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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893120202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893120202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-02
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vezsg».Preis «der den i« Stad». M den Vororten errichte»«» Aii«- 2chM» »bieholt: vierteljährlich4.5«. kMMaliaer täglicher Zustellung in» Durch die Post bezogen für kE-»>> und Oesterreich: vier,el,ädrlich e L—. Direkte tägliche »reuzbandiendung int tlutlaud: inouutlich ^4 7.öO. «i,N»rae»-Autgode erscheint täglichV,7 Uhr, hi, künd-Auegode Wochentag» 5 Uhr. »rdarlion und Lrpe-itioa : Aa»«,nrt,aße 8. «hlMdition ist Wochentag» ununterbrochen dMnet von früh 8 bl» Abend« 7 Uhr. Filiele«: »W Sk»«'S Sari»«. (Alfred Hohn). Uuiversitit-strabe 1, Laut« Lösche. z^chmistr. 14, pari, und Lönlgtvla- 7. Abend-Ausgabe. und Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Snzeigeu-pesiA 7 ^ die 6 gespaltene Petitzeile LO Pfg. stieclamen unter demRedactioa-ftelch (4ß«» jpatteni SO^j. vor den Familieunachrtchwn (6 gespalten) 40^. Größere Schrillen laut uns««« PveiS- Verzeichnis. Tabellarncher und Zlsirrnsotz nach höherem Tarif. 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Dir wollen da- unendlich oft erörterte Thema von k« da consessionellen Friede» untergrabenden, den reli- wsa Kanali-niu- schürenden und die Völker verhetzenden Aäiizkeil diese- Orden- nicht noch einmal ausrollcn; dir Lache ist jetzt, soweit der Reich-tag in Frage kommt, lutschieden. Hoffentlich beweisen die Negierungen mehr Lwu für die nationale Ehre und Würde, al- diese Volks vertretung. Daß in dem ganz überwiegend protestantischen Deutschlaat die Volksvertretung kic'e ullramonlaiic Heraus forderung üch gesallen ließ, wird unter ihren Edreimiäler» licht verzeichnet werden. Und wer waren dieKc,„truppen del CevtrumS bei diesem E» folg? die Socialdemo tratc», Ivtlche damit gegen jede- Ausnahmegesetz protcstiren wollten iiid-großmülbig vergaßen, baß das Socialistengefttz wieder- doll nur Lurch Hilfe de- CentrumS turchgebrackl werden sonnte. Ein größerer Widerspruch, als die katholische Kirche i« Allgemeinen und Len Jesuitenorden insbesondere als il-tstcS Bollwerk gegen die Locialdeiiiokratie dar- »iLen und die .ehrwürdigsten Einrichtungen- dieser Kirche dnrch eben diese Umstiirzpartri schütze» zu sehen, ist nickt nvnthar. Aber auch die Verdienste eines Tbciles der Con- itrvitiven und der Freisinnigen VolkSpartri um den Triumpb de- ErntrumS dürfen nicht vergessen werden. Die Haltung dcrEonservativcn war überaus uiatl und kläg lich. Obre Vänle waren überhaupt sehr spärlich besetzt unv een den Anwesenden entstielt sich »och ein Tbeil der Ab- nnnmiuig, zugcstandener Maßen aus Augst vor einem Hälif- ltm nltramonlaner Wästter. Die .Frcis. Bolkspartei" fiel bei der entscheidenden Abstimmung auseinander, Herr Richter >i:wmlt gegen den grundlegenden Paragrapben de-Eenlrum- antragl. Die Bcrireter der verbündclen Regierungen staben -ich an »er Bcrbandlung nicht bclstciligt; La- Eentrum bal also Luid noch nicht erfahren, ob cS für den Fall einer ab- lcdnenden Haltung de- LunbcSralst« gegen de» gestrigen Akich-tag-beschluß von der preußischen Negierung eine Vkleluoniz für etwaige gute Dienste bei der ReichSsinanz- rksnm zu erwarten hat. Darüber liegt noch ein undurck- dringliche- Dunkel. Hoffen wir, daß man nicht demnächst >m rrcußischcn Abgeordnetenhaus eine» Tag erlebt, über den ker UltramonlaalSmu» noch mehr zu triunipliiren berechtigt ist, als über seinen gestrigen, vorläufig rein parlamen tarischen Sieg! Daß die an den Kaiser »nd den Reichskanzler Grafen läiprivi gesandten Hötlenmaschtne« wirklich in Orleans auszegcbcn worden sind, wird, wie bereit- im Morgenblatte niitgelbeilt worden, nunmehr von den französischen Be hörden zuzcstanden. Für die weiteren Untersuchungen ist damit cm wichtiger AnbattSvunct gegeben. Wenn die französischen Blätter »unmehr an die in keiner Weise er wiesene Behauptung sich klammer», deutsche Anarchisten bätteu die Höllenmaschine» von Orleans abgescstickk, so ant wortet darauf die .Nat.-Zta." mit Recht: „Wer die Weit läufigkeiten an französischen Poslsckaller» und ans den Eiscu- bastiicn bei Packet- und rceommandirtcli Sciid»»gcn kennt, wird schiverlich annebmen. daß der sremdcn Landegsitte» unkundige deutsche Auarckistc» sich eigens nach verProvinzsladl Orleans bc- gebcn staben,»»» dortciirel'olcheMissio» aliSzusüstrcii. Die nur in Frankreich übliche Bezcichnnlig l-iaiul (Imnoelior sür den Reichs kanzler weist ebensalls aus sranzösische Herknust oder Mit wirkung stin. So lange die französischen Behörden daber nicht den Beweis erbracht staben, daß tcnlsche Anarchisten die Absenter sind, wirb die Annakme natürlicher erscheinen, baß die beide» Höllenmaschine» sranzösische» Ursprung- sind; ob anarchistischen oder chauvinistische», bleibt Lakingcftellt." Uebcr ein neue- Attentat, an dem auch Anarchisten betstciligr zu sein scheinen, wird, wie uns soeben ein Tele gramm a»S Köln meldet, der ..Köln. Zty." au- der buk- »arische» Hauptstadt berichtet. Nach tie>em Bericht« sind in Sofia in den letzten Tagen mehrere Verhaftungen vor- aciiommcit worden, weil ein Mordanschlag »egen do» Prinzen Ferdinand geplant gewesen war. Derselbe sollte am Tage vor der Ankunft der Leiche des Grafen Har tenau auSgcsüstrt werten. Der Hauptschuldige ist der frühere bulgarische Lfficirr Iwanow, der vor drei Iastren als Briaadcadl»lanl mit der Brigadecasse durch- gegangen war. Durch Zufall wurde der Plan zwei Tage vor der Ankunft der Leiche de- Grasen Hartenau entdeckt. Iwanow, der einen russische» Paß Halle, wurde im Eiscii- bastnzuge von einem früheren Kameraden erkannt »nd entfloh auf der Station Kasit schaue, verfolgt von Gendarmen und Bauern, auf die er wiederholt feuerte. Der Polizei von Sofia unter Führung des PolizcichcsS gelang eS nach langer Verfolgung, Iwanow zu verkästen. Der selbe legte alsrann ein offenes Gestand niß ab. Danach war er in russische Dienste getreten, schlecht behandelt und firr unwürdig angciehcn worden, eine Uniform zu tragen. Da- machte ihm da- Leben unerträglich. Die beiden bulgarische» Flüchtlinge Grujew und Benbcrew rietdcn ihm, den Bulgare» einen Dienst zu leisten, indem er sie von der „Schreckensherrschaft de« Prinzen und Srambulow'S" befreite, linier bcn Mit schuldigen Iwanvw'S scheint sich auch kessen Bruder in Sofia zu befinde», der Iwanow Unterschlupf gewählt stalle. Ver haftet sind auch niedrere Studenten der Universität in Sofia, die de- Anarchismus verdächtig sind. Der Plan einer internationale» Vereinbarung gegen da- anarchistischc Vcrbrcchcrtbuni wirb i» Folge der neuesten Attentate immer lcbbasler erörtert. Immer lauter wirb der Wunsch, daß cs gelingen möge, eine intcriialionale Aclion zu jene» Zwecke zuwege zu bringen. Noch haben sich zwar die Meldungen über die Initiative dieser oder jener Regierung al- verfrüht erwiesen, allein cS liegt gewisser maßen in der Lus«, daß aus Schrille zur Herbeiführung iiiternanvnaler Maßnahmen zu rechnen ist, und wie der Münchener „Allgem. Zlg." au- Wien gemeldet wird, bat man auch genügende AnbaltSpunctc dafür, daß die Be- tkeiligung an solchen Schritten auch in jenen Staaten keine» Widerstand mehr finden werde, die bi-ster sich nicht geneigt gezeigt statten, sich a» derartigen Maßnastmen zu betsteiligcn. Gleiche- meldet man der „Kreuzzlg". die stcute schrcibl: „Aus de» Berichten, die wir von verichiedenen Leiten erhallen, acht hervor, daß der Boden überall vorbereitet ist, „nd daß, wenn die Inü aiirc von Vereinen oder anderen Macht ausginge, sie sicherlich aus sruchibare» Boden siete. Es »nierliegt keinen» Zweiiel, daß wenn auch sornieUe Auoeinandersetzunge» zwilchen den Cabineten bi-ber nicht gepflogen worden sind, doch eine Füliliingnohine sunlgesunde» dal und daß die Regierungen der Zustimmung der Aiigeoongen ihrer Ltaaten sicher lein können, wenn sie sich zu gkmtiiliamem Borrelien zuiainmcnsindcn. Es ist au- de» »ns zukvminettdcn Bericlile» wcner ersichtlich, daß die Nothmendigkeit eine« solchen ZuiaiinnemvirkenS auch in den Staaten erkannt wird, die, wie die Schweiz und Engt and, bei früheren Anläßen nicht dnm zu bewegen waren, sich Anträgen, die ein internationales Borgehen denvectlen, anzujchließen. Iniolge der Häutung der nichi-swnrdigen Anichläge liege» eben die Dinge anders alS in früheren Zeilen, und man kann beul« wohl behaupten, daß, wahrend früher manche Regierungen uuS übelverklondeiiem Liberali-niuS und aus Scheu, von der Bevölkerung rnlkschrililicher Absichten geziehen zu werde», vor einer Bciheiligung an inter nationalen Maßnahmen gegen da» Verbrrcherweien ziirückschrecklen, gegenwärtig ein gemeinsame- Vorgehen der Mächte gegen die nach- gerade epidemisch auftretende Geiatir überall al- ein populäres Unternehmen begrüßt werden würde." Geradezu Verblüffende- erlebt Belgien in der socialen Frage. Der Klerus und die Socialistenpartei machen sich gegenseitig eine scharfe Eoncurrenz, um die Arbcitermasse» im Hinblick auf die Neuwahlen a» sich zu fesseln, und beide sind in ibren Mitteln nicht allzu wählerisch. Ta die socia- listischen Arbeilersniidicale am meisten den sccialistiscken Einfluß aus die Arbeiter sichern, so baden die christlichen Dcniokralea unter Führung kalkvlischcr Geistlicher christ liche Arbeitersvndicalc in- Leben gerufen. In wie „christlicher- Weise diese neuen Synricale Vorgehen, mag nachstehender Vorgang beweisen. Zechen de« Lütticher Becken- staben von Vicarcn atS Seoretairen Unterzeichnete Anschreibcu der christlichen Arbeitcrsmidicate mit der Alternativ« erkalten: „entweder Lostnerböbuug oder AuS- slank!" — also ganz nach socialistischcm Recepte. Tie kleri kale Partei betritt somit dieselbe abschüssige Lahn, welche die dicserstalb Kart angegriffenen SocialistrnsUstrcr vorgezrichnct staben. — In der belgischen Milit airfragt bleibt all«« beim Alten. Da von den jetzigen Kammern und insbesondere von der Ni>.5.a>rskindliche» kler-kalen Rechten' eine Heere«- versläiknng uiurr keine» Umständen za erlangen ist, so hat der Krieg-minister jetzt bei der Kamme» ein Gesetz eingebracht, da« auch für da- Jahr l8S» da« übliche Jadre-conlinzent von I3 30N Mann fordert. Natürlich wird der Deputirte General Brialmoiil diese Gelegenheit benutzen, um die Er höhung der Iastrcsauökebung al« »nabweisbar zu beantragen, aber er wirb nichis erreichen. Die Regierungsvorlage ist ihrer Annahme sicher. In Fraiitrrlch scheint die Bilduiiig eine- EabinetS Pürier wirtlich gelungen zu sein. Da» Haupt desselben, der bisherige Kamnierprasiteiit Easimir Pürier, ist bekam» lich Derjenige, der von allein Anfang sowohl von Dupuy al« von den übrigen, in erster Linie von Earnot zu Ratbe ge zogenen Politikern al« der Mann bezeichnet wurde, der mit der besten Aussicht auf dauernden Erfolg die Erbschaft Dupuy'« anlrelen könne. Aber der Kamiiierpräsidenl »ul dem berühmte» Namen weigerte sich anfangs mil Entschieden-» hei», dein Ruse Earnot'- Folge zu leisten. Er bat, wie man I meint, im Geheime» größere Dinge mit sich vor: siebt doch I bekanntlich für Enke l8!»t die neue Präsiventenwabl in Aus sicht und ist doch, fall- Earnot au- irgend einem Grunde nickt wieder gewählt wird, Casimir Pürier einer der Ersten, an die man bei der Besetzung Fenilletsn. Leben um Leben. A Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachtm« »cidoieii. (Fortsetzung.) ^ich batte leider nicht das Glück. Tie zu Hanse zu finden, Fräulein Hildegard, als ich neulich in Gravcliscdken war-, 'agte Richard Lassen, Len Schwestern zum Gruß die Hand bittend. Hildegard überhörte da- „Glück", aus welche- er einen besonder- innigen Ton legte. Richard war kein seltener Gast >n Gravelischkcn, seit er in Wohlau al- Adjunct seine- BaterS. de- Superintendenten, angestellt war. Er kam öfter- zu F»ß herüber, gern gesehen von Allen, al- guter liebenswürdiger Mensch, der er war. spielte mit Herrn Markwald Dame und LechSlilidsechzia. half Alma bei ihren Blumen, Hildegard beim Unlerricbt NeÜy'S, und versorgte sie mit Büchern. Er war der Einzige, mit welchem sic über der deren Inhalt und »anchtrlci, da- ihr Nachdenken erregte, plaudern konnte. Der Einzige, der gleichzeitig mit ihr im Rolosf'chrn Hause verkehrt batte und dessen Nähr ihr Ton und Stimmung der glücklichsten Leben-silinden besonder- lebhaft vergegenwärtigte. Liesen auch ihre Anschauungen über Gegcnstänte tc- Glauben- und Wissen den seinen vielfach zuwider, so wurde sie Loch durch Angriff >»>r Berlbeidigung in sich klarer und fester, und allmälig sicher » Besitz einer eigene» Meinung. Aber waren ihr auch seine Besuche lieb, so erlangte er c« »»4 »>e. da« heißersehnte: .Hemmen Sie wieder!" von ihren bdprn zu hören. Dann la« Alma ihm da« Gesübl schmerz- l'chn Enttäuschung vom Gesicht ab, und machte da« unbe greifliche Versehen der Kelteren gut. Und Richard ließ sich da« gefallen und kam wieder. .Nächsten Sonntag predige ich in Grumbcbnen-, erzählte er. .Seien Sie dock Iieb«n»würd>g, meine Damen, kommen Sie zur »crch«, denn wüßte ich doch, für wen ich mich zu präpanren bLbe." .Lckön, Sie wollen also nur vor ein paar zufälligen Zo- HSnrn glänzen, anstatt Ihre Gemeinde zu erbauen." .Meine Gemeinde — um Gotte« willen!" .Kana « doch vielleicht werten", meinte Hildegard. D« Pfarre von Grumbehnen war durch Versetzung ihre« bisherigen Inhaber- erledigt und wurde provisorisch von den Geistliche» der Diöeese verwaltet Ihre Wiederbesetzung batte Schwierigkeiten, da sie schlecht dotirt und in der „Hundstürkei" gelegen war. Wie von einem plötzlichen Gedanken ersaßt, blieb Richard stehen und sah Hildegard lebhaft errölbend an. .Soll ich mich nach Grumbehnen melden? Man würde da- sehr gern sesten." .Wie, da- fragen Sie mich?" .Gewiß, Sie sollen den Ausschlag geben. Sie würden cS tbun? Würden Sie e- an meiner Stelle thun, Fräulein Hilde gard?" wiederholte er angelegentlich. „Ick kann mich gar nicht an Ihre Stelle versetzen", erwiderte sic. .Der Geist muß Istnen sagen, ob Sic in einer armen ver wahrlosten Gemeinde Gute- auSrichten könne»." „O — unter Umständen — gewiß " Sic wandelten neben einander weiter. Richard war in Nachdenken versunken. Alma bemerkle am Gradenrand Ver gißmeinnicht und bückte fick, sie zu pflücken. Ihr Zurückbleiben nahm Richard wahr, um Hildegard wieder anznreten. .Ick habe wobl manchmal die Empfindung, daß e- hieße, meinen Beruf in seiner höchsten Bedeutung auffasien, wenn ich mich nach einer solchen entlegenen, armseligen Stelle ver bannen ließe", sagte er vertraulich mit großem Ernst. .Aber e- gehört Lpfermuth dazu. Ein einsame- Leben, ebne alle geistige» Hilf«nii1tel — wie soll man sich ta seine Frische, seine Spannkraft erhalten? Und wie — wie könnte ich einem Wesen, bas mirtbruer ist, zumnthen, ein so entsagung-reiche- Loo« mit mir zu Itffilen?" .Ich denke, diese Frage liegt Ihnen überhaupt noch fern", erwiderte Hildegard kühl, erhielt aber in lebhaftem Ton zur Antwort: .Durckau» nickt, Fräulein Hildegard. Eine zweite Predizer- strlle in einem Städtchen, wo e- sich leben lätzt, wird sich für mich finden. Vielleicht muß ich neck warten, aber hoffentlich nicht allzu lange." .Und Ihre früheren Scrupel? Sind die ganz überwunden?" fragte sie. .Das will ich Zbnen sagen, so offen, al« spräche ich zu meinem Gott. Dir Kluft zwischen Glauben und Wissen besteht noch beute für mich und mein Eterstanb kommt nicht darüber weg. Aber da- Wesentliche der Religion liegt für den mensch lichen verstand überhaupt viel zu hoch und ganz außerhalb seiner Begrifftsphärr. Ich habe einen neuen Ctandpunct ge wonnen, so frei, so erhaben, daß alle Verstanbe-bedenkcn tief unter mir liegen bleiben. Soll ich Ihnen sagen, wir bas zugegangen. Fräulein Hildegard? — Ich kam nach Hanse und saß in unserer alten Kircke, wo ick al- Kink meine ersten Gebete gestammelt. Sic war inzwischen wahrlich nicht schöner geworden, aber ick sab die Sonnenstrahlen in farbigen Lichtern auf dem Ziegelpflaster spielen, sab die grüne» Zweige der alten Bäume draußen nicken und grüßen. Und daun er brauste die Orgel, und dann stimmte iw ein in den Genieinde- gesang, und dann sprach mein Bater. mein guter, rechtschaffener Vater, in seiner schlichten, berzlichen Weise, wie ich ibn seit srükester Kindbeit sprechen gehört. Und da fühlte ich mit un zerstörbarer Gewißheit: Hier ist ineine Heimakd, mrin Vater bau-, und nicht- soll mir die« thruerstcErbe meinerBätcr rauben, keine dünkelbasle Mcnschenwri«beit, keine kränkliche Zaghaftig keit. kein Zweifeln und Schwanken. Ich weiß, daß ,ch meinen menschlichen Brüdern wobllhun kann al« ibr geistlicher Be- ratber, und alle- Ucdrige stelle ich dem Herrn anheim, der mich besser kennt, al- ich mich selbst. Er wird meine irrenden Säirittr lenken. Alma die beim Blumenpflücke» immer weiter zurückaewichen, s«h. baß die beiden Andern strdeu geblieben, daß Hildegard dem Eandidaten ihre Hand reichte und er in lebhafter Be ilegung seine Lippen darauf drückte. Da« arme kleine Mädchen f iblte plötzlich mit einem gransamen Druck aus ihren Herzen, daß sie dort überflüssig war. Di« Briden gingen langsam, gl», in ibr Gespräch vertieft, vorwart«, ohne sich nach ihr uttzusehen unv blieben abermal- stehen. Richard riß Blätter v)n eine», Gebüsch, da- seine Seite streifte, zerpreßte sie zwischen den Fingern und ivars sie zu Bode«. Alma lehnte a» einen, schlanken Baumstamm', der unter ihrem leichten D.uck erzitterte — oder tbeilte sich ihm da« Leben mit, da« si> von Kops zu Fuß durchlief? Sie preßte die Hand aus« Herz und schloß dir Augen, ihr War, al« müsse sie zu Loben sinken. Großer Gott, sie batt« ja nicht grabnt, daß r« so schrecklich schwer sein könnte, zweien Menschen, die man leide von -Herzen liebt, ihr Glück zu gönnen. Wenn die Beiden jetzt aus sie zukamen» Hand in Land, einig'für« Leben. dann mußte sie ihnen Glück wünschen, warm und ausrichtig, ein Lackeln auf de» Lippen. Aber Gott wollte sic nicht über ihre Krast prüfen. Die Briden dort hatten sich bereit« getrennt. Hildegard kam näher, Richard «hat ein paar rasche Schritte hinter ibr brr, dlieb dann wie versteinert stebrn, kehrte endlich um und ent fernte sich unsichern Gange«, Alma folgte ihm mit den Augen, de- Präsidentschaft-Posten« denken würde. Schon de- balb bat er für da« stöwste Amt der französischen Republik die günstigste Aussicht, weil er. ebenso wie Earnot, dev Sprosie einer sogcnannlen republikanischen Dtzaastie ist. Man kann e- ibm nun nicht obne Weitere« verdenke», daß er bei dieser Sachlage durchaus nicht geneigt war, sich als Ministerpräsident in kurzer Zeit verbrauchen zu lassen — den» das ist ja da- LooS der meisten Ministerpräsidenten in Frankreich. Außerdem wollte Earnot bekanntlich durchaus cm neue- „Evn.cntration-ministerium" durchsetzen, wahrend Eastmir Pürier mit allen seinen Freunden der Ansicht war, daß nur ein einheitliche» gemäßigte« Cabinet am Platze sei. D,c Krisis begann dann immer deutlicher ihre Spitze gegen de» Skaai-chc« zu richten; sagte mau ihm von gemäßigter Seite dock nach, daß er die böse Absicht habe, Casimir Pürier unter ungünstigen Umständen zur Uebernahme der Minister- präsidemschast zu verleiten und ibn dadurch al« Bewerber für die Präsidentschaft der Republik unmöglich zu machen. Endlich nmßle Carnot nacckgeben. Gcängstiat durch di« von allere Seiten auf ibn cinsiürnienden Angriff«, zog er sich plötzlich in die formelle Rolle eines verfassungsmäßigen Republik- Präsidenten zurück, ließ die Präsidenten der Kammer und tc« Senat- zu sich kommen und bat um ibren Rath mit der Versicherung, ikrem Wink schlechthin folgen zu wollen. So wurde den» beschlossen, baß da- neue Eavinet auf alle Fall« kein Concenlratioii-niinisterium. sondern eine gleichartig« republikanisch - gemäßigte Regierung sein solle. Auf dieser Grundlage übernahm bau» zunächst Spul! er» ein alter Führer der Opportunisten, die Bildung de« CabinetS, womit er. wa- die Personenfragc betraf, sehr rasch zum Ziele zu kommen schien. Allein ibm begegneten ernste Schwierigkeiten anderer Art. Bekanntlich ist die Rücksicht aus Rußland jetzt das oberste politische Leit motiv »i Frankreich: Spuller ist aber kein Schwärmer für kaS russticke Büudniß. Dazu kommt sein germanische« Blut, denn er ist der Sohn von au« Baden in Frankreich eioge- qewankerteii Eltern. Da- Wunder, daß sich in einer gewiffen Presse sofort ein gcwalligcs Geschrei gegen den „Badener", gegen den „R»ffc»feind" erhob! Ja, ta- Lüginczerüick» wurde anSgcslreut, der russische Botschafter v. Mphrenbeim stabe erklärt, er könne, weu» ein Cabinet Spullep gebildet würde, nicht in Paris bleibe». Unter diese» Umständen zog dann Spuller vor, auf den Auftrag der EabinetShildung zu verzichten, und begab sich zo de« Ka»»evpriiffd«tL» Easimir Pürier, der sich nun endlich bereit finden ließ, den von den Freunden ist,» geebneten Weg zu betreten. Casimir Pürier ist neck jung. Er ist am 8. November 1847 z» Pari- geboren, stupirtc dir Rechte, nahm t57st/7l al- Hailptmann der Mobilgarbc an brr Vertbeidignng von Pari« tbeil, wurde Eabiucl-ches seine« Vater«, al- derselbe Minister ke- Innern wurde, und trat 1878 in die Kammer rin. >877 wurde er zum UnirrstaatSsecretair im Unterrichts ministerium. 1883 iin Krieg-minfftrrium ernannt. In der Kammer hat er sich als Mitglied der Budgetcommission bervorgelba», auch bat er schon einmal, >885. den Posten des Viccpräsidenten bekleidet. Er genießt wegen seine- gemäßigte», liebenswürdigen Wesen« große- Ansehen in der Kanimcr und stoffl nun wahrscheinlich, mit Hilfe diese- An sehens Herrn Earnot. der ohnehin feine Aussicht auf eine Wiederwahl nicht gebessert bat, den Präsitentenstuhl der Republik vollend- unter dem Leibe fortziehen zu könuen. In -t«llen ist cS bis zur Stunde Herrn Zauardelli noch nicht gelungen, da- neue Ministerinm zu Stande zu bringe». Zauardelli hat mit Saracco conferirt, aber dieser ist sich der Schwierigkeiten der Finanzfrage zu sehr bewußt» um ohne Weitere« die Ber- solange ihr von Tckräucn verdunkelter Blick ihn zwischen den Bäumen zu erkennen vermochten. „Du hast hier gewartet, Alma?" sagt« Hildegard, sie zärtlich umsastend. „Warum bleibst Du nicht bei unS? Das wäre viel bester gewesen." Ihre Stimme statte einen dunkeln, vibrirenden Ton, ihre gewöhnlich etwa- blassen Wangen waren lebhaft gefärbt, ihre Augen brannten. „Sie sab schön au- in dieser Erregung", meinte Alma, „aber nickt glücklich, eher zornig." „Was ist geschehen, Hilda?" fragte sie zaghaft. „Lu Haft Lasten doch nickt etwa beleidigt? WeSbalb grkt er fort?" „Weil er ein Thor ist", erwiderte Hildegard, di« Brauen unwillig zusammenziehend. „Komm, Alma, e- lohnt nickt, sich über die Verkehrtheiten der Menschen zu erhitzen. Ach das hübsche Sträußchen! Dort wachsen noch mehr Vergiß meinnicht. Komm nur, wir werden Lasten im Hause finden. Es »st nicht« geschehen, gar nicht«, da- der Rede wertb «Hrr." Allein Richard batte Jemanden, von der Dienerschaft be austragi, ihn bei drrgnätigrn Frau zu entschuldigen uttd war sortgcfabren. Leim Mittagsessen saßen sich die drei Schwester» allein gegenüber, auch He»nz mar nach Rautenbura geritten. Bertha war verstimmt und klagte über Kopftvest. Pie beipßn Anderen hingen ihren eigenen Gedanken nach, di« wohl bei keiner von iknen freudige waren. Nachmittag« legte Bertha sich auf ihrem Divan auf der Veranda zurecht. Alma tändelte mit dem Kinde »nd Hilde gard ging, ibr Gepäck zn rüsten. Ei» paar Stunden mochten so vergangen sein Bertha war erwacht» batte den kleinen Aldo bei fick, und Alma war in den Garte» biinintergegangen, einige Pflanzenableger zu suchen. Da ließ sich der Galopp eine- Pferde« jensrit« per Gartenhecke vernehmen. Jetzt ertönte Waldemar'« scharfe Eommantostimme: DaS Tbor aus! —" und gleich darauf sprengte er über den Kie-platz, auf dir Veranda zu. „Papa, Papa!" jauchzte da- Kind und lief auf die breite Freitreppe zu „Hurvad, Junge, jetzt stole ick Dick!" ries Waldemar. Der Rappe stand, mit den Vorderfüßen ungeduldig pochend und fauchend, auf de» untern Treppenstufen. Da« Kind jubelte dem Vater zu und begann mit seinen unsicheren Füß cken die Treppe binab,»klettern. Bertba stürzte vor und r«ß c- zurück. Waldemar « Antlitz glühir, seine Augen sunkekteu. er hatte offenbar viel getrunken und war in der auSgrlafftusten Lannc. ,Tckun sic Dir nicht den Willen, mein Sobo? Wart',
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