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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931201029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893120102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893120102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-01
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vi>75 uL.« S«40 c-s.zo IL.3, IL.75 50 50 »L >- S- 385 ILO 3«X> SL5 iü!> 375 tz», -«l»t«MdU1o» ob« de» i» Sd,»«' ^ - «»tz de» Lorvrten errichtet«» An-- , ,»-»tz»lt: dtertelj-tzeltch^l-bO. r tögllcher Znstellnng in» Durch die Post bezogen sür kn-»r^umv »»d /Oesterreich: vierteliihrlich » a—. Dirert» tägliche Kreutdandleabung j,- Unlland: monatlich ^t 7.SO. iecht «d Zmtschlimd »»d DikMorgen-SuLgab« erscheint täglich '/,7 Uhr, di, Abar^Autgade Wochentag- ü Uhr. und Lr,Misa: Iotzanne-aaff« 8. «.raeditio» Isi Wochentag- »»unterbrach», von früh s bl« «be»d- 7 Uhr. Fttiile»: kW Le»»'» Parti«. iAifr^ chshAl» UoiversitüKsrrah« 1. L«»i- Lasche, gchniaeastr. 14. pari, und KSuigtvlah V. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. AazeigeN'Vret- dle 6gespaltene Petitzeile 20 Psg. Meclainen unter dem Redaetion-strich ilga» spalten) üO vor den Familleniiachrlchtea lügespalten) 40^. Gröbere Lchrislen laut uuiernn Prris- verzeickniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage« (gesalzt», nur mit der Morgen-Ausaabe, ohne Poslbesörderuag ^ Sv.—, mit Postbesörderring ^i> 70.—. Annaiimeschluk für Anzeigen: dlbend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Margea-Aurgab«: Nachmittag« 4Uhr. Sonn» and Festtags früh Uhr. Bei den Filialen und vinnahmestellea je riar halbe Stunde srührr. Anjeigr» sind stet- an die Gxprhitta» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz ta Leipzig. ^ «13. Freitag den 1. December 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, I. December. Die erste Berathung de- Etats im Reichstag ist -Niem nach viertägiger Dauer zu Ende gekommen. An dem Aiich-bau-halt selbst war nicht viel au-zustellen, es war »der unvermeidlich, daß schon bei dieser Gelegenheit die ktenerprojrcte und der Finanzreformplan stark in er Debatte gezogen wurden. In der Thal hat die EtatS- Krathung bereit- ein gute- Stück der allgemeinen Erörterung liker die letzteren Vorlagen vorwcggenommen. Gleichwohl verzichten wir beute noch auf den Versuch, die parlamentarische Lilualion und Stimmung gegenüber der Steurr- md Finanzsrage zu schildern. Die Redner aller Parteien, die überhaupt bei einer positiven Mit wirkung in Frage kömmen können, haben sich noch mit großer Zurückhaltung geäußert und ihre Urtheile mit allen möglichen Vorbehalten und Einschränkungen verschanzt. Nur so viel glaubt die „Nat.-Lib. Corr." vorläufig sagen zu löuaen, daß großer Eifer für dir vorliegenden Slcuerprosecte, insbesondere die Tabak- und die Weinsteuer, nirgends herrscht: „Die letztere betrachtet man bereit- in hohem Grade sür ge- jäbrdel; auch in der Stempelsteuer wurden dir neuen Be lastungen de- Verkehr- (Onittungcn, Frachtbriefe) lebhaft an» Lochien. Im Allgemeinen neigt Wohl die überwiegende Stimmung im Reichstag bereit« dahin, von der „großen Xesorm" zunächst abzusehen und sich vorläufig ans die Deckung der Mehrkosten der HeereSresorm zu beschränke», mit den, Korbehalt, zu günstigerer Zeit auf die weilergehenden Plaue zurückzukommen. Auf der andern Seite trat aber auch unter den meisten Parteien «in Gefühl der Verant wortung und Pflicht bervor, welche- rin ganz negative» oder völlig ungenügendes Ergebniß dieser Verhandlung nicht ans- lommen taffen wird. Die verschiedenen Gegenvorschläge, welche statt der Vorlagen de- BundeSrath- austauchten, Ein- lommen-, Erbschaft--, Wehr-, LuxuSstenern u. dergl. vermochten freilich nicht über flüchtige Anregungen hinaus zu gelangen und wurden von der Regierung mit nicht zu verachtenden Gründen bekämpft. So viel aber wenigsten- kann doch als die überwiegende Meinung de« Reichstag- bezeichnet werden, daß es schlechterdings nicht angeht, Alle- einfach abzulehnen, die Lasten aus die Einzetstaaten abzuladcn und diesen zu über lassen, wie sie sich in ihrer Nolh Helsen können. Diese Ein sicht wird sicherlich im weiteren Verlanf der Sache noch mehr fr»Durchbruch kommen, und wir hatten somit eine, wenigsten« cm Bedürfnissen der allernächste» Zeit genügende und auf etwa» enger gezogene Ziele beschrankte Verständigung noch immer für sehr wahrscheinlich. Wir haben das Vertrauen, daß die patriotischen und einsichtsvollen Männer in der Re gierung wie im Reichstag c« an dem erforderlichen Entgegen kommen in dieser überaus schwierigen und verantwortungs vollen Lage nicht fehlen lassen werden." Für beute steht der JesuitemaatraO de« Cent rumS auf der Tagesordnung deS Reichstags, und zwar in erster und eventuell zweiter Lesung. Dadurch, daß der Antrag atr Gesetzentwurf auftritt, wird die Möglichkeit gegeben, als bald zu einer Abstimmung zu schreiten. Die Vornahme der zweiten Lesung gleich nach der ersten wurde auf Antrag de- EenlrumS gegen dir Stimmen der Evnservativen und Freisinnigen beschlossen. Die Gegner de- IesuitenantragS werden sich voraussichtlich aus kurze Erklärungen beschränken, so daß die Debatte keine sehr lange Au-dehnnng zu gewinnen scheint. Da- Ergebuiß der Abstimmung ist nicht ganz sicher; die Entscheidung wird hauptsächlich von den Freis i n nia en ab- bäagen, über deren Entschließungen nichts verlautet. DaS Centrum ist in Berlin fast vollzählig zur Stelle; alle einzelnen Mit glieder sind telegraphisch berbeigerufen worden. UnS selbst wird zu dem Anträge von befreundeter Seile geschrieben: „CS wird interessant sein, zu diesem Streite, den daS ultra montane Centrnm wieder einmal im Deutschen Reiche an- grfacht bat, und zwar leider in der Hoffnung, auch seilen der Radiralen vom Schlage der sogenannte» „freisinnigen VolkSpartci" Unterstützung zu finden, auf die Ansicht eine« sehr freisinnigen »nd vorgeschrittenen Republikaner- der Schweiz hinzuweisen, auf die Meinung de- edlen Albert BitziuS, de- SobneS von „Jeremias Gottbelf". Er starb l882 in den höchsten Würden der Schweizerischen Eidgenossen schaft, als Leiter des Berner CultnS-DepartementS und als Ständerath der schweizerischen Bundesversammlung, und schrieb 1872, bei Beratbung deS deutschen IcsuitenaesetzeS, an den Einsender: „Möchten doch Eure radicalen Blinden endlich mal sebend werden. Begreifen sie denn nicht, daß sie mit den Jesuiten da« trojanische Pferd in ihre Stadt hercioziehen Bezüglich der Mordanschlä-e gegen den Kaiser und den Reichskanzler ist jetzt augenscheinlich die Parole auö- gegeben, so wenig wie möglich AnsbebenS von der Sacke :u machen und sie vor der Oesscntlickkeit wenigstens vorläufig rinschlafen ru lassen. Darauf deutet die schon telegraphisch gemeldete Nachricht der „Köln. Ztg." an- Berlin, eS sei nicht wahr, daß der deutsche Botschafter Graf Münster mit dem französischen Minister des Auswärtigen Unterredungen über die Attentate gehabt habe, man wisse ja in Berlin noch nicht, ob die Attentate rein anarchistischen Ursprungs seien. Und darauf deutet auch der folgende, jedenfalls ossieiöse Bericht de- „Berliner Local-AnzcigerS" über daS Entcrgebniß der Untersuchung der beiten Höllenmaschinen. Er lautet: „Die Untersuchung der beiden „Höllenmaschinen" hat, wie uns von absolut zuverlässiger Seite gemeldet wird, eine überraschende Wendung genommen. Wie aus den bisherigen Berichten ersichtlich, war die Frage, welchen Sprengstoff die .Höllenmaschine" außer Schießpulver enthielt, bisher eine offene geblieben, weil ine chemische Untersuchung nicht ganz abgeschlossen war. Man nahm an, daß Nitroglycerin der wesentliche Bcstandtheii des Explosivstoffes wäre, und basirte aus dieser Bermuthung die Ansichten über die verheerende Wirkung einer Explosion der Sprengkörper. Nachdem sich inzwischen die Wogen der allgemeinen Aufregung »nd Entrüstung einigermaßen gelegt haben, sind die definitiven Gutachten der von der Behörde zur Untersuchung der in Len Packelen enthaltenen Masse eingesetzten Sachverständigen bekannt geworden. Darnach hat man e- nicht, wie ursprünglich angenommen und durch die vorläufigen Gutachten hinzugczogener Sachverständigen bestätigt wurde, mit einer Mischung von Pulver und Nitroglycerin zu thun, sondern lediglich mit schlechtem Schießpulver allein. Die Annahme, daß die Packele jene gefährliche Explosion-masse enthielten, theill», wie wir dies bereits berichtet haben, auch der Empfänger der ersten Sen dung, Herr Major Lbineyer. Derselbe hat bekanntlich einige Körner des dem Packet eittsallenen PuiverS anaeründet und aus der Thatsache, daß die Masse unter auffallendem Zischen verbrannte und eine intensive Stichflamme entwickeite, wie sie beim Adbrenuen gewöhnlichen Schießpulvers nicht erzeugt zu werden pflegt, ge- schlossen, daß die Masse aus mit Nitroglycerin vermisch!«» Schießpulver bestehe, und dieser Ansicht haben sich in der ersten Aufregung auch andere Sachverständige angcschiossen. Die gestern Abend abgeschlossene chemische Unleriuchuug hat aber, wie gesagt, ergeben, daß diese Ansicht eine irrige war, insosern die sorgfältig analysirle Masse sich lediglich ais Schießpulver ziemlich schlechter Sorte erwies. Die ausfälligen Erscheinungen beim Ab brennen desselben erklärt nun der Umstand, daß Las Schießpulver aller Wahrscheinlichkeit nach — vor ober nach der Verpackung — sich in feuchtem Zustande besuuden bat, zur Zeit der Ankunft des Packeis aber schon wieder getrocknet war. Nun ist eS eine bekannte Thatsache, daß zu Feuerwerkskörpern vielfach Pulver verwandt wird, weiches zuvor angeseuchlct und dann getrocknet wird, gerade, um den Effect de- „Sprühfeuers" zu erzielen, welches unter Zischen verbrennt und Stichflammen erzeugt, wie sie das jener Procedur nicht unterzogene Schießpulver niemals kerorzurusen ver mag. Da nun eine Mischung von Pulver und Nitro- gihecrin sowohl in ihrem Aussehen wie auch in den Begleit erscheinungen beim Verbrennen einer verschwindend kleinen Quantiiät, jenem, wie geschildert, präparirten Schießpulver gleicht, io ist es erklärlich, wie sich die Sachverständigen bei oberflächlicher Prüfung der ominösen Masse täusche» lonnlen. Was den Mechanismus der „Höllenmaschine" anbelrifft, so ist bereit- initgetdeill, Laß, selbst wenn Alles im Sinne de- Absenders glatt verlausen wäre, sich trotzdem eine sichere Bürgschast für die Explosion nicht ergeben haben würde, well der Bolzen durch die zu geringe Krasl der Guininischiiüre nicht die gehörige Durchschiagtwirkung gehabt hätte. Jetzt, nachdem die durch bas Wasser verquollenen Theile des Holz- läsichens wieder getrocknet und in dem beabsichtigten Sinne gebrauchsfähig gemacht worden sind, hat man durch praklische Bcrsucl-e mit der Zündvorrichtung gesunden, daß dieselbe wohl schwerlich geeignet gewesen wäre, da- Zündhütchen, die Patrone und da- die letztere umgebende Schießpulver zur Explosion zu bringen. Wenn auch der Kegel, auf welchem da- Zündhütchen saß, scharf zugespitzt war, so gehört doch eine er- heblich größere Krasl dazu, um das letztere zur Explosion zu bringen alS biczenige es ist, welche der von den (übrigens schon zieinlich schlosse»» Guinmischnüren zurückgeschuelltc Bolzen auszuiive» vermag. Na b alledem ist aiizunebmc», daß durch el»e Explosion Ser „Höllen maschine" Niemand hätte gctödlei werde» können, wenn der Oefsiu-r des Kästchens vielleicht auch durch die Stichflammen Brandwunden im Gesicht, an den Händen u. s. w. erlitten hätte und durch den Lustdruck juruckqeschleudcn worden wäre: ebenso war» ein Material schaden, abgesedeil von der Zertrümmerung einiger Fe»sler> scheiben, wohl kaum entstanden, lieber das Ergebniß der chemischen Untersuchung der den Sprengkörper füllenden Masse, sowie der ganzen Eonitruclwn der „Höllenmaschine" ist dem Kaiser einnebend Bericht erstattet worden. Der Monarch, der anfangs, wie Jeder mann an ein wohlvorbereileleS Attentat geglaubt batte, scherzte »uniiiedr Uber die „Höllenmaschine", welch« er ein „Spielzeug" nannte über das sich Niemand ernstlich beunruhigen könne." Ob der ossiellc Bericht ebenso iautet, wie der vsficiosc, muß vorläufig dadin gestellt bleiben. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte, so würden die Anschläge nickt da« Mindeste an ibrer Bedeutung einbllßcn, die Verpflichtung der Behörden — auch in Frankreich — zur eifrigsten Nach forschung würde nicht im Geringsten vermindert werden. Einen bloßen „Scherz" bat der oder baden die ungeschickten Absender sicherlich nickt beabsichtigt. Wir sind daher auch drr festen Ueberzeugiing, daß die Untersuchungen aus das ernstiichste betrieben werden und daß die vsfieiöscn Kund- ,,ebu>lgei! lediglich dazu ^eukl^-^iLfi, wettere i» der Dessen tlickkeit absilWIelreilund tsädürch die Ausgabe der UnlersiichuiigSbcbördcn zu erleichtern. Wir werden daher bevor greifbare Rcsuilate Vieser Untersuchung vvriicgc», von auflauckenken Gerüchten nur mir aller Vorsicht Notiz nehmen und flössen, daß die übrigen deutschen Blätter ein Gleiche« thun. AuS der französischen Hauplstadt wird u»S soeben tele graphisch gemeldet, in politischen Kreise» verlaute, daß angesichts neuer Schwierigkeiten, welche Spnller bei der Bildung dcö EadinelS begegneten, Präsident Earnot gestern Casimir P-ricr berufen flabe, um ibm zu erklären, er sei müde und erschöpft, wolle die Präsidentschaft nied erlegen und ei» Mau,fest an die Nation richten. Pörier habe daraus hin die Bildung de« E ab ine kS übe rn ommen und al-bald mehrere hiermit in Zusammenhang stehende Besuche abgestatlct. Nach einem zweiten Telegramm verlautet serner, Casimir Pvrier werde im Lause des heutigen Tages folgende« Cabinet bilden: Parier Präsidium und aus wärtige« Ministerium, Rannal Inneres. Bourdcan Finanzen, Spnller Unterricht, Dubost Justiz, Ionnart Hantel, General Mercier Krieg, Admiral Lassen oder Lefövre Marine, Loubö Arbeiten, Eerjegus?) Ackerbau, Delcasse Unterstaatssecrctair für Eolonirn. Bezüglich deS Eintritt- von ConstanS verlautr, eS habe sich darüber eia Einvernehmen zwischen Spnller, Ravnal und Bourdeau nicht erzielen lasten. Ob rin solches Eabinrl wirklich zu Stande kommt, wird sich ja bald genug zeigen. Vorher Betrachtungen über seine Natur und Lrben-sähigkril an- zusteUen. wäre zwecklos. Urder den Besuch de« russischen Admiral« Avellan in Üonstantinopri scheint ein Ja- und Neinspirl beginnen zu sollen, das ein Seitenstück zu dem noch unvergessenen Fraze- und Antwortspirl: ,Hvmmt er oder kommt er nicht" — nämlich der Har nach Berlin — bildet. AuS den wider sprechenden Mitlbeilungen Uber den Besuch ist aber Eine- ziemlich deutlich ersichtlich: daß russif cherscits die Absicht obwaltet, de» Admiral zur BegZißung deS Sultan- nach Konstantinoprl zu entsenden, bezw. daß der Admiral die Absicht hat, sich dorthin zu be geben, daß aber dir Aueführung dieser Absicht dri der Pforte aus Schwierigkeiten stößt. Man scheint dort daS Bedenken zu hegen, daß der Besuch gewissermaßen ais ein Schiußact der Tvuwner Feste ausgesaßl werte» könnte, Wa rna» zu vermeiden wünscht; denn wenn behauptet wird, man wolle Len Besuch wegen der Cholera hinausgeschoben wissen, so ist dicS wohl nur rin Vorwand, ib» vorerst hintanzubaiten. Gleichwohl dürste der Besuch nur eine Vertagung erfahren; denn, da Admiral Avellan gegenüber dem türkischen Ge sandten in Albe» dir Absicht geäußert haben soll, dem Sultan seine Aufwartung zu machen, und Herr v. Nelidow der Pforte hiervon bereit« M«tt Heilung gemacht haben soll, so wird eine Einladung kaum au-dieiden können. Mit dem Eintreffen deS Marschall- Martiiie^Eampos inMeiilla dürste die militairische Action Spanirn- gcgen die Kabvlen i» lebhafteren Fiuß koninien und damit auch die inaratlaoischc Aiigelc-cnhcil überhaupt in ein neue« EnllvickeiuilgSstabium treten. Daß da« Madrider Cadinet sich endlich zu der Sendung de- Marschalls entschlossen bat, ge schah anscheinend nur unter dem Druck der öffentlichen Meinung. Indem ^agasta dem ungeduldigen Drängen de« leiden- fchaftlich überwallcnden Patriotismus seiner Land-Ient« biss jetzt widerstand unk alles waS er rhu» lonnte, aufdot, um den marokkanischen Zwischenfall aus diplomatischem Wege zum AuStragc zu dringe», hat er, um e« so auSzndrückcu, den Mächte» gegenüber sein Gewissen salrirt und sich gegen den Vorwurf gedeckt, leichten Herzen» zu einem militairischen Abenteuer die Hand geboten zu baden. Nur weil die auf daS diplomatische Eingreifen de« Sultan« gesetzten Hoff nungen sich alS Täuschung erwiesen, soll jetzt dem militairischen Factor e>» etwa- freierer Spielraum ge gönnt werken Daß auch die etwaigen Operationen deS MarschallS Martine; CampoS innerhalb der Grenzen be stritt Noldwendige» sich bewegen werden, dafür bürgt, wie off'iciö« versichert wird, schon der ganze Charakter der Lage. Der spanische PairioliSmnS werde sich mit Eltheilung einer den llcdcriiiutb der Niflatnlen däinpseiiten Leclion zufrieden geben und Sache der Politiker sei eS, durch gccigneie Maßregel» dafür Sorge zu treffen, daß Zwischenfälle, wie der von Melitta, in Zukunft nickt mehr vorlomnien. Bei weiser Beschränkung aus da« unbedingt Noibwrnkig« dürfte die spanische Aclion in Marokko auch küiistigbin auf kein Hinderniß von dritter Seite stoßen, da die Mächte, sv wenig sic eine AnsrvUung der ganzen iiiarvkkanischeii Frage mit ihren möglichen weiteren Eonfeqiieiizen wünsche» könnten, sich Loch nicht verhehlen würden, daß mit der Versumpfung de« Zwi schenfalls von Melitta und der unvermeidlichen Rückwinung eines solchen Abschlusses der Augelegenbeit »ur rin Flick Leben nm Leben. LLf Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachdruck oerteirn. (Fortsetzung.) Keinen Händedruck, kein Lebewohl habe ich Ibnen auf Ihren sorgenvollen Heimweg mitgegeben, Fräulein Hildegard — weil ich die Umstande, unter welchen er angetreten wurde, zu spät erfuhr. Den kränkenden — mindestens befremdlichen Eindruck, welchen mein Verbalten in den letzten Wochen Ibnen gemacht haben wuß, nahmen Sir »„gemildert mit sich. Aber ich ertrage e« nicht, von Ihnen verkannt zu sein. Ich mußte hart sein — hart gegen uns Beide. Mick selber aber strafte ,ch weit grausamer alS Sie, als ich auf da« Glück derzichtete, Ihr Lehrer zu sein. Dir« Buch soll mem Zeuge fein — wie diele meiner Stunden Ihnen gewidmet waren — die Frrndenstunden eine» in Wahrheit dunkeln, einsamen Leben«, auS welchem der goldige Sonnenschein, der es flüchtig durchleuchtet, ge schwunden ist. Ein ernste- Buck. Aber der Grund Ibrer Seele ist ernst — viel tiefer. al< Ibnen jetzt noch bewußt ist — und wenn Sie einst die Schätze beben werden, die da unten schlummern, dann werden Sir fühlen, daß «in Thril davon mein Eigeu- thum ist. Leben Sie wobl, Hildegard. Wir werden nnS Wieder sehen, aber nie wieder un- so nab« und innig innerlich bc rühren, al- da« geheiligte Brrhältniß zwischen Lehrer und Schülerin eS gestattet. Wollen Sie mir wieder schreiben, so thun Sie eS — ohne Furcht, daß ein Ton, der Sie verletzen könnte, in meiner Antwort mit anklingen möchte. Vergeben Sie mir, wenn da» in diesen Zeiten der Fall sein sollte. Ich bin deute »n- fähiz, meine Worte zu wägen. Ich muß dir« Blatt abgeben lassen oder stumm bleiben für immer. Und da- vermag ich nicht. Wie doch die schönsten Stunden zwischen den rbrwürtizen Bücherreiben seine- Studirnzimmrr» wieder lebendig wurden, sobald sie diesen Band ausschlug! — Ein etwa- brllemmenter Duft von modrrndr« Papier, altem Leder, Eigarrenrauck — dar röthliche Lichtkrri« drr Studirlampe, ring- warme Dämmerung — zwei tiefgründige Mäniieraugcn, von heiterer Ironie durchleuchtet — da« Ausschlagen ihrer schüchtern ge senkten Lider erwartend — ans diesen Blättern hatten sie ge- rubt, diese Augen, oft und oft — ans diesen weißen Blättern mit seinen tbcurcn Schriftzügen — für sie — ganz allein für sie bestimmt! Und dann seine Briese — fast so viele an Zahl, als Monate seit ihrer Heimkehr verflossen. Nirgends ei» Dort, daS an jenen erregte» Gesiiblston dcö ersten Schreibens a» klang, und doch aUcsamnit dnrchvulst von dem warmen Strom seine« innersten Leben«. Eine bockbedeutsamc Cchasfeiisveriodc spiegelte sich in ibnen. DaS Lebenswcrk Roloff'S war während dieser Zeit entstanden, unk Hildegard kalte eS weiden sehe». Bon dem Inhalt freilich gaben kiese flüchtig bingewoifencn Arbeitsberichte nur kurze Andeutungen, gelegentliche Gedanke» blitze, hier und da die tief einkringcnkc Erläuterung eines schwierigen Begriffs, eine- wichtigen Problems, hier und da eine merkwürdige historische Tkatsacfle, eine knappe Cbarakter- skizze. Ader in rer Werkstatt seine- Geistes war Hildegard heimisch geworden, stets sali sie ihn selber, im feurigen Auf schwung schöpferischer Begeisterung, in zornigem KampieSmulfl, in still beharrlichem Suchen und Prüfen. Dazwischen in Tagen und Stunden der Abspannung, mißmüibigen Zweifels, müden UeberdrußeS. Tan» brachten ihre Briese — stet- er sebnt, zuweilen mit ärgerlicher Ungeduld — frische Anregung, neue» Muth. Seine Antworten waren schon vorher begonnen, tagebuckartia, in einigen Worten, einigen Zeile» die Ergeb nisse, den Ttimmiingston des Tages firircnd, ganz kunstlos, unmittelbar, wie i»r Selbstgespräch. Auch von Antonien- Hand bewahrte Hildegard Briese und Karte» — eine ganze Menge, zierlich und freundlich stvlisirt und zum Tbeil reckt inhaltsleer Doch gaben sie über die äußere» Schicksale des Roloff'scken Paare- während dieser viertel», Monate noibdürstiz Ausschluß Es war immer ziemlich da« Altgewohnte: Arbeit, übermäßige Arbeit sür den Professor, und für Antonic Sorge um il,n und ci» spärlicher Verkehr mit der Außenwelt, gerade hinreichend, i ch ibr nickt ganz zu entfremden. Iin verflossenen Sommer batten sie eüiige Wochen in den Alpen zuzebracht, für den jetzigen war ein längerer Ausflug nach Tirol und Oberitalicn geplant. Zweite- Capitel. „Na, Frau, was werken wir anstellen, unfern Gast zu unterhalten?" fragte Waldemar am folgenden Morgen gähnend, uad erhielt zur Antwort, er hätte ja schon für Unterhaltung gesorgt. Es waren am gestrigen Abend ein paar seiner ehe malige» Regimentskameraden und Iagdgenosscn eiiigetrosicn und nian hatte noch spät bei einer Bowle zusamnieiigesessen. Von iflieni Schlafzimmer auS hatte Hildegard noch bis vier Ubr früh die Hcrien in der lauen Sommernacht lacken und tollen gekört. Dem Hausherrn mcrkic man henie nicht« von der dnrchschwärmtcn Nacht an. Tie Gäste waren nickt am Frühstücksris o erschienen. „Sic mache» ja Anstalt, hier zu bleiben", sagte Bertha. „Ja, sic gebe» vor, Schnepfe» schießen z» wollen. Es blieb mir nichts übrig, als sie cinziilade», schon ui» Dich in guter Laune zu erhalte». Aber verständige Dich mit Hilde gard, damit cs nicht der Courmacher wegen zu Mord und Todtschlag zwischen Euch kommt." „Psui, Waldemar, Hildegard bat gar kein Versianduiß für Kncivciiwche." „Müssen'- ihr beibringen. Höre, Bertha, eine verfleirathetc Schwester bat übrigens slelS die Verpflichtung, die ledige an den Mann z» bringen." „Bitte recht sckr! Bemüht Euch nicht!" protcstirte Hilde gard ärgerliw." Waldemar flat Reckt. Sei nickt philiströs, Hilde", nahm Bertha den Scher; auf. „Wir werten sehr stolz sein, wen» eS uns gelingt, Dich unter die Haube zu bringen. Gefällt Dir der lange Bromback besser oder der dicke Steffen? Der ist ein bi-ckcn zu klein für Dick, aber er steckt voller Schwänke, unterhält allein eine ganze Gesellschaft und hat Vermöge»." „Warte, ick stelle Dir noch eine ganze Galerie HeiralhS- cantidatcn vor" verhieß Götz. „Unser Nachbar Fricdbciin bat schon nach Dir gefragt", fügte Bertha hinzu. „Er ist zwar Wittwcr niit sechs Kindern, aber noch ganz flott. Wittwcr sind immer sehr verliebt und galant, Hilde." „Laß Dich nicht ansübren, Hilde. Er hat eine Nase wie Karsuiikel und verwechselt Mir »nd Mick. Und Tu willst dock einen gelehrten Mann haben " „Lade dock de» Doctor Zampcl ein, Waldemar. Der macht Verse »nt spielt Violoncell." „Ist auch danach. Unk läuft jeder Schürze nach. Na, Hilde bist Du böse?" „Laß sie in Ruh', sie bat schon ihr Tbeil", erklärte Bertha, und der Eintritt der beiden Gäste machte dem Scherz, der Hildegard ernstlich zu verdrieße» ansing, rin Ende. Waldemar die» 'Wort und ließ sich dir Unterbaltung seiner Schwägerin gleichzeitig mit der «izeaeu angelegen sein. Hilde gard ritt und fuhr mil ibm a»S. begleitete ihn und sein« ivrcundc ans die Jagd. Aus dein Rücken eines uiulbigen PferdcS erwachte ibr teurigeS Temperament, nie fühlte sie sich glücklicher, als ii» Galopp aus weichen Saudwegen dabinjagend. Und zu Hause wurden keine Reitpferde mebr gebaltrn. Da indessen Waldemar bei solche» Anoslügcn zu Zweien einen vertraulichen Ton anschlug, der Hildegard nickt bebagte, da seine Ficuudc sic mit faden Galanterien langweilten, und Bertha, die weder reiten noch fahren durste, ihre häu-licke Hast mit bitterlicher Ungeduld ertrug, so lrbntc Hildegard auch ihrerseits bald die Aufiorderungcn ihres Schwagers ab. Er ärgerte sich, neckte und reizte sie, beschuldigte sie der Prüderie, prophezeite ihr, daß sic in drei Iabrcn eine alte Jungfer sein würde und überließ sic dann sich selbst. Eines Vormittags fand Hildegard, al- sie aus die Veranda kam, Besuch bei ihrer Schwester. Frau Prklkrn, die Milchsrau au» Gravelischscn, saß ehrbarlich bescheiden mit ihrem braunen verwetlertcn Gefickt im besten Sonntagsstaat da. Sie trug eine breite seidene Schürze über den faltigen Röcke» unk über der weißen steifen Hülle ein vielfach verschlungene- seidene- Kopftuch mit blinien Zipfeln Neben ebr, in gleich feierlicher Haltung saß ein jüngere«, städtisch gekleidetes Fraacnzimmer mil blondem Haar und sommersprossigem Gesicht. „Die- ist Augusts Braut", stellte Bertba mit mokantem Lächeln vor, während beide Frauen ausstaiidtii und Hildegard'- Hand küßten. Diese batte der Allen, die übrigen- in Folge der hänsigen Ab'vesenbtiien ibrer Gebieterin ibrc einflußreiche Stellung ziemlich eingebüßl batte, seit dein Tode der Minna eine unüberwindliche Abneigung bewahrt. Sie begnügte sich mit einige» Fragen nach dein allgemeinen Befinden zu Hanse »nd ging mit ihrem Buch in den Garten. Später suchte Bertba sie dort ans. „Warum bliebst Du nickt. eS war amüsant. Diese Braut mindesten» ein Dutzend Iabre älter als der Bräutigam." „DaS ist ja hier unter den Leute» »ickiS Auffallende-", versetzte Hildegard. „Die Mädch-n muffen sich eine Aussteuer schassen, bevor sie bciratbcn tonnen. ll»d die jungen Kerl- sabre» sclir gnt mit einer verständigen Frau, die sie in Ord nung hält." „Ja, diese scheint sehr verständig, und sie bat sich auch etwas gespart. Sie ist Köchin und Wirtbschafterio, übrigen» eine Lochler aus dem Rothen Krug, also emr glänzende Partie sür einen Kutscher. Da hat dir alte Hexe nicht vergeblich so lange geangelt."
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