gewissen erschreckt Hall macken." „Ich weiß, was Sie meinen", erwiderte Hildegard. „Auch ick erschrecke manchmal, wenn ick merke, daß was ick früher geglaubt habe, verblaßt und verlöscht. Aber ick sehr ein Lickt, da« a»S brr Wirrniß binauSsührt, und ich weiß, daß ick ihm folgen kann und darf." „3a, man folgt ihm. weil man muß", gab Lasten zu. „Aber da- Lickt, das Roloff giedt, ist ein verzehrende« Feuer. Sic werden da« vielleicht noch einmal erfahren, Fräulein Hildegard. Man folgt ibm und stchl plötzlich am Abgrund aus kablcr Höhe, von der kein Weg zurlicksukrt. Wissen Sic, daß mir conseqiicntertveise nicht« übrig bleiben wirk, als die Theologie zu verlassen und einen andern Berus zu erwählen?" „Ack —! da« wäre traurig! *Muß denn da« sein?" „Wie darf ich dir Kanzel besteigen, wenn mir der Glaube an die wichtigsten Dogmen erschüttert — eukwurzelt ist? Wie kann ich christlicher Geistlicher werden, ohne an die Gottheit Ehristi zu glauben?" Hildegard hemmle den Schritt und blickte voll ernster Tbeilnalmie in das blasse Gesicht de« jungen Manne«. Der schmerzliche Ton seiner Worte griff ibr a»S Herz. „Gen-ifi, lieber Herr Lasse». Sie dürfe» nichts lehren, was gegen Ihre liebe,zeugmig gebt. Sic müssen wahr gegen sick unk gegen die Welt sei». Aber die Wahrheit ist der Götterspecr, der die Wunde» bcilt, die er geschlagen." „DaS haben Sie auch von Roloff", erwiderte der Jüng ling etwas bitter und verabsäncecle sich, da man am Ziel angelangt war. An einem kalte» sonnciihcUcn Vormittag zu Ende des Januar stand Hildegard aus der Schloßbrncke, ganz versunken in die Betrachtung der flinken Schlittschuhläufer, die an ver schiedenen Stellen die blanle Eisfläche bedeckten. Da hörte sic sich von Jemand, der hinter ihr sieben geblieben war, an geredet und begrüßt. Es war Axel von Lüderitz. „Da« erinnert an schöne Tage, nickt wahr, gnädige- Fräu lein? Sind Sie gar nickt in Versuchung, die Eisen anzulegen und die Stümper dort unten zu beschämen?- Hildegard bewegte mit leisem Lächeln verneinend den Kops „Ich habe schon schwerere Versuchungen siegreich bestände», Herr von Lüderitz. Ich bin furchtbar verständig grworden.- „In der Tdat ? Ni?ch immer Schülerin des Seminars?" „Noch immer " Lüderitz bat ii»i Erlaubnis, rin Stückchen iiiitgrbc» zu dürfen. Hildegard war ihm öfter begegnet, da sei» Weg nach der Easerne den ihren nach drin Seminar kreuzte Anfang« war er mit stuinmcin Gruß rasch nnd nnstern Angesichts an ihr vorbcigeschritlcn, später batte er sic ein paar Mal an- gercdel und nach ihrem Ergehen gefragt. Heule sab er frisch und wohlgemulb auS, noch hübscher und männlicher als früher. „Ich erlaubt mir. mich Ihnen als neugebackenen Premier lieutenant vor »stellen, gnädiges Fräulein", begann er, an ihrer Seite gehend. Sie gratulirlc heiter »nd meinte, da« Avance ment fei früher gekommen, al« z» erwarten gestanden. Er bestätigte da« nnd fügte binzn, daß er nach einem rhein ländischen Regiment versetzt worden, zu seiner großen Br friekigunfl, kenn die schalen gesellschaftlichen Brrbaltnisse in der Provinz seien ibm nachgerade unerträglich geworden, nnd er hoffe, dort mehr Arbeit zu finden. Hildegard tdat einige Fragen, daun trat emr Pause eia, die Lüderitz in gepreßtem Ton unterbrach: „War» Sir ein mal in der Heimatb, Fräulein Hildegard? Wir geht eS Ihrer verehrten Fannlie?' „Gut — ziemlich gut", gab sie zur Antwort. „Battr ist in dirsein Wiiilcr nickt reckt wohlauf. Ja, ick war einmal zn Hause, in den Weibnachlsfeiertagkn. N*ur auf ein Retour- billet." „Und Ihre Frau Schwester?" fragte Lüderitz nach einer neuen Pause mit erzwungenem Gleichmuth. „Ist sie glücklich?" „Gewiß — ich glaube c« — ick habe keinen Grund, daran zu zweifeln", erwiderte Hildegard hastig und unsicher. Beide halten d:c Unbefangenheit verloren. A» Hildegard'- HauSlhüre verabschiedete Lüderiy sich Tie reichte ihm die Hank und wünschte ihm Glück für die Zukunft. Er lächelte trübe: „Aus Glück habe ich verzichtet seit ich vorm Jahre an einem rauhen Märzabrnd von Gravelisckkrn svrtsuhr — Sic erinnern sich desjrn natürlich nicht, ick werde den Tag nie vergessen. Wünschen Sie mir qntes Vorwärts kommen, Fräulein Hildegard — einen guten Krieg womöglich, daS wäre da- Beste für mich." Nachdenklich stieß Hildegard die Treppe hinaus. Er liebt Dcriba noch immer — trotz ihrer Treutosigkei«. Und sie? Hildegard batte Götz wiekergescden, und nickt begreifen könne», daß dieser zügellose, allen Hökern Interesse» fremde Selhstsüchtling jemals it» Held und Abgott batte sein tönnen. Was sie jetzt gefühlt, al« rr ihr mit z„r!ickhal«rntem Gruß genaht, war nicht mehr ganz der leidenschaftliche Absckeu, mit rein sic ihn damals von sich gestoßen. Ihr Unwille richtete sich vielmehr gegen sick selber. Wie halte sie sich nur so w»q- werfcn können! — Daß Götz ihre kindische Tbvrkeit mißbraucht, war eine Schuld — gewiß! Ader die Strafe kasür grbüdne von RecktS wegen ihr selber, die sich seines freveln UrtzermulhS lcichtlich bätte crwcbren können. Ob er Bcrtda glücklich machte? Sie halte in den Weibnacktstagen in schönen seidenen Kleidern und kostbarem Schmuck geprangt und Eltern und Geschwister reich beschenkt Sie hatte viel von ikrer pracht vollen Einrichtung, von ihrem reizenden UmganaSkreis ge sprochen. und sclir bedauert, daß Hildrgard, das Unwohlsei» de« Vaters vorschützend, ihre Einladung adgetrtznt hatte. cFortsetz»»- folg» )
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